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Ansprache beim Parkgebet am 13. Juni 2019 zu Mt 7, 17-21 (in Ausschnitten) von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Jeder gute Baum bringt gute Früchte, der faule Baum aber bringt schlechte Früchte. … Also werdet ihr sie an ihren Früchten erkennen. Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Reich der Himmel kommen, sondern wer den Willen meines Vaters in den Himmeln tut.

Dieser Vergleich Jesu aus der Landwirtschaft ist unter uns sprichwörtlich geworden: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Das bedeutet übertragen auf das menschliche Zusammenleben, dass es weniger auf die großen Worte ankommt als vielmehr auf die Taten. Mit Worten mag sich ein Mensch noch verstellen können, mit seinen Taten verrät er seinen wahren Charakter. Ich habe diesen Text ausgewählt, weil unsere Bundeskanzlerin so großen Beifall erhalten hat, als sie in den USA bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde davon sprach, die Wahrheit dürfe nicht Lüge und die Lüge nicht Wahrheit genannt werden. Ich habe ihr deshalb geschrieben:

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,
zu Ihrer mutigen Aussage aus Anlass der Verleihung der Ehrendoktorwürde in den USA, wir dürften die Lüge nicht Wahrheit und die Wahrheit nicht Lüge nennen, möchte ich Sie beglückwünschen. Diese Äußerung ist allgemein als Kritik an Präsident Trump verstanden worden. Mir fiel dabei das drastische Bildwort Jesu aus Mt 7,1-5 ein: Ziehe zuerst den Balken aus deinem Auge, dann magst du zusehen, den Splitter aus deines Bruders Auge zu ziehen. Es reicht nicht aus, die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden. Es kommt vielmehr darauf an, dass wir nach dieser Unterscheidung konsequent der Wahrheit dienen und nicht der Lüge. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf das Projekt Stuttgart 21 ansprechen. Wenn wir bei diesem Projekt Lüge und Wahrheit sauber trennen, dann sind zumindest zwei Lügen beim Namen zu nennen: Die vielfachen Kostenlügen und die vielfach wiederholte Leistungslüge. Ich setzte voraus, dass Sie über beide hinreichend informiert sind.
Spätestens seit der Aussage von Thilo Sarrazin im Juni 2018 vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags ist unbestreitbar, dass die Unrentabilität des Projekts bereits 2001 bekannt war. Deshalb ist Ihre Einschätzung vom September 2010 hinfällig, von der Durchführung dieses Projekts hinge die Zukunftsfähigkeit Deutschlands ab. Vielmehr ist eine zukunftsfähige Bahninfrastruktur im Großraum Stuttgart nur möglich durch die Ertüchtigung des Kopfbahnhofs, der zu den genialsten Bahnhöfen Deutschlands zählt. Er ermöglicht im Gegensatz zu der schrägen Untergrundhaltestelle Stuttgart 21 den integralen Taktfahrplan. Diesem gehört nach Auskunft aller Fachleute die Zukunft. Seit 2016 liegt der Plan „Umstieg 21“ vor, bei dem der Kopfbahnhof erneuert und die Baugrube von Stuttgart 21 produktiv genutzt wird als Busbahnhof und Parkplatz für Taxis und Fahrräder. Dadurch kann anders als bei S 21 mehr Autoverkehr auf die Schiene kommen zur Erreichung der Klimaziele.

Sie haben in den USA Hermann Hesse zitiert, der einst aus verkrusteten Strukturen ausgebrochen ist zu neuen Anfängen. Der Zauber, den er dabei erlebte, war ein solcher von Neuanfängen, durchaus auch in der Form von Umkehr, wie sie einst Jesus propagierte (Mk 1,15). Sie haben die Chance, noch vor dem absehbaren Endes Ihrer Amtszeit als Kanzlerin diesen Zauber der Umkehr erneut zu erleben, indem Sie beim Projekt Stuttgart 21 der Wahrheit folgen und nicht den Lügen.

Wie ich aus gut unterrichteten Kreisen erfahren habe, fühlen sich die derzeitigen Verantwortlichen bei der Deutschen Bahn AG von der Politik behindert, das Projekt abzubrechen, um dadurch dem Vorwurf der strafbaren Untreue zu entgehen. Die Herren Grube und Lutz haben offen gesagt, sie würden aus heutiger Sicht das Projekt nicht mehr beginnen. Es liegt also an Ihnen, kraft Ihrer Richtlinienkompetenz den strafbaren Weiterbau des Projekts zu beenden und damit die Bahnführung vor drohender Strafverfolgung zu bewahren. Und nicht nur dies. Ihr Einsatz für das Projekt zu Beginn des Jahres 2013, als der Weiterbau auf der Kippe stand, könnte auch für Sie selbst bedrohlich werden. Sie könnten im Ruhestand der Anstiftung zur Untreue angeklagt werden.
Aber auch wenn die Staatsanwaltschaft davor zurückschrecken sollte, gegen Sie zu ermitteln, droht ihr politischer Lebensabend vom Projekt Stuttgart 21 überschattet zu werden. So erging es Helmut Kohl, nachdem er durch das unehrenhafte angebliche Ehrenwort nicht der Wahrheit gedient hatte, sondern der Lüge, wie durch Wolfgang Schäuble zu erfahren war. Wollen Sie sich entsprechendes antun?
Das Problem des Katastrophenschutzes bei Stuttgart 21 soll im Rahmen des Verfahrens der Inbetriebnahme gelöst werden. Dies ist mir aus dem Verkehrsministerium unter Minister Dobrindt schriftlich mitgeteilt worden. So wurde auch beim Flughafen BER verfahren. Dort ist der Termin der Fertigstellung immer noch offen. Beim Tiefbau Stuttgart 21 sind Änderungen aber nicht so einfach wie beim oberirdischen Flughafen BER. Dies bedeutet, dass Stuttgart 21 dem Schicksal des schnellen Brüters in Kalkar entgegen gehen kann. Dieser kostete viele Milliarden DM, ging aber nie ans Netz. Der internationale Spott über Stuttgart 21 kann den über den Flughafen BER um ein vielfaches übersteigen und für den Rest Ihres Lebens mit Ihrem Namen verbunden sein. Erst recht wird man sich an Ihre Befürwortung von Stuttgart 21 erinnern, wenn Gipskeuperquellungen den Bahnverkehr im Raum Stuttgart lahm legen und zu einer wirtschaftlichen Katastrophe führen.

Sie haben in verschiedenen Entscheidungen, ganz besonders beim Atomausstieg, bewiesen, dass Sie von Vernunft und Verantwortung geleitet umkehren können. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Ihnen auch in Sachen Stuttgart 21 eine solche vernünftige und verantwortliche Umkehr gelingt und Sie im Ruhestand den Zauber des Neuanfangs im Stuttgarter Bahnverkehr erleben können.
Hochachtungsvoll
Friedrich Gehring, Pfr. i. R.
Ich bin mir natürlich nicht sicher, dass ich als einzelner daher gelaufener Ruhestandspfarrer bei der Kanzlerin etwas ausrichten kann. Deshalb habe ich auch noch einen entsprechenden Leserbrief an die Frankfurter Rundschau geschickt. Denn als Nachfolger Jesu kann ich die Hoffnung auf die menschliche Umkehrfähigkeit nicht aufgeben. Amen.

Leserbrief (Frankfurter Rundschau, 13.6.2019, S. 18)
Stuttgart 21 als Prüfstein für Merkel
Arno Widmanns Analyse von Angela Merkels Harvardrede trifft den Kern der Misere, dass sie zwar die nach dem Rezo-Video nötigen Fragen stellt, aber sich um Antworten drückt. Vor Trumpkritikern zu sagen, Lüge dürfe nicht Wahrheit und Wahrheit nicht Lüge genannt werden, bringt ihr wohlfeilen Beifall, noch bevor klar ist, ob sie der Lüge oder der Wahrheit dient. Als prägnantester Prüfstein dafür darf das Projekt Stuttgart 21 gelten. Von dessen Durchführung machte sie 2010 die Zukunftsfähigkeit Deutschlands abhängig. Inzwischen sind die Kostenlügen und die Leistungslügen hinreichend entlarvt. Thilo Sarrazin hat im Juni 2018 erklärt, dass das Projekt bereits 2001 als ein krasses Verlustgeschäft erkannt war. Nicht erst durch späteres Wissen, wie die Bahnchefs Grube und Lutz versicherten, sondern von Anfang an war der Bau wegen Unrentabilität nach Aktienrecht strafbare Untreue. Die Kanzlerin setzte dennoch nachweislich anfangs 2013 den strittigen Weiterbau durch. Sie wird wohl kaum im Ruhestand wegen Anstiftung zur Untreue angeklagt werden, aber das Projekt kann ihren politischen Lebensabend verdüstern wie Helmut Kohl den seinen durch sein unehrenhaftes angebliches Ehrenwort.
Angela Merkel hat noch kurze Zeit, von Vernunft geleitet umzukehren wie etwa beim Atomausstieg. Seit 2016 liegt das Konzept „Umstieg 21“ vor, das die Baugruben des Untreueprojekts S 21 nutzt für Bus-,Taxi- und Fahrradverkehr, den genialen Kopfbahnhof verbessert und gegenüber S 21 Milliarden einspart. So kann Autoverkehr zur Klimarettung vermehrt auf die Schiene kommen samt integriertem Taktfahrplan, den alle Fachleute empfehlen, der aber mit dem Engpass der schrägen Untergrundhaltestelle S 21 nicht geht. Die noch ungelösten Probleme des Katastrophenschutzes werden wie beim Flughafen BER eine Inbetriebnahme gewaltig verzögern oder dazu führen, dass S 21 endet wie der schnelle Brüter in Kalkar, der zwar fertig gebaut wurde, aber nie ans Netz ging. Aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, dass die Bahnführung sich von der Politik an vernünftigen Lösungen gehindert sieht. Es liegt also an der Kanzlerin. Im Wahlkampf 2014 sagte sie: „Sie kennen mich, uns allen geht es gut“. Aber an ihren Früchten werden wir sie nun erst richtig kennen lernen.
Friedrich Gehring, Backnang

Offener Brief an Ministerpräsident Kretschmann

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte auf scharfe Kritik des Theaterregisseurs Claus Peymann am Zustand Stuttgarts hin in seiner Antwort an ihn erneut sein Nichtstun gegenüber S21 mit der Volksabstimmung begründet: Peymann müsse seine Kritik an das Volk wenden, nicht an ihn – er sei demokratisch verpflichtet, S21 zu unterstützen.

Aus diesem Anlass hat die Initiative „TheologInnen gegen S21“ einen Offenen Brief an ihn geschickt, der hiermit zur Kenntnis gegeben sei:

(hier als pdf-Datei)

Offener Brief
Beschädigen Sie nicht weiter die Demokratie!
Entziehen Sie S21 Ihre Unterstützung!

Stuttgart, im März 2018

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,

wir wenden uns an Sie, weil Sie in Ihrer Antwort auf Claus Peymanns Kritik am Zustand Stuttgarts das Nichtstun der Landesregierung und der grünen Partei gegenüber den durch die S21-Bauarbeiten verursachten Zerstörungen einfach damit rechtfertigen, dass Sie aufgrund der Volksabstimmung gezwungen seien, das Projekt zu unterstützen.

Wir wollen dazu nicht schweigen, weil wir uns als Christ/innen mitverantwortlich wissen für Wahrhaftigkeit in der Politik und für ein funktionierendes Staatswesen.

Wir halten Ihre Haltung nicht nur für ein faktenwidriges, nicht hinnehmbares Abwälzen von Verantwortung, sondern wir sind der Auffassung, dass Sie damit der Demokratie in dreierlei Hinsicht schweren Schaden zufügen.

  1. Die Demokratie lebt davon, dass Abstimmungsergebnisse bei neuer Faktenlage grundsätzlich korrigierbar sind. Alles andere würde nicht nur den Abstimmenden geradezu prophetische Fähigkeiten abverlangen, sondern auch die Basis aller demokratischen Abstimmungen ignorieren, dass sie sich nämlich grundsätzlich auf konkrete Situationen und Fakten beziehen und nicht davon unabhängig Ewigkeitswert beanspruchen können.
  2. Die Demokratie lebt vom Streit der Meinungen – gerade der Meinungen von Minderheiten. Die Vorstellung, die Bevölkerung oder eine Partei dürfe nach Abstimmungen nicht mehr in Opposition gegen Mehrheitsmeinungen gehen, sondern müsse sich einer Mehrheitsabstimmung beugen, ist völlig abwegig. Sie stellt das demokratische System auf den Kopf: Es dürfte dann im Parlament nur noch die Mehrheitspartei sitzen, und Bürgerinitiativen und Parteien dürften sich nur noch für Ziele einsetzen, die ohnehin in der Bevölkerung eine Mehrheit haben.

Im Übrigen würde es eine Missachtung des Souveräns – der höchsten Instanz der Demokratie – bedeuten, wenn ausgerechnet dieser freie Souverän, das Volk, von dem alle Gewalt ausgeht, durch Abstimmungen gebunden würde.

Besonders schwer wiegt der Schaden, dass wegen Ihrer Äußerungen eine große Zahl wohlmeinender Bürger es fälschlich für ihre demokratische Pflicht hält, dem Projekt S21 keinen Widerstand mehr entgegen zu bringen.

  1. Die Demokratie lebt davon, dass eine gewählte Regierung für ihr Handeln die politische Verantwortung trägt. Bewusst hat der Gesetzgeber für Volksabstimmungen ein hohes Quorum gesetzt, damit sich Regierungen weder von Minderheiten in ihrem Handeln beeinträchtigen lassen müssen, noch sich hinter solchen Minderheiten verstecken können.

Bei der Volksabstimmung im Jahre 2011 haben aber beide Seiten, die unterlegene und die siegreiche, dieses gesetzliche Quorum nicht erreicht. Damit hat sich durch diese Abstimmung rechtlich nichts geändert. Die Landesregierung bricht deshalb die demokratischen Spielregeln, wenn Sie sich dennoch von dieser Abstimmung abhängig macht und nicht selbst die Verantwortung für ihre Entscheidungen trägt.

Wir fordern deshalb Sie und alle das Projekt S21 unterstützenden Parteien auf, das zu tun, was wir als Bürger/innen von den politischen Akteuren erwarten dürfen: dass sie ihre Entscheidungen selbst verantworten – und zwar ausschließlich auf Basis der gegebenen Fakten. Die wesentlichen Fakten sind aber:

  • Der im Bau befindliche Tiefbahnhof wird deutlich mehr als das Doppelte kosten, gegenüber dem, über den 2011 abgestimmt worden ist.
  • Er wird – im Gegensatz zu dem Bahnhof, über den 2011 abgestimmt worden ist – nicht mehr, sondern weniger Bahnverkehr ermöglichen und deshalb Autoverkehr und CO₂-Ausstoß nicht vermindern, sondern vermehren.
  • Er wird – was den Abstimmenden im Jahr 2011 nicht bekannt sein konnte – voraussichtlich nur eine eingeschränkte Betriebsgenehmigung bekommen, weil er eine sechsmal so hohe Gleisneigung besitzen wird, wie nach Europarecht zulässig ist, und weil der Brandschutz für zu wenig Züge und Fahrgäste ausgelegt ist.

Wir fordern Sie auf, aufgrund der Fakten Ihre Unterstützung für das Projekt schnellstmöglich zu beenden – insbesondere, weil es eine hervorragende Modernisierungsalternative gibt, die billiger, leistungsfähiger und sicherer ist: Umstieg 21 (siehe www.umstieg-21.de).

Kehren Sie um! Beschädigen Sie nicht weiter die Demokratie, die Stadt und den Bahnverkehr!
Einen Fehler zu machen, ist menschlich – ihn nicht zu revidieren, dumm und gefährlich.

Offener Brief an die Kanzlerin

Am kommenden Freitag, 26. Januar 2018 findet eine Krisensitzung des Bahn-Aufsichtsrats zu Stuttgart 21 statt. Aus diesem Anlass hat die Initiative „TheologInnen gegen S21“ folgenden Offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel geschickt:

(hier als pdf-Datei)

Offener Brief
Denkpause für Stuttgart 21!
Umkehr zur Wahrheit!

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

aus Sorge um die Umwelt und um Wahrhaftigkeit und Demokratie in Deutschland wenden wir uns im Blick auf die Bahn-Aufsichtsratssitzung am 26. Januar 2018 mit einer dringenden Bitte an Sie: Zeigen Sie Stärke: Senden Sie ein Signal, dass es beim Projekt S21 kein einfaches Weiter-so „mit geballter Faust in der Tasche“ geben darf!

Das Projekt befindet sich mittlerweile auf ganzer Linie in der Krise:

  • Der ICE-Anschluss des Flughafens – das zentrale Argument des Landes Baden-Württemberg – wird von der Bahn infrage gestellt.
  • Die Bebauung auf dem gegenwärtigen Gleisgelände des Hauptbahnhofs – das zentrale Argument der Stadt Stuttgart – ist völlig ungewiss, weil die Kopfbahnhofgleise noch nicht entwidmet sind und von einer privaten Bahngesellschaft beansprucht und gerichtlich eingeklagt werden.
  • Die „überragende verkehrliche Bedeutung“ des Projekts – das zentrale Argument für alle Sondergenehmigungen – hat sich ins Gegenteil verkehrt: Der Tiefbahnhof bewältigt 30 % weniger Verkehr als der bestehende und behindert den bundesweiten ICE-Taktverkehr. Eine Verbesserung leistet lediglich die Neubaustrecke nach Ulm, deren Vorteile aber auch ohne Tiefbahnhof verwirklicht werden können.
  • Die – als Wahrzeichen erhofften – Kelchstützen des Tiefbahnhofs bekommen seit Jahren keine Genehmigung, weil die für den Brandschutz erforderlichen Ergänzungen zu statischen Problemen führen.

Das Projekt bewegt sich finanziell und zeitlich inzwischen in einer Dimension, in der eine zusätzliche Denkpause keinen nennenswerten zusätzlichen Schaden anrichten kann. Im Gegenteil: Es besteht die große Chance, das Projekt finanziell und technisch aus der Krise zu führen – wenn Sie, sehr geehrte Frau Kanzlerin, jetzt den Bahn-Aufsichtsräten das Signal geben, Alternativen zu prüfen.

Dazu liegt das hervorragende Konzept „Umstieg 21“ vor (www.umstieg-21.de): Es sieht eine hoch leistungsfähige Modernisierung des Kopfbahnhofs zu einer Mobilitäts-Drehscheibe vor – bei gleichzeitiger weitgehender Mitverwendung der bislang gebauten Gruben und Tunnels. Es kann deutlich früher verwirklicht werden – und vor allem mit einer Kostenersparnis gegenüber dem Weiterbau von bis zu 5 Milliarden.

Bitte üben Sie auf die Aufsichtsräte nicht – wie 2013 massiv geschehen – Druck aus, die dramatischen Warnungen von Gutachtern, Fachleuten und Bundesrechnungshof zu übergehen. Sondern lassen Sie eine vernünftige, sachbezogene, nicht von machtpolitischen und Gesichtswahrungsgründen bestimmte Abwägung der Fakten zu. Sie können doch nicht als die Kanzlerin in die Geschichte eingehen wollen,

  • die – um angeblich die Infrastruktur zu verbessern – die Bahn-Infrastruktur zerschlagen hat (regelmäßiger Verkehrskollaps wegen regelmäßiger monatelanger Tunnelsperrungen, wegen Anhydrit-Quellungen).
  • die – angesichts drohender Fahrverbote und EU-Klagen gegen Deutschland – das zentrale Instrument des Klimaschutzes, den Bahn-Verkehr einer der wichtigsten Wirtschaftsmetropolen, zurückgebaut hat.
  • die – um angeblich den Wirtschaftsstandort Deutschland zu retten – den Ingenieursstand Deutschlands weltweit blamiert und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland beschädigt hat,
  • die – um den Arbeitsplätzen in der Autoindustrie keine Konkurrenz durch die Bahn zu schaffen – für das größte Bundesunternehmen Milliardenverluste und Arbeitsplatzabbau zu verantworten hat,

Laden Sie nicht die Schuld auf sich, dass in Deutschland 10 Milliarden für den Rückbau eines Bahnhofs aufgewandt werden, während dadurch bundesweit Geld für Wartung und Ausbau des Schienenverkehrs entzogen wird.

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel, Sie hatten die Kraft, den Atomausstieg einzuleiten. Sie hatten die Kraft, die deutsche Flüchtlingspolitik zu öffnen. Sie haben auch die Kraft, ein Projekt zu beenden, das sich im Laufe von nun über 20 Jahren als zerstörerischer Unfug herausgestellt hat. Nehmen Sie sich ein Beispiel am französischen Präsidenten Macron, der letzte Woche den hoch umstrittenen Flughafenbau Notre-Dame-des-Landes bei Nantes – nach 40 Jahren gesellschaftlicher Spaltung – gestoppt hat.

Bitte werden Sie aktiv! Jetzt ist die entscheidende Gelegenheit zum Umsteuern – und dabei die Lernfähigkeit der Politik zu beweisen.

Mit freundlichen Grüßen,

im Namen der Initiative „TheologInnen gegen S21“,
Martin Poguntke

Rastatt: Mahnung an Stuttgart 21

Pressemitteilung vom 26. August 2017:

Hier die Pressemitteilung als pdf-Datei

Sofortige Überprüfung aller S21-Genehmigungen

Die Tunnel-Havarie von Rastatt wirft ein Schlaglicht auf das Politik-Versagen rund um Stuttgart 21: Denn auch für Stuttgart gilt:

  • Die Deutsche Bahn geht unkalkulierbare technische Risiken ein, die selbst ihre eigenen Gutachter (KPMG/Basler) für „unbeherrschbar“ halten.
  • Die Deutsche Bahn riskiert sehenden Auges den Zusammenbruch wesentlicher Teile des Bahnbetriebs.
  • Die Deutsche Bahn erweckt zu Unrecht grundsätzlich den Eindruck, sie habe alle Risiken im Griff.
  • Die Deutsche Bahn wälzt die Verantwortung auf Versicherungen und die öffentliche Hand ab, wenn sie Schäden an Privateigentum oder Wirtschaft verursacht.

„Es greift allerdings zu kurz, nun Vorwürfe ausschließlich gegen die Bahn zu erheben“, sagt der Sprecher der Initiative, Martin Poguntke. Es liege wesentlich an der Politik, dass das Eisenbahnbundesamt in Rastatt und Stuttgart Baumaßnahmen genehmige, die erkennbar hoch riskant und für den Bahnverkehr schädlich seien. Der Politik scheine es lediglich darum zu gehen, möglichst hohe Investitionsmöglichkeiten für Bauunternehmen zu schaffen und der Autoindustrie keine Konkurrenz durch eine gut funktionierende Bahn zu bereiten.

Die Initiative „Theologinnen und Theologen gegen Stuttgart 21“ sieht sich in besonderer Verantwortung für die Menschen und die ganze Schöpfung und fordert deshalb: Die Politik muss auch für das Projekt S21 sofort Konsequenzen aus dem umfangreichen Bahn-Versagen in Rastatt ziehen.

  • Sämtliche Genehmigungen für das Projekt S21 müssen von wirklich unabhängigen Fachleuten überprüft
  • Wesentliche Sicherheitsfragen des Projekts sind noch offen: z.B. Brandschutz, 6-fach überhöhte Gleisneigung, Tunnels im quellfähigen Anhydrit. Bis zu ihrer Klärung müssen die S21-Bauarbeiten unverzüglich gestoppt werden, denn Tag für Tag schafft die Bahn neue Fakten.

„Ergebnis dieser Prüfung kann aus unserer Sicht nur der Umstieg auf die Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofs sein“, so Martin Poguntke. Mit dem von Fachleuten erarbeiteten Konzept „Umstieg 21“ liege ein hervorragender Entwurf dafür vor.

Kirchen geben Feiertagsschutz preis

Die Theologinnen und Theologen gegen S21 haben heute eine Pressemitteilung herausgegeben zur gemeinsamen Pressemitteilung der evangelischen und katholischen Kirche in Württemberg.

Hier unsere Pressemitteilung als pdf: PM, Kirchen geben Feiertagsschutz preis, final

Kirchen geben Feiertagsschutz preis

Kirchen einigen sich mit Bahn auf Selbstverständlichkeit

Kirchen und Bahn haben sich laut Pressemitteilung der Kirchen vom 7. April 2017 darauf geeinigt, dass die Bahn „an hohen kirchlichen Feiertagen die Tunnelbauarbeiten ruhen“ lässt. Von Gründonnerstagabend bis Ostermontag sowie von Weihnachten bis zum Neujahrstag würden „keine Tunnelbauarbeiten stattfinden“.

Die ökumenische Initiative „TheologInnen gegen Stuttgart 21“ kritisiert diese angebliche „pragmatische Lösung“ scharf: Es gibt für die Kirchen keine Veranlassung, auf eine solche Vereinbarung einzugehen, denn die Bahn hat an diesen besonderen Feiertagen auch schon früher ohnehin nicht an Tunnels gearbeitet. Statt eine solche Selbstverständlichkeit zu feiern, hätten die Kirchen deutlich erklären müssen, dass es ein Skandal ist, dass die Bahn für S21-Bauarbeiten seit Jahren das Feiertagsgesetz bricht. Nicht nur die höchsten Feiertage, sondern jeder Sonn- und Feiertag ist grundgesetzlich geschützt.

Gearbeitet werden darf grundsätzlich nur mit Ausnahmegenehmigung, und vor jeder Ausnahmegenehmigung sind die Kirchen zu hören. Die sind aber nie gehört worden. Dass die Bahn hier eine andere Rechtsauffassung vertritt, ist kein Grund, deren stures Nicht-Entgegenkommen noch mit einer Pressemeldung zu einem freundlichen Kompromiss umzudeuten.

Die Theologen erinnern daran, dass das Feiertagsgesetz ein Gesetz ist, das den Feiertag für die ganze Gesellschaft schützt, nicht nur und nicht in erster Linie für Gottesdienstbesucher. Es ist zudem ein zentrales Element sowohl in der jüdischen, wie auch in der christlichen Tradition und – weit über seine religiöse Bedeutung hinaus – wichtiger Ausdruck, wahrgenommener zivilgesellschaftlicher Verantwortung auch und gerade für die Nichtglaubenden.

Wir erinnern daran, dass der Landesbischof der Ev. Landeskirche in Württemberg Frank Otfried July in seiner jüngsten Neujahrsbotschaft bereits angemahnt hatte, dass die Feiertagsruhe nicht schleichend wirtschaftlichen Interessen geopfert werden dürfe. Und wir fordern die Kirchen auf, endlich mit einer breit angelegten Öffentlichkeitskampagne den entsprechenden politischen Druck zu erzeugen, der erforderlich ist, um das Feiertagsschutzgesetz gegen den enormen wirtschaftlichen Gegendruck wirkungsvoll zu sichern.

Sonntagsruhe: Offener Brief an Ministerpräsident Kretschmann

als pdf-Datei: Sonntagsruhe, TheologInnen gegen S21 an Kretschmann

OFFENER BRIEF

Stuttgart, 4. Januar 2017

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann!

Wir fordern Sie auf, sich unverzüglich für die Einhaltung des Feiertagsschutzgesetzes (FTG) auf den S21-Baustellen einzusetzen. Es kann nicht angehen, dass ausgerechnet in einem Land mit einer zutiefst christlichen Tradition wie Baden-Württemberg das grundgesetzlich geschützte Rechtsgut der Sonntagsruhe ohne Not preisgegeben wird.

Sie wissen, dass der Landesbischof der württembergischen evangelischen Landeskirche Frank Otfried July sich in seiner Neujahrsbotschaft darüber besorgt erklärt hat, dass – auch bei den S21-Bauarbeiten – aus Gewinninteresse der Schutz des Sonntags ausgehöhlt wird. Vor jeder Ausnahmegenehmigung von der Einhaltung des FTG hätten die Kirchen von der zuständigen Behörde gehört werden müssen. Das ist bei den S21-Baustellen in keinem Fall geschehen.

Das Innenministerium argumentiert in dieser Sache falsch, wenn es behauptet, mit dem Planfeststellungsbeschluss (PFB) für S21 seien auch die Tunnel-Arbeiten an Sonntagen genehmigt worden. Das ist schon deshalb falsch, weil auch bei dieser Ausnahmegenehmigung die Kirchen hätten gehört werden müssen. Das ist aber auch deshalb nicht richtig, weil der PFB genauso wenig den Feiertagsschutz aufheben kann, wie er Arbeitsschutzrechte außer Kraft setzen kann – es sei denn, es liege von anderer zuständiger Stelle eine Zustimmung dafür vor.

Es argumentiert auch irreführend, wenn es behauptet, die S21-Arbeiten seien über das Arbeitszeitgesetz geregelt, nicht über das Feiertagsgesetz. Die beiden Gesetze haben überhaupt nichts miteinander zu tun, sondern das eine regelt die arbeitsrechtlichen Fragen der Beschäftigten und das andere die Rechte der Bevölkerung auf einen ungestörten Tag der Ruhe.

Ausnahmen vom FTG für Baustellen in der Stadt Stuttgart kann nur die Stadt Stuttgart genehmigen (wenn es sich um Einzelfälle geringer Bedeutung handelt) oder das Innenministerium (wenn es um allgemeinere Fälle geht). Beide müssten aber vor der Entscheidung die Kirchen hören. Tertium non datur.

Dass weder die Ortsbehörde, noch das Innenministerium auf Einhaltung des FTG pochen, noch die örtliche bzw. die Landes-Polizeibehörde dessen Missachtung verfolgen, ist ein skandalöses Staatsversagen. Es steht der Verdacht im Raum, dass das nicht geschieht, weil man fürchtet – und wie wir in der Neujahrsbotschaft nun vernehmen: wohl zu Recht –, dass die Kirchen einer Ausnahmeregelung nicht zustimmen werden.

Wir fordern Sie deshalb dringend auf: Lassen Sie nicht zu, dass der Rechtsstaat Schritt für Schritt wirtschaftlichen oder politischen Interessen zur Beute überlassen wird! Wir erwarten von Ihnen, dass Sie – als Regierungschef und oberster Repräsentant des Landes – die Behörden des Landes unverzüglich anweisen, alle S21-Sonntagsarbeiten stoppen zu lassen, bis eine rechtskonforme Regelung dafür getroffen ist.

Grundsätzlich geben wir zu bedenken, dass die Probleme mit der Sonntagsruhe ebenso wie die Finanzierungsstreitigkeiten zu überwinden sind, indem die Sprechklausel genutzt wird zu Gesprächen über den Umstieg auf einen wirklich zukunftsfähigen modernisierten Kopfbahnhof.

Mit freundlichen Grüßen
im Namen der Initiative „TheologInnen gegen S21“,
Martin Poguntke

Offener Brief an den Aufsichtsrat der DB

Der S21-Ausstieg ist alternativlos

Sehr geehrte Damen und Herren im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn!

In diesen dramatischen Tagen, in denen Sie sehr grundsätzliche Entscheidungen zur Zukunft der Bahn und insbesondere des Projekts „Stuttgart 21“ zu treffen haben, wendet sich die Initiative „TheologInnen gegen Stuttgart 21“ in einem Offenen Brief an Sie, der auch an die Medien geht. Als ProjektkritikerInnen und Bahnfreunde, die die jetzt offenbar werdenden Probleme von S21 seit langem haben kommen sehen, bitten wir Sie dringend, sich ernsthaft mit unseren Analysen und Forderungen zu befassen:

1. Als ChristInnen, die sich aus ihrem Glauben heraus für die Menschen und die Schöpfung als Ganze mitverantwortlich wissen und nicht zuletzt auch von Politik und Wirtschaft ein Mindestmaß an Wahrhaftigkeit erwarten, fordern wir einen

sofortigen Umstieg auf eine Modernisierung des Stuttgarter Kopfbahnhofs.

Ein Weiterbauen „als wäre nichts gewesen“ ist gegenüber der Bevölkerung nicht zu verantworten. Zu groß und zu viele sind die Schwächen und Risiken des geplanten Tiefbahnhofs. Zu groß und zu viele sind die Verschleierungsversuche der Bahn, was tatsächliche Kosten, Leistung und Probleme des Baus betrifft.

2. Als ChristInnen, die als Konsequenz aus ihrem Schöpferglauben mit wachen Augen soziale und ökologisch relevante Vorgänge in der Gesellschaft beobachten, stellen wir fest:

Ein Umstieg auf eine Modernisierung des Kopfbahnhofs hätte beeindruckende Vorteile:

  • Der Bahnhof würde erheblich mehr Bahnverkehr bewältigen können als der geplante Tiefbahnhof, aber etliche Milliarden weniger kosten.
  • Große Teile des wenigen bereits für S21 Gebauten könnten mit neuer Funktion mitverwendet werden und wären nicht umsonst erstellt worden.
  • Schon in den nächsten Jahren könnte auf den frei werdenden Baulogistikflächen mit dem Bau großer neuer Wohnquartiere begonnen werden – nicht erst Ende der 20-er-Jahre wie beim Rosensteinquartier.
  • Der Stuttgarter Hauptbahnhof bliebe weiterhin ein bedeutender Landesbahnhof mit wichtiger bundesweiter Verkehrsbedeutung – kein untergeordneter Haltepunkt mit eingeschränkten Funktionen.

3. Als ChristInnen, die von den staatlichen Institutionen erwarten, dass sie zum Wohle der Bevölkerung – insbesondere der Schwächeren der Gesellschaft – handeln, beobachten wir irritiert:

Die Politik will mit dem Festhalten am Projekt „Stuttgart 21“ beweisen, dass in Deutschland Großprojekte umgesetzt werden können.

Tatsächlich aber würde sie mit dem Weiterbau der Stadt und dem Land großen Schaden zufügen und den Wirtschaftsstandort Deutschland weltweit blamieren:

  • Nach dem Berliner Flughafen würde ein weiteres Großprojekt in Deutschland der Politik und der technisch-wirtschaftlichen Planung völlig entgleiten.
  • Ein Großprojekt würde über weitere mindestens 10 Jahre mit immer neuen Problemen im Fokus der Öffentlichkeit stehen.
  • Die Politik würde als unfähig dastehen, aus erkannten Fehlern zu lernen.

Ein Auswechseln verantwortlicher Köpfe erscheint uns notwendig, aber allein noch nicht nachhaltig genug,

weil die Probleme mit S21 vom Projekt selbst herrühren. Sie sind nicht von den verantwortlichen Personen verursacht, sondern lediglich von ihnen verschwiegen worden.

4. Deshalb fordern wir als ChristInnen, die sich in der Verantwortung wissen, Politik und Wirtschaft konstruktiv zu beobachten und zu kontrollieren, die Verantwortlichen auf:

Beschließen Sie jetzt ein Moratorium, in dem die Rahmenbedingungen des Projekts S21 – von dem erst höchstens 20 Prozent gebaut sind – noch einmal grundsätzlich und ehrlich überprüft werden, mit dem letztlichen Ziel eines sowohl wirtschaftlich als auch verkehrstechnisch sinnvollen Umstiegs auf die Modernisierung des Kopfbahnhofs.

Mit freundlichen Grüßen im Namen der Initiative „TheologInnen gegen Stuttgart 21“, MP

Weckruf: Brechen Sie Ihr Schweigen!

(hier als pdf-Datei: Weckruf, final)

Die Schwierigkeiten des Projekts Stuttgart 21 spitzen sich zurzeit zu.

Den Bahn-Aufsichtsräten droht eine Anzeige wegen Untreue, wenn sie in der Aufsichtsratssitzung am 15. März nicht Schritte zum sofortigen Stopp einleiten (weil sie – angesichts nun auf mindestens 9,8 Milliarden berechneter Kosten – sonst einen gravierenden Vermögensschaden der Bahn zu verantworten hätten.)

In dieser kritischen Situation ruft die Initiative „TheologInnen gegen S21“ breit dazu auf, am Arbeitsplatz, im Alltag, mit Vorgesetzten und KollegInnen, im Privaten, in Veranstaltungen usw. über die chaotische Situation des Projekts zu reden:

Weckruf: Brechen Sie Ihr Schweigen!
Tragen Sie so dazu bei, dass S21 so schnell wie möglich beendet wird – je früher, desto besser!

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!
Damit der Weg für eine zukunftsträchtige Planung des Bahnknotens Stuttgart frei wird.

Das Projekt hängt nur noch an einem seidenen Faden.

  • Die Kosten steigen immer weiter – aktuelle Schätzung: 9,8 Milliarden –
    und verschwenden Geld, das anderswo dringend gebraucht wird.
  • Der Fertigstellungstermin wird immer später (wenn das Projekt überhaupt fertig wird)
    – was weitere Kostenerhöhungen mit sich bringt.
  • Genehmigungen für die unverzichtbaren Projektteile „Filderbahnhof“ und „Wartungsbahnhof“ stehen in weiter Ferne
    – weitere Verzögerungen und notdürftige Umplanungen sind zu befürchten.
  • Die baulichen Probleme beim eigentlichen Tiefbahnhofsgebäude werden immer größer
    – der Stuttgarter Untergrund ist viel tückischer als die Bahn-Planer angenommen hatten.
  • Das Bohren der Tunnels geht viel langsamer als geplant
    – und die schwierigsten Abschnitte sind noch nicht einmal begonnen.
  • Für den Brandschutz ist keine sichere und behindertengerechte Lösung in Sicht
    – nur technisch fragwürdige Kompromisse, die zudem mit weiteren Kosten verbunden sind.
  • Die beabsichtigte Bebauung der Gleisflächen des Kopfbahnhofs wird voraussichtlich nicht möglich sein
    – mindestens ein Teil der Gleise wird weiterhin gebraucht werden.
  • Die Finanzierung des Projekts wird immer fraglicher
    – möglicherweise müssen Stadt und Land ihre Beteiligung zurückziehen.
  • Die Volksabstimmung kann ein Weiterbauen nicht begründen, denn sie war gescheitert
    – und damals angegebene Leistungsfähigkeit und Kosten sind längst überholt.

(Details: weiter unten)

Es gibt kaum noch Verantwortliche, die das Projekt selbst für sinnvoll halten.

In dieser Situation fordern wir alle Menschen guten Willens auf, ihre Verantwortung für das Wohl des Landes und der Stadt wahrzunehmen. Wenn jeder an seiner Stelle sein Schweigen bricht, wenn jeder seine begrenzten Möglichkeiten nutzt, Einfluss zu nehmen und die Augen für die Absurdität des Projekts öffnen hilft – dann kann das Projekt noch gestoppt werden, bevor es noch größeren Schaden anrichtet.

Nutzen Sie Ihre Kontakte!
Verstecken Sie nicht mehr Ihre Bedenken!
Machen Sie sich nicht mitschuldig durch Ihr Schweigen!

S21 richtet neben dem großen Imageschaden für den deutschen Ingenieurs- und Wirtschaftsstandort nicht nur ökologischen, geologischen und finanziellen Schaden an. Das Projekt hat auch bereits großen sozialen Unfrieden über Stadt und Land gebracht: Erst mit dem Stopp des Projekts scheint Aufklärung, Sühne und Befriedung möglich zu werden. Ein „Augen zu und durch“ wird den Frieden nicht herbeiführen, sondern weiter erschweren.

Deshalb: Werden Sie aktiv, im Stillen, in der Öffentlichkeit, an Ihrer Arbeitsstelle, wo immer auch nur die kleinste Gelegenheit besteht, zum baldigen Ende dieses Skandalprojekts beizutragen!

Weitere Informationen: Weiterlesen

Kirche als S21-Werbepartner

Am 10. Juli 2014 hat eine weitere sogenannte „Tunneltaufe“ im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 stattgefunden – dieses Mal beim Fasanenhof und zum zweiten Mal unter Beteiligung eines Pfarrers, der im Auftrag der Evangelischen Landeskirche Württemberg amtierte.

Warum lässt sich die Landeskirche strategisch einbinden?

Bisher hatte die Landeskirche stets betont, sie stehe dem Projekt neutral gegenüber und könne und wolle sich weder „für“ noch „gegen“ das Projekt positionieren. Und noch bei der ersten Tunneltaufe hatte sie deshalb größten Wert darauf gelegt, öffentlich zu betonen, dass es sich bei dem amtierenden Pfarrer nicht um einen landeskirchlichen Pfarrer gehandelt habe.

Ratlos fragen wir uns: Wie hat die Landeskirche sich so einbinden lassen können in die S21-Werbestrategie? Was hat unsere Kirchenleitung zu diesem Richtungsschwenk bewogen?

Hätte sie nicht sagen können und müssen: An pseudoreligiösen Veranstaltungen wie säkularen „Taufen“ nehmen wir als evangelische Kirche grundsätzlich nicht teil?

Hätte sie nicht sagen können und müssen: An Heiligenfeiern mitzuwirken (gleich ob mit Barbara, Hubertus oder anderen) ist uns – auch unter ökumenischen Vorzeichen – nicht möglich, denn solche Feiern sind mit unserem Verständnis des christlichen Glaubens nicht vereinbar?

Sie hätte auch sagen können: An gottesdienstlichen Veranstaltungen, die nicht klar getrennt sind von politisch motivierten Versammlungen, beteiligen wir uns nicht, denn wir wollen nicht in den Verdacht geraten, uns vereinnahmen zu lassen, zumal Segnen nur allzu leicht als Absegnen missverstanden werden kann.

Warum keinen wirklichen Gottesdienst?

Ja, sie hätte auch einfach – aus eigenem Antrieb und unter eigener Regie – einen eigenen, gerne auch ökumenischen Gottesdienst anberaumen können (zu dem sie auch die Bahn und all die S21-Jubelgäste hätte einladen können). Dann wäre es ein wirklicher Gottesdienst geworden und keine gotteslästerliche Zwitterveranstaltung.

Gar nicht auszudenken, sie hätte den „Mut“ gehabt, ihren Auftrag ernst zu nehmen und aus Anlass eines S21-Tunnelanstichs einen Bittgottesdienst für die Schöpfung und die Leiharbeiter abgehalten, in welchem sie offen zur Sprache und ihre Klage darüber vor Gott gebracht hätte, welche bedrückend lange Liste an Kritik, Sorgen,Befürchtungen und gesellschaftlichem Streit mit diesem Projekt verbunden sind.

Warum nach beiden Seiten hinken?

Schon fast jenseits des Vorstellbaren: Sie hätte sich – wie es ihrem biblischen Auftrag entspräche – entschieden und parteilich auf die Seite der einfachen Menschen gestellt und nicht versucht, nach beiden Seiten zu hinken, indem sie etwa die Bausorgen der S21-Betreiber gleichberechtigt neben die Sorgen der Gegner stellte. Sondern sie hätte Gottes Hilfe dafür erbeten, dass in Stuttgart nicht der Öffentliche Bahnverkehr ein für alle Mal auf zwei Drittel seiner heutigen Möglichkeiten amputiert wird, dass nicht das Mineralwasser und die Häuser am Hang (und im Brandfall in Tunneln oder Tiefbahnhof alle Benutzer) gefährdet werden, dass nicht hart erarbeitete Steuergelder verschleudert und dem allgemeinen Wohl entzogen werden. Nur, um „götzendienerischen“ – so hätte sie es wirklich nennen können und müssen – Profit aus dem Verkauf verführerisch lukrativer Grundstücke zu ziehen, die sich später nur die Reichen in der Bevölkerung werden leisten können.

Bloßer frommer Zierrat

Ach, was hätte diese Landeskirche tun können, wenn sie sich wirklich als Kirche Christi hätte bewähren wollen, anstatt sich als bloßer frommer Zierrat für eine Bürgergesellschaft benutzen zu lassen, in der schrankenloses Konsumieren und Besitzen die obersten Werte darstellen.

Aber sie ist halt wie sie ist, diese Kirche. Man kann nur hoffen und Gott inständig bitten, selbst nicht auch so „lau“ zu sein oder zu werden wie sie, sondern so entschieden „heiß oder kalt“, wie Jesus es von seinen Jüngerinnen und Jüngern gefordert hat.

Theolog_innen gegen Stuttgart 21 Martin Poguntke, Wolfgang Schiegg, Guntrun Müller-Enßlin, Michael Harr, Georg Vogelgsang, Friedrich Gehring

Brief an die SynodalkandidatInnen

Am 1. Dezember 2013 wird in den Evangelischen Landeskirchen von Baden und Württemberg das Kirchenparlament – die Landessynode – gewählt. Wir „TheologInnen gegen S21“ haben den KandidatInnen einen Brief geschrieben, in dem wir sie um Auskunft bitten, wie sie zum Projekt „Stuttgart 21“ stehen.

Hier der Brief
und die Datei als pdf zum Runterladen (Theols_geg_S21 an Landessynodale):

„Theologinnen und Theologen gegen Stuttgart 21“
Anfrage an die Kandidatinnen und Kandidaten
für die Landessynodalwahlen 2013 in Baden und Württemberg

Sehr geehrte Damen und Herren,
mit diesem Schreiben wenden wir uns an Sie, weil es für uns bei den anstehenden Kirchenwahlen von großer Bedeutung ist, wie sich die Kandidatinnen und Kandidaten für die Landessynoden zum Projekt „Stuttgart 21“ stellen. Auch denkbare Wahlempfehlungen hängen für uns davon ab.
In den 80-er Jahren des letzten Jahrhunderts beschlossen die christlichen Kirchen den sog. „konziliaren Prozess“ und verpflichteten sich, Ungerechtigkeit, Unfrieden und Zerstörung der Schöpfung in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld zu analysieren und zu überwinden.
Folgende vier Grundüberzeugungen des konziliaren Prozesses hindern uns, das Projekt „Stuttgart 21“ mitzutragen:
1. „Wir bekräftigen, dass Wahrheit zur Grundlage einer Gemeinschaft freier Menschen gehört. Jesus lebte ein Leben der Wahrhaftigkeit“.
„Stuttgart 21“ hat durch vielfältige Rechtsbrüche, Unwahrheiten und schließlich brutale Polizeigewalt Unfrieden gestiftet. Nach unwahren Kosten- und Leistungsbehauptungen hat die Staatsgewalt am 30. September 2010 die noch nicht genehmigte Fällung von Bäumen im Schlossgarten für das Projekt „Stuttgart 21“ in einem brutalen Polizeieinsatz gegen friedlich demonstrierende Menschen durchgesetzt, wie es in diktatorischen Regimen üblich ist. Dadurch wurde der Friede in unserem Land schwer gestört. Die juristische Aufarbeitung der Gewalttaten ist nicht zufriedenstellend. Die Geschädigten warten noch zu einem großen Teil auf die Wiederherstellung des Rechtsfriedens.
2. „Die einzig mögliche Grundlage für einen dauerhaften Frieden ist Gerechtigkeit“
„Stuttgart 21“ steht für uns jedoch dem biblischen Grundwert der Gerechtigkeit diametral entgegen. Denn dieses Projekt dient den Profiten weniger (z.B. Deutsche Bahn, Großkonzerne, Großbanken) und bürdet die verharmlosten Kosten des Projektes den Steuerzahlern und Bahnkunden auf. Die ohnehin schon dramatischen Staatsschulden werden noch weiter erhöht mit entsprechenden Zinslasten, die Mobilitätskosten werden besonders für die steigen, die sich keine arbeitsplatznahe Wohnung leisten können. Die Botschaft Jesu ist solchem wirtschaftlichen Handeln genau entgegengesetzt: Indem die Reichen ihr Hab und Gut mit den Armen teilen, geschieht Gerechtigkeit und wächst das Reich Gottes.
3. „Wir bekräftigen, dass Gott die Schöpfung liebt. Gott, der Schöpfer, ist der Ursprung und der Erhalter des ganzen Kosmos.“
Als Gottes Ebenbilder haben wir die Aufgabe, zur Erhaltung der Schöpfung beizutragen. Damit stehen wir in der Pflicht, bei Eingriffen in die Natur die Risiken für Menschen und Umwelt daraufhin zu überprüfen, ob sie in einem angemessenen Verhältnis zum zu erwartenden Nutzen stehen. Durch die S21-Baumaßnahmen entstehen aber unkalkulierbare Risiken für das Stuttgarter Mineralwasser, die Bäume der verbliebenen Flächen des Schlossgartens und die Häuser an den Hängen. An möglichem Nutzen stehen dem lediglich ca. 15 ha neu gewonnene Baufläche gegenüber, für einige wenige Züge Fahrzeitgewinne von wenigen Minuten und eine wenig komfortable und von nur Wenigen benötigte ICE-Verbindung zum Flughafen – eine mögliche Parkerweiterung hat nichts mit S21 zu tun. Der mögliche Nutzen ist so gering, dass selbst Bahnchef Grube das Projekt heute nicht mehr beginnen würde.
4. „Wir bekräftigen, dass Gott auf der Seite der Armen steht… Jene, die die Gesellschaft als die ‚Geringsten‘ behandelt, nennt Jesus seine Geschwister“
Als Christen sind wir aufgerufen, uns auf die Seite der Schwachen in unserer Gesellschaft zu stellen – und damit insbesondere auch für Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen einzutreten. Bei S21 sind aber die Bahnsteige, Treppen und Aufzüge so eng bemessen, dass sie in den Stoßzeiten und in Gefahrensituationen die zu erwartenden Personenströme nicht bewältigen können. Außerdem sind die Bahnsteige nicht ebenerdig erreichbar. Beides stellt vor allem für Menschen mit Behinderungen, für Senioren und für Eltern mit Kinderwagen eine besondere Gefährdung dar, die im bestehenden Kopfbahnhof nicht gegeben ist.
Die Brandschutzeinrichtungen im Tiefbahnhof und in den ca. 60 km Tunnelröhren sind völlig unzureichend, und erforderliche Nachrüstungen würden an den Bahnsteigen weiteren wertvollen Platz kosten.
Aus diesen und etlichen weiteren Gründen bitten wir um Auskunft, ob Sie sich für oder gegen das Projekt „Stuttgart 21“ positionieren, und machen Sie gleichzeitig darauf aufmerksam, dass wir Ihnen bei Wahlveranstaltungen entsprechende Fragen stellen werden.
Mit freundlichen Grüßen
im Namen der Initiative „Theologinnen und Theologen gegen Stuttgart 21“
Martin Poguntke
( TheologInnen-gegen-s21@online.de )

PS: Gerne machen wir Sie an dieser Stelle auch aufmerksam auf unsere „Gemeinsame Theologische Erklärung gegen S21“ (http://s21-christen-sagen-nein.de/gemeinsame-erklarung-von-theologinnen), die inzwischen von über 1200 Christinnen und Christen mit getragen wird.

Offener Brief an Kanzlerin Merkel vom 14.2.2013

Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin,

Sie haben 2010 im Bundestag erklärt, an Stuttgart 21 entscheide sich die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und die Landtagswahl in Baden-Württemberg am 27.3.2011 sei die Volksabstimmung über dieses Projekt. Diese Wahl führte dazu, dass die grün-rote Landesregierung hinsichtlich des Projekts eine Kostendeckelung beschlossen hat, wodurch die Finanzierung von Stuttgart 21 nun für die Bahn zum Desaster wird. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Weitsicht im Blick auf den Volksentscheid gegen Stuttgart 21 bei der Landtagswahl 2011 und ermutige Sie gleichzeitig, den Volksentscheid nun auch anzuerkennen und den Ausstieg aus diesem Projekt durchzusetzen.

Sie haben wiederholt die „schwäbische Hausfrau“ zum Paradigma der Finanzpolitik erklärt. Sie sind in dieser Hinsicht nur dann konsequent und glaubwürdig, wenn Sie nun auch insofern ernst machen mit dem Erweis der Zukunftsfähigkeit Deutschlands am Projekt Stuttgart 21 , dass dieses Großprojekt doch noch auch regierungsamtlich auf seine Rentabilität und volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit hin durchgerechnet werden muss, nachdem bereits seit langem die Unwirtschaftlichkeit und Unsinnigkeit dieses Projekts öffentlich gemacht worden ist. Von der „schwäbsichen Hausfrau“ lernen heißt rechnen lernen.

Mit freundlichen Grüßen

Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Offener Brief an den Landesbischof der Ev. Kirche in Württemberg Frank Otfried July

Anstatt die Auseinandersetzungen um S21 als ungute „Polarisierung“ zu disqualifizieren, sollte die Kirche diese begrüßen als notwendigen Diskurs über ein umstrittenes Projekt.

Kirche leistet nur dann einen glaubwürdigen und wirkungsvollen Beitrag zum „Frieden“, wenn sie die Frage nach Wahrheit und Gerechtigkeit dabei nicht ausklammert.

Die Forderung, „mit sachlichen Argumenten“ zu streiten, muss an die Betreiber des Projekts gerichtet werden – von den Kritikern wird sie längst eingelöst.

Sehr geehrter Herr Landesbischof July!

Sie haben sich in einem Interview der Stuttgarter Zeitung zur Rolle von Kirche und Theologie im Konflikt um das Projekt „Stuttgart 21“ geäußert. Für uns als Mitglieder der Initiative „Theologinnen und Theologen gegen S21“ sind Ihre Äußerungen dazu nicht nachvollziehbar. Ihnen oder Ihrer Presseabteilung kann es nicht entgangen sein, dass unsere Initiative seit zwei Jahren eine sachliche, theologisch fundierte Auseinandersetzung mit dem Projekt führt.

Wir haben dazu eine „Gemeinsame Theologische Erklärung“ veröffentlicht (https://s21-christen-sagen-nein.org/gemeinsame-erklarung-von-theologinnen/). Seit Jahren finden zahlreiche Gottesdienste und Andachten dazu statt, zu denen Hunderte suchender Menschen regelmäßig kommen. Wir haben uns immer wieder öffentlich geäußert, Kolleginnen und Kollegen angeschrieben, Diskussionen geführt. Ihnen persönlich haben wir mehrfach das Gespräch angetragen. Weiterlesen

Offener Brief an Ministerpräsident Kretschmann zu Sicherheitsmängeln bei Stuttgart 21

Pfr. i. R. Friedrich Gehring
Am Krähenhorst 8
71522 Backnang                                                                          den 26.6.2012

Offener Brief

An Herrn
Ministerpräsident Winfried Kretschmann                  Per e-Mail!
Richard-Wagner-Str. 15
70184 Stuttgart

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,

am 5.6.2012 haben drei Stuttgarter Stadträte von Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag an die Stadtverwaltung gestellt, sie möge die Deutsche Bahn AG zu einer Stellungnahme auffordern hinsichtlich eines jüngst bekannt gewordenen Gutachtens von 1997 zu den  Personenströmen im geplanten Tiefbahnhof  Stuttgart 21. Nach diesem Gutachten erreicht der geplante Tiefbahnhof bei der Simulation von nur 29 Zügen in der Spitzenstunde nur mittlere Bewertungen im Blick auf die Personenströme. Hieraus ergeben sich gravierende Zweifel an der Leistungsfähigkeit und Sicherheit von Stuttgart 21, wie sie im so genannten Stresstest behauptet wurden und für den Volksentscheid vom 27.11.2011 grundlegend waren.

Ihre Wähler ebenso wie diejenigen, die Sie nicht gewählt haben, und genauso die Teilnehmer an der Volksabstimmung  vom 27. Nov. 2011 dürfen von Ihnen als verantwortungsbewusstem Landesvater erwarten, dass Sie es den Stadträten der Grünen gleichtun und als Entscheidungsträger des Landes Baden-Württemberg auf die Deutsche Bahn AG zugehen mit den notwendigen Fragen, die sich aus dem jetzt bekannt gewordenen Gutachten ergeben, sowie die notwendigen Konsequenzen ziehen.

In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass Sie durch Ihren Staatssekretär, Herrn Murawski, mit Schreiben vom 2.2.2012 an Herrn Dr. Kefer die Deutsche Bahn AG aufgefordert haben, zuerst die notwendigen Vorarbeiten zu erledigen, bevor die Rodung des Schlossgartens ins Angriff genommen würde, um verlorenes Vertrauen wieder herzustellen, „die allseitigen Verletzungen“ zu überwinden und zu einem „neuen und guten Miteinander“ zu finden. Dieser Appell war offensichtlich bei der Bahn schlecht aufgehoben. Das traurige Ergebnis ist im Schlossgarten zu besichtigen. Diese unnötige Zerstörung war unschwer zu erahnen. Deshalb wäre es Aufgabe Ihrer Regierung gewesen, den Park so lange durch Verweigerung des Gestattungsvertrags und des Polizeieinsatzes zu schützen, bis die Bahn die unabdingbaren Vorarbeiten geleistet hätte.

Sie selbst hätten hier verloren gegangenes Vertrauen wieder gewinnen müssen. Durch die Delegierung dieser Aufgabe an Herrn Dr. Kefer haben Sie selbst einen weiteren Verlust an Vertrauen in Ihre Regierung  erzeugt, nachdem Sie die im Koalitionsvertrag versprochene Kostentransparenz und einen wirklichen Vergleich zwischen Kopf- und Tiefbahnhof noch vor dem Volksentscheid unterlassen hatten. Sie haben nun angesichts des aufgetauchten Gutachtens die Möglichkeit, hier wenigstens teilweise Wiedergutmachung zu leisten. Wenn Sie den Täuschungsversuchen der Deutschen Bahn AG jetzt nicht energisch entgegentreten, machen Sie sich mitschuldig an einem Bahnhof, der bei den zu erwartenden Engpässen zu einer Katastrophe für die Reisenden wird.

Ich kann in diesem Zusammenhang nicht umhin, an die Loveparadekatastrophe in Duisburg zu erinnern. Eine offensichtlich fahrlässige Genehmigungspraxis führte zu 21 Todesopfern. Die Teilnehmer wollten sicherlich diese Veranstaltung, aber sie wollten dort nicht sterben. Selbst wenn tatsächlich der Volksentscheid vom 27. Nov. 2011 rechtskräftig werden sollte und Sie in ihrem Mantra bestätigt würden, das Volk wolle Stuttgart 21, so muss dennoch festgehalten werden, dass das Volk nicht in diesem Bahnhof sterben will.

Dr. Kefer von der Deutschen AG hat auf die Frage, wie Menschen mit Gehbehinderungen im Brandfall aus dem Tiefbahnhof gerettet werden sollen, am 25.1.2011 brieflich allen Ernstes geantwortet, man werde durch Lautsprecherdurchsagen die Gehfähigen auffordern, die Gehbehinderten zu retten. Ich erwarte von Ihnen als einem bekennenden Katholiken, dass Sie diesem Menschen verachtenden und über Leichen gehenden Zynismus mit derselben Entschlossenheit entgegentreten wie Sie beim EnBW-Kauf zu viel bezahlte Milliarden zurückfordern. Ich erwarte, dass Sie keinerlei Zahlungen des Landes mehr zulassen, bis die Deutsche Bahn AG sich zu einem schlüssigen Rettungskonzept vertraglich verpflichtet oder Stuttgart 21 wegen unumgänglicher Sicherheitsmängel aufgegeben hat.

Mit freundlichen Grüßen

Pfr. i. R. Friedrich Gehring
(Mitglied der Initiative „Theologinnen gegen Stuttgart 21“ / http://www.s21-christen-sagen-nein.org)

Offener Brief an Winfried Kretschmann

Stuttgart, 09.02.2012

Unterbrechen Sie die S21-Zerstörungsarbeiten
– im Interesse des Landes!

Werten Sie nicht den Volksentscheid höher
als die Schutzrechte der Bevölkerung!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann!

Ich kann und mag nicht glauben, dass Sie das wirklich glauben, was Sie nun in Facebook zu Stuttgart 21 geschrieben haben.

Sie erwecken in Ihrem Brief den Eindruck, als ob das Ergebnis eines Volksentscheids über dem Gesetz stehen könnte und Sie in höherem Maße binde als all das, was nicht nur Sie, sondern jeden Ministerpräsidenten und jede Landesregierung in erster Linie bindet: Sie müssen auf die Wahrung des Rechts achten und darauf, dass kein Projekt-„Partner“ des Landes die Bevölkerung übervorteilen kann.

  • Sie wissen: Es gibt zahlreiche – bislang von niemandem widerlegte – Belege dafür, dass der „Stresstest“ nur durch Betrug von der Bahn „bestanden“ wurde.
  • Sie wissen, dass damit die Rechtsgrundlage für die gesamten S21-Verträge und all die Ausnahmegenehmigungen entfällt.
  • Sie wissen, dass die Bahn keine grundsätzliche Genehmigung hat, den denkmalgeschützten Bahnhof abzureißen, sondern eine Genehmigung, die unter der Voraussetzung erteilt wurde, dass ein höherer Wert – nämlich der verkehrliche und Infrastruktur-Nutzen des Projekts – überwiegt. Genau dies ist aber nicht mehr gegeben, wenn die Verkehrsleistung von S21 nicht 30% mehr, sondern über 30% weniger beträgt. Für einen Rückbau der Schieneninfrastruktur hat die Bahn keine Genehmigung erhalten, die Bahnhofsflügel abzureißen. Das gleiche gilt für die Fällung der Bäume im Schlossgarten.
  • Sie wissen, dass die Bahn bislang keinerlei Anstalten gemacht hat, die in der sogenannten „Schlichtung“ mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung vereinbarten Bedingungen zu erfüllen (keine Fällung von gesunden Bäumen, Anbindung der Gäubahn, Notfallkonzept für die Tunnels, Barrierefreiheit…)
  • Sie wissen, dass die Bahn nun zum dritten Mal ihre Annahmen zur Grundwassersituation und ihre entsprechenden Planungen zum Grundwassermanagement ganz grundsätzlich verändert hat und dass es deshalb möglich ist, dass sie auf Dauer gar keine genehmigungsfähige Planung zustande bekommt.
  • Sie wissen, dass noch erhebliche Teile der S21-Planung so weit von einer Genehmigung entfernt sind, dass fraglich ist, ob sie jemals umgesetzt werden können.
  • Sie wissen, dass Sie selbst die Kofinanzierung des Projekts durch Land, Stadt und Bahn als verfassungswidrig bezeichnet haben.
  • Sie wissen, dass die Kosten für S21 auf jeden Fall 4,5 Mrd. überschreiten werden und dass dafür von keiner Seite aus eine Zusage der Kostenübernahme besteht und dass deshalb die Landesregierung mit jeder zusätzlichen Zerstörungs- und Baumaßnahme immer größerem Druck ausgesetzt wird, sich einer Beteiligung – trotz aller gegenteiligen Bekenntnisse – nicht entziehen zu können.
  • Sie wissen, dass 43% derer, die beim Volksentscheid gegen einen Ausstieg aus S21 votiert haben, dies aus „Angst vor Ausstiegskosten“ getan haben (laut einer Erhebung des SWR) – nicht, weil sie den Bahnhof wollen.
  • Sie wissen, dass die im „Informations“-Prospekt der Landesregierung zum Volksentscheid behaupteten 1,5 Mrd. Ausstiegskosten zulasten des Steuerzahlers nicht eine mögliche Meinung, sondern nachweislich falsch sind (schon allein, weil die Hälfte davon wieder an den Steuerzahler zurück fließen würde, nämlich an die Stadt Stuttgart).
  • Sie wissen, dass deshalb der Volksentscheid kein „Leuchtturm der Demokratie“ war, sondern ein mit vielen Millionen aus Wirtschaft und Verbänden erkaufter Betrug derer, die sich so hohe Kosten für Werbung und Irreführung eben leisten können.
  • Sie wissen, dass das Ergebnis des Volksentscheids rechtlich noch gar nicht bindend ist, weil noch 16 Beschwerdeverfahren dagegen anhängig sind.
  • Sie wissen, dass beim Volksentscheid auch auf der NEIN-Seite kein Quorum von 33% zustande gekommen ist – das Voraussetzung dafür wäre, es mit staatsmännischer Geste als „Gesetzgebungsverfahren“ zu bezeichnen, gegen das sich ein Ministerpräsident nicht stellen darf.
  • Sie wissen, dass – auch unabhängig vom Quorum und von den Klagen dagegen – der Volksentscheid rechtlich gänzlich irrelevant ist, weil er ganz einfach nur gescheitert ist und damit nichts anderes passiert ist, als dass die ursprüngliche Rechtslage wieder hergestellt ist, nämlich: Das Land ist NICHT VERPFLICHTET, die S21-Verträge zu kündigen. Nicht mehr und nicht weniger.

Angesichts all dieser Punkte erwarte ich von Ihnen als Ministerpräsident:
Setzen Sie nicht all Ihre Argumentationskunst ein, um zu begründen, warum Sie sich „als Demokrat“ an den verlogenen, gekauften und juristisch irrelevanten Volksentscheid halten müssten!
Sondern legen Sie Ihr ganzes politisches Geschick darein, in all den genannten Punkten nachzuhaken, Gerichtsverfahren anzustrengen oder zu unterstützen, weitere Schritte, Genehmigungen, Zahlungen des Landes an die Aufklärung von Sachverhalten zu knüpfen usw.!

Dass die von Ihnen behauptete kritisch(!)-konstruktive Begleitung so gar nicht erkennbar ist – das lässt viele Ihrer Wähler fragen: Kommt Ihnen womöglich das Ergebnis des Volksentscheids gerade recht – als Rettung des Koalitionsfriedens?

Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie sich morgen früh hinstellen und sagen: Wir beenden S21. Aber von Ihnen – wie von jedem Ministerpräsidenten, unabhängig davon, ob er für oder gegen S21 ist – ist zu erwarten,
dass er alles Erdenkliche unternimmt, um Schaden vom Volk abzuhalten, und dass er deshalb dem Druck der Bahn (wie gegenüber jedem anderen Geschäfts„partner“ des Landes) im Interesse des Landes entsprechenden Gegendruck entgegen setzt, Bedingungen formuliert, Gelder und Zugeständnisse zurückhält, mit Gerichtsverfahren droht – eben Politik macht und nicht nur Worte.

Natürlich ist es nicht einfach, gegen den Mainstream der wirtschaftsgesteuerten Meinungsmache anzuregieren. Wir brauchen aber – auch auf Bundesebene – keine weitere Partei, die (wie seit langem auch die SPD) in ihrer Politik die Interessen der Bevölkerung den Interessen der Wirtschaft unterordnet. Wir brauchen eine Partei und Politiker – dafür wurden die Grünen gewählt –, die politikfähig sind und nicht zu Handlangern der Wirtschaftslobby verkümmern, sobald die ersten Widerstände auftreten – innerhalb der Koalition oder außerhalb vonseiten der Opposition und der S21-Lobby.

Ich appelliere an Sie als Vertreter einer Umwelt- und Bürgerrechtspartei:

Riskieren Sie nicht durch Ihre Tatenlosigkeit den guten Ruf der Grünen!

Setzen Sie nicht durch eine Unterwerfung unter die Wirtschaftslobby eine zweite Mehrheit für das Grün-Rote Regierungsprojekt aufs Spiel!

Für die Bäume im Schlossgarten ist es eine Minute vor zwölf.

  • Noch ist Zeit, umzusteuern.
  • Noch können Sie – gänzlich, ohne „undemokratisch“ zu sein – die S21-Zerstörungsarbeiten unterbrechen, bis klare Rechtsgrundlagen herrschen für die Umsetzung dessen, was Sie (wirklich?) für den Willen der Bevölkerung halten.
  • Noch können Sie zeigen, dass für Sie das (sogar nur partielle) Baurecht der Bahn nur ein Recht unter vielen ist und nicht als Joker alle Rechte der Bürger dieses Landes schlägt.
  • Noch können Sie zeigen, dass Sie Mehrheitsentscheidungen (egal, wie sie zustande gekommen sind) nicht als Ersatz dafür nehmen, regieren zu müssen.

Es grüßt Sie,
Martin Poguntke

Dieser Brief wird namentlich unterstützt von:
Eberhard Dietrich, Friedrich Gehring, Michael Harr, Gunther Leibbrand, Guntrun Müller-Ensslin, Wolfgang Schiegg, Martin Schmid-Keimburg, Dorothea Ziesenhenne-Harr

S21: Kostenklarheit jetzt ! – Ein offener Brief

Stuttgart, den 19. Dezember 2011

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

die Regierung von Baden-Württemberg hat im Koalitionsvertrag festgelegt, sich beim Projekt Stuttgart 21 im Falle der Überschreitung des vereinbarten Kostendeckels von 4,5 Milliarden Euro an den Mehrkosten nicht zu beteiligen. Wir können nicht erkennen, was die Landesregierung derzeit tut, um die Kosten zu klären, bevor unumkehrbare Fakten geschaffen werden.

Deshalb bitten wir dringend darum, dass die Landesregierung jetzt auf eine Kostenklärung mit der Bahn drängt und damit ihrem Auftrag aus der Wahl vom 27. März gerecht wird. Dazu gehört insbesondere Klarheit über die Konsequenzen aus der Finanzierungsvereinbarung bei Überschreitung der vereinbarten Kosten.

Sie, Herr Ministerpräsident, und wir Bürger haben ein Recht darauf, dass Klarheit und Wahrheit auf den Tisch kommen, bevor Bäume gefällt werden !

Mit freundlichen Grüßen
Prof.  Dr.  Michael von Hauff

Unterstützt von:
Dr. Giselher Birk – Karl-Eugen Fischer – Ulrich Hangleiter – Waltraud von Hauff – Andreas Keller – Martin Klumpp – Volker Lösch – Fritz Röhm – Elisabeth und Frank Schweizer – Walter Sittler
stellvertretend für viele Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger

Friedensappell: Offener Brief an Winfried Kretschmann

Tragen Sie bitte zum Frieden im Land bei!
Genehmigen Sie keinen Polizeieinsatz für das Projekt „Stuttgart 21“,
bevor alle entscheidenden Fragen geklärt sind!

 Stuttgart, 11.12.2011

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Lieber Herr Kretschmann!

ich schreibe Ihnen als Mitglied der Initiative „Theolog/innen gegen Stuttgart 21“. Wir haben im Dezember 2010 in unserer von inzwischen über 1200 ChristInnen unterzeichneten „Gemeinsamen Erklärung“ (www.s21-christen-sagen-nein.org/gemeinsame-erklarung-von-theologinnen/) unsere vielfältigen Bedenken gegen das Projekt „Stuttgart 21“ zum Ausdruck gebracht. Daran hat sich durch den Volksentscheid nichts geändert. Im Gegenteil.

Mit großer Sorge nehme ich die Vorbereitungen der Polizei auf den Abriss des Südflügels und die Fällung der Schlossgartenbäume wahr. Das ist zurzeit weder rechtlich angemessen noch politisch klug. Es wird die demokratische Kultur im Lande nachhaltig beschädigen und unabsehbare Folgen für den Frieden in der Stadt und im Land haben.

Ich bitte Sie dringend: Lassen Sie das nicht zu! Tragen Sie zum Frieden im Lande bei!

Sie wissen doch: Die rechtliche Zukunft von S21 ist völlig ungewiss:

  • Das zentrale Interesse der Stadt Stuttgart an S21, dass die Gleisanlagen des Kopfbahnhofs abgebaut und das Gelände überbaut werden darf, ist gerichtlich noch völlig ungeklärt. Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass mindestens ein Teil der Kopfbahnhofgleise bestehen bleiben muss.
  • Ob die Mischfinanzierung von S21 durch Stadt, Land und Bahn      verfassungsgemäß ist, muss noch gerichtlich überprüft werden.
  • Für den Bau der Grundwassermanagement-Anlage besteht – nachdem die Wasserentnahmemenge mehr als verdoppelt werden soll – noch keine Genehmigung. Sie wurde dort illegal errichtet.
  • Für den Abstell- und Wartungs-Bahnhof Untertürkheim ist das Planfeststellungsverfahren noch nicht abgeschlossen.
  • Für die gesamten Anlagen auf der Filder ist ein Genehmigungsverfahren noch nicht einmal eingeleitet.
  • Nicht zuletzt ist immer noch nicht geklärt, wer ggf. die (unbestreitbar entstehenden) über 4,5 Mrd. hinaus gehenden Kosten trägt.

In einer rechtlich derart offenen Situation – von den unverändert katastrophalen Mängeln des Projekts selbst ganz zu schweigen – ohne Not ein Baurecht der Bahn mit massivem Polizeieinsatz durchzusetzen, dient auf keinen Fall dem Frieden, sondern stellt eine unangemessene Verschärfung der ohnehin labilen Situation dar.

Denn auch der Volksentscheid hat ja keineswegs eine klare Mehrheit für den Weiterbau ergeben. Vielmehr hat sich landesweit fast die Hälfte der Abstimmenden dagegen ausgesprochen.

Und das, obwohl der Volksentscheid eben gerade kein Beispiel für gelungene Demokratie war. Vielmehr werden auch Sie sagen müssen: So etwas darf nie wieder vorkommen:

  • dass ein Volksentscheid mit Millionenbeträgen aus der Wirtschaft      beeinflusst wird,
  • dass in unglaublichem Umfang öffentliche Körperschaften (Rathäuser, Gemeinderäte, Landratsämter, Regionalparlamente) mit einseitigen und falschen Darstellungen Einfluss auf die Abstimmung nehmen,
  • dass selbst von staatlicher Seite aus eine Lüge zum Hauptargument der Abstimmung erhoben wird (die Behauptung, die Ausstiegskosten betrügen für den Steuerzahler 1,5 Milliarden).

Deshalb fordere ich Sie so dringend wie herzlich auf, die Durchsetzung des Baurechts der Bahn zu verschieben, bis alle erforderlichen Fragen gerichtsfest geklärt sind – zumindest aber, bis mit rechtsgültiger Unterschrift die Frage der Übernahme von Mehrkosten definitiv geregelt ist.

Das Baurecht – zumal, wenn es nur zu einem kleinen Teil überhaupt besteht – ist nicht das höchste Recht eines Landes, dem sich alle andern Rechte unterzuordnen hätten (z.B. das des Landes auf Kostenklarheit und -wahrheit). Zumindest hat es zurück zu stehen, wenn es nicht auf für einen demokratischen Rechtsstaat angemessene Weise durchzusetzen ist. Und das ist in der aktuellen Situation nicht gegeben. Eine Landesregierung hat auch eine Verantwortung für den Frieden im Land. Nehmen Sie bitte diese Verantwortung wahr!

Mit freundlichen Grüßen
Martin Poguntke

PS:  Dieser Brief wird mit unterstützt von:
Friedrich Gehring, Michael Harr, Dieter Hemminger, Annette Keimburg, Gunther Leibbrand, Guntrun Müller-Enßlin, Wolfgang Schiegg, Martin Schmid-Keimburg, Dorothea Ziesenhenne-Harr.
Er geht an einen breiten Presseverteiler und an verschiedene Internetseiten.

SPD-Minister müssen sich äußern, um Schaden vom Land abzuwenden!

Offener Brief
an die SPD-MinisterInnen
der baden-württembergischen Landesregierung
namentlich an die Herren
Nils Schmid, Rainer Stickelberger und Reinhold Gall

 Sehr geehrte Damen und Herren,

ich schreibe Ihnen als Mitglied der Initiative „Pfarrer/innen gegen Stuttgart 21“. Wir haben im Dezember 2010 in unserer von inzwischen über 1000 ChristInnen unterzeichneten „Gemeinsamen Erklärung“ (www.s21-christen-sagen-nein.org/gemeinsame-erklarung-von-theologinnen/) unsere vielfältigen Bedenken gegen das Projekt „Stuttgart 21“ zum Ausdruck gebracht.

Inzwischen sind viele weitere skandalöse Details zu diesem Projekt bekannt geworden. Ich bin irritiert, dass von den SPD-Landesministern dazu nichts zu hören ist. Sie haben bei Ihrem Amtsantritt geschworen, Schaden vom Land abzuwenden. Da ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass Sie zumindest zu den schwerwiegendsten Vorkommnissen öffentlich Stellung beziehen.

Es sind klare Belege dafür bekannt geworden, dass die Bahn für Stuttgart 21 schon bei Vertragsabschluss wesentlich höhere Kosten angenommen hatte, als von ihr öffentlich behauptet.
Es ist vom ehemaligen Bahn-Chefplaner Hany Azer eine Liste von 121 zum Teil sehr teuren Risiken für das Projekt erstellt und von den Medien teilweise veröffentlicht worden.
Hier droht Milliardenschaden für das Land. Ein Finanz- und Wirtschaftsminister, der sein Amt ernst nimmt und Schaden vom Land und seinen BürgerInnen abwenden will, darf zu solch unkalkulierbaren und vom Parlament nicht genehmigten Kosten – die schließlich wesentlich von den BürgerInnen dieses Landes zu tragen sind – nicht schweigen.

Es sind klare Belege dafür bekannt geworden, dass die Deutsche Bahn AG als Vertragspartnerin der Landesregierung wissentlich falsche Angaben zu den Kosten von Stuttgart 21 gemacht hat.
Dieselben Belege zeigen, dass die Vorgänger-Regierung über diese von der Bahn bewusst zu niedrig angegebenen Kosten informiert war, aber trotzdem Parlaments-Beschlüsse zum Projekt herbei geführt hat, die von falschen Kostenangaben ausgehen.
Hier stehen massive Rechtsbrüche gegenüber dem Land, seinem Parlament und seinen Bürgern im Raum. Ein Justizminister, der sein Amt ernst nimmt und Schaden vom Land abwenden will, darf dazu nicht schweigen.

Es ist zu befürchten, dass die Bahn den Südflügel abreißt, noch vor dem von der Landesregierung geplanten Volksentscheid über einen Ausstieg des Landes aus dem Projekt und damit eine solche Abstimmung teilweise gegenstandslos macht.
Es ist bekannt, dass für den Volksentscheid ein Drittel der Wahlberechtigten mit Ja stimmen müsste (also mehr  Wahlberechtigte als insgesamt die gegenwärtige Regierung gewählt haben), dass damit also die Änderung eines einfachen Gesetzes offenbar einer höheren Legitimität bedürfte als sie die ganze Regierung hat.
Hier wird die Demokratie beschädigt und eine Chance zum Frieden vertan. Ein Innenminister, der sein Amt ernst nimmt und Schaden vom Land abwenden – gar das Land zu einem „Leuchtturm demokratischer Beteiligung“ machen will –, darf dazu nicht schweigen.

Ich rufe deshalb die SPD-Minister dieser Landesregierung auf:

  • Bestehen Sie gegenüber dem Projekt„partner“ Deutsche Bahn AG auf einem unbedingten und vollständigen Bau- und Vergabestopp bis zur Klärung aller Finanz- und Risikofragen zu Stuttgart 21 – mindestens aber bis zum Volksentscheid (damit dieser überhaupt noch Sinn machen kann)!
  • Fordern Sie vom Projekt„partner“ Deutsche Bahn AG vollständige Akteneinsicht in alle Unterlagen zu Finanzierung und Baurisiken!
    (Es geht nicht an, dass der „Stern“ besser informiert ist als die Landesregierung.)
  • Lassen Sie alle rechtlich fragwürdigen Aspekte des Projekts schnellstmöglich von Gerichten überprüfen! (Es geht nicht an, dass sich das Land Baden-Württemberg an einem Bauprojekt beteiligt, das womöglich in Teilen illegal ist.)
  • Sollte die Bahn auf Ihre Forderungen nicht eingehen, kann sie für das Land Baden-Württemberg keine Partnerin zum Wohl
    des Landes
    mehr sein. Für das Land entfällt damit die Geschäftsgrundlage. Überweisen Sie unter diesen Umständen keinerlei Gelder an die Bahn (bzw. mit ausdrücklichem Rückzahlungsvorbehalt) und arbeiten Sie auf eine Kündigung der
    Verträge
    hin!
  • Schaffen Sie die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass sich die Landesregierung am tatsächlichen mehrheitlich geäußerten
    Willen der Bevölkerung orientiert
    und diesen nicht wegen eines undemokratischen Quorums übergeht!

Helfen Sie bitte zu verhindern, dass die SPD sich vollends unmöglich macht:

Versuchen Sie nicht, durch Wegtauchen der SPD in diesen Fragen, unbeschädigt zu bleiben! – Die WählerInnen wählen keine Partei ohne
erkennbares Profil.
Erliegen Sie nicht der Versuchung: Wer jetzt die CDU am besten schont, wird nach einem etwaigen Zerfall der Grün-Roten Koalition zum neuen Regierungs-Partner der CDU! – Sie verlieren so Ihre restliche Glaubwürdigkeit.
Setzen Sie nicht darauf, durch Zurückhaltung einen guten Eindruck bei der konservativen Wirtschaft zu machen und dadurch von dort Spenden zu bekommen! – Sie brauchen auch Wähler!

Dieses Schreiben geht auch an 38 Adressaten in sämtlichen regionalen Geschäftsstellen der Landes-SPD, sowie an einen breiten Presseverteiler.

Mit freundlichen Grüßen,
Martin Poguntke

unterstützt von: Friedrich Gehring und Gunther Leibbrand

OFFENER BRIEF an Dr. Heiner Geißler

Stuttgart, 30. Juni 2011

Sehr geehrter Herr Dr. Geißler!
Im Vorfeld des Stresstests besteht angesichts diverser Äußerungen vonseiten der Bahn die Gefahr, dass wesentliche Elemente des „Schlichtungs“-Prozesses aufgeweicht werden oder in den Hintergrund treten. Wir bitten Sie als Moderator deshalb um einige klärende Äußerungen.
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Absage Neujahrsempfang CDU S-Ost, 16.01.2011

Guten Tag Herr Hausmann,
ich hatte mich zum Neujahrsempfang der CDU Stuttgart-Ost angemeldet und ziehe meine Anmeldung nun zurück.
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Egon Hopfenzitz – ehem. Leiter des Hauptbahnhofs – schreibt an den CDU-Landesvorsitzenden Mappus, Oktober 2010

Sehr geehrter Herr Landesvorsitzender Mappus,

meine Zeilen richten sich an den Landesvorsitzenden der Christlich-Demokratischen Union (CDU) in Baden Württemberg.
Ich bin 80 Jahre alt und war von 1981 – 1994 Leiter des Stuttgarter Hauptbahnhofs und bis dahin auch CDU-Wähler.
Die Vorgänge um S 21, die fehlerhaften Aussagen zum Bonatzbahnhof, die
laufenden Kostensteigerung dieses Immobilienprojekts und das wissentliche
Vorenthalten wichtiger Informationen wie das SMA-Gutachten aus Zürich haben mich inzwischen zum von Ihnen gescholtenen „Berufsdemonstranten“ gegen S 21 gemacht.
Am Stichtag 30. September 2010 zur Baumfällaktion in Rambo-Manier
unter dem Schutz übermächtiger, mit Wasserkanonen, Schlagstöcken und Pfefferspray aufgerüsteten Polizei, wurde ich im Schloßpark gedrückt, gestoßen, geschoben, beschimpft und durchnäßt, obwohl ich im Park weder Flaschen noch Pflastersteine zum Werfen vorfand.
Ich wäre natürlich auch lieber auf dem Volksfest beim Bier gesessen. Wenigstens fanden wir seelischen Beistand schon allein durch das Wissen über die Anwesenheit von Pfarrerin Ensslin und Stadtdekan Brock, womit ich nun zum Ziel meines Schreiben komme.
Sie sind Landesvorsitzender einer wenigstens dem Namen nach angeblich
christlich geprägten Partei und noch nie ist Ihre Partei so vom christlichen
Weg abgekommen wie in den letzten Tagen:
Keine Befriedung vor Ort , statt christlicher Ideale oder wenigsten christlicher Regeln: Härte, Behauptungen ohne eigene Erfahrung vor Ort mit jetzt verbalen Angriffen auf Demonstranten.
Sie sollten entweder das Wort „christlich“ aus dem Namen Ihrer Partei entfernen oder eine eigene Rambo-Partei gründen oder sich von den beiden genannten Pfarrern wieder einmal über den Wert christlicher Tugenden wie Wahrheit und Friedfertigkeit unterrichten lassen.

Das wünscht Ihnen
Egon Hopfenzitz

PS:  Das Gleiche gilt auch für Ihre Parteimitglieder Rech und Hauk.

Kursive Hervorhebungen durch den Redakteur.

Hier gibt’s diesen Text als PDF

Offener Brief von Pfarrerin Guntrun Müller-Enßlin, 6.09.2010

An die Kolleginnen und Kollegen, an die Kirchenleitung und alle, die sich angesprochen fühlen.

Man kann sich bestimmte Entwicklungen lange Zeit mit mehr oder weniger Geduld anschauen. Irgendwann kommt der Punkt, an dem das Maß voll ist. Dieser Punkt ist bei mir derzeit erreicht, wenn ich auf die Rolle der Evangelischen Kirche in Sachen Stuttgart 21 blicke, darauf, was sie tut, bzw. was sie nicht tut.

Als eine, die einmal Theologie studiert hat und Pfarrerin der Landeskirche geworden ist, in der Hoffnung, damit in einer Institution zu arbeiten, die in einer gnadenlosen Wettbewerbsgesellschaft ein Gegengewicht der Menschlichkeit bildet, bleiben einem gegenwärtig nur noch Trauer und Scham darüber, dieser Institution anzugehören.

Was ist das für ein klägliches Bild, das die Kirche derzeit nach außen abgibt, wenn sie hartnäckig –oder ängstlich? – darauf beharrt, sich nicht einmischen zu wollen angesichts eines Projekts mit mittlerweile allseits bekannten und absehbar katastrophalen sozialen und ökologischen Folgen! Als Institution von immer noch bedeutendem gesellschaftlichem Ansehen räumt sie damit freiwillig den Platz als ethisches Korrektiv, das ihr von der Mehrheit unserer Gesellschaft ganz selbstverständlich zugestanden wird!
Seit Monaten zieht sich die Kirche in Sachen S21 auf diese unsägliche Raushalte-Position zurück, mit fragwürdigen Argumenten, die den zahllosen im Widerstand gegen S21 engagierten Christen und Kirchenmitgliedern weder verständlich noch vermittelbar sind.
Da geht es auf einer formalen Ebene um Dienstwege, bzw. um das, was man als InhaberIn eines kirchlichen Amtes darf oder nicht darf, was richtig oder falsch ist, anstatt darum, sich beizeiten umfassend mit dem Thema und seinen Inhalten zu beschäftigen, um dann zu erkennen, welcher Gruppierung in unserer Gesellschaft man als Kirche stärkend zur Seite stehen muss.

Ich frage mich wirklich, warum ich auf Seiten der S21-Gegner als Pfarrerin ganz alleine dastehe. Wenn es heißt, Kirche dürfe nicht Partei ergreifen sondern müsse für alle da sein, ist zu sagen, dass ihr das, indem sie sich raushält und schweigt, jedenfalls bestimmt nicht gelingt. Indem Kirche keine Stellung bezieht, steht sie immer auf der Seite der Macht und des herrschenden Status Quo und macht sich zu deren Handlanger, was ihr von intellektueller Seite seit eh und je zum Vorwurf gemacht wird.
Der Meinung, Religion sei Privatsache, sei entgegengehalten, dass Religion seit jeher eine ethische Komponente besitzt, die das Gemeinwohl betrifft. Im Fall von Stuttgart 21 sind mit der Verschiebung von Milliarden von Steuergeldern von unten nach oben sowie mit dem Kahlschlag hunderter alter Bäume höchst offensichtlich ethische Themen berührt und Grundwerte in Gefahr. Sich hier herauszuhalten, gar nobel eine Vermittlerrolle in Aussicht zu stellen, wenn sich die Parteien ordentlich gezofft haben, halte ich geradezu für zynisch. Die einzige adäquate Haltung wäre stattdessen, mit Zivilcourage auf der Seite derer zu streiten, die ganz offensichtlich den Schaden haben.

Wie gesagt, die Zurückhaltung der Kirche ist schwer nachzuvollziehen und noch schwerer auszuhalten. Vollends unerträglich wird es, wenn nun auch noch ausgerechnet ein Pfarrer sich für eine Pro Stuttgart 21 –Bewegung stark macht und sich auf dem Podium der FAZ als Opfer militanter und intoleranter S21-Gegner feiern lässt. Offenbar ist sich über die Ruf schädigende Wirkung dieser Aktivitäten für die Kirche niemand im Klaren. Es ist einfach nicht zu glauben, dass sich nicht einmal jetzt auf breiter Front Widerstand bei Kirchenvertretern regt, sich niemand distanziert und niemand sagt, der spricht nicht für uns.
Stattdessen sehe ich mich als die einzige Pfarrerin, die sich öffentlich gegen S21 exponiert hat, in der grotesken Lage, als Gegenspielerin jenes Pfarrers in den Zirkusring der Öffentlichkeit, auch den der Fernsehmedien, steigen zu sollen. Mit diesem Befürworter kloppe ich mich dann stellvertretend für die Kirche, die sich vornehm zurückhält und muss außerdem noch damit rechnen, dass von erhabener Stelle der Zeigefinger erhoben wird.

Mich würde mal interessieren, wieweit meine Kollegenschaft sich noch traut, unabhängig von der Obrigkeit eindeutig und öffentlich sozialpolitisch Position zu beziehen. Wenn sich große Bevölkerungsgruppen gegen einbetonierte Machtpositionen zur Wehr setzen, kann sich die Kirche nicht unparteiisch geben. Es geht darum, entsprechende Machtträger in der Gesellschaft zur Besinnung und zur Reflektion zu bringen.  Ich bin gespannt auf Reaktionen oder auch Nicht-Reaktionen.

Hier gibt’s diesen Text als PDF