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Ansprache für das Online-Parkgebet am 11.2.2021 zu Mk 10, 15-16 Friedrich Gehring
Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen. Und er umarmte und segnete sie, indem er ihnen die Hände auflegte.
Ich habe diesen Text ausgesucht, weil mir dieser Tage eine ehemalige Klassenkameradin mailte, es wäre ihr hilfreich, sich „eine Gelegenheit vorzustellen, wo Jesus lächelt oder lacht“. Es erscheint mir nicht zufällig, dass sie danach fragt in der Pandemie, in der viele wenig zu lachen oder zu lächeln haben. Am besten kann ich mir Jesus lächelnd vorstellen bei der Kindersegnung. Die Kinder werden nicht krank oder mit schweren Schmerzen zu ihm gebracht, sondern um von ihm gesegnet zu werden. Ich gehe deshalb davon aus, dass Jesus nicht sorgenvoll auf sie geblickt hat, sondern freudig lächelnd. Er spricht dabei vom Annehmen eines Kindes im Sinne einer Adoption. Und dann zeigt er, wie wir Kindern unbedingtes Angenommensein vermitteln können, indem wir sie zärtlich in die Arme schließen. Auch Erwachsene erfahren so, dass sie geliebt sind. Und diese Urerfahrung macht Jesus zum Inbegriff des Lebens im Reich seines barmherzigen Vaters. Es gehört zu den besonderen Belastungen unter der Pandemie, dass solches gegenseitiges Annehmen durch Umarmungen allenfalls mit FFP2-Masken als ungefährlich erscheint. So müssen Umarmungen ersetzt werden durch andere Zeichen des Annehmens. Dazu gehört, dass wir einander zulächeln. So kommt heute Interesse auf, auch Jesus lächeln zu sehen.
Das mag vordergründig als schwacher Trost erscheinen. Deshalb gebe ich eine authentische Erfahrung zu bedenken: Nach der Scheidung der Eltern sind drei Töchter dem neuen Freund der Mutter ausgeliefert, der mit großer Strenge erzieht und außerdem übergriffig wird. Besonders die mittlere Tochter hat es schwer bei ihm, da sie einen Freund hat. Sie vertraut ihre Not ihrem Tagebuch an. Der Täter reißt die betreffenden Seiten heraus und droht ihr, falls sie etwas ausplaudere. Von der Verlobten ihres älteren Bruders, die Mitglied einer Freikirche ist, erfährt sie, dass Jesus uns schützt. Daraufhin wagt sie es, sich brieflich der Partnerin des Bruders anzuvertrauen. Der Bruder wendet sich an die Kriminalpolizei. Während die Mutter an Silvester in der Wohnung des Freundes ist, gelingt den Mädchen die Flucht. Der Täter kommt vor Gericht.
Gewiss ist dies keine alltägliche Erfahrung, aber sie zeigt, welch befreiende Kraft der Glaube an das Angenommensein durch Jesus entfalten kann. Dieses 14-jährige Mädchen hat darauf gebaut, dass Jesus sie anlächelt und umarmt. Das hat ihr geholfen, ihre Würde zu wahren, und sie ermutigt, den Ausweg aus schlimmer Bedrückung zu finden. Dies gelang, weil wenigstens ein Mensch in ihrer Umgebung diesen Glauben und diesen Mut in ihr geweckt hat. Auch von der Verlobten des Bruders hat sie sich angelächelt fühlen können. Auch mir ist die besondere Ausstrahlung dieser jungen Frau aufgefallen. Sie wurde zum Schutzengel. Es erscheint mir deshalb als eine zentrale Funktion christlicher Lebensführung, dass wir immer wieder Gelegenheiten wahrnehmen, unsere Mitmenschen anzulächeln. Ich bemerke bei mir selbst, dass es mir am leichtesten fällt, wenn mir Erwachsene mit kleinen Kindern begegnen. Ich übe mich im Lächeln vor allem gegenüber Menschen, die vom Äußeren her als Geflüchtete erkennbar sind. Und ich bemerke, dass es anderen leicht fällt zu lächeln, wenn ihnen im Regen ein alter Mann auf dem Fahrrad entgegen kommt.
Noch eine weitere Bibelstelle fällt mir ein, bei der ich mir Jesus lächelnd vorstellen kann. Sie schließt unmittelbar an die Kindersegnung an. Ein begüterter Mensch fragt Jesus, wie er ewiges Leben ererben kann. Da heißt es: „Da blickte ihn Jesus an, gewann ihn lieb und sprach zu ihm, Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm, und folge mir nach“ (Mk 10, 21). Als Jesus ihn anblickte und lieb gewann, kann ich ihn mir nicht anders vorstellen, als dass er ihn angelächelt hat. Tragischerweise hat der Begüterte sich aber nicht durch die liebende Zuwendung Jesu befreien lassen von seiner Bindung an den Mammon. Er ging traurig weg, weil er viele Güter besaß (V. 22). Es ist mir deshalb sehr tröstlich, dass im Fall des Zachäus die Befreiung gelang (Lk 19,1-11). Offensichtlich hat Jesus den Zachäus liebend angenommen, als er ihn, den best gehassten Mann in Jericho, zu Hause aufsucht, trotz der Empörung der Beobachter (V. 7). Leider wird uns nicht berichtet, was Jesus mit Zachäus bei seinem Besuch gesprochen hat, aber das war wohl nicht so entscheidend. Ich denke, es war die liebevolle Ausstrahlung Jesu, die für Zachäus befreiend wirkte, also das, was wir im Anlächeln zum Ausdruck bringen können. So kann Zachäus vom Mammon lassen (V. 8).
Etwas zweites ist mir aber aus der Begegnung Jesu mit dem Begüterten wichtig: Bei aller Liebe zu ihm kann Jesus ihm den Ruf in die Nachfolge nicht ersparen. Und Jesus nachfolgen bedeutet eben die Absage an den Götzen Mammon. Das bedeutet für unsere Kritik am Projekt S 21, dass wir bei aller Liebe zu den Immobilienspekulanten und ihren willfährigen Helfern in der Politik und bei er Bahn diesen den Ruf zur Umkehr nicht ersparen dürfen. Wir müssen in der Sache beharrlich festhalten, dass der Mammonsgötzendienst dem Allgemeinwohl diametral gegenübersteht. Auch die Befürworter von S 21 sind vor die Entscheidung zu stellen, ob sie dieses unsinnige gefährliche Milliardengrab bis zum bitteren Ende führen oder den Umstieg 21 wagen wollen. Insbesondere denen unter den Befürwortern, die sich als Christen verstehen wollen, ist die ausschließliche Feststellung Jesu vorzuhalten: Ihr könnt nicht dem barmherzigen Gott und zugleich dem Götzen Mammon dienen (Mt 6,24). Amen.
Eine Umarmung ist auch dann immer noch gefährlich, wenn beide Personen FFP2-Maske tragen.
Liebe Gisela Stoll,
gibt es für diese Behauptung einen wissenschaftlichen Beleg, wenn die Umarmung im Freien geschieht und beide dabei den Atem anhalten?
Herzlichen Gruß
Friedrich Gehring