Archiv der Kategorie: Harr

Digitales Parkgebet am 8.4.2021 von Pf.i.R. Michael Harr

(hier als pdf)
(und hier alle Lieder und Texte)

Liebe Freundinnen und Freunde,

am Sonntag feierten wir Ostern und weil es so ein schönes Fest ist, reicht uns ein Tag dafür nicht aus. Darum haben wir zur freudigen Erinnerung und Feier auch noch einen Ostermontag gehabt. Ostern eröffnet für uns eine ganz andere Glaubenswelt, als sie die germanischen Vorfahren hatten und als sie viele andere Menschen in dieser Welt haben. Durch die Auferstehung von Jesus Christus tun sich ganz neue Horizonte auf. Da will eine neue Kraft, eine neue Zuversicht in unseren manchmal beklemmten und kleinmütigen Herzen lebendig werden.

Zu den Überzeugungen der alten germanischen, vorchristlichen Glaubenswelt gehörte die Erzählung von Ragnarök, von der Götterdämmerung, in der die Welt und die Götter untergehen werden. Für die alten Germanen ging alles einer großen, apokalyptischen Zerstörung entgegen. Sie lebten im Schatten des bevorstehenden Weltuntergangs, hinter dem allenfalls ahnungsweise und schattenhaft eine neue Welt sich auftun würde.

Diese Angst, dass alles dem Untergang entgegen gehe, kennen wir auch sehr gut. Wenn ich mich recht entsinne, warf Franz Alt gegen Ende der 80-er Jahre die Frage auf, ob wir Weihnachten noch erleben werden. Das war in einem Frühjahr und wir lebten damals unter dem starken Eindruck eines drohenden Atomkrieges und kurz vor der Havarie stehender Atomkraftwerke. Und das waren damals wahrlich keine unrealistischen Szenarien!

Heute sind andere Befürchtungen in den Vordergrund getreten. Da sind die Sorgen vor den Folgen des Klimawandels und vor den Folgen der Corona-Seuche. Manche treibt um, was die Corona-Maßnahmen aus unserem Staat und unserer Gesellschaft machen und noch machen werden.

Wir kennen auch solche apokalyptischen Ängste um unsere eigene Existenz, um unsere Gesundheit und um die unserer Angehörigen. Weiterlesen

Parkgebet digital am 28. Januar 2021 von Pfr.i.R. Michael Harr über Lukas 6, 36

(hier als pdf-Datei)
(und hier alle Lieder und Texte dieses Parkgebets)

Jesus Christus spricht.
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“
Lukas 6, Vers 36

Ich möchte noch einen Text von Wolf Biermann anfügen, der uns wohl allen bekannt ist.

Du, lass dich nicht verhärten
In dieser harten Zeit.
Die allzu hart sind, brechen
Die allzu spitz sind, stechen
Und brechen ab sogleich
Und brechen ab sogleich

 

Die Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 haben uns verändert. Ich will wahrlich nicht so weit gehen zu sagen, dass sie uns zu anderen Menschen gemacht haben, aber sie haben doch das Leben vieler von uns verändert. Das alles ist an unserem Seelenleben nicht spurlos vorübergegangen.

Wir haben vielleicht neu gemerkt, wie sehr wir andere Menschen brauchen – gerade auch dann, wenn wir dem Unrecht und der Korruption entgegentreten wollen. Wir haben an vielen Punkten gemerkt, dass wir gar nicht so machtlos und gegenüber den Mächtigen so hilflos sind, wie wir vielleicht immer dachten. Wir haben neue Freundschaften geschlossen und alte wiederbelebt.

Wir haben auf der anderen Seite auch Gefühle von Wut, Enttäuschung und Verbitterung in uns gespürt. Wir mussten durch dunkle Stunden wie nach der Volksabstimmung und durch Resignation hindurch.

Wir haben gemerkt und erfahren, dass es wahrlich nicht nur um einen Bahnhof geht, sondern auch um unseren Platz in der Stadt, in dieser Welt und wie wir mit den Zuständen in Politik und Gesellschaft umgehen. Und wir haben eben auch gespürt, dass das an unserem Seelenleben nicht spurlos vorübergeht.

Darum wollen wir am Beginn dieses neuen Jahres auf das Bibelwort hören, das uns als Jahreslosung für dieses Jahr gegeben ist. Es ist ein Wort, das uns in der Bergpredigt des Lukas-Evangeliums überliefert ist. Jesus sagt hier: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“

Ich sehe da erst einmal ein Problem, eine Schwierigkeit. Jesus gibt hier eine Anweisung: Seid barmherzig!, aber geht das denn? Kann man das anordnen? Man kann sagen: Tu dieses oder tu jenes! Hol den Krankenwagen! Spende Geld! Man kann anweisen, dass etwas getan wird, aber kann man auch anweisen, dass sich das Herz ändert? Kann man das so anordnen, dass wir nicht nur anders handeln, sondern auch zu anderen Menschen werden? Da bin ich sicher: „Man“ kann das nicht. Das geht nicht, aber Jesus hat etwas Neues in die Welt gebracht. Das ist sein Geist, das ist das Vorbild seiner Güte und vor allem ist das diese Botschaft, dieses Evangelium: Gott, euer Vater und eure Mutter, ist barmherzig, ist die Liebe, hat ein weites Herz.

Nicht Befehle und Anweisungen oder gar Drohungen und angsteinflößendes Reden von Gott verändern uns, sondern diese Kraft zum Neuen ist in dieser Verkündigung, die Jesus gebracht hat. Er stellt uns Gott neu vor und das kann uns verändern – uns und auch die anderen.

Man hat uns oft als „Wutbürger“ bezeichnet. Sicher nicht immer zu Unrecht! Wie oft haben wir eine Stinkwut gehabt. Als damals der schwarze Donnerstag war, war ich gerade in Berlin, bekam einen Anruf und hörte so, was in Stuttgart lief. Ich stand dann am Zaun vor dem Bundeskanzleramt und habe meine Wut hinausgeschrien. Ich hätte das vorher nicht für möglich gehalten, dass ich so meinen Zorn herauslassen könnte. Ich möchte aber betonen: Wir haben unserer Wut nicht freien Lauf gelassen, auch wenn Provokateure uns genau dazu verleiten sollten.

Wir hatten den langen Atem zum Widerstand gegen Stuttgart 21 nicht aus Wut heraus, sondern weil wir gute Gefühle, weil wir Verantwortung in unseren Herzen haben und hatten. Und das hoffe ich weiterhin, dass weder Wut noch Resignation unsere Herzen erfüllen, sondern der Geist Gottes, der barmherzige und gute Gedanken in uns lebendig werden lässt.

Jesus stellt uns das Vorbild Gottes vor Augen. Vor allem dazu hat er uns seine Gleichnisse wie das vom verlorenen Sohn und von dessen Bruder und Vater erzählt. Er stellt uns Bilder vor Augen, die unsere Herzen bewegen und ansprechen können – unsere Herzen und die Herzen auch der anderen, die Herzen auch derer, die diesen Irrsinn von Stuttgart 21 zu verantworten haben und so vieles andere, was in dieser Welt schlecht und böse läuft.

Vor einigen Tagen kam mir der Gedanke, wie es Donald Trump, dieser Zwittergestalt aus Despoten und Hofnarr, jetzt wohl gehe. Ich hoffe und will dafür beten, dass ihm Gedanken von Einsicht und Reue kommen.

Darum wollen wir bitten für uns und die anderen und auch die, die uns fremd und feindlich sind, dass wir der Kraft der Liebe Gottes vertrauen können – auch in diesem Jahr. Dann kann es für uns ein gesegnetes Jahr mit unserem Gott werden.

Der „feurige Elias“ und die Bahnpolitik von Pf.i.R. Michael Harr

Im Privatisierungswahn der 90-er-Jahre wurde es zu einer Art volkswirtschaftlichen Dogmas erhoben, dass der Staat unfähig sei, seine Aufgaben ordentlich zu erfüllen. Daher sollte auch die Deutsche Bahn privatisiert werden. Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft bekam man noch hin, aber dann ging es nicht weiter – und das war gut so. So ist nach wir vor die Bundesrepublik Deutschland Alleineigentümerin der Bahn.

Inzwischen wurde wieder deutlicher erkannt, dass öffentliche Aufgaben in öffentliche Hand gehören und nicht in die Hand Privater, die nur auf Profit aus sind. Auch die Aufgaben der Eisenbahn gehören somit in der Regel in die Hand der Allgemeinheit und damit des Staates, der dem Allgemeinwohl verpflichtet zu sein hat und nicht den wirtschaftlichen Interessen einzelner.

Die Kritik an einer Vergötzung privater Bereicherung ist durchaus nicht Neues. Daran erinnert uns eine alte volkstümliche Bezeichnung für Dampflokomotiven und ihre Eisenbahnstecken als „Feuriger Elias“. Diese Bezeichnung wurde und wird für verschiedene Bahnstrecken und Lokomotiven verwandt. Dabei dürfte kaum jemandem bewusst sein, dass uns damit biblische Geschichten in Erinnerung gerufen werden, in denen der Prophet Elias (in der Lutherbibel „Elia“) eine bedeutende Rolle spielt. Erzählt werden uns diese Geschichten im Alten Testament vom 1. Buch der Könige, Kap. 17 bis zum 2. Buch der Könige, Kap. 2. Die Zeit der Wirksamkeit des Propheten ist im 9. Jahrhundert vor Christus anzusetzen.

Das war eine Zeit, in der das alte Israel an einem Scheideweg stand. Zum einen waren im Volk die alten Traditionen lebendig. Es wurde erzählt von Jahwe, dem Gott, der das Volk Israel aus der Knechtschaft, aus der Sklaverei in Ägypten geführt hatte und ihm Heimat und Ruhe in dem Land gab, das er ihm verheißen hatte. Dieser Gott erschien seinem Volk nicht in Tempeln und Götterstatuen. Das war der Gott, der mitgeht, der seine Leute führt und begleitet und sie seine Hilfe und seinen Beistand erfahren lässt. In seinem Handeln, nicht in Bildnissen ist er bei seinen Leuten.

Auf der anderen Seite standen diejenigen, die meinten, eine neue Zeit sei angebrochen. Jetzt gelte es, nicht mehr, überholte religiöse Vorstellungen zu pflegen, sondern sich den Göttern des Landes und damit den Göttern einer neuen Zeit zu öffnen. Die Götter des Landes, die Baale, – das seien die neuen Gottheiten, auf die man jetzt bauen und vertrauen müsse. In deren Kulten ging es dann vor allem um Reichtum, Wohlergehen, fette Ernten, Wohlstand und Fruchtbarkeit. Das waren Gottheiten der Reichen und Mächtigen. Die besonderen Erfahrungen der Befreiung der Geknechteten und der Führung durch die Wüste unter Mose hatten in dieser Religion keinen Platz mehr.

„Elia“ heißt zu Deutsch „Mein Gott ist Jahwe“. Dieser Name ist Programm. Wobei auch erwähnt werden soll, dass dieser Name “Jahwe“ von den Juden nicht ausgesprochen wird, um jeden Missbrauch des Namens zu vermeiden. Stattdessen wird bei der Bibellesung dort, wo dieses Wort auftaucht, „Adonai“ gesagt, zu Deutsch „Herr“. So wird dieses Wort auch in unseren Bibeln wiedergegeben und zwar mit einem großen H und einem großen E am Anfang. In den Lutherbibeln ist das deutlich. Vielleicht schauen sie einfach mal selbst nach.

Elia kämpfte für diesen Gott und seine Gebote. Er widersprach einer Religion, in der es nur um Wohlergehen, Wohlstand und Reichtum geht. Er trat dafür ein, von dem Gott, der sein Volk befreit hatte, auch das tägliche Brot zu erwarten, sowie er das Volk bei der Wüstenwanderung immer neu versorgt hatte. Dieser Gott gibt auch die Fruchtbarkeit des Landes und er steht auf der Seite der Armen und Unterdrückten.

Gegen Ende seiner Wirksamkeit übergibt Elia diesen Auftrag an seinen Schüler Elisa weiter und wird selbst in den Himmel, zu Gott entrückt und zwar wird er abgeholt von einem feurigen Wagen. Er stirbt also nicht, sondern wird auf wunderbare Weise in die andere Welt Gottes erhoben. So wurde er für Israel eine messianische Gestalt und an Jesus wurde die Erwartung herangetragen, ein neuer oder der wiedergekommene Elia zu sein. Ja, Jesus nahm selbst in seiner Verkündigung Elemente der Verkündigung und der Erinnerung an Elia auf.

Soweit zum biblischen Elia und seinen Traditionen.

Nach diesem feurigen Wagen, der Elia aus dieser Welt abholte, wurden dann Dampflokomotiven, diese neuen feurigen Wagen, als „Feuriger Elias“ benannt.

Wir haben heute in frommen Kreisen immer wieder mit Leuten zu tun, die ein „Wohlstandsevangelium“ verkünden. Deren Botschaft ist die, dass die diejenigen, die an Christus glauben und seinen Weg gehen, gesegnet werden. Das soll heißen, dass diejenigen wohlhabend und reich werden. Der Reichtum zeige, dass man auf Gottes Seite stehe. Die Armen sind darum arm, weil sie nicht den Segen Gottes empfangen können. Sie sind damit eben vor allem selbst an ihrer Lage schuld und sollen sich erst einmal bekehren. Eine wichtige Vertreterin dieses Wohlstandsevangeliums ist Paula White. Sie war die erste Frau, die als Geistliche bei der Amtseinführung eines Präsidenten, nämlich der von Donald Trump, ein Gebet sprach. Man kann sie auf einem interessanten YouTube-video sehen, wo sie um den Sieg Donald Trumps den Himmel anfleht.

Ich halte das für einen modernen Baalskult, der Gott auf der Seite der Reichen und Mächtigen verortet und nicht dort, wo es um die Verantwortung für die Gemeinschaft und um die Rechte der Armen und Arbeitenden geht. Das ist nicht der Gott, den Jesus uns verkündigte. Das ist der Baal derer, die Macht und Reichtum eigensüchtig missbrauchen.

Jesus ruft uns zur Umkehr auf einen anderen Weg.

Und damit sind wir bei Stuttgart 21: Dass man die Bahn zum Aktienunternehmen machte und damit eine öffentliche Aufgabe privatisieren wollte, war eine der Fehlentwicklungen einer dem Gemeinwohl gegenüber gleichgültigen kapitalistischen Denkweise. Leute wie Mehdorn, die den Berliner Flughafen genauso verpfuscht haben wie den Stuttgarter Bahnhof, sind dafür verantwortlich. Darin erkenne ich den Baalskult der heutigen Zeit. Es ist Zeit zur Buße!

Michael Harr

PS: Wer mal Paula White erleben möchte, kann sich das auf YouTube antun unter: „Paula White Leads Impassioned Prayer in Bid to Secure Donald Trump’s Re-election: ‚I Hear Victory'“

Bibelarbeit zu 5. Mose 22, Vers 8

„Wenn du ein neues Haus baust, so mache ein Geländer ringsum auf deinem Dache, damit du nicht Blutschuld auf dein Haus lädst, wenn jemand herabfällt.“

Wer in der Bibel nach dem Wort „Bahnhof“ oder „Stuttgart 21“ sucht, wird dabei ganz bestimmt nicht fündig. Das ist ebenso bei Worten wie „Pränataldiagnostik“ oder „Pandemie“. Diese simple Feststellung enthebt uns nicht der Aufgabe, für dringende ethische Fragen und aktuelle Problemstellungen angemessene Antworten bei den Weisungen der Bibel zu suchen. Wenn eine Gruppe sich „Theolog/innen gegen Stuttgart 21“ nennt, dann beansprucht sie damit, dass die Auseinandersetzungen um „Stuttgart 21“ eine theologische Bedeutung haben und nicht nur eine politische Fragestellung sind, die ethisch irrelevant ist wie zum Beispiel die Frage, ob die Müllabfuhr am Dienstag oder am Mittwoch kommt.

Wenn wir in der Bibel nach Antworten zu dieser Problematik suchen, dann findet sich dieser oben angeführte aufschlussreiche Text aus dem 5. Buch Mose / Deuteronomium, der das Thema „Bausicherheit“ erörtert und zu einem Thema der göttlichen Weisung und damit der Ethik macht. Dabei kann es sehr konkret werden. In diesem Kapitel des 5. Buches Mose werden auf dem Hintergrund der Gesellschaft des alten Israels verschiedene lebenspraktische Fragen erörtert und geregelt.

Hinter dieser Weisung zu Geländern auf Dächern steht die Architektur Israels, die aufgrund des trockenen Klimas Flachdächer baute.  Solche Dächer konnten als Wohnraum oder hauswirtschaftlich oder in anderer Weise genutzt werden und waren daher zugänglich. Durch die Zugänglichkeit entstand die Gefahr, dass Menschen ganz einfach hinabfielen, wenn sie nicht aufpassten, und dabei ganz erheblichen Schaden erleiden konnten. Daher war es nicht nur sinnvoll, sondern auch dringend geboten, solche Flachdächer mit einem Geländer zu versehen. Dabei ist noch zu beachten, dass besonders Kinder und unachtsam Menschen auf ungesicherten Dächern in Gefahr geraten konnten.

Nun war ein solches Geländer so ziemlich das letzte, was an einem Flachdachbau zu erstellen war. Wenn alles sonst fertig war, dann ging es an dieses Geländer – oder eben auch nicht. Es wird auch in der Antike nicht anders gewesen sein als heutzutage, dass sich während des Baus allzu oft die Kosten erhöhten und man dann am Ende überlegte, wo man sparen kann und auf was man verzichten kann. Es dürfte für so manche Bauherrschaft nahe gelegen haben, auf dieses Geländer zu verzichten. Schließlich konnte man sich ja sagen, dass die Leute, die auf das Dach gehen, aufpassen sollen und wer das nicht tut und dann hinunterfällt, selbst schuld ist.

Solchen Ausreden wird von diesem biblischen Gebot ein klarer Riegel vorgeschoben. Wer ein Haus baut, ist auch für die nötige Sicherheit verantwortlich. Wer dafür die Bereitschaft oder das Geld nicht hat, darf nicht bauen. Wer baut ohne für die nötige Sicherheit zu sorgen, lädt im Schadensfall Blutschuld auf sich. Wer kein Geländer baut, ist dafür verantwortlich, wenn jemand herunterfällt, und ist dafür zur Rechenschaft zu ziehen.

Nun müssen wir bei den Regelungen des Alten Testaments immer auch die Frage stellen, wie sie im Licht des Neuen Testaments und im Licht der Botschaft Jesu Christi zu betrachten sind. Haben sie für uns noch in dieser Weise einen bindenden Charakter oder gehören sie einer anderen Epoche in der Geschichte Gottes mit seinem Volk an? Zu den Regelungen, die für uns keine unmittelbar bindende Bedeutung haben, gehören etwa die Regelungen, die den Tempelgottesdienst betreffen. Sie sind für uns zu verstehen im Licht dessen, dass nicht mehr im Jerusalemer Tempel, sondern in der Person Jesu Christi die Gegenwart Gottes in unserer Welt zu suchen und zu finden ist. Dazu gehören auch Regelungen zum Komplex „Rein – Unrein“, die zu verstehen sind im Licht dessen, dass in Jesus Gott anfängt, seine Welt und seine Menschen neu zu heiligen und zu reinigen.

Bei dieser Regelung zum Thema „Geländer auf Flachdächern“ muss es somit um die Frage gehen, ob dieses Gebot lebensdienlich ist und dem Gebot der Nächstenliebe entspricht. Es dürfte unstrittig sein, dass im Licht der Erscheinung und Botschaft Jesu dieses Gebot in ungebrochener Bedeutung weiterbesteht und Geltung entfaltet. Die Verantwortung für die Mitmenschen gebietet nach wie vor, Flachdächer, die man als Lebens- und Wirtschaftsraum nutzt, auch mit einem Geländer zu versehen. Ja, wir müssen feststellen, dass das Gebot der Bausicherheit sich nicht nur auf Flachdächer bezieht, sondern analog für Bauwerke aller Art zu gelten hat. Wer wissentlich die Sicherheit dessen, was er baut, missachtet und so baut, dass damit erhebliche Gefahren geschaffen werden, macht sich schuldig und wird verantwortlich für die Schäden, die Menschen erleiden.

Zum Thema Stuttgart 21 ist möchte ich daher einen Feuerwehrkommandanten der Region Stuttgart zitieren: „Das mit dem Brandschutz bei Stuttgart 21 ist ganz einfach. Die ganzen Diskussionen und Überlegungen sind alle völlig überflüssig. Es ist einfach so: Wenn es da unten brennt, kommt niemand mehr heraus und wir von der Feuerwehr gehen da auch nicht runter. Wir warten ab, bis sich der Rauch verzogen hat und holen dann die Leichen heraus. Damit ist zum Brandschutz von Stuttgart 21 alles gesagt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“

Auch im Licht biblischer Weisung fällt uns dazu schon noch etwas ein, was es dazu zu sagen gibt: „Oben bleiben!!“

Pfr.i.R. Michael Harr

Nadelstiche beim Kirchentag

Aktionen gegen Stuttgart 21 gehören seit einigen Jahren zur Begleitmusik des Kirchentags. Auch beim Berliner Kirchentag, der vor kurzem über die Bühne ging, gab es diese:
jeden Tag einen Schwabenstreich am Potsdamer Platz, direkt beim DB-Gebäude.

Es sei daran erinnert, dass der Kirchentag vor zwei Jahren nach Stuttgart gekommen war, ausdrücklich auch wegen des bürgerschaftlichen Engagements gegen Stuttgart 21. Nach dem die Entscheidung für Stuttgart dann gefallen war, hat irgendjemand daran gedreht und dafür gesorgt, dass dieses Thema aus der Agenda des Kirchentags gänzlich verschwand: Nur aufgrund großen Drucks von unserer Seite, gab es wenigstens eine einzige (und bemüht ausgewogene) Veranstaltung zu Stuttgart 21. Ansonsten dröhnendes Schweigen.

Umso wichtiger ist es, dass wir das Thema auf den Kirchentagen nicht ruhen lassen – alle zwei Jahre wieder.

In Berlin war es dieses Jahr keine Massendemonstration – das Thema ist offenbar in Kirchenkreisen gänzlich aus dem Blick. Sondern es war eher die Schar der Unentwegten, die sich hier traf: Sie sorgte für deutlich hörbare Schwabenstreiche. Und: Sie verteilte größere Mengen Informationsmaterial und führte Gespräche mit erstaunten Passant/innen und hoch interessierten Polizeibeamten.

Es war nicht der große Hammer, was da in Berlin geschah. Sondern es waren Nadelstiche gegen Stuttgart 21. Aber Nadelstiche, die deutlich machten:
„Ihr werdet uns nicht los. Wir euch schon.“

Der Berliner Kirchentag und S 21

Vor einigen Monaten, als die ersten Überlegungen zu einem täglichen Schwabenstreich auf dem Berliner Kirchentag anliefen, sagte ein Bekannter zu mir. „Das ist doch völlig überflüssig. Bis dahin ist das doch Stuttgart 21 längst erledigt.“ Leider hat besagter Bekannter nicht recht behalten, sondern der Irrsinn bohrt sich weiter durch den Stuttgarter Untergrund.

Und noch hartnäckiger ist unser Protest dagegen.

Erinnern wir uns an die massive Zensur, die auf dem Stuttgarter Kirchentag ausgeübt wurde.  Hoffen wir, dass sich das  in Berlin nicht fortsetzt. Kirchentag will in seinem Grundgedanken dem Raum geben, was das Kirchenvolk bewegt, und nicht dem, was kirchliche Obrigkeit als zu denken für nötig erachtet.

Daher:
Kommt zum Potsdamer Platz und macht Euren Protest sichtbar und hörbar!

Und an die Bahn-Oberen:  „Ihr werdet uns nicht los – wir euch schon!“

Michael Harr

Kein Kirchentag ohne Demo gegen S 21!

Seit Jahren veranstalten hartnäckige S21-Gegner/innen jede Woche in Berlin am Potsdamer Platz einen Schwabenstreich gegen den Irrsinn.

Auch während des Kirchentags (24. bis 28. Mai) haben wir einen täglichen Schwabenstreich am Potsdamer Platz vor dem DB-Gebäude angemeldet.

Wir treffen uns dort an drei Abenden zu Demo und Schwabenstreich: Donnerstag, 25., Freitag, 26. und Samstag, 27. Mai,
jeweils von 18.45 bis 19.15

Ihr werdet uns nicht los – auch nicht auf dem Kirchentag.

Nach dem Kirchentag ist vor dem Kirchentag

Vom 24. bis 28. Mai 2018 soll der nächste Kirchentag über die Bühne gehen – zum einen in der Bundeshauptstadt Berlin, zum anderen in dem doch eher provinziellen, wenngleich historisch bedeutsamen Wittenberg.
Gemäß dem Motto: „Ihr werdet uns nicht los – wir euch schon“, werden wir auch diesmal dabei sein. Genau genommen hoffen wir, dass das Thema Stuttgart 21 bis dahin erledigt ist, aber schaden kann es trotzdem nicht, den Protest auf dem Kirchentag schon mal vorzubereiten.
Nun ist Berlin von Stuttgart aus gesehen zwar am anderen Ende der Republik, aber mit seinem Flughafenprojekt BER stellt sich auch hier die Frage nach unverantwortlich und unfähig geplanten Großvorhaben der deutschen Bauindustrie.
Wöchentlich und zwar derzeit jeden Dienstag um 19.00 Uhr findet vor dem DB-Sitz am Potsdamer Platz ein Schwabenstreich gegen Stuttgart 21 statt. Auch so wird der Protest wachgehalten. Wer mal in Berlin ist und das einrichten kann, ist immer zum Mitdemonstrieren herzlich willkommen.
Was im Einzelnen geplant wird, werden wir noch sehen. Wir halten Euch auf dem Laufenden. Jedenfalls muss klar sein: So lange der Irrsinn von S 21 nicht aufhört, soll es auch keinen Kirchentag ohne Protest gegen diesen Irrsinn geben!

Denkmalpflege, Barbarei und Unglauben

Sehr lesenswert ist im neuen Heft der Denkmalstiftung Baden-Württemberg „Denkmalstiftung 4 / 2015“ ein Interview mit dem emeritierten Bauhistoriker Dietrich W. Schmidt. Die bei den für das Bauwesen in Stuttgart Verantwortlichen seit Jahrzehnten vorherrschende Stimmung „Weg mit dem alten Glomp!“ wird von ihm kommentiert mit den Worten „Aber in Stuttgart hat(te) die Denkmalpflege einen furchtbaren Stand.“

Von der Zerstörung des Steinhauses bis zur Zerstörung des Reichsbahndirektoriums und der Flügel des Bonatz-Baus ist ein erschreckend weiter Bogen zu schlagen. Der verächtliche Umgang mit hochwertiger historischer Bausubstanz ist eine einzige Schande für diese Stadt.

Das ist auch theologisch relevant. Dabei sei Friedrich Daniel Schleiermacher zitiert. „Soll der Knoten der Geschichte so auseinander gehen? Das Christentum mit der Barbarei und die Wissenschaft mit dem Unglauben?“

Der Widerstand gegen den barbarischen Umgang mit der kulturellen Überlieferung sollte sich für Christen und Kirche von selbst verstehen. Die barbarische Zerstörung von Kulturgütern geht sehr schnell mit Menschenverachtung Hand in Hand.

Das Heft kann bestellt werden unter: denkmalstiftung-baden-wuerttemberg.de

Michael Harr

Brief 7 / Stuttgart 21 und der Kirchentag

Der Kirchentag ist vorbei, und es soll nun doch noch eine kleine Nachlese geben, was sich konkret aus dem ergeben hat, was auf dieser Seite in den Briefen zu Stuttgart 21 zum Kirchentag und gesagt wurde.
Zwei Punkte sind es, die ich dabei besonders in den Vordergrund stellen will. Zum einen geht es um die Frage nach der Sicherheit des Kirchentags und zum anderen um die Frage nach dem Ausschluss vieler Gruppen und Initiativen von dieser kirchlichen Großveranstaltung.

Es ist festzuhalten, dass es keine nennenswerten Sicherheits-Probleme und -Schwierigkeiten gegeben hat. Nach meiner Beobachtung haben sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verkehrsbetriebe sehr um einen reibungslosen Verlauf gekümmert. Ihnen soll für ihre Arbeit unter dieser manchmal erheblichen Hitze an dieser Stelle auch gedankt werden.
Waren die Befürchtungen, dass die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher des Kirchentags nicht hinreichend gewährleistet sei, damit überflüssig? Weiterlesen

Brief 6 / Stuttgart 21 und der Kirchentag

Kirchentag zwischen Banalität und Sicherheitsrisiko?

Wer das Publik Forum-Heft vom 8. Mai 2015 gelesen hat, der stieß dort auf ein Thema, zu dem ich schon lange etwas schreiben wollte. Nun ist es schon mal klar gesagt: Die Kirchentagsleitung hat kritische Gruppen, die der Meinung sind, dass der Kopf nicht vor allem dazu da ist, dass man ihn in den Sand steckt, systematisch aus dem Kirchentag herausgehalten.
Es ist mir ja selbst so passiert, dass mir Mitte des letzten Jahres gesagt wurde, dass eine von mir und anderen geplante Veranstaltung zum NSU-Komplex nicht ins Programm könne. Das sei schon voll. Die Behauptung „Das Programm ist schon voll.“ haben dann auch andere Anti-Faschisten, Friedensbewegte, Palästina-Engagierte, Tierschützer usw. zu hören bekommen.
Nun gibt es stattdessen eine Fülle von Veranstaltungen, die man aus dem Kirchentag draußen gehalten hat und die nun selbst organsiert stattfinden. Das, was man bisher nur von Katholikentagen kannte, nämlich so etwas wie einen alternativen Katholikentag, einen „Katholikentag von Unten“, eigene Veranstaltungen von Publik Forum, das haben wir jetzt auch auf dem evangelischen Kirchentag. Man muss es klar sagen: Der evangelische Kirchentag hat sich verändert, und zwar nicht zu seinem Vorteil, sondern zu seinem Nachteil. Der Stuttgarter Kirchentag ist insofern ein Meilenstein auf dem Weg zu einer Kirche, die bewusst den Weg in die Bedeutungslosigkeit wählt. Die Banalität der württembergischen Beiträge in Hamburg darf als bezeichnend für diese Entwicklung gesehen werden.
Was hat das mit Stuttgart 21 zu tun? Weiterlesen

Brief 5 / Stuttgart 21 und der Kirchentag

Nachdem wir uns beim letzten Mal mit der Beinahe-Katastrophe zur Zeit der Eröffnungsgottesdienste befasst haben, wollen wir uns diesmal der Frage zuwenden, welche Beiträge aus dem Bereich unserer Landeskirche auf dem Kirchentag gegeben wurden und wie über sie in der kirchlichen Presse berichtet wurde. Dabei soll es vorrangig darum gehen, was das mit unserer Frage „S 21 und der Kirchentag“ zu tun hat.

Unsere Landeskirche betrieb in Hamburg ein „Stuttgarter Gasthaus“, bei dem sie sich und ihre Arbeit vorstellte. Dazu gab es Volksbelustigungsaktionen wie zum Beispiel einen „Schwäbischen Kehrwochenwettbewerb“. Verbunden damit war eine Bühne, auf der Diskussionsveranstaltungen stattfanden, die irgendwie von den württembergischen Vertreterinnen und Vertretern, den „Südsternen“, wie sie sich nannten, organisiert wurden.

Das fand im alten Hamburger Hafenviertel an den Magellan-Brücken statt. Als ein Menetekel aus dem Ruder gelaufener Großprojekte erhob sich im Hintergrund die Elbphilharmonie und gab auch schon damit ein Thema vor.

Was hat das Gemeindeglied, das nicht in Hamburg dabei war, etwa aus dem Evangelischen Gemeindeblatt über die Aktivitäten seiner Landeskirche in Hamburg erfahren?

Es war davon zu lesen, dass eine württembergische Pfarrermannschaft beim Fußballwettbewerb „popen open“ den 1. Preis gewonnen habe. Dann wurde fleißig berichtet von dem „Schwäbischen Kehrwochenwettbewerb“. Dabei ging darum, wer die Straße am besten fegt oder so. Das war`s dann, was zu lesen war. Von inhaltlichen Beiträgen, von einer Verkündigung des Wortes Gottes aus württembergischem Mund, von wegweisenden Worten württembergischer Theologie war absolut nichts zu erfahren. Es wurde der Eindruck erweckt, dass außer banalen Volksbelustigungsversuchen nichts in dieser Landeskirche geboten werde. Es wurde der Eindruck erweckt, dass die wesentlichen Kompetenzen württembergischer Theologenschaft in ihren Waden stecke und nicht in ihren Hirnen.

Fazit: Eine Kirche, die ihre Arbeit selbst banalisiert, schafft sich selbst ab. Wozu soll ein Kirchentag noch sinnvoll sein, wen auf ihm auf die drängenden Fragen der Zeit keine biblisch fundierten Antworten gesucht werden?

Gott sei Dank stimmte der Eindruck, den die württembergische Kirchenpresse erweckte, nicht. Württembergische Theologen haben auf dem Kirchentag Stellung bezogen, auch zu Stuttgart 21. Wirklich bemerkenswert waren die Äußerungen des Stuttgarter Prälaten Mack, der sich an einer Diskussionsrunde zur Stadtentwicklung beteiligte. Ausgehend von der Auslegung der Jahreslosung „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondernd die zukünftige suchen wir.“ wandte er sich gegen die Vernutzung der Innenstädte für Luxuswohnungen und Shopping. Er forderte eine bürgerschaftliche Stadt, in der sozial schwächere Menschen und kinderreiche Familien ihren Platz haben und nicht verdrängt werden. Mit scharfen Worten wandte er sich gegen den Abriss einer Kirche im Zusammenhang mit dem Bau des Shoppingcenters im Gerber-Viertel und fand dann noch Worte zu Stuttgart 21. Oder besser gesagt zu der politischen Durchsetzung und Durchführung des Projekts. Dies kommentierte er mit den Worten „So geht’s gar nicht.“

Seine Worte riefen nicht nur in der Versammlung, sondern auch bei den Stadtplanern und Architekten auf dem Forum große Zustimmung hervor. Sie wurden als wegweisend für den Städtebau anerkannt und eine Fehlentwicklung des Städtebaus in Richtung Kommerzialisierung der Innenstädte bedauert.

Es war geradezu ein Bußruf von Prälat Mack an den Städtebau, nicht für Kaptalinteressen, sondern für die Menschen die Städte zu entwickeln – und das aus der Auslegung des biblischen Wortes heraus. Das war ein Lehrstück politischer Predigt und wäre es wert gewesen, in den Verlautbarungen unserer Landeskirche veröffentlicht zu werden.

Nun, war das nicht alles, was Württemberger in Hamburg gesagt haben. Mit einer eigenen Veranstaltung zum Widerstand gegen Rechtsextremismus und Stuttgart 21 soll sich der nächste Brief befassen.

Brief 4 / Stuttgart 21 und der Kirchentag

Es ist an der Zeit, wieder einen Brief zum Kirchentag zu verfassen, wobei eine Erfahrung auf dem Hamburger Kirchentag noch im Hinblick auf Stuttgart 21 zu bearbeiten ist.
Was uns nämlich beim Gedanken an den Stuttgarter Kirchentag in hohem Maße beunruhigt, ist die Frage, wie auf der größten Baustelle Europas die Sicherheit bei einer solchen Großveranstaltung gewährleitstet werden kann und wie Kirchentagsleitung und Behörden mit dieser Frage umgehen. Wenig beruhigend war es jedenfalls, wie mit einem hochgefährlichen Brand im Hamburger Hafen während des Kirchentags-Eröffnungsgottesdienstes umgegangen wurde und wie er in der Folgezeit vertuscht wurde.
Als ich bei einem der Eröffnungsgottesdienste in der Nähe des Hafens war, fiel mir intensives Sirenengeheul auf. Als dieses länger anhielt, wurde ich doch unruhig und machte mir schon mal Gedanken, was hier los sein könnte und ob eine Gefahr für die Menschen bei diesem Gottesdienst gegeben sein könnte.
Ich wartete auf Informationen von den Verantwortlichen und auf Anweisungen, wie man sich zu verhalten habe. Als nichts Derartiges kam und das Sirenengeheul dann auch nachließ, ging ich davon aus, dass die Gefährdung bewältigt worden sei.
Auch in den nächsten Tagen war nichts darüber zu hören, was losgewesen war und insofern machte ich mir darüber auch keine Gedanken mehr.
Erst Wochen später erfuhr man durch Recherchen des NDR, dass ein Frachter, beladen mit Uranhexafluorid und anderem radioaktiven Material, sowie mit Industriealkohol und Munition 16 Stunden lang gebrannt habe. Er konnte erst gelöscht werden, nachdem die Hamburger Feuerwehr die Fässer mit dem radioaktiven Material von Hand vom Schiff getragen hatte. Das Uranhexafluorid in den Fässern hätte hochgiftige Flusssäure entstehen lassen, wenn man sie mit Wasser gelöscht hätte. Kohlendioxid, mit dem hätte gelöscht werden können, stand zu diesem Zeitpunkt in ganz Norddeutschland nicht zur Verfügung.
Über diese extreme Gefährdung für die ganze Stadt Hamburg und die Besucher/innen des Kirchentags wurde auch nach ihrem Bekanntwerden durch die Recherchen des NDR wenig berichtet. In offiziellen Organen der Kirchen oder des Kirchentags wurde überhaupt nicht davon berichte, dass die Besucher/innen dieser kirchlichen Großveranstaltung solchen Gefahren ausgesetzt waren, während sie beim Gebet versammelt gewesen waren.

Daher stellt sich die Frage, welches Sicherheitsbewusstsein denn überhaupt bei den Verantwortlichen des Kirchentags vorhanden ist. Es stellt sich die Frage, ob die Verantwortlichen bereit sind, kritisch genug die Sicherheitsbeteuerungen der örtlichen Behörden und Verkehrsbetriebe zu hinterfragen.
In einer Stadt wie Stuttgart, die unter anderem durch ihre Kessellage extrem schwer zu „entfluchten“ ist (wie man das beim Katstrophenschutz nennt), müsste die Frage nach der Sicherheit vorrangige Bedeutung haben. Auf die größte Baustelle Europas in einer solchen topographischen Lage zeitgleich den Kirchentag mit über 100.000 und auch noch den Christustag mit zusätzlich rund 20.000 Besucher/innen einzuladen, ist mit erheblichen Risiken behaftet.
Die Erfahrung von Hamburg zeigt, dass der Kirchentag mit der Gefahrenlage nicht offen umgeht. Man agiert nach dem Motto „Wird schon gut gehen.“

Nun, wir wollen hoffen, dass alles gut geht – aber verantwortlicher Umgang mit den Gefahren einer Großveranstaltung sieht anders aus.

Brief 3 / Stuttgart 21 und der Kirchentag

Es dürfte für manche interessant sein, wie sich die vergangenen Kirchentage zu der Problematik von Stuttgart 21 gestellt haben. Wie im 1. Brief berichtet wurde, nahm ja die Leitung des Kirchentags bei ihrer Sitzung im Februar 2011 in Neudietendorf die Einladung zum Kirchentag nach Stuttgart an und begründete dies mit den neuen Formen offener und öffentlicher Debatte, dem nachhaltigen Protest und dem zivilgesellschaftliches Engagement gegen Stuttgart 21.

Nun sollte man annehmen, dass der darauf folgende Kirchentag, der vom 1. bis 5. Juni 2011 in Dresden stattfand, diese positive Stellungnahme zum Widerstand gegen Stuttgart 21 fortsetzen und der Widerstandsbewegung Raum geben würde. Dies konnte man auch annehmen, da er unter dem Präsidium der “grünen“ Politikerin Katrin Göring-Eckardt stand. Aber weit gefehlt!!

Der einzige, der zum Thema sprach, war der „Schlichter“ Heiner Geißler. Dem Wunsch einer Gruppe von Gegner/innen unter Leitung von Henning Zierock, bei der betreffenden Veranstaltung zu Wort kommen zu können, wurde nicht entsprochen.

Im Anschluss gab es daher eine Kundgebung unter freiem Himmel auf dem Gelände des Kirchentags. Dabei tauchte plötzlich die Polizei auf und verlangte die Vorlage einer Genehmigung. Als der Polizei von Henning Zierock geantwortet wurde, dass zu einer solchen kleinen spontanen Kundgebung unter freiem Himmel keine Anmeldung oder Genehmigung nötig sei, schloss sich die Polizei dieser Ansicht an und zog ihrer Wege. Es war den Beamten wohl eh nicht ersichtlich, warum man sie holt, um ein paar Leuten, die auf dem Gelände des Kirchentags ihre Meinung friedlich und sachlich vortragen, den Mund zu verbieten.

Man fragt sich dann schon, wer das Thema Stuttgart 21 dermaßen aus dem Kirchentag herausgehalten und sogar noch gegen eine Handvoll Gegner/innen des Projekts die Polizei zum Einsatz gebracht hat. Es kann doch nur die Leitung des Kirchentags gewesen sein, von der sich im Übrigen niemand blicken oder sprechen ließ.

Vor dem Hamburger Kirchentag 2013 dann, als es darum ging, wie sich dieser Kirchentag positionieren wird und als es zu einer wachsenden Distanz zwischen den Bündnisgrünen und den Gegner/innen von Stuttgart 21 kam, wollte ich im Vorfeld des Kirchentags auf Frau Göring-Eckardt zugehen und bat um eine Gesprächsmöglichkeit am Rande des Kirchentags . Man soll ja nichts unversucht lassen.

In meinem Mail an das Büro von Frau Göring-Eckardt ging ich auch auf die Vorkommnisse von Dresden, speziell den Polizeieinsatz, ein. Die Mitarbeiterin von Frau Göring-Eckardt antwortete inhaltlich substanzlos, aber zog in Zweifel, dass die Polizei gegen unsere Kundgebung gerufen worden sei. Ich teilte ihr mit, dass ich dabei gewesen sei und es daher nicht sinnvoll sei, dies mit mir zu diskutieren. Darauf erfolgte keine Antwort mehr.

Nach wie vor bleibt offen und unklar, wie sich inzwischen die Verantwortlichen des Kirchentags zu Stuttgart 21 und zum Widerstand positionieren. Es ist leider zu vermuten, dass es im Vorfeld von Dresden zu massiven Einflussnahmen, um nicht zu sagen Pressionen, gekommen sein muss.

Wie es dann in Hamburg weiterging, soll im nächsten Brief berichtet werden.

Michael Harr

Brief 2 / Stuttgart 21 und der Kirchentag

Heute Morgen wurde per newsletter das Geheimnis gelüftet. Die Orte des Stuttgarter Kirchentags sind die Innenstadt und der „Neckarpark“ – und nicht die Messe Stuttgart.
Man fragt sich, naiv wie unsereins ist, warum so eine aufwendige Messe gebaut wurde, wenn sie für eine Großveranstaltung wie den Kirchentag nicht geeignet ist. Die Messe auf dem Killesberg war es ehedem gewesen.
Vielleicht ist es ja doch nicht so, wie Claus Schmiedel, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Landtag und eingefleischte S 21-Befürworter, vollmundig behauptete, nämlich dass Gottes Segen auf der Stuttgarter Messe ruhe und so wie er auf der Messe ruhe, so liege er auch auf Stuttgart 21. Das nur mal so am Rande zur Erinnerung.
Interessant an der heutigen Nachricht ist, dass uns mitgeteilt wird, dass das Band des Schlossgartens geeignet sei, ampelfrei zu Fuß oder Fahrrad sich zwischen den beiden Zentren von Innenstadt und Neckarpark zu bewegen. Ganz ehrlich: Wer wandern will, braucht dazu keinen Kirchentag. Diese Mitteilung ist das Eingeständnis, dass der Stuttgarter Verkehr nicht imstande sein wird, für einen sicheren und halbwegs zügigen Transport der zu erwartende Menschenmassen zu sorgen.
Man wird darauf angewiesen sein, sich mit eigenen Kräften fortzubewegen. Schon ohne Stuttgart 21 ist die Stuttgarter Verkehrssituation überaus angespannt. Die Topographie Stuttgarts ist eben, wie sie ist mit ihrer Kessellage. Dazu kommen die elende S-Bahn-Engführung zwischen Hauptbahnhof und Schwabstrasse – und dann noch Stuttgart 21 – und dann noch der Kirchentag!!
Wer da glaubt, halbwegs pünktlich und sicher zu den angesteuerten Veranstaltungen kommen zu können, weiß nicht, was hier los ist.
Was in der heutigen Mitteilung verschwiegen wird, ist, dass der besagte Schlossgarten an seiner wichtigsten Stelle, nämlich wo man in die Innenstadt überwechselt, eben nicht mehr vorhanden ist. Dort ist nur noch das Nadelöhr eines Asphaltwegs entlang den Bauzäunen der Wüstenei von Stuttgart 21. Schon bei der Vorstellung, dort zwischen dicht gepressten Menschenmassen durch zu müssen, löst bei mir Beklemmungen aus.
Und man fragt sich, was wohl passiert, wenn der Druck der gepressten Menschenmassen dazu führt, dass die Bauzäune nicht mehr standhalten und die Menschenmassen die Baubrache einnehmen? Stehen und liegen dann schon die Wasserwerfer und Pfeffersprays bereit, um die öffentliche Unordnung in dieser Stadt wiederherzustellen?
Man muss deutlich sagen: Wer mobilitätseingeschränkt, gehbehindert, gebrechlich ist, zu Platzangst in gepressten Menschenmassen und dunklen Kellern neigt, sollte sich in dieser Zeit lieber etwas anderes vornehmen. Der Bayrische Wald hat seine schönen Ecken.
Wer fit, sportlich und abenteuerlustig ist, kann es als Abenteuerurlaub nehmen, auf den Stuttgarter Kirchentag zu kommen und – das ist wichtig – diese Veranstaltung zur 5-tägigen Dauerdemonstration gegen unverantwortliche Bauprojekte und schweigsame Kirchenleitungen machen.
Egal wo man auf dem Kirchentag sein wird: Für eine Anti-S 21-Demo wird immer der richtige Ort und Moment sein.

Brief 1 / Stuttgart 21 und der Kirchentag

In loser Folge wollen wir die in den nächsten Monaten die Vorbereitung und die Durchführung des Stuttgarter Kirchentags aus der Sicht des Widerstandes gegen Stuttgart 21 kommentieren. Hierzu kommt heute „Brief 1 / Stuttgart 21 und der Kirchentag“

Im kommenden Jahr ist der Kirchentag in Stuttgart geplant, der alle zwei Jahre in wechselnden Städten Deutschlands stattfindet und evangelische Christ/innen und andere Mitmenschen aus aller Welt in großer Zahl zusammenführt.

Nun war 2011 eine wesentliche Begründung dafür, die Einladung zum Kirchentag 2015 nach Stuttgart anzunehmen, der massive bürgerschaftliche Protest gegen das Bauprojekt von Stuttgart 21. Diese Begründung wird darum hier wiedergegeben:

„Die Stadt des 35. Deutschen Evangelischen Kirchentages hat während der zurückliegenden Monate im Streit um das Projekt „Stuttgart 21“ neue Formen offener und öffentlicher Debatte erlebt. Nachhaltiger Protest und zivilgesellschaftliches Engagement haben eine landesweite Diskussion über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Entscheidungen in der Demokratie ausgelöst. In diesem Kontext hat der Kirchentag die Einladung nach Stuttgart besonders gern angenommen.“

Uns erscheint es wichtig, dies immer wieder in Erinnerung zu rufen und darauf deutlich hinzuweisen.

Nun ist bemerkenswert, dass es zwar einen vom Landesbischof eingesetzten Lenkungskreis für den Kirchentag gibt, an dem jedoch niemand beteiligt ist, der nach unserer Kenntnis im Widerstand gegen S 21 engagiert ist. Es wurde jedenfalls der christlich motivierte Widerstand, etwa der Theolog/innen gegen S 21“ nicht zu diesem Lenkungskreis eingeladen.

Hingegen wird der Stuttgarter Kirchentag verbunden mit dem evangelikal-pietistischen „Christustag“. Wir haben ja nichts gegen den Christustag, wir sind gegen Stuttgart 21, aber wir fragen schon, wer diese Änderung der Ausrichtung des Stuttgarter Kirchentags von einer bürgerschaftlich-zivilgesellschaftlichen Thematik hin zu einer pietistischen Großveranstaltung zuwege gebracht hat. Ob wir darauf jemals eine Antwort bekommen werden?

(Nicht-) äußerung der Kirchenleitung zur Tunneltaufe

Die evangelische Landeskirche glaubt immer noch, sich aus S21 heraushalten zu dürfen.
Von Georg Eberhardt, dem Assistenten des Bischofs kam eine Mail folgenden Inhalts:

„Sehr geehrter Herr Harr,
nachdem sich nun ja etliche Missverständnisse klären ließen – der selbstkritischen Äußerung des evangelisch-meth. Kollegen will ich nichts hinzufügen -, möchte ich Ihnen ein frohes Christfest wünschen.“

Naja, man kann abwarten, wie lange die Kirchenleitung die Politik des „nichts sehen – nichts hören – nichts sagen“ noch durchhält.
Noch eine Bemerkung sei gestattet mit der Frage, was denn bei der evangelisch-methodistischen Kirche so diskutiert wird. Auf dem Hamburger Kirchentag wurde beim württembergischen Zentrum eine interessante Diskussion geführt, an der auch Prälat Mack teilnahm.
Deutlich und einhellig wurde verurteilt die Vernutzung der Stadtflächen für Luxuswohnungen und Shopping auf Kosten des Raums für Öffentlichkeit, bürgerliches Zusammenleben, Gottesdienst, Raum für sozial schwache Menschen und Familien. Konkret wurde die Zerstörung einer historischen und denkmalgeschützten  methodistischen Kirche zugunsten des neuen Einkaufzentrums im Gerberviertel angesprochen.
Hier wurde ein bauliches Kleinod in der Stuttgarter Innenstadt, eine Perle methodistischen Kirchenbaus zerstört und dem Mammon geopfert. Wer diese Kirche kannte, kann nur mit Wehmut und Empörung daran denken. Aber dafür Tunnel taufen!!

Herzliche Einladung an alle evangelisch-methodistischen Glaubensgeschwister zur Demo am nächsten Montag. Bei den Kismet-Treffen der „Theologe/innen gegen S 21“ sind selbstverständlich auch freikirchliche Kolleg/innen herzlich willkommen.

Michael Harr

Nachlese zur „Tunneltaufe“

Als erstes muss fest gehalten werden: Es war kein Pfarrer der Evangelischen Landeskirche, der bei der „Tunneltaufe“ am Barbaratag mitgewirkt hat. Es war der Leitende Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche in Esslingen, Markus Bauder, der an dieser Veranstaltung mitwirkte und durch seine Begrüßung „im Namen der Kirchen“ den Eindruck erweckt hatte, eben auch im Auftrag der Landeskirche zu sprechen

Insofern müssen wir die Überschrift des früheren Beitrags „Landeskirchlicher Pfarrer tauft Tunnel“ korrigieren.

Wir baten Markus Bauder um eine Stellungnahme zu seiner Mitwirkung an der „Tunneltaufe“. Vor allem wurde er gefragt, ob er dazu autorisiert worden sei, im Namen der Landeskirche an dieser Tunneltaufe mitzuwirken. Wir frugen auch beim Evangelischen Oberkirchenrat in Stuttgart nach, ob Pastor Bauder autorisiert worden sei, für die Landeskirche zu sprechen. Bislang kam auf diese Frage noch keine Antwort.

Markus Bauder erklärte folgendes:
Die ökumenische Barbarafeier wurde von mir nicht im Namen der Kirchen „eröffnet“, sie fand „im Namen Gottes, der Vaters, der Sohnes und des Heiligen Geistes“ statt. „Im Namen der Kirchen“ habe ich die Mineure, Arbeiter und anderen Gäste „begrüßt“. Dieser Unterschied ist mir schon wichtig.
Ich gebe zu, dass diese Formulierung möglicherweise etwas ungeschickt war. Ich hätte besser sagen sollen „Ich begrüße Sie als ein Vertreter der Kirchen“.
Des Weitern legt Markus Bauder darauf Wert, dass er nur gebetet habe für den Segen und den Schutz Gottes für die Mineure und Arbeiter bei der gefährlichen Arbeit im Berg. Damit sei keine Stellungnahme zu Stuttgart 21 verbunden gewesen. Dies sei ein Projekt, dem gegenüber er viele Bedenken der Gegner teile, aber die Volksabstimmung respektieren wolle.
Wie es überhaupt dazu kam, dass er dabei war, erklärt er mit einer Anfrage des katholischen Betriebseelsorgers zu S 21, des katholischen Diakons, der die Barbara-Statue weihte und zur Bedeutung der Heiligen Barbara predigte.

Soweit die Erklärungen von Pastor Bauder.

Dazu soll fest gehalten werden: Pastor Bauder erweckte den Eindruck, von den Kirchen, und das heißt auch von der Evangelischen Landeskirche autorisiert, bei dieser Veranstaltung dabei zu sein. Weiterlesen

S21-Gegnerin siegt bei Kirchenwahl landeskirchlicher Pfarrer „tauft“ S21-Tunnel (Korrektur: nicht landeskirchlicher, sondern freikirchlicher Pfarrer „tauft“ S21-Tunnel)

Die Kirchenwahl ist vorbei. Wir gratulieren Brigitte Lösch, deren Wahl wir empfohlen hatten, für ihren 1. Platz bei der Wahl in Stuttgart. Auch darin kann man, so man es denn will, etwas davon erkennen, wie das Stuttgarter Kirchenvolk zu großen Teilen denkt. Der Herr Landesbischof hat zur Wahl (laut „Stuttgarter Zeitung“ vom 3. Dezember) bemerkt: „In einem großstädtischen Bereich leben viele Menschen, die sich bewusst gesamtgesellschaftlicher Fragen und Fragen des Zusammenlebens annehmen.“ Nun, wo er recht hat, hat er recht, aber als Dorfpfarrer darf ich ergänzen: Solche Leute leben nicht nur in der Großstadt, sondern auch in der Kleinstadt und auf den Dörfern. Und: Nach unserer Ansicht ist das nicht nur Sache von Menschen in der Großstadt, sondern Fragen des Zusammenlebens und gesamtgesellschaftliche Fragen sind per se auch Fragen der Kirche.

Wenn wir an den Kirchentag in Hamburg denken, von dem in der kirchlichen Presse Württembergs nur zu lesen war, dass die württembergischen Pfarrer die besten Kicker beim „popen open“ waren und dann noch etwas von diesem unsäglichen Kehrwochenwettbewerb, dann kommen einem schon Zweifel, ob diese Kirche sich ihres Auftrags bewusst ist.

Und wenn wir denken, welches Chaos beim Nahverkehr schon da ist und welch größeres noch droht, aber dennoch unverdrossen nach Stuttgart auf die größte Baustelle Europas zum Kirchentag eingeladen wird, dann fasst man sich schon gelegentlich an den Kopf.

Es ist an der Zeit für biblisch begründete und theologisch durchdachte Worte zu der architektonischen, ökologischen und sozialen Verwüstungszone, die Stuttgart 21 durch Stadt und Land legt. Nur zu schweigen, kann für unsere Kirche nicht mehr reichen.

Soweit dieser Artikel, bevor der Autor auf youtube ein Video sah und feststellen musste, dass unsere Landeskirche doch nicht mehr zu Stuttgart 21 schweigt. In ihrem Auftrag fleht ein mir unbekannter Kollege auf dem Hintergrund des DB-Logos den Segen Gottes bei der „Tunneltaufe“ in Untertürkheim auf dieses Projekt herab. Dazu fallen mir im Moment leider nur noch nicht-theologische Worte ein, die ich aufgrund meiner guten Kinderstube weder in den Mund nehmen, noch zu Papier bringen will. Wer sich das antun will und kann, schaue http://youtu.be/XLCXDJgVcVc bzw. http://youtu.be/ca-YnCXij88 .

Ich war nicht imstande, mir das zur Gänze anzuschauen. Das hat mich psychisch überfordert. Da kann ich nur sagen: Es wäre doch besser die Landeskirche würde schweigen, als bei so was mitzumachen.

Michael Harr

Aufruf zur Wahl der Württ. Landessynode am 1. Dezember

Die evangelischen Kirchenwahlen rücken heran. Am Sonntag, den 1. Advent ist es soweit, dass die evangelischen Kirchengemeinderäte in Baden und Württemberg und die Landessynode in Württemberg gewählt werden.
Sonderlich spannend war es in diesem „Wahlkampf“ ja nicht, was geboten wurde. Es fällt mir nichts dazu ein, was zu einem so inhaltsleeren Vorgeplänkel zu diesen Wahlen zu sagen sein sollte. Selbst Andreas Koch auf der Seite „koch meint“ ist dazu nichts mehr eingefallen.
Man fragt sich schon, ob diese Kirche noch etwas zu irgendwas zu sagen haben will.

Aber so weit so schlecht. Unsere Gruppe „Theolog/innen gegen Stuttgart 21“ hat versucht, mit einer theologisch begründeten Erklärung zu Stuttgart 21 ein Thema in diesem „Wahlkampf“ aufzugreifen, das den Menschen in diesem Land auf den Nägeln brennt. Die biblische Botschaft ist nicht ein Wort aufs Leere hin, sondern will in aller Vorläufigkeit Menschen und Welt gestalten und verändern – auch in Stuttgart.
Zu unserer Erklärung gab es eine kleine Diskussion auf unserer Website und ein paar Rektionen von Personen, die für die Synode kandidieren.

Wir wollen nun alle evangelischen Kirchenmitglieder unter den Stuttgart 21-Gegner/innen auffordern, an diesen Wahlen teilzunehmen und ihre Stimme abzugeben. Es geht auch darum zu zeigen, dass es uns gibt und dass unser Widerstand auch aus der Mitte der Gesellschaft und der Kirche kommt. Wir wollen darum zur Wahlteilnahme dringend auffordern, auch wenn wir längst wissen, dass mit Wählen allein noch lange nichts getan ist.

Wir sind keine Randgruppe, sondern sind auch innerhalb der evangelischen Landeskirchen eine weit vernetzte Bewegung, die wahrgenommen und gehört wird.
Unsere Initiative gibt keine Wahlempfehlung für eine der Synodalgruppen ab, die bei diesen Wahlen antreten. Es hat keine von ihnen sich so geäußert, dass wir das tun könnten. Dennoch soll darauf hingewiesen werden, dass zu unserer Initiative „Theolog/innen gegen Stuttgart 21“ Sabine Löw zählt, die in Stuttgart für die Gruppe „Kirche für morgen“ antritt; wir können es empfehlen sie zu wählen. Sowie Brigitte Lösch von der „Offenen Kirche“, die ebenfalls zur Widerstandsbewegung gegen den Irrsinn zählt. Außerdem hat schon vor langer Zeit Markus Brenner, ebenfalls Kandidat der Gruppe „Kirche für morgen“ im Kirchenkreis Stuttgart, auf dieser Internetseite die „Gemeinsame Erklärung gegen S21“ unterschrieben.

Darum nochmals: Nehmen Sie diese Wahl zum Anlass, die Bedeutung unserer Bewegung auch in der evangelischen Kirche deutlich zu machen. Gerade im Vorfeld des Stuttgarter Kirchentags 2015, der auf der größten Baustelle Europas stattfinden soll, ist es wichtig, auch diese Chance zu nutzen. Wir sind da und wir bleiben da, auch in der evangelischen Kirche.

Michael Harr

„Gestalten – wie schaumgeboren“

Bei der Anhörung zu den Einwendungen gegen das Grundwassermanagement musste am 16. Juli 2013 Regierungsdirektor Joachim Henrichsmeyer von der Aufgabe, diese Anhörung zu leiten, entbunden werden. Es erschien nicht mehr gewährleistet, dass er für diese Aufgabe hinreichend unparteiisch sei.
Grund zu den Zweifeln an seiner Eignung für diese Aufgabe war unter anderem, dass er dereinst mit der Vokabel „schaumgeboren“ in hübscher und blumiger Weise das Erscheinen der Gegner/innen auf der Baustelle von Stuttgart 21 mit dem Auftauchen der Aphrodite, der altgriechischen Göttin der Liebe und Schönheit, aus dem Schaum des Meeres verglichen hatte. Damit hatte er sich unzweifelhaft Verdienste um die Pflege der deutschen Sprache erworben, denn ein solches Wort wie „schaumgeboren“ ist es wert, der Vergessenheit entrissen zu werden.
Das Wort „Gestalten“ ist von ihm in diesem Zusammenhang leider unglücklich gewählt gewesen. Sein Gebrauch der Vokabel „Gestalten“ erinnert an die „Zueignung“ aus Goethes „Faust“, 1.Teil: „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.“ Das passt nun nicht so recht zu der erotischen Anmutung der schaumgeborenen Göttin Aphrodite und deren plötzlichem Auftauchen aus dem Meer.
Es sei hierzu noch auf die Darstellung Botticellis „Geburt der Venus“ (Venus als römische Entsprechung zur griechischen Aphrodite) hingewiesen. Eindrücklich ist auch die Zitation dieser Schaumgeburt in den James Bond-Filmen „James Bond jagt Dr. No“ (Honey Rider / Ursula Andress entsteigt dem Meer) und „Stirbt an einem anderen Tag“, wo Jacintha Jinx Johnson / Halle Berry aus dem Meer auftaucht.
Wer will, kann Herrn Henrichsmeyers Darlegungen, die bei der Anhörung zum Grundwassermanagement am 16. Juli 2013 eine große Rolle spielten, selbst nachlesen unter:
https://kochmeint.wordpress.com/2011/11/20/volk-stimm-ab, und zwar dort im vierten Kommentar.
Nun hat Joachim Henrichsmeyer im Laufe der Jahre sich nicht nur Verdienste um die deutsche Sprache erworben. Als Jurist und Beamter hat er in seiner unerschrockenen Weise an mehreren Stellen einen bemerkenswerten Einsatz für den Natur- und Landschaftsschutz, den Denkmalschutz und die Bekämpfung der Drogenkriminalität in Baden-Württemberg gezeigt. Das soll trotz seiner problematischen Äußerungen zu Stuttgart 21 auch erwähnt werden.
Es wäre jedenfalls eine tolle „Schaumgeburt“, wenn Joachim Henrichsmeyer demnächst überraschend bei einer Montagsdemonstration auftauchen würde. Wer weiß?

Michael Harr

Kirchentags-Lenkungsausschuss – lame duck?

Es hat keinerlei Einsendungen zu unserem Preisausschreiben gegeben. Niemand hat jemanden gefunden, der oder die im Lenkungsausschuss, den der Herr Landesbischof einberufen hatte, die Anliegen der Stuttgart 21-Gegner und -gegnerinnen zu artikulieren bereit ist.

Dennoch gab es aus zuverlässigen Quellen Mitteilungen, die wir der Öffentlichkeit nicht vorenthalten wollen. Wir  nennen unsere Quellen einfach mal „Württemberg 1“ und „Württemberg 2“.
„Württemberg 1“ berichtete, dass unter den für den Kirchentag verantwortlichen Personen aus Württemberg eine große Zahl von Personen sei, die schon auch irgendwie eigentlich gegen Stuttgart 21 seien, aber dies eben nicht öffentlich sagen würden. Aha, wer hätte das gedacht?
Wir können alle heimlichen Stuttgart 21-Gegner/innen nur auffordern, sich zu outen und nicht bloss hählinge im stillen Kämmerlein ihre Ansichten im Herzen zu bewegen. Denn genau das erwarten die Betreiber dieses irrsinnigen Projekts, dass man eben den Mund hält. Also: Macht ihn auf, auch wenn das nicht karriereförderlich ist.
„Württemberg 2“ berichtete, dass es sinnlos sei, im Lenkungsausschuss vertreten sein zu wollen. Der Ausschuss habe eh nichts zu sagen, da alles in Fulda entschieden werde.
Das ist natürlich ein Argument, denn wir als Gegnerinnen und Gegner dieses Projektes haben nun wirklich Besseres zu tun, als unsere Zeit in sinnlosen Sitzungen eines sinnlosen Ausschusses zu verplempern.
Daher beenden wir das Preisausschreiben, wünschen den Ausschussmitgliedern beim gemeinsamen Kaffeetrinken viel Vergnügen und wenden uns hinkünftig der wichtigen Frage zu, wie die Sicherheit in Stuttgart 2015 gewährleistet werden soll. Dazu wollen wir demnächst Näheres berichten.
Michael Harr