Archiv der Kategorie: Hopfenzitz

Zwei Pfarrer und ein Bahnhof

Martin Poguntke und Johannes Bräuchle im Interview:

Zum 5-jährigen Jubiläum der feierlichen Prellbock-Anhebung als versuchtem Projektstart von Stuttgart 21 am 2. Februar 2010 führte die schweizerische evangelisch-reformierte Wochenzeitschrift „doppelpunkt“ ein Interview mit den beiden Theologen.
Hier der Artikel, der daraus entstanden ist – ergänzt durch einen Artikel über den ehemaligen Bahnhofsvorsteher des Stuttgarter Hauptbahnhofs Egon Hopfenzitz. Weiterlesen

Egon Hopfenzitz: Der politische Widerstand gegen S21 ist keinesfalls beendet

Sehr geehrter, lieber Herr Palmer,

Wir haben verloren — Wir haben verloren — Wir haben… — Wir………
So hallt es uns, der „Bewegung für den Erhalt des Kopfbahnhofs in Stuttgart“ aus vielen grünen Ecken entgegen: Aus der Villa Reitzenstein,
aus dem Bürgermeisteramt in Stuttgart, aus Tübingen und jetzt auch schon
aus Berlin. Damit ist aber keinesfalls der politische Widerstand gegen S 21 beendet, wie Sie voreilig bemerken. Auch mündige Bürger und mündige
Demonstranten können politisch und demokratisch wirken. Wir dürfen nicht
schweigen! Auch nicht über gebrochene Wahlversprechungen der Grünen.

Sie argumentieren in Ihrem Brief nur mit dem Endergebnis der
Volksabstimmung.  Nicht ausgeräumt wird dabei der sich verdichtende
Verdacht, dass Grün-Rot diese Abstimmung im Wissen über eine Niederlage
anberaumt hat, um endlich auf einem scheindemokratischen Weg das nur noch
belastende und hinderliche Projekt S 21 „vom Hals“ zu bekommen. Das
Ziel, jetzt ungestört Grünes-Regieren zu ermöglichen, war damit erreicht.
Auf ein Wunder zu hoffen war nur ein Alibi.

Ein ganz entscheidendes Argument für dieses Vorgehen sehe ich in dem bis
heute ausgebliebenen Einsatz von Ministerpräsident Kretschmann gegen das
arrogante Auftreten der DB.  Hat er die Aussage von Dr. Kefer überhört,
dass man gegen den Willen eines Ministerpräsidenten keinen neuen Bahnhof
bauen könne? Die Äußerungen von Staatsminister Murawski gegenüber  Dr.
Kefer sind hier ein erster begrüßenswerter Ansatz.

Die Grünen haben ihren unerwarteten Erfolg bei der Landtagswahl nur den
S21-Gegnern unterhalb und oberhalb des Stuttgarter Kessels zu verdanken.
Eine vorausschauend planende Partei muss aber schon heute kommende Wahlen im Blick haben. Die Grünen werden in Oberschwaben und im ländlichen Raum gegen die CDU nie gewinnen. Hoffen können sie nur auf die Stimmen der S21-Gegner rund um den Stuttgarter Kesselrand. Das Image als neue
„S 21-Projektförderungspartei“ schadet dabei. Viel Zeit bis zur kommenden OB-Wahl, zur im nächsten Jahr anstehende Bundestagswahl und bis zur nächste Landtagswahl in 2016 steht nicht mehr zur Verfügung. Eine neue Strategie, die sich erfolgreich auf die S 21-Gegner stützen kann, ist nicht erkennbar. Ein
ständiger Hinweis auf den politischen Tod dieser Gruppe bringt mit
Sicherheit keinen Erfolg und nützt nur der jetzigen CDU-FDP-Opposition.

Lieber Herr Palmer,
ich weiß mit Sicherheit, Ihr sehr verehrter Herr Vater hätte vor allem
gegen den Baumfrevel im Schlossgarten aktiv gehandelt. Er hätte diesen
nie schweigend geduldet.
Zu begrüßen ist Ihre schon lange erwartete Aussage über die Nennung der
falschen Leistungszahlen des Kopfbahnhofs.  Damals anwesende gelernte
Eisenbahner hätten Ihnen gerne geholfen und der Stresstest wäre mit
Sicherheit sofort gescheitert.

Mit weiterhin freundlichen Grüßen
Egon Hopfenzitz

Egon Hopfenzitz – ehem. Leiter des Hauptbahnhofs – schreibt an den CDU-Landesvorsitzenden Mappus, Oktober 2010

Sehr geehrter Herr Landesvorsitzender Mappus,

meine Zeilen richten sich an den Landesvorsitzenden der Christlich-Demokratischen Union (CDU) in Baden Württemberg.
Ich bin 80 Jahre alt und war von 1981 – 1994 Leiter des Stuttgarter Hauptbahnhofs und bis dahin auch CDU-Wähler.
Die Vorgänge um S 21, die fehlerhaften Aussagen zum Bonatzbahnhof, die
laufenden Kostensteigerung dieses Immobilienprojekts und das wissentliche
Vorenthalten wichtiger Informationen wie das SMA-Gutachten aus Zürich haben mich inzwischen zum von Ihnen gescholtenen „Berufsdemonstranten“ gegen S 21 gemacht.
Am Stichtag 30. September 2010 zur Baumfällaktion in Rambo-Manier
unter dem Schutz übermächtiger, mit Wasserkanonen, Schlagstöcken und Pfefferspray aufgerüsteten Polizei, wurde ich im Schloßpark gedrückt, gestoßen, geschoben, beschimpft und durchnäßt, obwohl ich im Park weder Flaschen noch Pflastersteine zum Werfen vorfand.
Ich wäre natürlich auch lieber auf dem Volksfest beim Bier gesessen. Wenigstens fanden wir seelischen Beistand schon allein durch das Wissen über die Anwesenheit von Pfarrerin Ensslin und Stadtdekan Brock, womit ich nun zum Ziel meines Schreiben komme.
Sie sind Landesvorsitzender einer wenigstens dem Namen nach angeblich
christlich geprägten Partei und noch nie ist Ihre Partei so vom christlichen
Weg abgekommen wie in den letzten Tagen:
Keine Befriedung vor Ort , statt christlicher Ideale oder wenigsten christlicher Regeln: Härte, Behauptungen ohne eigene Erfahrung vor Ort mit jetzt verbalen Angriffen auf Demonstranten.
Sie sollten entweder das Wort „christlich“ aus dem Namen Ihrer Partei entfernen oder eine eigene Rambo-Partei gründen oder sich von den beiden genannten Pfarrern wieder einmal über den Wert christlicher Tugenden wie Wahrheit und Friedfertigkeit unterrichten lassen.

Das wünscht Ihnen
Egon Hopfenzitz

PS:  Das Gleiche gilt auch für Ihre Parteimitglieder Rech und Hauk.

Kursive Hervorhebungen durch den Redakteur.

Hier gibt’s diesen Text als PDF