Monatsarchiv: Juni 2014

Brief 3 / Stuttgart 21 und der Kirchentag

Es dürfte für manche interessant sein, wie sich die vergangenen Kirchentage zu der Problematik von Stuttgart 21 gestellt haben. Wie im 1. Brief berichtet wurde, nahm ja die Leitung des Kirchentags bei ihrer Sitzung im Februar 2011 in Neudietendorf die Einladung zum Kirchentag nach Stuttgart an und begründete dies mit den neuen Formen offener und öffentlicher Debatte, dem nachhaltigen Protest und dem zivilgesellschaftliches Engagement gegen Stuttgart 21.

Nun sollte man annehmen, dass der darauf folgende Kirchentag, der vom 1. bis 5. Juni 2011 in Dresden stattfand, diese positive Stellungnahme zum Widerstand gegen Stuttgart 21 fortsetzen und der Widerstandsbewegung Raum geben würde. Dies konnte man auch annehmen, da er unter dem Präsidium der “grünen“ Politikerin Katrin Göring-Eckardt stand. Aber weit gefehlt!!

Der einzige, der zum Thema sprach, war der „Schlichter“ Heiner Geißler. Dem Wunsch einer Gruppe von Gegner/innen unter Leitung von Henning Zierock, bei der betreffenden Veranstaltung zu Wort kommen zu können, wurde nicht entsprochen.

Im Anschluss gab es daher eine Kundgebung unter freiem Himmel auf dem Gelände des Kirchentags. Dabei tauchte plötzlich die Polizei auf und verlangte die Vorlage einer Genehmigung. Als der Polizei von Henning Zierock geantwortet wurde, dass zu einer solchen kleinen spontanen Kundgebung unter freiem Himmel keine Anmeldung oder Genehmigung nötig sei, schloss sich die Polizei dieser Ansicht an und zog ihrer Wege. Es war den Beamten wohl eh nicht ersichtlich, warum man sie holt, um ein paar Leuten, die auf dem Gelände des Kirchentags ihre Meinung friedlich und sachlich vortragen, den Mund zu verbieten.

Man fragt sich dann schon, wer das Thema Stuttgart 21 dermaßen aus dem Kirchentag herausgehalten und sogar noch gegen eine Handvoll Gegner/innen des Projekts die Polizei zum Einsatz gebracht hat. Es kann doch nur die Leitung des Kirchentags gewesen sein, von der sich im Übrigen niemand blicken oder sprechen ließ.

Vor dem Hamburger Kirchentag 2013 dann, als es darum ging, wie sich dieser Kirchentag positionieren wird und als es zu einer wachsenden Distanz zwischen den Bündnisgrünen und den Gegner/innen von Stuttgart 21 kam, wollte ich im Vorfeld des Kirchentags auf Frau Göring-Eckardt zugehen und bat um eine Gesprächsmöglichkeit am Rande des Kirchentags . Man soll ja nichts unversucht lassen.

In meinem Mail an das Büro von Frau Göring-Eckardt ging ich auch auf die Vorkommnisse von Dresden, speziell den Polizeieinsatz, ein. Die Mitarbeiterin von Frau Göring-Eckardt antwortete inhaltlich substanzlos, aber zog in Zweifel, dass die Polizei gegen unsere Kundgebung gerufen worden sei. Ich teilte ihr mit, dass ich dabei gewesen sei und es daher nicht sinnvoll sei, dies mit mir zu diskutieren. Darauf erfolgte keine Antwort mehr.

Nach wie vor bleibt offen und unklar, wie sich inzwischen die Verantwortlichen des Kirchentags zu Stuttgart 21 und zum Widerstand positionieren. Es ist leider zu vermuten, dass es im Vorfeld von Dresden zu massiven Einflussnahmen, um nicht zu sagen Pressionen, gekommen sein muss.

Wie es dann in Hamburg weiterging, soll im nächsten Brief berichtet werden.

Michael Harr

Andacht zum Parkgebet am 15.5.2014 (von Dorothea Ziesenhenne-Harr)

(Hier die Ansprache als pdf-Datei: Andacht zum Parkgebet am 15.5.2014)

Matthäus 7,7 Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.

Liebe Freundinnen und Freunde des Parks und des Kopfbahnhofes,

das liest sich so leicht, die Worte aus der Bibel. So hätte ich es auf jeden Fall gerne und immer: ich bitte Gott um etwas, und dann geschieht das auch, was ich mir wünsche. Und irgendwie suggerieren diese Worte scheinbar, dass meine Wünsche und Bitten immer in Erfüllung gehen. Gott, der Helfer, der immer offen für meine Anliegen ist und sich ihrer annimmt, sobald ich ihn darum bitte.

Meine Frage dabei ist: was tun, wenn meine Bitten, Wünsche nicht erfüllt werden?

Wenn ich mir vorstelle, wie oft wir hier im Park und sicherlich auch zuhause alleine oder im kleinen Kreis schon um Veränderungen gebeten haben. Wir haben Gott angefleht, dass er die Bäume im Park erhält. Dass er den Politikerinnen und Politikern Weisheit und Vernunft schenkt, damit sie von dem irrsinnigen Vorhaben des Kellerbahnhofs ablassen.

Wir haben Gott gebeten, dass die Vorstände der Bahn auf unsere guten Argumente hören und sie beachten. Wir haben für die Bürgerinnen und Bürger in Stuttgart und Baden-Württemberg gebetet, dass sie erkennen, was der Bau eines Kellerbahnhofs für fürchterliche Folgen hat für die Menschen im verschiedenen Alter, für die Schöpfung, für Stadtarchitektur und so weiter. Wir haben für die Polizei gebetet, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst ist und nicht einfach als Befehlsempfänger/innen agieren.

Und der vielen Bespiele mehr.

Wenn wir genauer hinsehen, dann wurden unsere Bitten nicht erfüllt. Weiterlesen

Mehrheit und Wahrheit – Ansprache bei der 224. Montagsdemonstration am 2. Juni 2014 von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Liebe Freundinnen und Freunde des Kopfbahnhofs,
vergangene Woche machten Gerüchte die Runde, der Vorschlag eines Untersuchungsausschusses des Bundestags zu Stuttgart 21 sei ein Alleingang von Bernd Riexinger. Das ist eine unbewiesene Unterstellung, genauso könnte vermutet werden, dass die Ablehnung dieses Untersuchungsausschusses seitens der Grünen ein Alleingang des grünen verkehrspolitischen Sprechers Matthias Gastel sei. Zur Klarstellung möchte ich folgende Tatsachen mitteilen:
Am 25. Februar dieses Jahres wandte ich mich mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Eisenbahnbundesamt an Bundesverkehrsminister Dobrindt wegen Genehmigung von Stuttgart 21 ohne ausreichenden Brandschutz. Dobrindt ließ mir im Blick auf die Anforderungen an den Brand- und Katastrophenschutz mitteilen: „Soweit diese Regeln noch nicht im Rahmen der Planfeststellung Berücksichtigung finden konnten, ist deren Einhaltung über das Verfahren zur Genehmigung der Inbetriebnahme einer neu erstellten Eisenbahninfrastruktur gewährleistet“. Am 25 März teilte ich der Kanzlerin den Vorgang mit und bat, bei Dobrindt zu bewirken, er möge das Eisenbahnbundesamt zu einem Baustopp für Stuttgart 21 veranlassen. Darüber informierte ich auch die Fraktionsführungen der Opposition. Von den Linken bekam ich keine Antwort, diese war auch nicht nötig, denn die Linke arbeitete zu dieser Zeit bereits an zwei sehr ausführlichen kleinen Anfragen zu Stuttgart 21 mit den notwendigen peinlichen Fragestellungen. Seitens der Grünen wurde ich an Matthias Gastel verwiesen. Aus dessen Büro wurde mir im Blick auf den Brandschutz bei Stuttgart 21 mitgeteilt: „Die Verantwortung dafür liegt allerdings nicht beim Bund sondern bei der DB AG sowie dem Land Baden-Württemberg und seinen Partnern.“ Das klang fast so wie die Antwort aus dem Kanzleramt vom 24. April mit dem Verweis auf Art. 65 GG: „In diesem Rahmen kann die Bundeskanzlerin nach geltendem Verfassungsrecht nicht in die Zuständigkeiten von Bundesminister Dobrindt eingreifen“.
Auf diesem Hintergrund überraschte es mich nicht, dass der Ruf von Bernd Riexinger und Sabine Leidig am 13. Mai nach einem Untersuchungsausschuss bereits am Tag danach seitens der Grünen abgelehnt wurde als unseriöse „Wahlkampfpublicity“. In dieser Situation war für mich die Petition an die Grünen im Bundestag, einem Untersuchungsausschuss zuzustimmen, die konsequente Reaktion. Nach Aussage von Sabine Leidig waren vergangene Woche nun Sondierungsgespräche zwischen Mitgliedern der Oppositionsfraktionen vorgesehen. Dass hier die Petition schon gewirkt hat, will ich nicht behaupten. Der Druck erscheint mir weiterhin notwendig. Deshalb habe ich einen offenen Brief an Ministerpräsident Kretschmann formuliert, der sich auch an die grüne Bundestagsfraktion richtet.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,
in Ihrem Brief an die Mitbürgerinnen und Mitbürger vom 27.3.2014 behaupten Sie im Zusammenhang der Volksabstimmung vom 27.11.2012 über das S 21-Kündigungsgesetz: „In einer Demokratie entscheidet die Mehrheit und nicht die ‚Wahrheit‘“. Sie räumen dabei ein, dass in der Demokratie über die Wahrheit gestritten werden kann, Sie übergehen aber geflissentlich, dass über die zur Zeit der Volksabstimmung noch strittige Kostenfrage inzwischen nicht mehr gestritten werden muss, weil die damals falsche Kostenbehauptung von der Deutschen Bahn AG inzwischen eingestanden ist. Sie erwähnen die möglicherweise falsche Entscheidung der Schweizer über die Einschränkung der Freizügigkeit, verschweigen aber, dass die Schweizer neu und anders abstimmen können, wenn die Fehlentscheidung als solche erkennbar ist. Eine neue Abstimmung über die inzwischen wahren Kosten von Stuttgart 21 ziehen sie nicht in Betracht. Dadurch machen Sie die Lüge in der Politik zu einem nachhaltig erfolgreichen Instrument. Dies ist ein Skandal, denn ein gelingendes Gemeinwesen kann in unserem Land unmöglich auf einer Kultur der Lüge aufgebaut werden.
Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg und die der Bundesrepublik Deutschland sind nach der Zeit des Nationalsozialismus entstanden im Bewusstsein „der Verantwortung vor Gott und den Menschen“. Der Gott Israels hat seinem Volk durch Mose das achte Gebot gegeben, damit die Gemeinschaft nicht auf Lügen, sondern auf der Wahrheit aufgebaut wird. Sie aber machen mit Ihren skandalösen Aussagen die Lüge in unserem demokratischen Gemeinwesen hoffähig und schaden damit nicht nur Ihrem eigenen, sondern auch dem Ruf Ihrer Partei.
Für eine Umkehr von diesem verhängnisvollen Weg ist es noch nicht zu spät. Sie haben in diesen Tagen die großartige Möglichkeit, Ihre Parteifreunde im Bundestag zu motivieren, der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss zum Projekt Stuttgart 21 zuzustimmen. In einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss als einem zentralen Instrument der Demokratie geht es nicht um Mehrheit, sondern um Wahrheit. Die kleine Minderheit der Opposition kann der Regierung mit ihrer überwältigenden Mehrheit Fragen stellen, die sie unter Androhung von Strafe wahrheitsgemäß beantworten muss. Wagen Sie jetzt mehr wahrhaftige Demokratie!
Die Bundesregierung hat kürzlich auf die kleine Anfrage der Fraktion der Linken geantwortet, sie glaube dem Aussichtsrat der Deutschen Bahn AG, das Projekt Stuttgart 21 sei noch wirtschaftlich. Das ist dieselbe Art, in der Sie die Kosten von Stuttgart 21 bei der Volksabstimmung zu einer Glaubensfrage machen wollen. In einem Untersuchungsausschuss wird aber z. B. die Wahrheitsfrage gestellt, wie es dazu kam, dass am 5. März 2013 der Bahnaufsichtsrat bei einer Enthaltung an dem Projekt Stuttgart 21 festgehalten hat, obwohl allen Aufsichtsräten der konkrete Nachweis vorlag, dass die Behauptung der Bahnverantwortlichen falsch war, der Ausstieg komme 70 Mio. Euro teurer als der Bau.
Es liegt jetzt an Ihrer Partei. Sie kann der Bundesregierung den Glauben an die Lüge durchgehen lassen oder sie kann der Wahrheit zum Sieg verhelfen. Auch Ihnen und Ihrer Partei gilt die Verheißung Jesu aus Joh 8, 32: „Die Wahrheit wird euch freimachen!“
Mit freundlichen Grüßen
Friedrich Gehring