Digitales Parkgebet am 22.4.2021 von Pf.i.R. Friedrich Gehring

(hier als pdf-Datei)
(und hier alle Lieder und Texte zum Lesen und Hören)

In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. (Joh 16,33 )

Die Botschaft von Ostern ist, dass die römischen Machthaber Jesus zwar töten konnten, nicht aber seine Botschaft. Das Blut Jesu wurde zum Samen der Kirche. Der Foltermord an Jesus hat nicht Angst und das Verstummen erzeugt wie vom Kaiser erwartet. Der Mut Jesu sprang auf die Jünger über. Jesus hatte mutig provoziert und kein Blatt vor den Mund genommen. Zuerst reitet er auf einem Esel in Jerusalem ein (Mk 11,1-7) und brüskiert alle, die von ihm erwarten, er werde zum Führer einer gewaltsamen Erhebung gegen das römische Joch. Ein solcher müsste auf einem Pferd reiten. Aus Enttäuschung wird bald Wut, aus dem Hosianna der Schrei „Kreuzige ihn!“ Dann geht Jesus in den Tempel und stört die Fleischgeschäfte der Priester. Er wirft ihnen vor, den Tempel, ein Bethaus, in eine Räuberhöhle zu verwandeln. Die Geschäftemacher wollen ihn „ins Verderben bringen“ (Mk 11, 15-18). Dann legt er sich mit einer weiteren mächtigen Gruppe an, den Pharisäern. Er wirft ihnen Wichtigtuerei, Scheinheiligkeit und fromme Drückebergerei vor (Mt 23,1-36). Als sie ihn mit der Frage des Steuerzahlens an den Kaiser aufs Glatteis führen wollen, macht er ihnen klar, dass sie Götzendienst betreiben, wenn sie mit Kaisergeld umgehen, und dass sie deshalb auf den Luxus verzichten müssen, den sie mit dieser harten Währung einkaufen (Mk 12,13-17).

Jesus stellt sich damit in die Tradition der alttestamentlichen Propheten, die im Namen des Gottes Israels gesellschaftliche Missstände angeprangert haben. Es muss ihm dabei bewusst gewesen sein, welchen Gefahren er sich damit aussetzte. Jeremia  etwa wurde wegen seiner mutigen Warnungen vor militärischen Abenteuern tödlich bedroht, er entkam knapp dem Ertrinken in einer Zisterne   (Jer 38,6). Aber Jesus lässt sich davon nicht abschrecken, die Missstände beim Namen zu nennen. Auch den Kaiser und seine Statthalter bezichtigt er des Machtmissbrauchs (Mk 10,42-44). Nur wenige Menschen tun sich das an, sehr viele vermeiden die offene Kritik an den Mächtigen und Einflussreichen, weil sie deren Zorn und Rache fürchten. Jesus fasst dies zusammen in dem Satz: In dieser Welt der Machtmissbraucher habt ihr Angst. Aber er tröstet zugleich und macht Mut mit dem Nachsatz: Ich habe diese Welt überwunden, das bedeutet: Er hat die Angst vor den mächtigen Priestern, den Pharisäern, den Schriftgelehrten, den Sadduzäern, ja selbst die Angst vor dem Kaiser und seinen Statthaltern überwunden. Er ist bereit, die Leiden auf sich zu nehmen, die sie ihm zufügen können.

 

Dies ist in der Christenheit bald zugeschüttet worden dadurch, dass die priesterliche Opfertheologie den Tod Jesu aus politischen Zusammenhang gerissen und als Opfer für die Sünden der Welt gedeutet hat (Joh 1,29). Ausgerechnet Jesus, der die priesterlichen Opfer so heftig angegriffen hatte, wurde als Opferlamm hingestellt. Tragischerweise ist diese Vorstellung in der Geschichte der Kirche dominant geworden. Es war dem Nichtchristen Gandhi vorbehalten, den politischen Zusammenhang zwischen Leidensbereitschaft und politischem gewaltfreiem Widerstand erneut ins Bewusstsein zu heben. Er bestand darauf, dass Salz aus indischem Meerwasser den Indern und nicht den britischen Kolonialherren gehörte. Er ließ unbewaffnete indische Männer provokativ auf das Salzwerk zu marschieren. Sie wurden brutal niedergeknüppelt. Aber ein US-Fotoreporter machte die Brutalität weltweit bekannt. Die britische Kolonialmacht war schwer blamiert. Dies war ein enorm wichtiger Schritt auf dem Weg zur Befreiung Indiens, auch wenn bis dahin noch viele Jahre vergingen.

Martin Luther King hat dann als Christ den Zusammenhang wischen der gewaltfreien Leidensfähigkeit und der der politischen Befreiung von rassistischer Benachteiligung aufgegriffen und zum Programm erhoben. Ganz entscheidend ist dabei, dass das Leiden öffentlich gemacht wird und die Verursacher angeprangert werden. So hat 2015 das Bild eines toten Kleinkinds an einem Mittelmeerstrand eine Wende im Bewusstsein der Europäer erwirkt, die mindestens eine Zeit lang in der Flüchtlingspolitik wirksam wurde. Und ein ganz bestimmtes Bild vom „Schwarzen Donnerstag“ hat schlagartig ein breites Bewusstsein von der Skrupellosigkeit geschaffen, mit der das Projekt S 21 von der Regierung Mappus durchgedrückt werden sollte. Mappus bezahlte dafür.

So wurde die Leidensfähigkeit derer, die sich gewaltfrei den Wasserwerfern entgegen stellten, zur politischen Kraft der Veränderung. Weil die Angst vor der Welt eines Ministerpräsidenten Mappus überwunden war und das von ihr verursachte Leiden öffentlich wurde, kam es zum Machtwechsel.

 

Wir erkennen im Rückblick, dass der Machtwechsel zu einer Enttäuschung wurde, weil die Welt Kretschmanns der von Mappus zu ähnlich war. Ein Leiden wie am „Schwarzen Donnertsag“ hat sich zwar nicht wiederholen können, aber wir leiden weiter an dieser unsinnigen und gefährlichen Untergrundhaltestelle. Wir werden als Steuerzahler oder Bahnkunden alle dafür bezahlen, manche vielleicht mit dem Leben. Unser Leiden an diesem Unsinn ist oft ein heimliches und deshalb wenig wirksam. Aber gerade deshalb stehen wir hier öffentlich zusammen, um immer wieder den Finger in die Wunde zu legen und die Gefahren öffentlich zu machen. Am 30.3.21 wurde gemeldet: Die Bahn hat ein Entfluchtungsszenario ohne Feuer als Katastrophenschutznachweis ausgegeben. Der Tag wird kommen, an dem wie beim BER mit Komparsen real kontrolliert wird, ob Fluchtwege funktionieren. Ich habe deshalb eine erneute Fachaufsichtbeschwerde gegen das Eisenbahnbundesamt bei Minister Scheuer eingereicht wegen der Baugenehmigung für S 21 trotz fehlendem Rettungskonzept. Dieses geht auch an Ministerpräsident Kretschmann mit dem Hinweis, dass der Käs noch nicht gegessen ist und eine angebliche Mehrheit nicht über die Wahrheit des fehlenden Rettungskonzepts bestimmen kann. Auch Dr. Nopper warne ich vor, dass er noch als OB erleben wird, wie S 21 am Rettungskonzept scheitert. Auch hoffe ich, dass Report Mainz das Thema weiter aufgreift.

Mut macht mir, dass nach dem Scheitern des Widerstandes gegen die atomare Natonachrüstung in der Leipziger Nikolaikirche ein paar Friedenstiftende weiter gebetet haben. Sie wurden zum Kristallisationspunkt des Widerstandes, der das DDR-Regime beendete. Auch das Projekt S 21 wird seine Unsinnigkeit und Gefährlichkeit von Jahr zu Jahr weniger vertuschen können. Wir werden unseren Teil dazu beitragen, dass die Öffentlichkeit und die Politik immer weniger wegsehen können, indem wir unser Leiden an diesem neoliberalen Irrsinn immer wieder laut werden lassen. Wir geben nicht auf. Amen.

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