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Rede beim Parkgebet am 18.6.15 von Heinz Wienand

Impulstext
Farin Urlaub, Deine Schuld

(Text und Musik auch im Kirchentags-Liederbuch Nr. 107)

Hast du dich heute schon geärgert, war es heute wieder schlimm?
Hast du dich wieder gefragt, warum kein Mensch was unternimmt?
Du musst nicht akzeptieren, was dir überhaupt nicht passt,
wenn du deinen Kopf nicht nur zum Tragen einer Mütze hast.

Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist.
Es wäre nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.

Glaub keinem, der dir sagt, dass du nichts verändern kannst.
Die, die das behaupten, haben nur vor Veränderung Angst.
Es sind dieselben, die erklären, es sei gut so, wie es ist.
Und wenn du etwas ändern willst, dann bist du automatisch Terrorist.

Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist.
Es wäre nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.
Weil jeder, der die Welt nicht ändern will, ihr Todesurteil unterschreibt.

Lass uns diskutieren, denn in unserm schönen Land
sind zumindest theoretisch alle furchtbar tolerant.
Worte wollen nichts bewegen, Worte tun niemandem weh.
Darum lasst uns drüber reden, Diskussionen sind okay.
Nein, geh mal wieder auf die Straße, geh mal wieder demonstriern,
denn wer nicht mehr versucht zu kämpfen, kann nur verliern.
Die dich verarschen, die hast du selbst gewählt,
darum lass sie deine Stimme hörn, denn jede Stimme zählt.

Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist.
Es wäre nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.

Liebe Parkgemeinde!

„Das Gewurschtel am Bahnhof finde ich gar nicht so schlimm“, meinte ein Kirchentagsbesucher, als ich ihm vor einer Schule den Flyer „kann denn Bahnhof Sünde sein …“ entgegenstreckte. Er kam hörbar nicht aus dem Ländle. Vermutlich hatte er auf dem Weg vom Durchgang zur Bahn-hofshalle seinen Kopf durch eines der Fenster gestreckt und in eine der Baugruben geschaut. Den Flyer lehnte er dankend ab.

Der 35. Deutsche Evangelische Kirchentag ist Geschichte. Das Programm wies – sage und schreibe – über 2.000 Veranstaltungen auf! 95.000 Dauergäste nahmen teil. Landesbischof July und der Präsident des Kirchentags, Professor Barner, lobten die Vielfalt der Themen und die Lockerheit der Teilnehmenden. OB Fritz Kuhn lobte den Kirchentag über den grünen Klee und bezeichnete ihn als ein „Geschenk für Stuttgart“.

Im Programm des Kirchentags spielte Stuttgart 21 so gut wie keine Rolle. Obwohl das Präsidium im Jahr 2011 Stuttgart als Ort des 35. Kirchentags auserkor mit der Begründung, die baden-württembergische Landeshauptstadt habe im Streit um das Projekt Stuttgart 21 neue Formen offener und öffentlicher Debatte erlebt. Nachhaltiger Protest und zivilgesellschaftliches Engagement hätten eine Diskussion über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Entscheidungen in der Demokratie ausgelöst. In diesem Kontext habe der Kirchentag die Einladung nach Stuttgart besonders gern angenommen. So die offizielle Verlautbarung.

Dennoch war das Thema Stuttgart 21 präsent. Weiterlesen

Rede beim Parkgebet am 16.4.15 von Heinz Wienand

Liebe Parkgemeinde!

Am 9. April 1945, also vor 70 Jahren, wurde Dietrich Bonhoeffer von den Nationalsozialisten in Flossenbürg hingerichtet. Er war erst 39 Jahre alt. Er wurde als sechstes von acht Kindern am 4. Februar 1906 in Breslau geboren und wuchs in einer großbürgerlichen Familie auf. Kirche und Religion tauchten im Alltag der Bonhoeffers zwar auf. Aber, wie Bonhoeffers Freund Eberhard Bethge schreibt: „Das christliche Wesen war in diesem evangelischen Haus mehr hinter- und unter-gründig zu spüren.“ Das Verhältnis der Familie zum Glauben war freundlich bis distanziert. „Zu schade für Dich“, befand der Vater, als sein Sohn vom Entschluss zum Theologiestudium berich-tete. Später korrigierte er sich seinem Sohn gegenüber mit den Worten er habe sich „gröblich getäuscht“.
Schon als Theologiestudent setzte sich Dietrich für Frieden und Gerechtigkeit ein. Bald nach der Machtübertragung von Reichspräsident Hindenburg an Adolf Hitler schloss sich Bonhoeffer der Bekennenden Kirche an.

Die Bekennende Kirche verstand sich als Oppositionsbewegung evangelischer Christen gegen die Versuche einer Gleichschaltung von Lehre und Organisation, wie sie von den Nazis durchgesetzt wurde. Die Nationalsozialisten setzten kurzerhand den Reichsbischof Müller ein, der die Leitung der sog. „Deutschen Christen“ übernahm. In der berühmten „Barmer Erklärung“ von Mai 1934 widersetzte sich die Bekennende Kirche gegen die Gleichschaltung und erklärte, sie sei die einzige rechtmäßige Vertretung der evangelischen Christen Deutschlands. Mit der Ablehnung der „Deutschen Christen“ lehnte sie zugleich den Nationalsozialismus ab und wandte sich gegen staatliche und innerkirchliche Übergriffe auf das christliche Glaubensbekenntnis. Damit war die Spaltung der evangelischen Kirche in der Haltung zu Hitler besiegelt.

Dietrich Bonhoeffer, einer der führenden Köpfe der Bekennenden Kirche, war seitdem der Verfolgung durch die Nazis ausgesetzt. Er kritisierte den Antisemitismus in einer Weise, die Geschichte machte. Als ihm 1937 die Lehrerlaubnis entzogen wurde, schloss er sich dem Widerstand an und unterstützte die Attentatspläne gegen Hitler. Weiterlesen

Parkgebet-Ansprache von Heinz Wienand am 10. Juli 2014

Epheser-Brief, Kapitel 5, Verse 6-7 und 10-11
6 Lasst euch von niemandem verführen, der euch durch sein leeres Geschwätz einreden will, dass dies alles harmlos sei. Gottes Zorn wird alle treffen, die ihm nicht gehorchen. 7 Darum meidet solche Leute. […] 10 Prüft in allem, was ihr tut, ob es Gott gefällt. 11Lasst euch auf keine finsteren Machenschaften ein, die keine gute Frucht hervorbringen; im Gegenteil: helft sie aufzudecken.

Liebe Parkgemeinde!

Seit fast 4 Jahren versammeln wir uns hier im Stuttgarter Schlossgarten zum Gebet im Park, anfänglich wöchentlich, dann zweiwöchentlich bei jedem Wetter und äußern unseren Protest gegen das Milliardenprojekt Stuttgart 21. Viele von uns besuchen Woche für Woche die Montagsdemo und beteiligen sich an den sich anschließenden Demozügen. Außerdem besuchen sie die zahlreichen Veranstaltungen zum Thema S21 bzw. K21, um sich schlau zu machen und sich über aktuelle Vorgänge um das unnütze Projekt zu informieren. Sie tun das, um gewappnet zu sein in der Auseinandersetzung mit den Befürwortern des Projekts, sofern es überhaupt dazu kommt und vom Gegenüber stattdessen nicht nur ein Kopfschütteln oder ein müdes Lächeln geboten wird.

Wir haben es zu oft erlebt, dass wir getäuscht und belogen wurden. Ja, dass versucht worden ist und dauernd versucht wird, uns hinters Licht zu führen, uns zu verführen und dem leeren Geschwätz Glauben zu schenken. Aber wir haben widerstanden, sind nicht auf die falschen Versprechungen und Lügen hereingefallen.

Das Neue Testament ermahnt uns im Epheser-Brief im Kapitel 5, Vers 11, wo es heißt: „Lasst euch auf keine finsteren Machenschaften ein, die keine gute Frucht hervorbringen, im Gegen-teil: helft sie aufzudecken!“ Wäre nicht schon so Vieles aufgedeckt worden von unseren Experten, wo stünden wir heute bei dem Bahnprojekt?

In der letzten Woche gab es eine Pressekonferenz des Projektbüros für S 21. Dietrich, Penn und Wörn stellten stolz die „Fortschritte“ des Bahnprojekts vor, mussten allerdings zugeben, dass es um 3 Jahre in Verzug geraten ist. Lag das am Protest der Gegner?
Nein – es lag an der miserablen Planung der Bahn! Über die zahlreich anstehenden Probleme verloren die 3 Projektplaner in der Pressekonferenz kein Wort.

Wir sind nicht „schaumgeborene“ Spinner, wie uns ein Mitglied des Regierungspräsidiums Stuttgart in übelster Weise bezeichnete. Wir sind es auch heute nicht, an dem Tag, an dem am Fasanenhof der 3.Tunnelanstich mit viel Prominenz groß gefeiert wurde. Was mich besonders ärgert? Dass, wie bei den früheren Anstichen, mit der „Taufe“ des Fildertunnels der kirchliche Segen erteilt und die heilige Barbara, die Schutzpatronin der Mineure, für das unnütze und aufgezwungene Projekt S 21 in Anspruch genommen wurde.

Die Stuttgarter Zeitung, die schon immer für S 21 ist, hat in ihrer gestrigen Ausgabe ihre Kommentarspalte überschrieben mit: „Der Tunnelblick ist überholt“ und lässt ihren Kommentator Christian Milankovic ausführen: „Die Schlachten um das Ob des Bahnhofsumbaus sind geschlagen. Nun kann es nur noch darum gehen, den maximalen Nutzen für die Stadt aus dem Vorhaben zu ziehen. Verbale Scharfmachereien auf beiden Seiten müssen dann aber der Vergangenheit angehören. Dasselbe gilt auch für den verengten Tunnelblick von fanatischen Befürwortern oder Gegnern, der längst nicht mehr taugt.“ (Ende des Zitats).

Hier handelt es sich natürlich nicht um den „Tunnelblick“ der Esslinger, der uns immer wertvolle Beiträge liefert.

Im gleichen Kommentar wird OB Fritz Kuhn, der heute bei dem feierlichen Tunnelanstich dabei war, gelobt als Grüner, der einen pragmatischen Blick für die Realitäten habe. Wenn sich S 21 nicht mehr verhindern lasse, so interpretiert der Kommentator der Stuttgarter Zeitung die Teilnahme des OB, dann soll S 21 „wenigstens mit den geringst-möglichen Beeinträchtigungen für die Stadtbevölkerung über die Bühne gehen.“ Die Beeinträchtigungen bekommen zur Zeit in massiver Weise die Bewohner und Bewohnerinnen des Nordbahnhof-Viertels mit durch den Baustellenverkehr zur zentralen Logistikfläche. Das ist nur ein Beispiel.

Stadt- und Naturzerstörung für ein unnützes Bahnprojekt, das einen Leistungsrückbau darstellt, das in Wirklichkeit, wie Egon Hopfenzitz zurecht sagt, ein Immobilienprojekt ist und Baukonzerne nur darauf warten, dass das Gleisfeld abgebaut wird und sie endlich anfangen können, und das mit dem Segen von Politikern von Schwarz bis Grün und auf Kosten von Einwohnern, Steuerzahlern und kommenden Generationen.

Wir lassen uns nicht blenden und erliegen nicht der Faszination der Technik, Herr Herrenknecht! Es ist noch nicht aller Tage Abend, ihr Planer und Befürworter! Wir kämpfen weiter und beherzigen den Spruch von Bert Brecht: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

Um es mit einem Bibelvers zu sagen: „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ (2 Tim., Vers 7)

In diesem Sinne bleiben wir oben.

Ansprache beim Parkgebet am 6. März 2014 von Heinz Wienand

Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin bei dir. (Apostelgeschichte 18,9)

Liebe Parkgemeinde!

Der Apostel Paulus, so berichtet die Apostelgeschichte im Neuen Testament, stößt in der griechischen Stadt Korinth auf Ablehnung und Anfeindung, weil er den Menschen dort von Jesus Christus erzählt.

Gott macht ihm Mut und sagt ihm, er solle sich nicht fürchten, sondern reden und nicht schweigen trotz aller Widerwärtigkeiten.

Manchmal geht es mir wie Paulus, wenn ich sehe, wie unsere Stadt zerstört wird wegen eines unnützen und aufgezwungenen Milliardenprojekts, das sich Stuttgart 21 nennt. Alles Reden und Appellieren an die Vernunft der Projektbetreiber scheint vergeblich. Dann gibt es Tage, an denen ich mir sage: Geh’ weiter auf die Straße, besuche die Montagsdemos und die informativen Veranstaltungen der K21-Experten und mache Dich kundig. Das tue ich und  mit mir viele andere, die die Hoffnung auf eine Beendigung des S21-Projekts nicht aufgeben.

Des Öfteren müssen auch wir eine abwehrende Handbewegung, ein Kopfschütteln, ein müdes Lächeln, Häme oder Anfeindung ertragen, wenn uns Projektbefürworter mit dem Button: „Oben bleiben – kein Stuttgart 21“ sehen.

Vor kurzem ist mir Folgendes passiert: Ich war in einem Copyshop, um ein Plakat für eine Veranstaltung abzugeben. Ein etwas untersetzter Mann, vielleicht ein Architekt oder Bauingenieur, der Baupläne kopieren ließ, musterte mich wiederholt. Nachdem er meinen Button, den ich an der Jacke trug, registriert hatte, meinte er ziemlich abschätzig: „Na, heute keine Demo?“ Nein, sagte ich, die nächste, die 210., werde am nächsten Montag stattfinden. Darauf er: „Schonen Sie lieber Ihre Nerven, sonst werden Sie noch krank.“ – „Da kennen Sie mich aber schlecht!“, entgegnete ich ihm. Ohne mich anzuschauen, packte er seine Kopien zusammen, zahlte, und verließ den Copyshop. Welch bedauernswerte Kreatur mag er gedacht haben. Sei’s drum. Ich habe mich an Einiges gewöhnt und schaffe mir mehr und mehr ein dickes Fell an.

Als Parkschützer Jürgen Hugger auf der 211. Montagsdemo den Kampagnen-Start: „Für unsere Stadtbahn!“ vorstellte, leitete er seine Rede ein mit einem Zitat aus Dostojewskys Roman „Schuld und Sühne“. Er lässt Raskolnikov, die Hauptfigur des Romans, sagen: Wenn es Gott nicht gibt, ist alles erlaubt.

Dann fuhr Jürgen Hugger fort: „In Anlehnung daran könnte man sagen: Wenn es die Wahrheit nicht gibt, wird die Lüge zur normalen Ausdrucksform.“ Aber: Wenn es Gott gibt, ist nicht alles erlaubt.

Und ich bin davon überzeugt, dass die Wahrheit sich letztlich durchsetzen wird. Die Wahrheit wird sozusagen die Lüge Lügen strafen.

Der Ministerpräsident dieses Landes betont bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit: Mehrheit sei nicht Wahrheit. Punkt! – und trägt diesen Spruch wie ein Schild vor sich her. Aber Mehrheit entscheidet. Projektsprecher Dietrich rechnet sich zur Mehrheit und fordert: „Das Ding zu Ende bauen!“

Aber, aber, Herr Dietrich, Sie haben doch noch nicht wirklich angefangen zu bauen!

Der Fraktionssprecher der SPD im Landtag, Schmiedel, behauptete, auf dem Projekt Stuttgart 21 ruhe Gottes Segen. Wer – wie Schmiedel – meint, sich göttlichen Beistand holen zu müssen, der hat es nötig, um von menschlichem Tun und Verantwortung abzulenken. Damit macht er Gott zum Lückenbüßer für menschliches Versagen, wenn das Projekt scheitert.

Fürchte dich nicht, heißt es in der Apostelgeschichte. Lass den Mut nicht sinken und die Hoffnung nicht sterben!

Vaclav Havel, Bürgerrechtler, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, Präsident der Tschechischen Republik tritt uns zur Seite, indem er weise feststellt:

„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal, wie es ausgeht.“

Wir sind davon überzeugt, dass die Alternative zu S 21, nämlich K 21, der sanierte Kopfbahnhof, dem geplanten Tiefbahnhof weit überlegen ist. Mag Projektsprecher Dietrich auch noch so sehr gegen die Alternative wettern.

Sie, Freundinnen und Freunde, die sie für den Erhalt des Kopfbahnhofs immer wieder auf die Straße gehen und Ihren Protest zum Ausdruck bringen, die Montagsdemos besuchen, sich dort informieren und die Solidarität im Kampf um die bessere Lösung erfahren, Flyer verteilen, Infoveranstaltungen besuchen und selber solche organisieren und Einiges mehr tun, Sie haben den Befürwortern, darunter den vielen Un-Informierten, die immer noch mit dem längst unterlaufenen Volksentscheid argumentieren, viel voraus.

Die Architektinnen und Architekten für K 21 haben in einer eindrucksvollen Ausstellung gezeigt, wie die Zukunft des Stuttgarter Hauptbahnhofs und seines Umfeldes aussehen könnte. Als die Bäume im Mittleren Schossgarten noch standen, haben sie ihre Visionen auf Großplakaten am Bauzaun vorgestellt und mussten es erleben, dass die 12 Bilder beschmiert, eingerissen oder abgerissen  wurden von denen, die um jeden Preis das so genannte „Jahrhundertprojekt“  durchsetzen wollten.

Fürchte dich nicht! Dieser Appell an den Apostel Paulus soll auch uns gelten. Und wenn wir gleich das Lied singen: „Lass uns in Deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun“, dann möge Er uns den Mut geben, voll Glauben heute und morgen zu handeln.

Amen. So soll es sein.