Jeremia sprach zu dem ganzen Volk… : 23 Jahre lang habe ich euch immer wieder gepredigt, aber ihr habt nie hören wollen.
Eine niederschmetternde Zusammenfassung seines Wirkens bietet Jeremia mit diesen Worten. Er hat den Mächtigen im Land vorgehalten, dass sie das Blut der Armen und Unschuldigen an ihren Kleidern tragen (Jer 2,34) und Gewalt üben gegen Fremdlinge, Waisen und Witwen (7,6). Er zog sich die Feindschaft der Tempelpriester zu mit dem Vorwurf, sie würden den Machtmissbrauchern zu falscher Heilsgewissheit verhelfen. Durch die Prophezeiung von Unheil als Strafe für Gottlosigkeit zog er den Zorn des Königs auf sich. Seine Gegner warfen ihn schließlich in eine Zisterne, wo er nur knapp dem Tod entkam (38). Sein Misserfolg und die Bedrohung durch mächtige und skrupellose Feinde stürzte ihn zeitweise in tiefe Depressionen. Er verflucht den Tag seiner Geburt und wirft seinem Gott vor, er habe ihn beschwatzt zu Botschaften, die ihm nur Hohn uns Spott brächten. Er will nicht mehr im Namen Gottes predigen, aber dann wird die nicht verkündete Botschaft wie unerträgliches brennendes Feuer in seinem Herzen (20,7ff).
Das ist über 2600 Jahre her und doch hoch aktuell. Auch heute klebt das Blut der Armen und der unschuldigen Opfer von Kriegen um Rohstoffe und Macht an den Kleidern der Mächtigen. Reiche Länder liefern Waffen für Kriege. Wenn die Kriegsflüchtlingen als Fremdlinge zu den Waffenlieferanten kommen, werden sie zurückgestoßen in den Tod oder in unsäglichen Lagern eingesperrt. Die Witwen und Waisen von damals sind heute die Alleinerziehenden in Hartz IV und die Rentnerinnen in der Grundsicherung, die in Coronazeiten keine Tafeln und Vesperkirchen mehr finden. Den Mitfühlenden geht es wie Jeremia: „So oft ich rede, muss ich schreien: ‚Unrecht! Gewalttat!’“ (20,8) Damals wie heute entstehen dabei depressive Gefühle der Ohnmacht. Gerade auch im Widerstand gegen das gefährliche und schädliche Projekt Stuttgart 21 müssen wir immer wieder aufschreien, nicht nur im Blick auf den illegalen Polizeieinsatz am schwarzen Donnerstag, an dem das Demonstrationsrecht mit Wasserwerfern abgeschafft werden sollte. Ähnliche Grundrechtseinschränkungen ohne Parlamentsbeschlüsse erleben wir jetzt in der Pandemie. Der diktatorisch bevollmächtigte Jens Spahn verweigert seit Jahren schwerst Leidenden das Grundrecht, ihr Leiden selbstbestimmt zu beenden. Nicht uns, sondern ihn müsste der Verfassungsschutz beobachten, ebenso die Kanzlerin und den kleinen Kreis um sie, der am Parlament vorbei Panik machende Mediziner benutzt, um sich mit harten Maßnahmen hohe Umfragewerte zu sichern. Die Parlamente werden über Beschlüsse des Hofstaats im Nachhinein informiert statt die offene Parlamentsdebatte vor den Entscheidungen zu führen. Zum Glück funktionieren noch die Gerichte, die unsinnige Hofstaatsbeschlüsse wie das Beherbergungsverbot kippen. Und zum Glück gibt es noch Linke wie Ramelow, der in Thüringen wieder das Parlament diskutieren und entscheiden lässt.
Bei all solchen niederdrückenden Nachrichten machen wir immer wieder auch die Erfahrung des Jeremia: Wenn wir resignierend schweigen wollen zu Unrecht und Gewalt, dann brennt es in unseren Herzen (20,9), dass wir nicht mehr still halten können. Ich denke, das ist der Grund, warum wir auch nach 10 Jahren mit dem Parkgebet immer noch nicht aufhören und uns nicht abfinden mit der Behauptung, ein Umstieg sei nicht mehr möglich. Der Berliner Flughafen wurde mit 9 Jahren Verspätung eröffnet und es werden Stimmen laut, die sagen: Nachdem der Flugbetrieb jetzt funktioniert, wird wie beim Skandal um die Hamburger Elbphilharmonie alles Schlimme vergessen sein. So würde es auch bei S 21 kommen. Wir lassen uns von solcher Verharmlosung nicht beeindrucken. Die Leistungslügen werden unweigerlich auf den Tisch kommen. Beim BER wurden monatelang mit Tausenden Komparsen die Abläufe kritisch überprüft. Wenn in der Tiefbahnhaltestelle tatsächlich einmal real durch geprobt wird, wie Fahrgäste bei Doppelbelegung der 8 Gleise mit Doppelstockzügen in der Stoßzeit umsteigen sollen, wird sich nicht mehr leugnen lassen, dass an den Treppen so gut wie nichts mehr geht. Je näher diese Zeit rückt, werden wohl alle Heilspropheten von S 21 das sinkenden Schiff verlassen haben wie die Herren Kefer und Grube.
Und wenn gar die Katastrophenschutzmaßnahmen praktisch überprüft werden, wird man nicht mehr wie in den bisherigen Simulationen von Doppelstock-ICEs ausgehen können, die im Tunnel ohne Bestuhlung entfluchtet werden. Jeremia hat einst vor dem militärischen Abenteuer gewarnt, den Aufstand gegen die babylonische Herrschaft zu wagen. Er wurde nicht gehört. Die Unbelehrbaren zahlten mit zwei Deportationen und der Zerstörung Jerusalems sowie der Entweihung des Tempels, auf dessen Schutz die Abenteurer gesetzt hatten. An den Wassern Babels ergingen sie sich weinend in ohnmächtigen Rachegelüsten (Ps 137). Auch die unbelehrbaren abenteuerlichen Bauspekulanten, die S 21 auf dem Gewissen haben, werden von der Realität eingeholt werden, dass die Lösung der Stuttgarter Wohnungsprobleme nicht auf dem spekulativ überteuerten Grund im Talkessel liegt und dass die Stuttgarter Verkehrsprobleme nicht mit der Verkleinerung des Bahnhofs auf eine schräge Haltestelle bewältigt werden. Der hauptsächliche politische Spekulantenknecht Mappus sitzt ja schon seit 2011 weinend an den Wassern Babels. Es wird darauf ankommen, dass wir nicht nachlassen, die Finger in die Wunden des Projekts zu legen und die verheerende neoliberale Politik zu skandalisieren, die solche Großprojekte hervorbringt.
Entsprechende Aufmerksamkeit müssen wir auch dem Pandemiemanagement widmen. Eckart von Hirschhausen schrieb im Reformationsjubiläumsjahr in der Frankfurter Rundschau an Martin Luther: „Die Medizin ist fest im Griff des Mammon“. Ich war so frei, ihm als Martin Luther zu antworten: „Nicht nur die Medizin“. Jesusnachfolge bedeutet, dem Mammon zu widerstehen (Mt 6,24) und darauf zu achten, wo Impflobbyisten ihr Geschäft mit unrealistischer Panikmache suchen und Coronakönige wie Söder daraus politisches Kapital schlagen, um Politik zu betreiben wie bei der Ausländermaut oder Stuttgart 21.
Ich will nicht unterschlagen, wie es Jeremia am Ende erging. Er wurde wohl von seinen Feinden nach Ägypten entführt. Dort verliert sich seine Spur im Dunkel der Geschichte. Obwohl er mit seinen Warnungen recht behielt, wirkt das nicht wie eine Erfolgsgeschichte. Manche, vielleicht auch viele von uns werden nicht mehr erleben, wie es mit S 21 zu Ende gehen wird. Aber auch wenn unsere Gegner vorübergehend frohlocken, wir werden dennoch unser Vertrauen nicht auf den Mammon, sondern auf unseren barmherzigen Gott setzen, wie wir eingangs im Ps 25 gebetet haben.
Amen.
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