S21-Gegnerin siegt bei Kirchenwahl landeskirchlicher Pfarrer „tauft“ S21-Tunnel (Korrektur: nicht landeskirchlicher, sondern freikirchlicher Pfarrer „tauft“ S21-Tunnel)

Die Kirchenwahl ist vorbei. Wir gratulieren Brigitte Lösch, deren Wahl wir empfohlen hatten, für ihren 1. Platz bei der Wahl in Stuttgart. Auch darin kann man, so man es denn will, etwas davon erkennen, wie das Stuttgarter Kirchenvolk zu großen Teilen denkt. Der Herr Landesbischof hat zur Wahl (laut „Stuttgarter Zeitung“ vom 3. Dezember) bemerkt: „In einem großstädtischen Bereich leben viele Menschen, die sich bewusst gesamtgesellschaftlicher Fragen und Fragen des Zusammenlebens annehmen.“ Nun, wo er recht hat, hat er recht, aber als Dorfpfarrer darf ich ergänzen: Solche Leute leben nicht nur in der Großstadt, sondern auch in der Kleinstadt und auf den Dörfern. Und: Nach unserer Ansicht ist das nicht nur Sache von Menschen in der Großstadt, sondern Fragen des Zusammenlebens und gesamtgesellschaftliche Fragen sind per se auch Fragen der Kirche.

Wenn wir an den Kirchentag in Hamburg denken, von dem in der kirchlichen Presse Württembergs nur zu lesen war, dass die württembergischen Pfarrer die besten Kicker beim „popen open“ waren und dann noch etwas von diesem unsäglichen Kehrwochenwettbewerb, dann kommen einem schon Zweifel, ob diese Kirche sich ihres Auftrags bewusst ist.

Und wenn wir denken, welches Chaos beim Nahverkehr schon da ist und welch größeres noch droht, aber dennoch unverdrossen nach Stuttgart auf die größte Baustelle Europas zum Kirchentag eingeladen wird, dann fasst man sich schon gelegentlich an den Kopf.

Es ist an der Zeit für biblisch begründete und theologisch durchdachte Worte zu der architektonischen, ökologischen und sozialen Verwüstungszone, die Stuttgart 21 durch Stadt und Land legt. Nur zu schweigen, kann für unsere Kirche nicht mehr reichen.

Soweit dieser Artikel, bevor der Autor auf youtube ein Video sah und feststellen musste, dass unsere Landeskirche doch nicht mehr zu Stuttgart 21 schweigt. In ihrem Auftrag fleht ein mir unbekannter Kollege auf dem Hintergrund des DB-Logos den Segen Gottes bei der „Tunneltaufe“ in Untertürkheim auf dieses Projekt herab. Dazu fallen mir im Moment leider nur noch nicht-theologische Worte ein, die ich aufgrund meiner guten Kinderstube weder in den Mund nehmen, noch zu Papier bringen will. Wer sich das antun will und kann, schaue http://youtu.be/XLCXDJgVcVc bzw. http://youtu.be/ca-YnCXij88 .

Ich war nicht imstande, mir das zur Gänze anzuschauen. Das hat mich psychisch überfordert. Da kann ich nur sagen: Es wäre doch besser die Landeskirche würde schweigen, als bei so was mitzumachen.

Michael Harr

9 Antworten zu “S21-Gegnerin siegt bei Kirchenwahl landeskirchlicher Pfarrer „tauft“ S21-Tunnel (Korrektur: nicht landeskirchlicher, sondern freikirchlicher Pfarrer „tauft“ S21-Tunnel)

  1. Friedrich Gehring

    Die beiden Theologen, die bei der S 21-Tunneltaufe am 4. Dezember im Namen der Kirchen und des Dreieinigen Gottes um Schutz und Segen für das Projekt baten, verdienen theologischen Widerspruch. Sie erinnern mich an die Mitglieder der Bekennenden Kirche, die beim Erntedankfest 1939 Gott für den schnellen Sieg in Polen dankten und flehten: „Wir bitten dich droben, du Lenker der Schlachten, mögst stehen uns fernerhin bei.“ Wie die Tunneltaufpfarrer waren sie sich auch damals darüber im Klaren, dass da etwas Gefährliches angefangen wurde. Statt dafür zu werben, diese gefährlichen Projekte lieber sein zu lassen, muss beides Mal Gott als Beschützer herhalten. Aus der Geschichte könnten wir wissen, wie das enden kann. Nach dem verlorenen Krieg sagten viele: „Wie konnte Gott das zulassen?“ Verantwortliche Theologie muss aber fragen: „Wie konnte so von Gott geredet werden?“ Nach 1945 können wir doch nicht mehr Gott für das verantwortlich machen, was Menschen angerichtet haben. Die angemessene Konsequenz war: Von Deutschland darf nie wieder Krieg ausgehen.
    Die S 21-Tunnel sind mangels hinreichenden Brandschutzes für alle Benutzer lebensgefährlich. Was bei einem Brand in einer Tunnelröhre passiert, weiß man spätestens seit der Brandkatastrophe von Kaprun. Schon zuvor wurde deshalb beim Eurotunnel unter dem Ärmelkanal ein spezieller Fluchttunnel gebaut. Wenn ein Bahntunnelsystem wie das von Stuttgart 21 ohne solchen Schutz geplant und vor einer endgültigen Gesamtgenehmigung begonnen wird, dann erscheint eine Bitte um Gottes Schutz so unangemessen wie die Kanzelabkündigung von 1939. Da wird Gott zum Lückenbüßer für menschliche grobe Fahrlässigkeit bei einem nicht nur unnützen und völlig überteuerten, sondern auch sicherheitstechnisch unverantwortlichen Projekt, das alleine einigen wenigen Profiteuren satte Gewinne verspricht auf Kosten der Steuerzahler und Bahnreisenden. Wenn ein solches Projekt mit einem Tunneltaufgottesdienst auch noch religiös verbrämt wird, hat die Bibel dafür klare Urteile: Das ist Gott versucht (Mt 4,11) und ein Missbrauch des Namens Gottes (2. Mose 20,7).
    Friedrich Gehring

  2. Eine christliche Taufe ist keine magische Handlung, mittels derer man göttliche Kräfte auf Menschen oder gar Dinge leiten könnte. Sondern Christen verstehen sie als unverfügbares Geschenk Gottes, das notwendig die Antwort eines ethisch reflektierten Lebens verlangt.
    Wenn hier eine Segenshandlung veranstaltet wird, bei der man auch nicht den geringsten Gedanken daran verschwendet, dass dieser Segen auch eine Verpflichtung(!) an die Gesegneten ist, ihr Handeln vor Gott zu überprüfen – dann ist das finsterer Aberglaube, aber kein christlicher Gottesdienst.
    Wenn bei dieser „Taufe“ kein Wort über die Zerstörungen verloren wird, die dieses Projekt anrichtet, oder nicht wenigstens die Frage in den Raum gestellt wird, ob dieses Tunnelbohren sinnvoll und ethisch zu rechtfertigen ist – dann ist das Gotteslästerung. Denn Gottes Unverfügbarkeit wird gelästert, wenn er in Dienst genommen werden soll, ja, als Ersatz für persönliches verantwortliches Verhalten herangezogen wird.
    Da hilft es auch nicht, wenn diese „Geistlichen“ verbal Gott nur „bitten“ um seinen Segen. Diese Bitte auszusprechen, ohne im selben Atemzug die Gesegneten in die Pflicht zu nehmen, sie zur aufrichtigen Selbstprüfung aufzufordern, ob ihr Tun überhaupt Gottes Segens würdig sein könnte – das dürfen christliche Geistliche nicht tun.
    Es mag sein, dass man in der katholischen Kirche ein „unverkrampfteres“ Verhältnis zu abergläubischem Mummenschanz hat – ein evangelischer Geistlicher kann an so etwas nicht teilnehmen.
    Martin Poguntke

  3. Wenn ich das richtig sehe, ist es ein Pastor der methodistischen Kirche in Esslingen gewesen. Der Kollege sprach „im Namen der Kirchen“, so hört man das im Video (http://www.youtube.com/watch?v=XLCXDJgVcVc&feature=youtu.be————). Deswegen wäre es schon schön, wenn unsere Landeskirche sich äußern würde, ob sie das so in Ordnung fand.

  4. Inzwischen hat es sich geklärt, wer da von evangelischer Seite bei der „Tunneltaufe“ gesprochen hat. Es war Pastor Markus Bauder, der leitende Pastor der evangelisch-methodistischen Kirche in Esslingen. Er sprach (Zitat) „im Namen der Kirchen“. Das möchte ich jetzt schon gern wissen, ob ihn meine Kirchenleitung dazu ermächtigt hat, auch im Namen der Evangelischen Landeskirche von Württemberg zu sprechen.

  5. Inzwischen habe ich an Markus Bauder eine Mail geschickt mit der Anfrage, ob ihn die Leitung der Evangelischen Landeskirche dazu autorisiert hat, auch im Namen der Landeskirche bei dieser Tunneltaufe mitzumachen. Des Weiteren frug ich bei Georg Eberhardt, dem Assistenten des Landesbischofs, nach, ob die Leitung der württembergischen Landeskirche Markus Bauder autorisiert habe, im Namen der Landeskirche aufzutreten. Sobald die Antworten da sind, werden sie hier dokumentiert.

  6. Tunneltaufen sind heutzutage so selbstverständlich wie es seit jeher schon Schiffstaufen sind. Wenn man den Begriff „Tunneltaufe“ und „Schiffstaufe“ in eine Suchmaschine eingibt, findet man zwar zigtausend Quellen, in denen auf ein solches Ereignis Bezug genommen wird, aber überraschenderweise nicht eine einzige kritische Stellungsnahme seitens der Kirchen zur Verwendung des Begriffs „Taufe“ in einem solchen Kontext.
    Bei der katholischen Kirche mag das vielleicht noch angehen, im Zusammenhang der feierlichen Einweihung eines Bauwerks von „Taufe“ zu reden. Warum? Das wird auf dem Hintergrund der katholischen Tradition des Heiligenglaubens verständlich. Heilige dienen den katholischen Gläubigen ja nicht nur als verehrungswürdige Zeugen und Vorbilder des Glaubens, sondern seit etwa dem 4. Jhdt. als „Schutzheilige“ oder „Schutzpatrone“, die man um Schutz und Beistand in besonderen Nöten oder zur Abwehr von Gefahren anrufen kann. Wenn man berücksichtigt, wie beschränkt in früheren Jahrhunderten die Mittel und Methoden waren, sich gegen Gefahren zu schützen oder Krankheiten zu heilen, weil das nötige naturwissenschaftliche Wissen um ihre Ursachen fehlte, ist es durchaus verständlich, dass der Glaube an Schutzheilige weite Verbreitung fand. Das war natürlich ganz im Sinne der Kirche, für die der Heiligenglaube zu einem erfolgreichen und einträglichen Geschäftsmodell wurde und bis heute blieb. Durch Gebete, Opfer, Riten usw. konnte der Gläubige sich der Macht der Heiligen vergewissern und diese sich zunutze machen. Und diesem Glauben an Schutzheilige entsprechend sahen die Gläubigen dann in den Sakramenten, etwa in Taufe und Abendmahl, eine Art „pharmakon“, also eine Arznei, die den Gläubigen stärkte und schützte.
    Dieses von seinem Wesen her magische Verständnis von Heiligenverehrung und Taufe läuft letztlich darauf hinaus, dass der Mensch durch sein Tun und Lassen an seinem Heil zumindest mitwirkt. Er kann aus dem Schatzkästlein der überschüssigen Leistungen der Heiligen schöpfen und diese für sich nutzbar machen. Dabei tritt Christus als der alleinige Heilsvermittler zwischen Gott und Mensch zumindest in den Hintergrund oder wird zur Gänze überflüssig.
    Das dürfte der tiefere Grund sein, weshalb die Reformatoren die Heiligenverehrung ablehnten. Sie betonten, dass Christus der einzige Mittler zwischen Gott und Mensch ist und der Glaube an Christus allein genügt („solus Christus“ – „sola fide“).
    An dieser Stelle muss ich doch mal daran erinnern, was Taufe im protestantischen Sinne ist. Johannes Brenz, der Organisator der evangelischen Kirche in Württemberg, schrieb in seinem Katechismus 1535 über das Wesen der Taufe: „Die Taufe ist ein Sakrament und göttlich Wortzeichen, womit Gott, der Vater, durch Jesus Christus, seinen Sohn, samt dem Heiligen Geist bezeugt, dass er dem Getauften ein gnädiger Gott wolle sein und verzeihe ihm alle Sünden aus lauter Gnade um Jesu Christi willen und nehme ihn auf an Kindes Statt und zum Erben aller himmlischer Güter.“
    Die württembergischen Protestanten unter uns kennen diese Sätze aus dem Konfirmandenunterricht. Nach diesem Verständnis ist Gott in der Taufe allein der Handelnde zum Heil des Menschen, und der Mensch ist ausschließlich der Empfangende. Gott gibt, ohne dass der Mensch etwas dazu tun müsste oder könnte. Und die Taufe beinhaltet nicht mehr und nicht weniger als eine Zusage Gottes, nämlich das „Ja“ Gottes zum konkreten Menschen, auf das der Mensch mit seinem Leben konkret antwortet.
    So ist die Taufe alles andere als ein magischer Akt, durch den das Heil des Menschen in irgendeiner Weise herbeigezaubert würde. Und schon gar nicht ist sie ein „pharmakon“, ein göttlicher Schutzschild, der eine Gefährdung abhalten, einen Unfall abwehren oder aber Glück, Segen und Gelingen eines Vorhabens herbeiführen oder gar gewährleisten könnte. Wer solches von einer Taufe erwartet und in dieser Absicht eine Taufe – zumal die eines Tunnels!! – feiert, hat jedenfalls aus protestantischer Sicht die Grenze zum Aberglauben überschritten.
    Mit einer Taufe hatte das religiöse Theaterspiel, das vor einigen Tagen zelebriert wurde, nichts zu tun. Diese als „Taufe“ apostrophierte Namensweihe eines Tunnels, die ausdrücklich „im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ vollzogen wurde, stellt vielmehr eine Perversion der Taufe und mithin einen Missbrauch des Namens Gottes dar.
    Wer es nicht ohnehin schon wusste, der konnte an dieser Veranstaltung einmal mehr ablesen, wie weit die Kirchen in ihrer Willfährigkeit gegenüber der Staatsmacht und um des eigenen Machterhalts willen zu gehen bereit sind. Sie scheinen offenbar bereit, ohne Rücksicht auf ihren Auftrag, Kirche Jesu Christi zu sein, den von Seiten der Staatsmacht an sie gerichteten Erwartungen zu entsprechen und kritiklos Gewehr bei Fuß zu stehen, wo sie gerufen werden, um politischen Entscheidungen die erwünschte religiöse Legitimation zu liefern. Sei es bei einem Kriegseinsatz deutscher Soldaten oder eben zu einer Tunneltaufe.
    Es ist aus meiner Sicht ein absoluter Skandal, dass sich christliche Kirchen – ich gehe davon aus, dass die beiden Geistlichen im offiziellen Auftrag ihrer Kirchen handelten – für solch eine „Tauf“zeremonie hergeben. Dieses Urteil würde übrigens auch dann seine Gültigkeit haben, wenn es sich bei „Stuttgart 21“ um ein sinnvolles, verantwortlich, seriös und ehrlich geplantes und durchgeführtes Verkehrsprojekt handeln würde. Dass dies offensichtlich nicht der Fall ist und die Verantwortlichen in den Kirchen das wissen (müssen), macht die Sache allerdings umso schlimmer.

  7. Ruth Gisela Evers

    Ich habe an unseren Landesbischof Dr. July die ausführliche Stellungnahme von Hans Heydemann zum erwarteten Verkehrschaos im Stuttgarter Nahverkehr im Zusammenhang mit S21 geschickt und erwähnt, S21 und der Kirchentag 2015 – das passe doch nicht zusammen. Eines von beiden gehe nur, ich wäre für Kirchentag. Was er dazu meint.

  8. was mich total erschreckt hat war der Missbrauch so lebens-notwendiger gelebter Begriffe wie Solidarität, Zusammenhalt, u.ä…..
    Nein Kirche lässt zu -seit Jahren- dass Milliarden von Geldern schleichend in Privatkanäle versickern dürfen und sie lässt zu dass sich dann diese sozialen-Hängematten-Millionäre per Ablass-Handlung „frei-kaufen“ dürfen!
    Ein Projekt zu segnen, von dem man weiß dass Milliarden versenkt werden, die unter Garantie bei sozialen und kulturellen „Projekten“ wieder geholt werden müssen……. ist UNGEHEUERlich!
    Es ist wie zu den Zeiten wo Kirche „Gottes Segen“ auf Waffen abgab….
    Da lob ich mir doch den Papst, der zur Zeit offensichtlich deutliche Worte findet…
    http://www.jungewelt.de/2013/11-28/045.php

  9. Stuttgarter für Kopfbahnhof

    Selber denken, bei den theologischen Akteuren der sog. Taufe. Fehlanzeige. Statt Verweigerung, plappern bis zum bitteren Ende.
    Taufe ist ein Sakrament im Verständnis der katholischen Kirche.
    Was das mit Bauprojekten zu tun haben soll, ist größtmöglicher Mumpitz.

    Den kritischen Kommentaren kann man sich nur anschließen (unabhängig welcher Religion man zuneigt).

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