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Der letzte Brief – Vorsicht Satire

Sehr geehrter Herr Landesbischof Juli,
sehr geehrter Herr Erzbischof a.D. Zollitsch!

Noch immer von großer Freude und Dankbarkeit erfüllt schaue ich auf den Festgottesdienst am Tag der Deutschen Einheit in „meiner“ Kirche, der altehrwürdigen Stiftskirche, zurück. Auch wenn und gerade weil ich diesen Event als Höhepunkt im meinem Mesnerinnenleben betrachte (beim Festgottesdienst 1997 mit Helmut Kohl und Georges Bush war ich noch an einer anderen Kirche), kann ich nicht umhin, Ihnen einige kritische Anmerkungen zukommen zu lassen. Auch eine Mesnerin macht sich ja so ihre Gedanken, auch wenn Sie das in der Tiefe Ihres Herzens einer Frau vermutlich nicht zutrauen mögen. Ich bin mir zwar bewusst, dass ich, wenn ich diese Gedanken nun auch noch öffentlich ausspreche, damit gegen den biblischen Rat „das Weib schweige in der Gemeinde“ verstoße. Aber mit Gottes Hilfe will ich es dennoch wagen und hoffe dabei auf Ihre bischöfliche Nachsicht.

Nun zu meinen Beobachtungen und Einsichten. Da kommt mir als erstes der rote Teppich in den Sinn, der zwischen Schillerplatz und Eingangsportal ausgelegt war und auf dem die Gottesdienstbesucher feierlich zur Kirche schritten. Zunächst war ich als evangelische Mesnerin darüber etwas verwundert. Auch wenn die Gemeinde wohl ausschließlich aus hoch gestellten Persönlichkeiten und geladenen Ehrengästen bestand, ist ein Gottesdienst doch etwas grundlegend anderes als ein Staatsakt! Und vor Gott zählt schließlich weder Ansehen noch Ehre noch gesellschaftliche Position eines Menschen, sondern allein die Reinheit des Herzens. Psalm 15 ist da ganz eindeutig. Allerdings muss ich ehrlicherweise zugeben, dass ich am nächsten Tag beim Putzen den roten Teppich dann nachträglich doch noch zu schätzen wusste. Der Reinigungsaufwand war dieses Mal deutlich geringer als an den normalen Sonntagen.

Von Ihrer Predigt, verehrter Herr Erzbischof a.D., ist mir besonders die Anrede in unangenehmer Erinnerung. Anstelle der gewohnten Anrede: „liebe Gemeinde“ oder „liebe Brüder und Schwestern in Christus“ sprachen Sie zunächst direkt und namentlich die Oberhäupter des Staates an und schließlich auch die „Brüder und Schwestern“. Auch hierbei fühlte ich mich eher an die Ansprache bei einem Staatsakt erinnert oder auch an Zeiten des landesherrlichen Obrigkeitsstaates, die Gott sei Dank der Vergangenheit angehören. Und in der Anrede der Predigt sollte doch wohl schon die biblische Wahrheit zum Ausdruck kommen, die da lautet: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau. Denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“.

„Soli Deo Gloria” war, ist und bleibt das Motto unserer Gottesdienste.
Und deshalb bin ich auch ausgesprochen dankbar dafür, dass sich die Paramentenwerkstatt in der Kürze der Zeit nicht imstande sah, Antependien in unseren Nationalfarben schwarz rot gold für Altar und Kanzel zu fertigen. So gab es dann nur einen neutralen Kanzelbehang in schlichtem Rot. Vielleicht aus Ihrer Sicht ein kleiner Schönheitsfehler an diesem Tag, den unser Herrgott Ihnen aber sicher verzeihen wird.
Zwar bin ich in den langen Jahren meiner Dienstzeit so einiges an neumodischem Schnickschnack gewohnt, wie Sie sich denken können. Aber der Tanz um den Altar hat mich doch sehr befremdet. Musste das denn unbedingt sein? Jeder halbwegs bibelfeste Zuschauer und besonders ich, die Sonntag für Sonntag von Amts wegen eine Bibelstunde absolviert, musste sich erinnert fühlen an die Geschichte vom „Tanz ums Goldene Kalb“. Sie wissen ja, wie diese ausgegangen ist. Der zu Recht aufs Äußerste erzürnte Mose befahl seinen linientreu gebliebenen Leviten, ihr Schwert zu erheben und „Bruder, Freund und Nächsten“ zu erschlagen, was dann 3 000 Männern das Leben kostete. Auch wenn Sie als Bischöfe quasi selbst die Nachkommen der Leviten sind und von daher nichts zu befürchten zu haben glauben, ist es zumindest denkbar, dass sich beim Tanz ums Goldene Kalb eines Tages die Verhältnisse bei der Bestrafung der Abgefallenen umkehren könnten.

Auf jeden Fall halte ich es für angeraten, solche unseligen Assoziationen durch dem Zeitgeist geschuldete Verkündigungsformen erst gar nicht aufkommen zu lassen. Wie wir wissen, lässt der Blick auf die Kirche in Geschichte und Gegenwart bei immer mehr Menschen den – natürlich völlig unbegründeten – Verdacht aufkommen, auch der Kirche gehe es nur ums Geld. Diesem falschen Eindruck ist gezielt zu wehren, was ja gerade der neue Papst Franziskus von Anfang an schon durch seine Namenswahl deutlich machte und nun auch noch dadurch, dass er das „Papamobil“ durch einen alten Renault 4 mit 360 000 Kilometern auf dem Buckel ausgetauscht hat. Wie wäre es, wenn Sie, verehrter Herr Landesbischof July, es dem Papst gleichtun und Ihre Mercedes S-Klasse etwa gegen einen 2 CV austauschen? Das war mein erstes Auto, und ich bin damit auch im Winter jede Steigung hinauf gekommen. Dies sage ich deshalb, weil Sie ja vor einiger Zeit die Befürchtung geäußert haben, ohne den Vierradantrieb Ihres Mercedes in den Wintermonaten nicht rechtzeitig zu Gottesdiensten auf die Schwäbische Alb zu kommen. Allenfalls müssten Sie eben etwas früher aufstehen, was Ihnen in Erinnerung an die früher in unserer Kirchen üblichen Frühandachten nicht schwer fallen dürfte.

Auf jeden Fall wäre ein solcher Fahrzeugwechsel ein deutliches Zeichen dafür, dass auch unsere evangelische Kirche gewillt ist, wieder etwas erkennbarer jesuanisch werden zu wollen. Immerhin hatte unser Herr, im Unterschied zu Füchsen und Vögeln, die wenigstens eine Höhle bzw. ein Nest haben, nicht einmal einen Ort, wo er sein Haupt hätte hinlegen können, geschweige denn ein Fahrzeug. Wenn man dann in einer Zeit, in der in beiden Kirchen aus Geldmangel Gehälter gekürzt, Personalstellen gestrichen, Kirchen umgewidmet oder abgerissen, diakonische Einrichtungen marktkonform geführt werden und so weiter, lesen muss, dass der Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, sich einen Protzbau für 31 Millionen Euro als Bischofssitz bauen lässt, dann muss man sich nicht wundern, wenn immer mehr Menschen aus der Kirche austreten.
Nach dieser kurzen Abschweifung, die ich zu entschuldigen bitte, zurück zum Festgottesdienst. Von ganzem Herzen froh bin ich darüber, dass sich die Diskussion um die Länge der Röcke des katholischen Mädchenchors schließlich in Wohlgefallen aufgelöst hat. Die Mädchen hätten ursprünglich ja auf der Sängerempore mit dem Glasgeländer singen sollen, oberhalb des Altars. Und da wäre realistischerweise zu befürchten gewesen, dass Gottesdienstbesucher ihnen unter die Röcke geschaut hätten. Dies wurde aber Gott sei Dank noch rechtzeitig erkannt. Ich will mir gar nicht vorstellen, welche neuerlichen Diskussionen das ausgelöst hätte, wenn Fernsehkameras solche Blicke eingefangen und in die Welt hinaus übertragen hätten! Der Mädchenchor wurde dann ja, mit langen Röcken züchtig verhüllt, auf die Nebenempore platziert.

Noch eine Kleinigkeit, gleichwohl erwähnenswert, möchte ich ansprechen. Wie Sie vielleicht wissen, wurden in der Unterkirche sämtliche Mitwirkende fernsehgerecht geschminkt. Die Solisten bekamen zwei Lagen Make-up mehr aufs Gesicht. Schminken und Kirche, das passt für mich nun wirklich nicht zusammen. Fernsehen hin oder her. Gott schaut ohnehin durch jede Maske, so dick sie auch sein mag. Auf jeden Fall sollte das eine Ausnahme bleiben. Im Gegensatz zum Pudern der Hände des Organisten. Herr Johannsen hat ja ganz hervorragend gespielt. Sicher haben seine gepuderten Hände ein Übriges dazu getan. Eventuell könnte das Pudern der Hände vor dem Gottesdienst in die Richtlinien für den Organistendienst aufgenommen werden. So wäre er oder sie sich stets bewusst, dass Einer ihm immer auf die Hände schaut, auch ohne Fernsehkamera. Das würde mit Sicherheit das Niveau des Orgelspiels in unseren Kirchen heben.

Sollten Sie noch an weiteren Erkenntnissen meinerseits über diesen Stuttgarter Jahrhundertgottesdienst interessiert sein, dürfen Sie mich gerne zu einem Gespräch einladen.

Einstweilen grüßt Sie hochachtungsvoll die Mesnerin der Stuttgarter Stiftskirche

Maria Martha Sauberle