Ansprache beim Parkgebet am 2. Mai 2019 zu Jer 28,5-9 von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Da sprach der Prophet Jeremia zum Propheten Hananja vor den Priestern und allen Leuten, die im Hause des Herrn standen: … So sei es! Möchte der Herr das tun! Möchte der Herr deine Worte, die du geweissagt hast, erfüllen, und die Geräte des Hauses des Herrn und die Verbannten alle von Babel an diesen Ort zurück bringen. Nur höre dieses Wort, das ich dir und allem Volke zu sagen habe: Die Propheten, die vor mir und vor dir gewesen sind von alters her, die haben über viele Länder und Königreiche geweissagt von Krieg und Unheil und Pest. Wenn aber ein Prophet von Frieden weissagt, so wird man daran, dass sein Wort eintrifft, erkennen, dass in Wahrheit der Herr diesen Propheten gesandt hat.

Da kam es also zum Streit der Propheten. Hananja bietet die Heilsbotschaft, die das Volk gerne hört. Die große Schmach der Niederlage gegen die Babylonier, die Wegführung der israelischen Eliten nach Babel und der Raub der heiligen Geräte des Tempels im Jahr 597 v. Chr., das soll in Kürze alles wieder gut werden. Dazu braucht es natürlich einen neuen Krieg. Davor warnt Jeremia eindringlich und rät, sich mit der Herrschaft der Babylonier zu arrangieren statt durch einen militärischen Aufstand alles noch schlimmer zu machen. Die Situation erinnert mich an die Jahre nach 1945, als nicht wenige unbelehrbare Deutsche auf einen neuen Krieg hofften, bei dem sie sich dann auf der Seite der Sieger phantasierten. Als ob die riesigen Kriegsschäden noch nicht genug waren.
Jeremia tritt dem populistischen Heilspropheten mit einem hölzernen Joch auf den Schultern öffentlich entgegen. Er drückt damit aus: Der Gott Israels lädt euch das Joch Babels auf. Er kündigt zugleich dem Hananja an, dass er daran gemessen wird, ob seine Heilsweissagungen eintreffen. Daraufhin nimmt Hananja in einem spektakulären Akt das Joch von Jeremias Schultern und zerschmettert es. Auch nach 2600 Jahren können wir uns leicht vorstellen, wie die Menge gejohlt haben mag und wie Jeremia wie ein begossener Pudel nach Hause geschlichen ist.

Ich habe diesen Bericht für unser heutiges Parkgebet ausgewählt, weil ich von Michael Pradel, dem Bauleiter für Stuttgart 21 den Satz gelesen habe: „Die Leute, die heute noch zur Elbphilharmonie nach Hamburg pilgern, kommen dann in den Stuttgarter Hauptbahnhof, um die Architektur zu begutachten und sich daran zu erfreuen.“ Da hätte ich gerne mit Jeremia gesagt: „Dein Wort in Gottes Ohr. Es wird sich noch zeigen, ob deine Heilsweissagung eintrifft“. Der Vergleich mit der Hamburger Elbphilharmonie erschöpft sich darin, dass das Bauwerk auch um ein Vielfaches teurer wurde als geplant. Das Ziel war dort eine gute Akustik, die scheint gelungen. Das Ziel bei Stuttgart 21 ist gelingender Bahnverkehr. Danach sieht es aber nun wirklich nicht aus. Selbst in Hamburg ist noch nicht aller Tage Abend. Ich erinnere an die Berliner Kongresshalle, die wegen ihres genial geschwungenen Dachs von den Berliner „schwangere Auster“ genannt wurde. Sie hatte auch eine tolle Akustik, ich konnte das selbst 1960 kurz testen. 1980 brach das Dach ohne Vorwarnung ein. Danach wurden die statischen Planungsfehler erkannt. Ich will kein Unheilsprophet für Hamburg sein und möchte deshalb noch nicht daran denken, dass die Elbphilharmonie einmal durch den Klimawandel im Wasser stehen wird.

Aber für S 21 bleibt mir zunächst nur die Rolle des Unheilspropheten Jeremia. Ich muss Michael Pradel und anderen S 21-Fans den Vergleich mit dem Berliner Flughafen vorhalten. Er sollte 2012 in Betrieb gehen, der Brandschutz ist bis heute noch nicht fertig. Bei S 21 will man die Brandschutzprobleme im Rahmen der Inbetriebnahme lösen. Während man in Berlin manches neu bauen konnte, wird man bei S 21 die Tunnel oder die Untergrundhaltestelle nicht mehr verbreitern können, um den Anforderungen des Brandschutzes zu genügen. S 21 geht dem Schicksal des schnellen Brüters in Kalkar am Niederrhein entgegen, der Milliarden DM verschlang und dann nie ans Netz ging. Heute ist dort ein Vergnügungspark. Der Vergleich mit diesem Projekt könnte Michael Pradel recht geben. Vielleicht wird aus einem Teil der Untergrundhaltestelle noch eine Markthalle, in der die Einkaufenden die Kelchstützen begutachten können als Mahnmal gegen die neoliberale Verblendung, in der diese Haltestelle einmal als Deutschlands goldene Zukunft galt.

Ich will nicht verschweigen, dass das Schicksal des Jeremia nicht besonders ermutigend erscheint. Er sollte recht behalten. Der Aufstand der populistischen und militaristischen Elite um den König endete in der Katastrophe. Das hat aber vermutlich Jeremia nicht geholfen. Wahrscheinlich haben ihn seine Gegner nach Ägypten verschleppt, wo sich seine Spur im Dunkel der Geschichte verliert. Ich will aber in dieser nachösterlichen Zeit nicht ins Schwarzmalen verfallen. Das Geschick des Jeremia muss sich heute nicht wiederholen. Je länger sich der Bau von S 21 hinzieht, umso mehr wird seine Unsinnigkeit in breiten Bevölkerungsschichten bewusst und umso mehr werden die Bahnverantwortlichen selbst unter dem Projekt leiden. Diesen Eindruck haben die Vertreter des Aktionsbündnisses in den Gesprächen mit den Bahnvorständen. Insbesondere die Kosten werden mehr und mehr schmerzen. Irgendwann wird auch die Bundesregierung bei Wahlen den politischen Preis bezahlen müssen für das Unsinnsprojekt, das sinnvollem Bahnverkehrsausbau im Wege steht. Und umso länger bleibt der Kopfbahnhof erhalten und kann seine Überlegenheit und Zukunftsfähigkeit unter Beweis stellen.

Es mag sein, dass die Älteren unter uns den Meinungsumschwung der Verantwortlichen nicht mehr erleben werden. Aber deshalb sind wir eine Bewegung, die länger bestehen wird als die Einzelnen. Ich denke dabei an eine Szene aus Bert Brechts „Die Tage der Commune“. Als sich die Protagonisten einer neuen sozial vorbildlichen Pariser Gesellschaft angesichts des feindlichen Geschützfeuers ihrem nahen Ende konfrontiert sehen, sagt Genevieve zu Jean: Nun Jean, wir lernen. Da antwortet Jean: Das wird uns viel nützen, wenn wir ins Gras beißen. Da erwidert sie: Ich sagte wir, das sind mehr als du und ich. Tatsächlich haben sich die kühnen Vorstellungen der Pariser Commune 100 Jahre später in der europäischen Sozialgesetzgebung durchgesetzt.

Ich sehe darin etwas vom unerschütterlichen nachösterlichen Vertrauen der Jüngerschaft Jesu. Lassen wir uns auch in unseren Tagen anstecken von dieser österlichen Zuversicht. Amen.

KlimaSkandal Stuttgart 21 – Demo 11.5.19

Auch wir Theologinnen und Theologen gegen Stuttgart 21 laden herzlich ein zur Klima-Demo

am Samstag, 11. Mai, um 14 Uhr vor dem Hauptbahnhof Stuttgart

Von Beginn der Proteste gegen Stuttgart 21 an war dies ein zentraler Punkt: Der Tiefbahnhof ist eine Klima-Sünde: denn er bewältig viel zu wenig Züge und verhindert deshalb einen breiten Umstieg vom Auto auf Öffentlichen Verkehr.

Viele weitere klimaschädliche Aspekte des Tiefbahnhofs kommen dazu:
– die steilen Tunnelstrecken sind Energiefresser
– der zerstörte Schlossgarten fehlt als grüne Lunge der Stadt
– eine Bebauung des Rosenstein-Viertels stört die Frischluftströme für die City
– mit den Kopfbahnhofgleisen fehlt ein wichtiger Kühlkörper fürs Stadtzentrum
– durch die ICE-Verbindung zum Flughafen wird der Flugverkehr verstärkt
– Unmengen Beton für die Tunnels erzeugen Unmengen an CO2
– usw.

Deshalb ist es uns ein Anliegen, zusammen mit den „Fridays for future“-DemonstrantInnen für den Klimaschutz auf die Straße zu gehen.

Im Blick auf Stuttgart 21 fordern wir:
sofortiger Baustopp und sofortiger Einstieg in die Planungen für die Modernisierung des Kopfbahnhofs.
Es ist noch lange nicht zu spät für „Umstieg 21“: http://www.umstieg-21.de

Ansprache beim Parkgebet am 18.4.2019 zu Mt 26, 47-52 von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Und während er noch redete, siehe, da kam Judas, einer der Zwölf, und mit ihm eine große Schar mit Schwertern und Stöcken von den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes her. Der aber, der ihn verraten wollte, hatte ihnen ein Zeichen gegeben, und gesagt: Der, den ich küssen werde, der ist’s, nehmet ihn fest. Und alsbald trat er auf Jesus zu und sagte: Sei gegrüßt, Rabbi! Und küsste ihn. Jesus aber sprach zu ihm: Freund, wozu bist du hier? Da traten sie hinzu, legten Hand an Jesus und nahmen ihn fest. Und siehe, einer von denen, die bei Jesus waren, streckte die Hand aus, zog sein Schwert, schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das Ohr ab. Da sagt Jesus zu ihm: Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.

Am Gründonnerstag erinnern wir uns als Christen an die Nacht der Gefangennahme Jesu, der am Karfreitag seine Kreuzigung folgen wird. In diesem Augenblick wird seine tödliche Bedrohung konkret, nachdem seine Gegner schon zuvor Mordpläne geschmiedet hatten (Mk 3, 6). Die Evangelisten betonen den Konflikt Jesu mit den politischen und religiösen Autoritäten in Israel, denen Jesus die Geschäftemacherei im Tempel als Räuberei vorgeworfen hatte. Der Konflikt mit den römischen Besatzern tritt dahinter zurück. Jesus hatte den Machtmissbrauch der herrschenden Römer gebrandmarkt (Mk 10, 42-44) und zu einem Boykott römischer Währung aufgerufen (Mk 12,13-17). Der Satz: Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört, war ursprünglich ein Hinweis, dass Juden das Bild des Kaisers auf den römischen Münzen als Götzenbilder nicht bei sich tragen durften. Ein Boykott römischen Geldes hätte die römische Ausbeutung der Juden zumindest erheblich erschwert. Deshalb ist Jesus auch eine Gefahr für die Römer und wird nicht von Juden gesteinigt, sondern von Römern gekreuzigt.

Die Szene der Gefangennahme hat eine besondere Bedeutung deshalb, weil auch in der tödlichen Bedrohung durch die bewaffneten Gegnern Jesus konsequent an der Gewaltlosigkeit festhält. Für seine Botschaft von der Feindesliebe und dem Frieden stiften besteht er hier die härteste Bewährungsprobe, die einem Menschen abverlangt kann. In diesem Augenblick opfert sich Jesus tatsächlich für seine Jünger, sodass Johannes ihn sagen lassen kann: „Wenn ihr also mich sucht, so lasset diese gehen“(Joh 18,8). Das bedeutet nicht, dass Jesus für die Sünden der Welt stirbt als Opferlamm, sondern dass er die Sünden der Welt verringert. Die Römer können ihn zwar töten, aber seine Botschaft nicht ausrotten. Die Botschaft vom barmherzigen und Frieden stiftenden Gott lebt weiter. Die ersten Christen praktizieren das faire Teilen und über Jahrhunderte verweigern Christen den Kriegsdienst, weil sie im Loyaltätskonflikt zwischen der römischen Staatsmacht und dem barmherzigen Friedensgott nach der Maxime leben: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“(Apg. 5,29).

Was bedeutet das für uns als Nachfolger Jesu? Ende des 18. Jahrhunderts haben Stuttgarter Pietisten eine Wehrübung auf dem Wasen verweigert und gesagt, lieber würden sie selbst sterben als dass sie im Krieg andere töten. So viel ich weiß, kamen sie ungeschoren davon. Nach zwei Weltkriegen wurde 1949 in unserem Grundgesetz das Recht auf Kriegsdienstverweigerung verbrieft. Nachdem immer mehr verweigerten wurde schließlich vor Jahren die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt und die Bundeswehr hat Nachwuchssorgen.

Auch für uns Christen, die wir gegen das Projekt Stuttgart 21 eintreten, spielt die Gewaltlosigkeit Jesu eine bedeutende Rolle. Am „Schwarzen Donnerstag“ wurde zwar versucht, den Demonstranten Steinewerferei anzuhängen, der Vorwurf wurde aber zum blamablen Bumerang. Die Gewaltlosigkeit der Demonstrierenden wurde zur Macht: Selten vorher und nachher wurde die neoliberale Politik, die Stuttgart 21 als ihr zentrales Schlüsselprojekt darstellte, derart öffentlich blamiert. Die Maske der allgemeinen Wohltätigkeit wurde abgerissen und die brutale Fratze des Mammon dahinter bloßgestellt. Die Szene erinnerte an Vorgänge im Istanbuler Gezipark und an die türkischen Machthaber, von denen man sich hierzulande gerne überheblich distanzieren möchte.
Auch wenn es fünf Jahre dauerte, so wurde am Ende doch klar, dass dieser Polizeieinsatz gesetzwidrig war und gut zu einer Diktatur passt, nämlich zu der Diktatur der Lobbyisten. Diese funktioniert, wenn die Parlamentarier ihnen um des Mammons willen in vorlaufendem Gehorsam untertan sind. Die Demonstranten konnten zwar verletzt, aber nicht besiegt werden, und unser Widerstand geht weiter.

Die Warnung Jesu: Wer zum Schwert greift, wird durchs Schwert umkommen, gilt allerdings auch für uns als Gegner von S 21. Ich denke an die Besetzung des Grundwassermanagements. Die Gewaltanwendung fand zwar auf einer niedrigen Ebene statt, dennoch haben diejenigen, die meinten, so ihre Stadt verteidigen zu müssen, zum Teil einen sehr hohen Preis bezahlt. Die Warnung Jesu hätte in diese Situation hinein übersetzt bedeutet: Wer den Gegnern in die Falle läuft und Bauzäune einreißt oder gar Fahrzeuge beschädigt, wird in unserem Land die ganze Härte der Gerichte spüren, die bisweilen auf der Seite der Mächtigen stehen. Ich sehe im Rückblick diesen Abend als eine gezielte Falle, die uns gestellt wurde, um uns kriminalisieren zu können. In eine solche sollten wir nicht mehr tappen.

Auch auf verbale Gewalt, auf Kraftworte, kann die Warnung Jesu bezogen werden. Im Schwäbischen gibt es ja den Begriff der „Schwertgosch“. Ich muss da ganz persönlich immer wieder auf mich achten. Auch mit gesprochenem oder geschriebenem Wort können wir Konflikte so eskalieren, dass dies auf uns selbst zurückfällt. Diese Sorge muss uns nicht zu Duckmäusern machen. Wir dürfen und müssen in der Nachfolge Jesu das Unrecht immer wieder beim Namen nennen. Es gilt dabei aber, Person und Sache zu trennen, nicht Personen als ganze zu verureilen, sondern nur das beanstandete Verhalten. Ich habe in kritischen Situationen die Erfahrung machen können, dass den Gegnern einen Ausweg zu lassen mir selbst genützt hat.

Der Barmherzige Gott und Vater Jesu schenke uns, dass wir beim Kampf gegen Unrecht und Machtmissbrauch die Botschaft von der Feindes- und Friedensliebe nicht verraten. Amen.

Ansprache beim Parkgebet am 4. April 2019 über Johannes 18, 28–38 von Pf. i.R. Hans-Eberhard Dietrich

(hier die Ansprache als pdf-Datei)

Leidensgeschichte: Jesus vor Pilatus

Liebe Parkgemeinde,

der kommende Sonntag heißt Judika. Er hat seinen Namen von den ersten Worten des 43. Psalms, der den Gottesdienst eröffnet: Judica me, Deus – Gott schaffe mir Recht!
Mit diesem Sonntag kommen wir dem Leiden und Sterben Jesu immer näher. In zwei Wochen ist Karfreitag. Der Predigttext für diesen Sonntag ist die Gerichtsverhandlung Jesu vor Pilatus.

Johannes 18, Vers 28 bis 38:
Da führten sie Jesus von Kaiphas zum Prätorium; es war früh am Morgen. Und sie gingen nicht hinein, damit sie nicht unrein würden, sondern das Passahmahl essen könnten. Da kam Pilatus zu ihnen heraus und fragte: Was für eine Klage bringt ihr gegen diesen Menschen vor? Sie antworteten und sprachen zu ihm: Wäre dieser nicht ein Übeltäter, wir hätten ihn dir nicht überantwortet. Da sprach Pilatus zu ihnen: So nehmt ihr ihn hin und richtet ihn nach eurem Gesetz. Da sprachen die Juden zu ihm: Wir dürfen niemand töten. So sollte das Wort Jesu erfüllt werden, das er gesagt hatte, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde.

Da ging Pilatus wieder hinein ins Prätorium und rief Jesus und fragte ihn: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus, oder haben dirs andere über mich gesagt? Pilatus antwortete: Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortete: Was hast du getan? Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; nun aber ist mein Reich nicht von dieser Welt. Da frage ihn Pilatus: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme. So spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit?

  1. Hintergrundinfos

Pilatus, der römische Statthalter in Judäa. Er ist der eigentliche König. Herodes gibt es zwar auch noch. Aber das Sagen hat Pilatus. Deshalb residiert er auch symbolträchtig im Palast des Herodes. Die Römer nennen diesen Regierungssitz natürlich mit einem lateinischen Namen, Prätorium, das Haus des Feldherrn, wörtlich übersetzt. Die meiste Zeit hielt sich Pilatus aber in Cäsarea auf, am Meer gelegen, eine römische Stadtgründung, strategisch sicherer als Jerusalem. In Jerusalem war er nur in Krisenzeiten, an hohen Fest- und Feiertagen wie am Passahfest, wenn viele Menschen zusammenströmten. Da konnte man nie wissen, ob es Unruhen oder gar einen Aufstand gegen die Römer gab.
Grund hatte das Volk. Denn Pilatus war ein Judenhasser. Er hatte zwar vom Kaiser in Rom die Anweisung, auf die religiösen Gefühle der Juden Rücksicht zu nehmen und sie nicht zu provozieren. Aber er ließ keine Gelegenheit aus, sie seine Verachtung spüren zu lassen.

Und dann war da noch der Hohepriester Kaiphas, oberster Chef der religiösen Selbstverwaltung der Juden. Kaiphas, von Pilatus eingesetzt. Ein paar Rechte hatte das Volk zwar noch, kleinere Delikte durften sie nach ihrem mosaischen Gesetz aburteilen. Aber ein Todesurteil durften sie nicht fällen. Darum aber ging es der herrschenden religiösen Clique aus Hohenpriestern Pharisäern und Sadduzäern und wer sonst noch ein Interesse an der Beseitigung Jesu haben mochte.

  1. Die Gerichtsverhandlung

Auf diesem Hintergrund muss man jetzt die ganze Gerichtsverhandlung sehen.
Das Verhör findet drinnen im Palast statt. Die eigentliche Verhandlung draußen vor dem Palast, auf einem Hof oder freien Platz. Da sitzt er nun, der oberste Richter Pilatus auf seinem Richterstuhl, vermutlich ein Steinhocker, den man eigens für solche Gerichtsverhandlungen herbeischaffte und aufstellte.

Die Verhandlung nimmt jetzt ihren Verlauf. Wenn man sie unvoreingenommen liest oder hört, so hat man den Eindruck, dem Pilatus geht das ganze gegen den Strich und zwar auch deshalb, weil er von Jesu Unschuld überzeugt ist. Aber wie soll er sich verhalten? Weiterlesen

Ansprache beim Parkgebet am 21.3.2019 zu Jer 38,14-17 von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Der König Zedekia aber sandte hin und ließ den Propheten Jeremia zu sich holen … . Und der König sprach zu Jeremia: Ich will dich etwas fragen, verhehle mir nichts. Jeremia antwortete … : Wenn ich es dir sage, wirst du mich da nicht töten lassen? Und wenn ich dir rate, so hörst du ja doch nicht auf mich! Da schwur ihm der König einen Eid: … Ich werde dich nicht töten und dich nicht in die Hände der Männer geben, die dir nach dem Leben trachten. Nun sprach Jeremia zu ihm: So spricht der Herr …: Wenn du dich den Fürsten des Königs von Babel ergibst, so bleibt dein Leben erhalten, und diese Stadt wird nicht verbrannt, und du bleibst mit den Deinen am Leben.

Der König ist hin und her gerissen: Seine kriegslüsternen Berater wollen seinen Aufstand gegen den König von Babel, Jeremia prophezeit die Niederlage mit furchtbaren Konsequenzen. Da sucht der König heimlich das Gespräch mit Jeremia, um von ihm ein Wort des Herrn zu erfahren. Jeremia sagt ihm ehrlich, was er von ihm hält. Trotzdem ist der König so sehr auf ein Wort des Herrn angewiesen, dass er auch im Fall einer unangenehmen Botschaft freies Geleit verspricht.

Ich habe diese biblische Episode ausgewählt, weil ich kürzlich erfahren habe: Der Bahnvorstand führt Gespräche mit dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. Könnte es sein, dass die Bahnchefs ähnlich hin und her gerissen sind wie einst Zedekia? Einerseits hält die Regierung am Weiterbau des Projekts fest, andererseits häufen sich die Katastrophenmeldungen. Es wird alles noch teurer, es geht vieles noch langsamer als geplant wie beim völlig unerwarteten Wassereinbruch bei Obertürkheim, das veruntreute Geld fehlt, um pünktlicher zu werden, die Verschuldung steigt bedrohlich. Das hoch gelobte Signalsystem, das für S 21 unumgänglich ist, macht die Züge noch teurer und lässt noch weniger Verkehr in der Untergrundhaltestelle zu. Die alten Probleme wie der Brandschutz bleiben weiter ungelöst. Und schließlich: Die Staatsanwaltschaft neigt immer mehr dazu, wegen Untreue zu ermitteln. Wie bei Zedekia wird es auch persönlich bedrohlich für die Vorstände. Es ist zwar kein „Wort des Herrn“, das die Vorstände erwarten, vielleicht wollen sie in den Gesprächen auch nur die Gefahren ausloten, die ihnen drohen, aber einen Rat haben die Gesprächsteilnehmer vom Aktionsbündnis schon für sie. Und der heißt: Umstieg 21. Das wäre jedenfalls mein „Wort des Herrn“ für ihre Rettung.

Wie schon Jeremia Zweifel hat, ob Zedekia auf ihn hören wird, so müssen auch wir Zweifel haben, ob die Bahnvorstände für unseren Rat wirklich offen sind. Zedekia wurde einst für seinen Beratungsresistenz schwer bestraft: Nachdem er seine Militärs hat Krieg führen lassen, werden Stadt und Tempel zerstört, er selbst geblendet in die Gefangenschaft nach Babel geführt. Als Befürworter des Umstiegs 21 können wir kein Interesse an der Bestrafung der Beratungsresistenz der Bahnchefs haben, aber gerade deshalb müssen wir ihnen die Konsequenzen besonders deutlich vor Augen führen. Deshalb sind diese Gespräche wichtig, auch falls der Berliner Justizsenator der Staatsanwaltschaft kraft seiner Weisungsbefugnis die Ermittlungen gegen die Vorstände verbietet. Wir müssen weiter warnen vor den Gefahren des ungelösten Katastrophenschutzes, vor den Risiken des Gipskeupers, vor der Bedrohung durch Überschwemmungen und vor den Folgen des Rückbaus des Bahnverkehrs für den wachsenden Autoverkehr.

Genauso müssen wir natürlich auch Überzeugungsarbeit leisten bei beratungsresistenten Politikern. Als Beispiel möchte ich heute den Vorsitzenden des Bundesverkehrsausschusses, Cem Özdemir herausgreifen. Am 11. Februar veröffentlichte die Frankfurter Rundschau ein Interview mit ihm. Seine Aussage, „wir brauchen keine Retroverkehrspolitik“ wurde als Schlagzeile abgedruckt. Er sagte, er wolle nichts vorschreiben, aber es müssten „bessere Angebote“ gemacht werden im Sinne von „Alternativen zum Auto“. Ich nahm die Gelegenheit beim Schopf und erinnerte in einem Leserbrief an Özdemirs feiges Ausweichen in der Sitzung des Verkehrsausschusses, in der Thilo Sarrazin als ehemaliger Finanzvorstand der Bahn aussagte, er habe schon 2001 vor der erkennbaren Unwirtschaftlichkeit des Projekts Stuttgart 21 gewarnt. Ich hielt Özdemir seinen Satz vor:
„Jetzt isch d’Katz scho da Baum nuf“. Er befürwortete damit den Weiterbau, obwohl er das Konzept Umstieg 21 kennen musste. Ich warf ihm vor, den Bahnvorstand nicht gefragt zu haben, wie die Berechnung der Ausstiegskosten aussieht, nach der der Ausstieg teurer werden soll als die Fertigstellung von S 21. Er hätte dabei erfahren können, dass unsinnigerweise ein Rückbau der Strecke Wendlingen – Ulm veranschlagt wurde, den niemand fordert, auch nicht die Erfinder des Umstiegs 21. Er hätte dann bemerken können, dass die Katze noch keineswegs auf dem Baum ist bzw. durchaus heruntergeholt werden kann. Nach dem Abdruck des Leserbriefs mailte ich den Text an Özdemir mit der Versicherung, ich würde den Vorwurf der Feigheit sofort zurücknehmen, wenn er der Ausstiegskostenfrage nachgehe und die Konsequenzen daraus ziehe.

Zwischenzeitlich habe ich erfahren, dass Eisenhart von Loeper die Herausgabe der Berechnung der Ausstiegskosten gerichtlich betreibt. Da könnte sich Özdemir verbünden. Außerdem kam mir zu Ohren, dass der Bahnvorstand zwar kein „Wort des Herrn“, aber ein Wort des Aktionsbündnisses zur Wendlinger Kurve erbeten hat. Ich gehe davon aus, dass es hierbei auch um das Problem geht, was zu tun ist, wenn die Strecke Wendlingen-Ulm Jahre vor der schrägen Untergrundhaltestelle fertig wird. Dann müssen dort für teures Geld leere Züge die Tunnel belüften. Ein Anschluss über Plochingen an den Kopfbahnhof könnte durch normalen Zugverkehr die Lüftung besorgen und wäre eine gute Erfahrung auf dem Weg zum Umstieg 21. Die Bahn hatte die Streckenführung über Plochingen geplant. Es war die Politik im Ländle, die gegen den Bahnwiderstand den Weg über den Flughafen durchdrückte. Mit einer geschickten Wendlinger Kurve käme die ursprüngliche sinnvolle Bahnplanung doch noch zum Zug.

Bei aller Vorsicht hinsichtlich der Motivation der Bahn bei den Gesprächen mit dem Aktionsbündnis besteht Hoffnung, dass die bisherige Beratungsresistenz aus eigenem Bahninteresse überwindbar ist. Als Christen geben wir jedenfalls den Glauben an die Umkehrfähigkeit der Verantwortlichen nicht auf. Amen.

Ansprache beim Parkgebet am 21.2.2019 von Pfarrer Martin Poguntke

(hier als pdf-Datei)

„Schöpfungsglaube und Marktwirtschaft“

Liebe Parkgebetsgemeinde,

Ich will heute einmal mit Ihnen darüber nachdenken, was der Glaube an einen Schöpfer denn mit der herrschenden Marktwirtschaft zu tun hat. Nicht von der ethisch-moralischen Seite her, will ich fragen, also nicht von der Frage her, welche Werte dabei betroffen sind. Sondern von der Frage her: Welche grundsätzlichen Aussagen wollten eigentlich die Verfasser der alttestamentlichen Schöpfungserzählungen machen?

Wir stellen dann nämlich etwas Überraschendes fest: Obwohl es damals noch gar keinen Kapitalismus gab und keine Vorstellung von Markwirtschaft, hat das sehr viel zu tun mit eben dieser Marktwirtschaft.

Der Grund, warum sie damals eine Erzählung erstellten, in der ein Schöpfer die Schöpfung erschafft, war ja kein naturwissenschaftlicher. Sie wollten ja nicht beschreiben, auf welche Weise, die Welt erschaffen wurde. Erst recht nicht wollten sie eine bestimmte Vorstellung, wie die Welt erschaffen wurde, zum Glaubensgegenstand erheben, etwa die Vorstellung, die Welt sei in sieben Tagen erschaffen worden.

Nein, vom Wie der Schöpfung, was auf welche Weise entstanden ist – davon wussten sie ja damals noch ungleich weniger als wir, im Grunde gar nichts. Die Erzählung von der Erschaffung der Welt in sieben Tagen war reine Phantasie. Aber diese Phantasie hat man aufgewandt, um zwei ganz wichtige Dinge damit zum Ausdruck zu bringen: nämlich erstens, dass es einen unaufhebbaren Unterschied gibt zwischen Schöpfer und Schöpfung, und zweitens, dass der Mensch in dieser Schöpfung eine höchst wichtige Rolle hat.

Vielleicht fragen Sie sich nun: Was hat die Unterscheidung zwischen Schöpfer und Schöpfung mit der Marktwirtschaft zu tun?

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Ansprache beim Parkgebet am 10.1.2019 zu 1. Tim 6,9-11 von Pfr. i.R. Friedrich Gehring

Denn die da reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Stricke und viel törichte und schädliche Begierden, welche die Menschen versinken lassen in Verderben und Verdammnis. Denn Habsucht ist eine Wurzel alles Übels; wie etliche gelüstet hat und sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen.

Diese Sätze klingen zunächst wie ein „Wehe den Reichen“. Aber die Rede ist von denen, „die reich werden wollen“, also noch arm sind, sich aber nach Reichtum sehnen. Warum müssen solche Menschen gewarnt werden? Ich denke dabei an den Bettler mit Abitur am Backnanger Bahnhof, der mich auf dem Weg zu einem Weihnachtsgottesdienst hierher ansprach. Als er erfuhr, dass ich als Kritiker von Stuttgart 21 einen Gottesdienst halten wolle, sagte er erstaunt, Stuttgart 21 bringe doch Kaufkraft in die Region. Als ich fragte, wer dort wohl arbeiten werde, meinte er: „Ha, Ausländer“. Da fiel bei ihm fast hörbar der Groschen und er stelle erschrocken fest, das müsse er erst mal verarbeiten. Als ich davon im Gottesdienst erzählte, entstand lautes Gelächter. Ich konnte nicht lachen. Denn seit langer Zeit fällt mir auf, dass manchmal gerade die Ärmeren am lautesten gegen höhere Steuern für Reiche schreien, obwohl dabei für sie mehr übrig bliebe. Das finde ich tragisch. Ich erkläre mir diese Tragik so: Nicht wenige Armen wollen reich werden und identifizieren sich deshalb mit den Reichen, und wenn sie einmal reich wären, dann wollten sie nicht davon abgeben müssen. Das neue Testament nennt dies eine Versuchung, einen Fallstrick, der Verderben und Verdammnis bereitet.

Ich halte diese Warnung für hochaktuell. Die gegenwärtig herrschende neoliberale Ideologie will uns solche Fallstricke als Heilsversprechen verkaufen. Auch bettelarme Menschen können darauf hereinfallen und bei Stuttgart 21 von Kaufkraft träumen, die nie die ihre wird. Der Neoliberalismus ist so stark, weil viele dem Versprechen glauben, wenn die Reichen noch reicher würden, dann gehe es allen besser. Aber der Reichtum der Reichen beruht in Wahrheit auf der Armut vieler. Schon vor langer Zeit sagte Verkehrsminister Ramsauer, wenn das Land Baden-Württemberg nicht für Stuttgart 21 bezahlen würde, dann müssten es eben die Bahnkunden tun. Als Christen stehen wir den Verlierern zur Seite, die die Zeche zahlen sollen, und prangern die Lügen der Neoliberalen an. Und wir weisen auf die Schmerzen hin, die Habgier verursacht, wie es im Timotheusbrief heißt.

Uns überrascht es nicht, dass bei Stuttgart 21 jetzt nicht nur für uns Gegner, sondern auch für die Befürworter die Schmerzen kommen. Selbst die Lokalpresse, die sich bisher mit Kritik am Projekt sehr zurückhielt, sieht sich zu schmerzhaften Nachrichten genötigt. Der S-Bahn-Verkehr zum Flughafen wird mindestens ein Jahr empfindlich gestört. Die Verkehrsbeschränkungen für mehrere Jahre am Autobahntunnel unter dem Engelberg bei Leonberg werfen schmerzliche Fragen auf zum Anhydritproblem bei S 21. Selbst Ministerpräsident Kretschmann, dem in der Demokratie die Mehrheit wichtiger ist als die Wahrheit, wird jetzt in der Lokalpresse zitiert mit der Erinnerung, dass er vor seiner Regierungsübernahme all die Probleme angeprangert hat, die jetzt eintreten. S 21 frisst in den nächsten Jahren 3,3 Mrd. €, bis zu 20 % der jährlichen Bahn-Investitionen, die derzeit dringend an vielen Stellen nötig wären. Wichtige Vorhaben anderswo müssen zurückgestellt werden. Die zu großen Schulden steigen noch dramatisch weiter. Bahnchef Lutz, der im Herbst 2018 noch seine Mitarbeiter anspornte, sich Problemlösungen einfallen zu lassen, wird jetzt von der Regierung aufgefordert, selbst einen Plan vorzulegen zum Schuldenproblem und dem schlechten Reiseservice. Wenigstens die überregionale Presse wie etwa die Frankfurter Rundschau zieht daraus den Schluss, dass endlich die Umstiegspläne ernsthaft geprüft werden müssen.

Man darf gespannt sein, ob Bahnchef Lutz diesen Schluss zu ziehen bereit ist. Er könnte den Schwarzen Peter, den er seinen Mitarbeitern zuschieben wollte, nun der Regierung zurück geben, denn von dort kommt er ja. Die Kanzlerin selbst muss sich aus der neoliberalen Verblendung lösen, in der sie meinte, von der Vollendung des Projekts S 21 hänge die Zukunft Deutschlands ab. Sie muss endlich sehen, dass eine vernünftige Bahnzukunft von der Beendigung des Projekts abhängt.
Noch mehr: Die neoliberale Ideologie, die vorgaukeln will, wenn den Reichen immer noch mehr gegeben werde, ginge es auch den Armen besser, muss in ihrer Verlogenheit schonungslos entlarvt werden. Aus dieser Ideologie ist S 21 als Vorzeigeprojekt entsprungen. Nun kommt dieses Projekt zunehmend in die Krise kann letztlich umgekehrt zur Krise dieser Ideologie beitragen. Der neoliberalen großen Koalition muss immer wieder klar gemacht werden, dass ihre sinkenden Umfragewerte eben mit dieser Ideologie zu tun haben und dass die Beendigung von S 21 ein glaubwürdiges Zeichen wäre, sich von dieser Ideologie zu verabschieden. Die Kanzlerin hat immer ein gutes Gespür für die Stimmungen in der Bevölkerung gezeigt, etwa bei der Wehrpflicht oder beim Atomausstieg. Bei anderen würde man von Populismus sprechen. Es kommt also darauf an, was das Wahlvolk denkt und sagt. Eine große Verantwortung hat dabei die vierte Gewalt, die Presse. Deshalb ist es so wichtig, dass vom Journalismus her dem Projekt zunehmend der Wind ins Gesicht bläst.
Unser Parkgebet ist genau dafür da, dass wir immer wieder richtig Luft holen können, um in diese Richtung zu blasen. Wir wollen unseren barmherzigen Gott bitten, er möge uns helfen, dass uns die Puste gegen das Schmerz erregende Projekt S 21 nicht ausgeht. Amen.

Predigt zum Weihnachtsgottesdienst am 26.Dez. 2018 im Schloßgarten bei der Lusthausruine von Hans-Eberhard Dietrich, Pfr. i. R., Kornwestheim

Weihnachten feiern heißt: Auf der Seite der Schöpfung stehen.
Lukas 2,7:
„ Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe,
denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. “

Liebe Gemeinde
1. Das uns vertraute Krippenbild mit Ochs und Esel
Wenn wir diese Worte hören, so fallen uns unwillkürlich Ochs und Esel, Schaf und Ziege ein,
die damals in Palästina in einem Stall untergebracht waren. Eine frühe christliche
Überlieferung, die nicht im NT steht, scheut sich nicht, die Tiere zu benennen:
„Maria ging in den Stall und legte ihren Knaben in eine Krippe und Ochs und Esel beteten ihn an.“
Das ist das Bild der Maler, das uns allen sehr vertraut ist.
Liebe Gemeinde, ich muss Ihnen gestehen, ich liebe dieses Bild. Weihnachten kann ich mir gar nicht anders vorstellen. Diese Tiere standen ja nicht nur da, sie haben warm gegeben, denn in Palästina sinken nachts die Temperaturen bis zu Null Grad. Und diese Wärme tat dem Jesuskind und seinen Eltern richtig gut.

2. Die Tiere an der Seite der Menschen erinnern uns ans Paradies
Das Bild von den Tieren an der Seite des Jesuskindes ist mir noch wertvoller geworden als ich
daran etwas entdeckte, was ich früher so nie gesehen habe. Ochs und Esel sind nicht einfach
romantisches, schmückendes Beiwerk. Sie erinnern uns ans Paradies. Auch dort: Die Tiere an
der Seite der Menschen, nicht gleichgültig, nicht neutral, nein ihnen zugewandt, mit
Empathie, Mitgefühl und Barmherzigkeit.
Dieses Detail in der Weihnachtsgeschichte vergessen wir gern. Ein eindrucksvolles Bild, wie
sich bei der Geburt des Jesuskindes der Himmel öffnet und wie es gerade die Tiere sind, die
durch ihre Gegenwart den Himmel auf die Erde bringen.

Das Weihnachtslied hat recht, wenn es singt:
Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis,
der Cherub steht nicht mehr dafür,
Gott sei Lob Ehr und Preis. (EG 27,5)

Die Tiere an der Seite der Menschen, freilich nur für einen Augenblick. Aber in diesem Augenblick bringen sie ein Stück Himmel in unsere irdische Wirklichkeit. Sie zeigen uns wie es in Gottes Schöpfung eigentlich zugehen sollte, Menschen und Tieren einander zugewandt in Empathie, Mitgefühl und Barmherzigkeit.

3. Jesus an der Seite der Tiere, der Schöpfung ganzheitlich zugewandt
Wir Menschen wurden aus dem Paradies vertrieben. Und die Tiere? Von ihnen steht in der Sündenfallgeschichte nichts davon, dass sie vertrieben wurden. Aber auch sie befinden sich heute wie wir Menschen jenseits von Eden.
Umso dringlicher fragen sie uns: Wie geht ihr Menschen mit uns um? Wir haben euch das Paradies gezeigt. Und Ihr? Wir müssen gestehen, wir haben es den Tieren schlecht gedankt.
Mit dem Verlassen des Paradieses haben die Menschen die ganze Natur, den Ackerboden, die Pflanzen, die Tiere als ihren Besitz angesehen, den man ausbeuten und über den man rücksichtslos verfügen kann.
Jetzt sehen viele Menschen Gottes gute Schöpfung nur noch als etwas Fremdes, Feindliches an und behandeln sie auch so.

So darf es nicht bleiben, dass die Tiere unter den Menschen leiden.
Das ist eine wesentliche Botschaft von Weihnachten: Die Tiere an der Seite der Menschen. Wenn die Tiere im Stall von Bethlehem uns Menschen ans Paradies erinnert haben, dann versteht es sich von selbst: Wer die frohe Botschaft hört und sich ihr öffnet und gewillt ist, ihr zu folgen, der steht auf der Seite der Schöpfung, er hütet sie und bewahrt sie.

4. Wie es aussieht, wenn der Mensch die Natur als Feind ansieht
Liebe Gemeinde, nicht alle Menschen lassen sich von dieser frohen Botschaft leiten. Man kann sich ja dieser Welt, der Natur, den Tieren und auch den Mitmenschen auf ganz andere Weise nähern und mit ihnen umgehen.

Dazu brauchen wir nur dort hin auf die Baustelle schauen, da wo einst uralte Bäume, Sträucher, Hasen, Schmetterlinge, Juchtenkäfer mit einem Wort eine blühende Vegetation sich ausbreitete, zur Freude der Tiere und von uns Menschen.

Die Betreiber von S21 in den Konzernen und in der Politik, ihre Helfershelfer und Trittbrettfahrer, meinen ja, der Stadt und dem Land und den Menschen etwas Gutes zu tun, sie sagen, sie bringen den Fortschritt.

Wir aber schauen genauer hin und stellen entsetzt fest:
Sie alle folgen letztlich nur einer Ideologie, einem Wirtschaftssystems und Gesetzen einer Finanzwelt, die sich losgelöst hat von jeder Moral und jeder Verantwortung der Mitwelt gegenüber, allein auf Profit und Geldvermehrung angelegt. Eine Ideologie, die verspricht, den Menschen höchsten Wohlstand zu bringen und die Probleme von Unterentwicklung, von Armut, Hunger und Umweltzerstörung zu lösen.

In Wirklichkeit schafft diese Wirtschaftsweise zwar einen ständigen Zuwachs an Reichtümern und Geldvermögen, doch zugleich verursacht sie eine wachsende Kluft
zwischen arm und reich, sie beschleunigt die Zerstörung des Ökosystems Erde. Sie zettelt Kriege an und erzeugt Terror und eine fortschreitende Enthumanisierung unserer Zivilisation.

Wenn wir gegen S21 protestieren, dann ist uns bewusst, dieses Bauprojekt ist nur ein Ausschnitt, die Spitze des Eisberges einer weltumfassenden Vernichtung und Zerstörung der Welt. Wir nehmen Stellung gegen eine Ideologie, die sich nicht nur hier in Stuttgart manifestiert, sondern weltweit und immer wieder in neuen Gesichtern zeigt, oder sollen wir sagen: in immer neuen Fratzen zeigt?
Hinter dieser Ideologie steht eine Geisteshaltung: Immer mehr, besser, größer, großartiger.
Ich bin kein Feind oder Verächter der Technik, ich bin kein Fortschrittsverweigerer. Muss es diese Maßlosigkeit sein? Da wird nicht nach besseren Alternativen gefragt, ob es auch anders geht, weniger Naturzerstörung, weniger Energieverbrauch, weniger Treibhausgase. Wir haben diese Alternative Umstieg21 entwickelt und veröffentlicht.

5. Wo stehen wir?
Wo stehen wir? Auf alle Fälle nicht dort, wo Menschen agieren ohne Moral, ohne Verantwortung. Wir stehen nicht bei denen, die alle Gefahren verleugnen, die demokratische Spielregeln missachten, keine Achtung haben gegenüber allem, was schwach ist, die die ganze Welt nur sehen als einzigartige Spielbank, in der man nach Belieben zockt.

Diese Leute sind, wenn man ihnen persönlich begegnet, oft ganz sympathische Zeitgenossen, Durchschnittsbürger. Aber wenn sie im Kontext ihrer Clique agieren, dann zeigt sich sehr schnell ihr wahres Gesicht.

Was können wir tun? Wir wollen nicht im breiten Strom der Ahnungslosen und Gleichgültigen mit schwimmen, sondern einen neuen verantwortungsvollen Lebensstil pflegen.

So ist das Bild von Ochs und Esel an der Krippe des Jesuskindes überhaupt keine romantische Angelegenheit, sondern Erinnerung ans Paradies. Und diese Erinnerung setzt aus sich heraus Kritik an den lebensbedrohenden Mächten, sie gibt uns Mut und Kraft, uns auf die Seite der Schöpfung zu stellen, mit ihr umgehen und ihr zu begegnen mit Liebe, Mitgefühl und Barmherzigkeit, so wie die Tiere im Stall von Bethlehem dem Jesuskind begegnet sind.
Amen

Herzliche Einladung zum Weihnachts-Gottesdienst im Park

Am 2. Weihnachtstag (26.12.17) um 11 Uhr feiern – wie inzwischen schon richtige Tradition – die S21-GegnerInnen einen Weihnachts-Gottesdienst.
Wie auch die 14-täglichen Parkgebete (www.s21-christen-sagen-nein.org/parkgebet) wird er im Mittleren Schlossgarten unter der großen Kastanie bei der Lustschloss-Ruine stattfinden.

Der Gottesdienst wird das Motto haben: „Auf der Seite der Schöpfung stehen“. Pfarrer i.R. Hans-Eberhard Dietrich wird dazu eine Ansprache halten und Pfarrer i.R. Friedrich Gehring mit Team die Liturgie gestalten. Und wie gewohnt ist die musikalische Begleitung bei den Musikern der Formation „Parkblech“ – verstärkt durch „Capella Rebella“ – in guten Händen.

So sah es Weihnachten 2010 aus:
WeihnachtsGD_31

Herzliche Einladung
zu diesem Weihnachts-Gottesdienst, der wohl, seit der Klimawandel immer deutlicher zu spüren ist, nicht in so winterlicher Atmosphäre stattfinden wird wie 2010 – aber nicht weniger wohltuend und nachdenklich sein wird.

Wir sehen uns
am 2. Weihnachtstag (26.12.2017) um 11 Uhr,
bei der Lustschloss-Ruine!

Ansprache beim Parkgebet am 25.10.2018 zu Lk 14, 28-32 von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Denn wer von euch, der einen Turm bauen will, setzt sich nicht zuerst hin und berechnet die Kosten, ob er genug habe zur Ausführung? Damit nicht etwa, wenn er den Grund gelegt hat und es nicht zu vollenden vermag, alle Zuschauer anfangen zu spotten: Dieser Mensch fing an zu bauen und vermochte es nicht zu vollenden. Oder welcher König, der ausziehen will, um mit einem anderen König Krieg zu führen, wird sich nicht zuerst hinsetzen und Rat halten, ob er imstande sei, mit 10.000 dem entgegen zu treten, der mit 20.000 gegen ihn anrückt? Wenn aber nicht, so schickt er, während jener noch fern ist, eine Gesandtschaft und bittet um Frieden.

Jesus rechnet hier offenbar mit der vernünftigen Folgenabschätzung der Menschen. Er spricht hier im Zusammenhang der Frage, ob die Jünger imstande sein werden, in der Nachfolge durchzuhalten, auch wenn sie dabei auf einiges verzichten müssen oder Verfolgung erleiden. Es könnte also vordergründig ein Appell zur Selbstprüfung sein, ob wir uns zutrauen, die Auseinandersetzung mit den Befürwortern des Projekts Stuttgart 21 durch zu stehen, auch wenn es uns Nachteile bringt. Ich denke, die Frage wird dadurch beantwortet, dass wir nun seit über 8 Jahren den Widerstand durchhalten. Natürlich kann niemand die Hand dafür ins Feuer legen, dass wir das noch weitere Jahre schaffen. Aber wichtig ist mir an den Worten Jesu, dass er seinen Jüngern und damit allen Menschen grundsätzlich eine vernünftige Folgenabschätzung im Blick auf ihr Handeln zutraut. Nur wenn wir Jesus in diesem Vertrauen auf die Vernunftbegabung der Menschen folgen, macht unser Widerstand Sinn. Denn wir weisen ja auf die Folgen des Projekts Stuttgart 21 unbeirrt hin in der Erwartung, dass die Verantwortlichen und die Bevölkerung auf diese Hinweise vernünftig reagieren.

Nun ist freilich besonders bei diesem Haltestellenprojekt der Glaube an die menschliche Vernunft in besonderer Weise angefochten. Zu viele Unsinnigkeiten sind bereits eingestanden worden, ohne dass die vernünftigen Konsequenzen gezogen wurden. Gerade hier wird die Erwartung Jesu an die menschliche Vernünftigkeit konterkariert: Es wurden eben nicht zuerst die Kosten veranschlagt wie bei einem vernünftigen Turmbau, auch nicht die Risiken des Unternehmens realistisch berechnet. Die gezielten Falschinformationen ließen dann auch keine vernünftige Entscheidung bei der Volksabstimmung zu. Ich denke, auch Jesus wusste von solchen menschlichen Unvernünftigkeiten. Aber er resignierte deshalb nicht. So meine ich, auch wir müssen nicht resignieren, sondern können mutig und geduldig an die Vernunft appellieren, auch wenn sich der gewünschte Erfolg nicht so schnell einstellt wie erhofft. Was darf uns Mut machen?

Da ist zunächst zu erwähnen, dass aus unterrichteten Kreisen durchsickert, es werde möglicherweise doch auf die Kombilösung hinauslaufen, neben der unzureichenden Haltestelle zumindest Teile des Kopfbahnhofs zu erhalten. Wir müssen dabei nicht untätig zuschauend schweigen. Nachdem das Bundesverkehrsministerium kürzlich die Vision des Deutschlandtaktes stolz ankündigte, ist es unsere Aufgabe, nachhaltig daran zu erinnern, dass dieser Takt mit dem Engpass der schrägen Haltestelle nicht zu machen ist und deshalb der Kopfbahnhof bleiben muss. Natürlich ist der Deutschlandtakt nicht so ganz einfach zu erklären und zu verstehen, aber da kommt es eben auf unser Geschick an deutlich zu machen, wie unsere Region mit der alleinigen Haltestelle bahntechnisch abgehängt werden würde.

Ein weiteres Ereignis gibt macht uns Mut, an die Vernunft zu appellieren: Der ICE-Brand zwischen Köln und Frankfurt hat zum Glück keine Schwerverletzten oder gar Tote gefordert, weil er nicht in einem Tunnel ausbrach. Zwar ist die Unvernunft der Verantwortlichen gerade in dieser Hinsicht besonders erschreckend. Als ich 2014 in einer Dienstaufsichtbeschwerde gegen das Eisenbahnbundesamt beim Verkehrsministerium darauf hinwies, dass ohne gesicherten Brandschutz drauflos gebaut werde, bekam ich die scheinbar beruhigende Antwort, die Fragen des Katastrophenschutzes würden im Rahmen des Verfahrens der Inbetriebnahme geklärt, als ob sich dieses Vorgehen nach den Erfahrungen mit den Berliner Flughafen nicht absolut verbieten würde.
Aber nun sind die Bilder des ICE-Brandes doch so oft in den Medien gewesen, dass wenigstens die Bevölkerung für die Frage des Brandschutzes in den S 21-Tunneln sensibilisierbar wird, auch schon vor der Fertigstellung. Dass unvernünftige Regierende bei Wahlen nicht so ohne weiteres an der Vernunft der Wählerschaft vorbeikommen, dürfte die Wahl in Bayern gezeigt haben. Darin liegt die Chance unserer hartnäckigen Aufklärungsarbeit. Irgendwann muss die krasse Fehleinschätzung der Kanzlerin, an der Durchsetzung von S 21 entscheide sich der künftige wirtschaftliche Erfolg Deutschlands, ihr selbst auf die Füße fallen. Jesus geht davon aus, dass ein unvernünftiger Turmbauer dem Spott der Zuschauer anheimfallen wird. Wir brauchen nicht zu Spöttern werden, es reichen unsere vernünftigen Argumente. Vor allem wird es darauf ankommen, dass wir den neoliberalen, auf den Mammon fixierten Irrglauben aufklären, die großen Wirtschaftskonzerne müssten gehätschelt werden, weil sie immer für unser Wohl sorgen. Der Dieselskandal ist ein vorzügliches Beispiel, genauso der neoliberal verblendete Umgang der Regierenden damit. Der Druck der öffentlichen Meinung und die Wahlergebnisse sorgen nun aber dieser Tage dafür, dass selbst der CSU-Verkehrsminister Scheuer seine bescheuerte Abwehr der Hardware-Nachrüstungen aufgeben muss.

Zusätzlich besteht noch die Möglichkeit, dass das Haltestellenprojekt an sich selbst scheitert, dass etwa der Anschluss an die Strecke über das Filstal nach Ulm bei Untertürkheim nicht gelingt und die Bauarbeiter von dem vielfachen Glück, das sie immer wieder hatten, so verlassen werden wie die Kollegen bei Rastatt. Auch kann der Gipskeuper noch vor Fertigstellung einen Strich durch die unvernünftige Planung machen oder ein Hochwasser in der Stadtmitte. Wir müssen das nicht herbei reden, sondern nur vernünftig zu bedenken geben. Wir können dabei auf die Vernunftbegabung der Menschen vertrauen wie Jesus. Er hält das Volk nicht für dumm, deshalb dürfen auch wir darauf vertrauen, dass das Volk sich nicht auf Dauer für dumm verkaufen lässt. Amen.

Ansprache beim Parkgebet am 11.10.18 über Psalm 41 von Pf. Martn Poguntke

(hier als pdf-Datei)

Liebe Parkgebetsgemeinde,

Der Hambacher Forst darf bis auf Weiteres nicht gerodet werden. Die verbotene Demonstration gegen die Rodung letzten Samstag durfte doch stattfinden. Das sind wunderbare Nachrichten. – Solche würden wir allzu gerne auch einmal im Zusammenhang mit Stuttgart 21 hören. Aber die Mächte, die hinter S21 stehen, scheinen zu verfilzt zu sein, die Politik scheint sich zu sehr mit S21 identifiziert zu haben, sodass kein Gericht es mehr zu wagen scheint, diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten.

Und dennoch stehen wir hier. Und dennoch demonstrieren wir seit 8 Jahren oder noch länger. Und dennoch haben wir nicht vor aufzugeben. Macht das wirklich Sinn?

Der Psalm, den wir eben gebetet haben – Psalm 41 – scheint damit nichts zu tun zu haben. Er ist ja das Gebet eines Kranken.

Aber vielleicht haben Sie schon entdeckt, dass es z.B. bei den Heilungsgeschichten Jesu um viel mehr geht als um körperliche Gebrechen. Jedenfalls weiß ich, dass viele, viele Frauen schon die Heilung der gekrümmten Frau an sich selbst erlebt haben: das Glücksgefühl, endlich aufrecht durchs Leben gehen zu können. Und ich weiß, dass schon viele Menschen nach der Lektüre einer Blindenheilungsgeschichte gesagt haben: Auch mir hat Jesus die Augen geöffnet – für die schönen Dinge des Lebens, für die Not der andern, für Situationen, in denen ich gebraucht werde.

Und so ist es mir nun mit dem Psalm 41 gegangen: Ich habe darin nicht nur die Schwachheit eines körperlich Kranken gelesen. Sondern ich habe darin auch unsere Lage als Widerständler gegen Stuttgart 21 gesehen. Weiterlesen

Demo „Blick zurück… nach vorn!“ kommenden Samstag, 29. September, 14 Uhr, vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof

(Flyer als pdf)

Am 30. September jährt sich der „schwarze Donnerstag“ zum 8. Mal. Wir werden den inzwischen gerichtlich für „rechtswidrig“ erklärten Polizeieinsatz vom 30.9.2010, bei dem es hunderte an Verletzten gab und eine große Zahl an bis heute Traumatisierten, nicht in Vergessenheit geraten lassen.

Was muss „Stuttgart 21“ für ein Projekt sein, wenn es mit solcher Brutalität durchgesetzt werden musste?

Und was müssen das für Politiker sein, die bis heute alles unternehmen, um das Scheitern dieses Projekts zu verhindern, obwohl es inhaltlich niemand mehr für sinnvoll hält? Im Gegenteil: Es ist ein vielerlei Hinsicht zerstörerisches und gefährliches Projekt. Es zerschlägt die Bahninfrastruktur der Wirtschafts- und Verkehrsmetropole Stuttgart – nur, um 1a-Immobilien vermarkten und öffentliche Gelder in die Bauwirtschaft leiten zu können.

Wir demonstrieren gegen eine Politik, die sich die Bevölkerung und deren Interessen zu Gegnern gemacht hat und die sich der Wirtschaft willenlos unterwirft und dafür Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Presse- und Demonstrationsfreiheit zu opfern bereit ist.

Herzliche Einladung zur Demonstration am Samstag, dem 29. September um 14 Uhr vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof!

Ansprache beim Parkgebet am 13.9.18 über Psalm 17 von Pf. i. R. Gunther Leibbrand

(hier als pdf-Datei)

Liebe Parkgemeinde,

aus dem 17. Psalm, den wir vorher miteinander gesprochen und gebetet haben, stammt die Losung für den morgigen Tag:

„Zeige, wie wunderbar deine Güte ist.
Du befreist Menschen, die Zuflucht vor den Widersachern suchen, mit deiner Rechten.“

In unserem Engagement für einen Bahnverkehr für alle Menschen, seien sie auch weniger begütert oder mit körperlichen oder mentalen Einschränkungen belastet, rufen wir den Höchsten an:
Er möge uns und allen Luft zum Atmen und Raum zum Leben erhalten – auch beim Zugfahren in der Zukunft.

Er möge uns auch die Augen, Ohren und Herzen unserer politischen Gegner erreichen lassen, die uns zunehmend unerreichbar geworden zu sein scheinen. Einige von uns haben 50.000,- Euro gesammelt, um eine ganzseitige Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit unseren Einwendungen erscheinen zu lassen, denen bisher kein Gehör geschenkt wird, obwohl die Deutsche Bahn immer mehr in finanzielle Schieflage gerät und immer weniger Menschen und Waren in die Fläche unseres Landes bringen kann, geschweige denn rechtzeitig.

Wir suchen in unserem Engagement um Gerechtigkeit und Gemeinnutz der Vielen vor Eigennutz der Wenigen die Hilfe dessen, der hier mit dem Namen „Ha Makom“ angesprochen wird: Der, der Platz und Raum zum Leben in Seinem Sinne schafft.

Als „Ha Makom“ wird also hier der Gott Israels angesprochen, weil Er es ist, der dem, der da in Not ist, Platz zum Leben und Luft zum Atmen verschafft. „Ha Makom“ ist einer der verhüllenden Decknamen für den Gott, der sich das unbedeutendste aller Völker, die Hebräer, – was heißen will: die aller Unbedeutendsten – zu Seinem zuerst geliebten Volk erwählt hat: Damit es besser werde in der Welt: Und alle anderen Völker, auch das unsere, sollen sich Segen wünschen im Namen des Gottes dieses Volkes.

Die hebräische Welt ist in dieser Woche in ihr 5779. Jahr seit ihrer Erschaffung eingetreten. Diese Welt will mit ihren Werten einen anderen Weg gehen: Dort soll nicht dem Recht des Stärkeren gehuldigt werden, sondern Maßstab ist das Recht, das dieser Gott gestiftet hat, für ein Leben mit gleichem Recht, der gleichen Ordnung und Freiheit für jeden Menschen. Weiterlesen

Das Parkgebet feiert Geburtstag!

Am Donnerstag, 2. August 2018 um 18.15 Uhr bei der Lushausruine ist es so weit!

Das Parkgebet feiert Geburtstag! In den vergangenen 8 Jahren seit August 2010 haben im Schlossgarten weit über 200 Parkgebete stattgefunden – bei jedem Wetter und immer mit ansehnlicher Besucherzahl, um für das Wohl unserer Stadt zu beten und sich auszutauschen.

Herzliche Einladung!
Guntrun Müller-Enßlin und Sylvia Rados

Charly Brown zu Snoopy: „Geburtstage sind herrlich“
Snoopy: „Ja aber wir werden immer älter, zum Schluss sterben wir.“
Charly Brown: „Aber jeder Tag davor ist ein herrlicher Tag.“

Tunnel-Segnung? – Nein, Segen muss der Schöpfung dienen!

Nun hat also am 17. Juli 2018 wieder eine „Segnungsfeier“ in einem S21-Tunnel stattgefunden. Wer immer die beiden evangelischen bzw. katholischen Geistlichen gewesen sein mögen und was immer bei dieser Segenshandlung getan und gesprochen wurde – ich möchte im Folgenden ein paar (hoffentlich) klärende, ganz nüchterne Gedanken zum Segnen beisteuern:

  1. Ein evangelischer Geistlicher kann nicht an der Segnung von Gegenständen (Tunnels, Häuser, Fahnen, Waffen etc.) mitwirken, denn ein auf der Bibel gegründeter Segen kann nur Menschen und ihrem Tun gelten.
  2. Nach evangelischem Verständnis ist Segnen kein magischer Vorgang, bei dem (wie Obelix mit dem Zaubertrank) göttliche oder übernatürliche Kräfte auf Menschen übertragen werden. Geistliche verfügen weder über besondere eigene oder göttliche Kräfte, noch haben sie die Macht, Derartiges herbeizurufen. Veranstaltungen, bei denen solches versucht wird – etwa, indem auf Heiligenfiguren Weihwasser gespritzt wird –, sind aus evangelischer Sicht Aberglaube und Mummenschanz.
  3. Eine Segenshandlung ist vielmehr eine natürliche und rationale seelsorgerliche Zeichenhandlung, durch die wir Menschen die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft zusprechen – und aus diesem Erfahren von Zugehörigkeit schöpfen sie die Kraft, um die es beim Segen geht.
  4. Diese Gemeinschaft, in die wir Menschen beim Segnen mit hineinnehmen, ist nicht etwa die Kirche oder gar die örtliche Gemeinde, sondern die Gemeinschaft allen Lebens, der ganzen menschlichen und nicht-menschlichen Schöpfung. Diese weltumspannende Gemeinschaft bezieht ihre lebendige Kraft – körperlich und seelisch – aus der Kraft, aus der die ganze Schöpfung hervorgegangen ist und die bis heute in ihr wirkt und die wir „Gott“ nennen.
  5. Wir Christen verstehen Reden und Wirken Jesu so, dass diese der Schöpfung innewohnende Lebenskraft zugleich die Kraft der Liebe ist. Deshalb heißt Segnen für uns auch immer: Menschen in den Zusammenhang der Liebe mit hineinnehmen.
  6. Weil die Kraft, an der ein Segen teilhaben lässt, also die auf Liebe ausgerichtete Lebenskraft ist, ist die Teilhabe an dieser Kraft immer auch mit dem Auftrag verbunden, ein an dieser Schöpfung orientiertes liebevolles Leben zu führen. Segnung ohne solche Beauftragung ist Missbrauch der Schöpferkraft.
  7. Auch wenn Menschen diesem Auftrag, das Leben und die Schöpfung zu erhalten, nicht gerecht werden – und das sind nach evangelischem Verständnis alle(!) Menschen –, schließen wir sie dennoch ein in die Gemeinschaft des ganzen Lebens. Wir tun das aber nie, ohne ihnen zu sagen, worauf sie die Kraft richten sollen, die sie aus diesem Segen erfahren.
  8. Auch Menschen, die an einem in vielfacher Weise Leben zerstörenden Betrugs-Projekt wie „Stuttgart 21“ mitarbeiten, schließen wir selbstverständlich in diese Gemeinschaft mit ein. Wir tun das aber dann missbräuchlich, wenn wir sie nicht im selben Atemzug auf die Lebensfeindlichkeit ihres Tuns aufmerksam machen und sie ermahnen, ihre Kraft dem Erhalt der Schöpfung und der Gestaltung einer liebevollen Welt zu widmen. Nur dazu darf ihnen die mit dem Segen gemeinte Lebenskraft dienen.

In diesem Sinne hoffe ich, dass bei der Segnungsfeier den Tunnelarbeitern und allen an diesem verbrecherischen Bauvorhaben Beteiligten deutlich geworden ist, dass sie Gott lästern, wenn sie nicht umkehren von ihrem schändlichen Tun. Das wäre eine im besten Sinne geistliche Wirkung des Segens.

Martin Poguntke, 27.7.18

Herzliche Einladung zur Demo nach Stuttgart: Samstag, 7. Juli, 14 Uhr, vor dem Hauptbahnhof

Wenn Unrecht und Schaden groß sind, darf man nicht dazu schweigen – nur weil man vielleicht nicht mehr die Chance hat, das Unglück zu verhindern.

Es ist geradezu ein staatspolitischer Auftrag:
Wenn große Teile von Politik, Wirtschaft, Justiz und Medien konsequent einen der größten Betrugsfälle der Nachkriegsgeschichte zum Schaden der Bevölkerung in einer konzertierten Aktion „finster entschlossen“ durchziehen wollen, dann muss dagegen protestiert und es müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden – selbst wenn eines Tages das Projekt schon fertiggestellt sein sollte.

Dabei gibt es ja eine wunderbare Alternative: UMSTIEG 21 (www.umstieg-21.de). Wenn es „der Politik“ wirklich um die Verkehrssituation in der Region Stuttgart ginge, hätte sie das vor sich hin dümpelnde und Milliarde um Milliarde verschlingende S21 längst gestoppt. Aber ihr geht es vor allem darum, vor Bevölkerung und Wirtschaft nicht einzuknicken. Und deshalb müssen wir den öffentlichen Druck immer und immer wieder aufrecht erhalten.

Deshalb findet am kommenden Samstag wieder eine Demonstration vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof statt – mit interessanten Redner*innen und klasse Musik:

https://www.bei-abriss-aufstand.de/wp-content/uploads/Samstagsdemo_2018-07-07_PlakatA3_v2_450px.jpg

Herzliche Einladung an alle!

Ansprache beim Parkgebet am 28.6.18 zu Röm 13, 1-2 von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

„Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott. Wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt der Anordnung Gottes. Die ihr aber widerstreben, ziehen sich selbst das Urteil zu.“

Dieser Text ist der krasseste Beleg für die Anpassung der christlichen Kirche an die römische Gewaltherrschaft. Wohl aus Angst vor Christenverfolgungen soll gut Wetter mit dem Kaiser und seinen Statthaltern gemacht werden. Der Demokratie zum Trotz wirkt diese Untertanentheologie bis heute in Kirchen. So wurde Hitler als von Gott gesandter Führer bejubelt, selbst von der „Bekennenden Kirche“. Nach dem „Schwarzen Donnerstag“ hier im Schlosspark haben wir erlebt, dass von kirchlicher Seite so gut wie keine Kritik kam, obwohl die Bilder an Verhältnisse in Diktaturen erinnerten. Ich sehe darin eine Auswirkung der Theologie von Römer 13. Auch das Schweigen der Mehrheit zu den inzwischen zu Tage getretenen Unsäglichkeiten des Projekts S 21 führe ich darauf zurück, dass wir uns hierzulande sehr schwer tun, das gesetzwidrige Verhalten von Regierenden zu brandmarken oder das der Wirtschaftsmächtigen, die mit Lobbyisten die Regierenden wie Marionetten steuern. Die Inhaftierung des Audichefs Stadler erscheint als Ausnahme von der Regel. So lagen große Hoffnungen auf der Sitzung des Verkehrsausschusses des Bundestags am 11. Juni, denn das Konzept Umstieg 21 durfte dort vorgetragen werden.

Leider bekamen die S 21-Befürworter mehr Raum als die Gegner und die Fragen von Abgeordneten ließen erkennen, dass viele noch nicht bereit sind, sich gegen dieses Regierungsprojekt kritisch zu positionieren. Untertanengeist und Fraktionszwänge verhindern dies bei vielen. Aber immerhin hat Thilo Sarrazin im Auftrag der AfD die Ausrede durchkreuzt, man hätte damals noch nichts gewusst. Noch mehr Rückgrat hätte er bewiesen durch ein Plädoyer für den Umstieg. Da müssten nun die Abgeordneten der AfD selbst ran. Einer von ihnen hat im Ausschuss wenigstens gefragt, wer am Ende die Zeche zahlen soll. Wenn es der AfD ernst ist mit dem Slogan „Merkel muss weg“, dann könnte sie jetzt den traditionellen Untertanengeist überwinden und Strafantrag gegen die Kanzlerin stellen wegen Anstiftung zur Untreue nach §§ 26 und 266 StGB. Das wäre konstruktive Arbeit als Opposition, die nicht nur wohlfeil schreit, die Kanzlerin müsse weg, sondern die wirksam die neoliberale Politik der Kanzlerin bekämpft. Auf keinem anderen Gebiet ist die Kanzlerin besser vor zu führen und die Dummheit ihrer neoliberalen Politik leichter nach zu weisen. Man muss nur die Rolle des Kindes in dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern übernehmen und den neoliberalen Speichelleckern der Kanzlerin zurufen, dass sie nackt ist. Das Kind im Märchen hat noch keinen Untertanengeist eingeübt.

Christen in der Nachfolge Jesu können diesen Untertanengeist ablegen. Denn Jesus hat in aller Schärfe die religiösen und weltlichen Autoritäten seiner Zeit kritisiert. Im Tempel randalierte er gegen die Geschäfte der Tempelpriester mit den Opfern, indem er sie als Räuberei bloßstellte (Mk 11, 15-17). Dem Kaiser in Rom und seinen Statthaltern warf er Machtmissbrauch vor und forderte eine Kultur des Dienens (Mk 10,42-44). Das muss uns Mut machen, offen das Unrecht, den Unsinn und den Machtmissbrauch auszusprechen, auch wenn Personen der demokratisch gewählten Obrigkeit die Täter sind.

Wenn uns also Obrigkeitsgläubige vorwerfen, wir hätten eben am „Schwarzen Donnerstag“ wegbleiben sollen von der Demonstration gegen dieses Projekt der guten demokratisch gewählten Obrigkeit, dann werden wir nicht müde zu erwidern, dass demokratische Rechte, die nicht genutzt werden, verloren gehen, wie Muskeln schwinden, die zu wenig eingesetzt werden. Wenn jemand wie Ministerpräsident Kretschmann immer wieder mit der Mehrheit bei der Volksabstimmung kommt, weisen wir nicht nur darauf hin, dass das Quorum nicht erreicht wurde, sondern dass auch die Mehrheit auf Irrwege kommen kann wie in der NS-Zeit. Wenn der Gipskeuper quillt, schützt eine Mehrheit nicht vor der Strafe für verantwortungsloses Bauen. Und wenn jemand wie Cem Özdemir von Entschuldigung für S 21 spricht, um dann zu behaupten, für den Ausstieg sei die Katze nun leider schon den Baum rauf, dann geht das bei uns nicht durch. Ich weiß zwar nicht, was im Islam zur Vergebung gelehrt wird, aber auch ein Imam dürfte Özdemir dafür kaum loben.
Wenn jemand in einer Partnerschaft sagt: Schatz, ich bin fremd gegangen, aber ich entschuldige mich, jetzt musst du halt damit leben, dass ich nicht treu sein kann, die Katz ist jetzt schon den Baum rauf, dann wird sehr schnell ersichtlich, dass es so nicht geht und Vergebung eine Umkehr voraussetzt. Meine Schulklassen haben es an diesem Beispiel immer begriffen, dass Vergebung so nicht gelingen kann, dann wird es auch Cem Özdemir begreifen können. Aber wir müssen ihn eben aktiv konfrontieren mit seinem scheinheiligen Gerede von Entschuldigung. Wir nehmen das Argument vom 11. Juni nicht hin, das kriminelle Veruntreuungsprojekt müsse fertig gebaut werden, weil der nicht kriminelle Umstieg zu lange dauern würde.

Die Umkehr bei S 21 ist immer noch möglich, das können nun alle Parteien im Bundestag wissen ebenso wie die Öffentlichkeit in ganz Deutschland. Die Frankfurter Rundschau titelte am 12. Juni:
„Bitte umsteigen! Gegner von Stuttgart 21 haben im Bundesverkehrsausschuss eine Alternative vorgelegt“. Auch wenn die Sitzung des Verkehrsausschusses nicht unsere Erwartungen erfüllt hat, der publizistische Erfolg macht Mut. Die Stimmung in der Presse wird zunehmend kritischer, das haben wir ja sehr lange vermisst. Das frech fortgesetzte Lügen der Befürworter wird in der Öffentlichkeit immer weiter entlarvt. Die Gefahren der Gleisneigung, der Brandkatastrophen, der Überflutung und der Gipskeuperquellung dringen immer mehr ins öffentliche Bewusstsein, dazu die Milliarden schwere Veruntreuung öffentlicher Gelder bei gleichzeitiger Verschlechterung des Bahnverkehrs. Wie beim Dieselskandal bewahrheitet sich das Sprichwort: Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht. Oder: Lügen haben kurze Beine!

Auch wenn unser Parkgebet nun bald acht Jahre alt wird, es gibt keinen Grund aufzugeben. Im Gegenteil: Die jüngste Entwicklung gibt uns Mut zum Weitermachen. Amen.

Ansprache beim Parkgebet am 14.6.18 zu Jesaia 53,5 und 1. Johannes 4,10 von Pfr. i. R. Gunther Leibbrand

(hier als pdf-Datei)

Liebe Parkgebetsgemeinde,

Sie wissen, dass ich jedesmal versuche, möglicherweise an das Losungswort aus der hebräischen Bibel und den dazugehörigen Lehrtext aus dem christlichen Neuen Testament anzuknüpfen. Ich nehme also wieder Losung und Lehrtext vom morgigen Freitag, da für den Menschen der Welt, in der diese Texte niedergeschrieben wurden, der neue Tag am Abend des Vortages begann.

Ich lade Sie ein, diese Andacht zu feiern im Wissen um die Notwendigkeit innerer Ruhe, ohne die wir nichts Vernünftiges ausrichten können. Ich spreche damit unsere aufgewühlten Herzen an, aufgewühlt von so vielen künstlich herbeigeführten Fehlentwicklungen. Es könnte ja alles so viel einfacher sein, wenn elementare Regeln, z.B. auch nur das geltende Recht, auch von den Regierenden eingehalten würden.

Natürlich brauchen die Menschen Arbeit!

  • Aber warum nicht zur Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse, sondern zu deren Verschlechterung?
  • Warum werden die Probleme verschwiegen anstatt sie zu benennen und ernst zu nehmen – z.B. hier bei S21 den Brandschutz, die Quellgefahren beim Bauen in Anhydrit; genauso wie z.B. im Straßenverkehr die Schwierigkeiten bei der Abgasreinigung in den Verbrennungsmotoren der Autos? Wohl gemerkt: Nach dem Diesel sind die Benziner dran!
  • Warum lieber tricksen, lügen und betrügen als Herausforderungen zu benennen und notwendige Umorientierungen und Umsteuerungen vorbereiten und angehen?

Unfälle passieren. Wieso aber planerisch nicht sie einrechnen, sodass sie nicht zu Katastrophen werden – und wir von „Staatsverbrechen“ sprechen müssen (Brandschutzexperte Hans-Joachim Keim im „Stern“ vom 7.6.2018 „Katastrophe mit Ansage“, Artikel von Arno Luik https://www.stern.de/panorama/gesellschaft/stuttgart-21–experten-zum-brandschutz-beim-umstrittenen-grossprojekt-8116488.html)?

Zwei Zitate daraus, (S. 105f.):
„Die modernen ICE-Loks sind rollende Chemiefabriken, wissen das die S21-Macher nicht? Wenn die hochkomplexen Triebköpfe mit ihren Transformatorenölen, Dichtstoffen im Brandfall mit Wasser besprüht werden, entsteht ein unheimlicher Cocktail: unter anderem Senfgas, Phosgen, Blausäure.“

„Die Belüftungsmaschinen, die sie jetzt im Tiefbahnhof einbauen, erzeugen im Brandfall einen Kamineffekt wie der Schmied in der Esse! Sie blasen riesige Mengen Sauerstoff ins Feuer, sodass selbst ein kleiner Brand blitzschnell ein richtiger, ein hochenergetischer Brand wird, das hat dann ganz rasch 1000 Grad. Stellen Sie sich mal vor, da fliehen Tausende… Die Fluchtwege führen nach oben – genau dahin, wo Rauch, Gase am schnellsten hingehen! S21 hat das Potenzial, Europas größtes Krematorium zu werden.“

Anderes Problem:

Wieso den Bahnhofsneubau wie einen Damm quer zum Nesenbach-Talgrund bauen – in der traditionell von Hochwasser bereits am meisten heimgesuchten deutschen Großstadt und das in einer Zeit, in der sich die Tendenz zum zunehmenden Starkregen durch den Klimawandel eindeutig verschärfen wird?

Dr. Christoph Engelhardt kann hierzu auf der 418. Montagsdemonstration am 4.6.18 nur noch sarkastisch bemerken: „Die Stadt [Stuttgart] optimiert am Hauptbahnhof also nicht nur die Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt, sondern es wird auch das Schadensvolumen in Milliardenhöhe getrieben.“

Er berichtet von der Prüfung der städtischen Annahmen durch Diplomingenieur Hans Heydemann: Die Leistung der bisherigen Abwasserkanäle nehmen durch die Dükerung unter dem Stuttgart-21-Bahnhofstrog in ihrer Leistung ab. Und fasst zusammen: „Welch ein Wahnwitz, ausgerechnet in Stuttgart – der Stadt mit dem höchsten Risiko und mutmaßlich dem höchst anzunehmenden Schadensvolumen – plant die Stadt den denkbar drastischsten Rückbau der Starkregenvorsorge. Das Tiefbauamt gibt ‚wirtschaftliche Gründe‘ an. Man fragt sich, welche Wirtschaft von diesen Planungen profitieren soll, sind es die Schlamm-Abpumper oder ist es die Bestattungsindustrie? Oder sind es die Autobauer, wenn der öffentliche Verkehr auf Monate stillgelegt wird?“

Und: „Stuttgart 21 bleibt also auch bei der Hochwassergefahr der größte Schildbürgerstreich aller Zeiten!“

(Siehe auch: Dipl. Ing. Hans Heydemann unter Mitwirkung von Dr. Christoph Engelhardt „Überflutungsrisiken durch Stuttgart 21 – Der Tiefbahnhof als „Staumauer“ bei Starkregen“, Juni 2018, Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21
http://www.parkschuetzer.de/assets/termine/2018/Heydemann_zu_S21-Brandschutz_Fluchtreppen.pdf )

Warum machen die demokratisch gewählten Exekutiven in Bund, Land und Stadt so etwas, obwohl sie schon grundgesetzlich zum Schutze von Gesundheit und Leben der in seinem Geltungsbereich lebenden Menschen verpflichtet wären?

Und warum können sie das machen? Eigentlich müssten da die für die Pflege von Recht und Gesetz geschaffenen Organe der Justiz als Dritter Gewalt im Staate davor sein. Warum läuft hier so viel gar nicht so, wie es eigentlich sollte?

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Ansprache beim Parkgebet am 17. Mai 2018 zu Apostelgeschichte 2,1-13 von Pfarrer i.R. Hans-Eberhard Dietrich

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Das Pfingstwunder (Apostelgeschichte 2, Vers 1–13)
Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander, und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.
Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.
Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene, in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden.
Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden?
Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.

 

1. Der Ausstieg einer aktiven Kämpferin

Liebe Parkgebetsgemeinde,

ihr habt vielleicht gelesen: Helga Stöhr-Strauch, eine Miterfinderin der Montags-Demos und anfangs aktive Streiterin gegen S21 verlässt Stuttgart und zieht weg, auch wegen ihres lungenkranken Mannes. In „einer zu Tode gerittene Stadt“ wolle sie nicht mehr leben.

Ihr tiefster Grund aber ist „die Hilflosigkeit und der Zorn darüber, Energie nicht mehr in Aktion umwandeln zu können“. (Kontext 370)

Nun, wir alle haben wohl auch schon mit den Gedanken gespielt, aus dem Protest auszusteigen, wenn auch nicht wegzugehen, aber sich in die Innerlichkeit zurückzuziehen und vor der Macht des Faktischen zu kapitulieren. Und wenn wir uns so umsehen und die kleine Schar der Protestierer vergleichen mit den früheren Jahren, stellen wir fest: Die meisten haben sich abgefunden und resignieren.

2. Begeisterung die Pfingstgeschichte

Welch einen Kontrast bietet demgegenüber unsere soeben vorgelesene Pfingstgeschichte. Da ist eine bis dahin kleine, verängstigte Schar von Menschen, die sich auch vor der Macht des Faktischen, nämlich die Kreuzigung Jesu, in die Innerlichkeit zurückgezogen haben.

Sie aber werden erfasst: Ein Brausen, ein Sturmwind vom Himmel, Feuerzungen über ihren Köpfen, alle fangen an zu reden von den großen Taten Gottes und die Leute, die sie hören, verstehen sehr gut, was sie da verkündigen. Die einen fragen interessiert, andere aber freilich spotten nur.

Pfingsten, da hatten die Jüngerinnen und Jünger erfahren, wir sind nicht verlassen und allein, wir brauchen uns nicht ängstlich zu verstecken, nein wir können reden von dem, was unsere Herzen erfüllt. Wir spüren den Geist, und erleben
Einsicht und Erkenntnis,
Weisheit und Stärke,
Wahrheit, Rat und Gottesfurcht.

Freilich, wir können über diesen Geist nicht einfach verfügen, er weht wo er will. Um diesen Geist können wir bitten, immer wieder neu.

3. Das wär`s, was wir brauchen: Begeisterung

Die Pfingstgeschichte erinnert uns daran, wie es gehen könnte, das wär`s doch, was wir für unsere Bewegung bräuchten: Begeisterung statt Resignation.

Dürfen wir diese Pfingstgeschichte auf diese Weise für uns in Anspruch nehmen? Pfingsten ist doch die Geburtsgeschichte der Kirche. Diese Begeisterung ist nicht einfach übertragbar, sondern mit der Gründung, mit dem Beginn der Kirche verknüpft.

Gottes Geist begeistert Menschen dafür, die Verkündigung der guten Botschaft in die Welt hineinzutragen. Das allerdings verbindet uns mit ihr. In dieser Tradition stehen wir. Als verfasste Kirche oder Gemeinde vor Ort oder aber so wie wir hier als Parkgebetsgemeinde.

Kirche ist nicht gleichzusetzen einfach mit unserer real vorfindlichen Orts- oder Landeskirche, sondern im ursprünglichen Sinn des Wortes einer Versammlung der Glaubenden. Eine bunt zusammengewürfelte Schar von Menschen. In diesem Sinne sind auch wir hier als Parkgemeinde Kirche, weil hier – wie die Reformatoren später genauer definierten – das Evangelium gepredigt wird. (Die Sakramente spielen freilich bei uns keine Rolle.) Und weiter sagten sie: Wo Gottes Wort ist, da wirkt auch der Heilige Geist.

Wir wollen und brauchen nicht zu sein, eine gesellschaftlich relevante Größe, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Wir bemühen uns nicht wie die Landeskirche um gesellschaftliche Anerkennung, öffentliche Wahrnehmung und Bedeutung.

Aber weil wir das alles nicht sein wollen, brauchen wir auch keine Rücksichten nehmen, müssen wir nicht nach Mehrheiten Ausschau halten oder uns umtreiben lassen von der Angst vor Kirchenaustritten. Wir können ungeschminkt und unzensiert das Evangelium verkündigen und das Beste daran ist: Wir müssen nicht resignieren vor der Macht des Faktischen.

4. Viele haben sich abgefunden mit der Macht des Faktischen

Wie gesagt: Die meisten Menschen in Stuttgart und Umgebung haben sich abgefunden damit, dass gebaut wird. Und wenn wir einmal das Jahr 1995 als den Beginn von S21 mit allem Begleiterscheinungen und Ungeheuerlichkeiten sehen, ist ja in der Zwischenzeit eine ganze Generation herangewachsen, die nichts anderes kennt, als dass eben gebaut wird, sie kann sich diese Stadt gar nicht anders vorstellen und finden es ganz normal, vielleicht sogar in Ordnung.

In der Politik nennt man das die „normative Kraft des Faktischen“. Das ist zwar kein Naturgesetz, es funktioniert aber in vielen Bereichen. Ein ganz banales Beispiel: In den Banken hat mal einer angefangen Krawatte zu tragen. Und alle anderen haben es nachgemacht. Heute tragen die Moderatoren im Fernsehen kaum noch einen Schlips und alle finden das normal.

Am Beispiel der Moral ganz leicht nachvollziehbar. Vor 50 Jahren stand ein Zusammenleben ohne Trauschein noch unter Strafe. Dann aber lebten immer mehr Paare so und langsam bildete sich eine neue Anschauung von Sitte und Anstand heraus.

Als letztes noch ein Negativbeispiel: Diktaturen. Nach Jahren der Unfreiheit und Unterdrückung haben sich die Leute daran gewöhnt und sehen es als normal an.

5. Auf diesen Mechanismus spekulieren die Politiker

Mit dieser normativen Kraft des Faktischen rechnen die Politiker, darauf spekulieren auch die Macher und Betreiber von S21. Man baut einfach und wenn es dann viele Jahre so weitergeht, werden es die Menschen schon akzeptieren. Ganz von allein geht es freilich nicht, man muss noch ein bisschen nachhelfen, am besten mit der Suggestion der Alternativlosigkeit, da ginge es um die Zukunftsfähigkeit des Landes oder Deutschland wird ohne S21 unregierbar, und wie die Sprüche alles heißen mögen. Nicht vergessen dürfen wir, welcher Anpassungsdruck in einer Gesellschaft von der Macht des Faktischen ausgeht. Keiner will ausscheren, alle wollen auf der Seite der Mehrheit und der Sieger stehen.

6. Erst der Protest einer Minderheit stellt die Macht des Faktischen in Frage

Aber wenn wir von Mehrheit sprechen, dann gibt es eben immer auch eine Minderheit, eine gewisse Anzahl von Menschen, die sich eben nicht abfinden, die protestieren, die Kritik üben und auf alle Ungeheuerlichkeiten, Widersprüche und Gefahren hinweisen. Dieser Protest Einzelner stellt die Macht des Faktischen in Frage. Erst diese Kritik macht vielen anderen Menschen bewusst, dass es eben nicht normal, nicht Sitte und Anstand ist, was da gebaut wird. Es macht bewusst, dass es andere Werte gibt, für die es sich lohnt zu kämpfen und sich einzusetzen.

7. Energie in Aktion

Um noch mal unsere Einleitung aufzugreifen: Mancher unter uns kann die Hilflosigkeit nicht mehr aushalten, nichts mehr bewegen zu können. Energie nicht mehr in Aktion umzuwandeln.

Ich frage mich, kann es mehr an Aktion geben als dass wir es fertigbringen, den Protest aufrecht und am Leben zu erhalten? Wir dürfen nicht vergessen, wir sind ja keine Wutbürger, die halt dagegen sind. Vielmehr artikulieren wir einen Protest, der sich aus Sachverstand speist.

Und das ist nicht wenig. Um nur die wichtigsten zu nennen: Der Sachverstand der Ingenieure22 als auch der exzellenten Juristen wie Eisenhardt von Loeper, Dieter Reicherter und viele anderen.

Und die vielen Gutachten, Expertisen von Experten. Die Pressemitteilungen des Aktionsbündnisses, die in der Presse ihren Niederschlag finden, wenn auch nicht immer so wie es sachlich geboten wäre. Und nicht zu vergessen die Fahrten nach Berlin, wenn der Aufsichtsrat tagt. Und auch wir hier im Parkgebet sind ein Teil der vielen Aktionen.

Und dieser geballte Protest wird jeden Montag erneut ausgebreitet und hält in unserem Denken und der Öffentlichkeit gegenüber die Tür offen, dass es auch anders gehen kann.

Wie leicht die Macht des Faktischen sich manchmal wandelt, zeigt folgendes Gedicht, mit dem ich schließen will:

Eine stachelige Raupe sprach zu sich selbst:
Was man ist, das ist man.
Man muss sich annehmen, wie man ist,
mit Haut und Haaren.
Was zählt, ist das Faktische. Alles andere sind Träume.
Meine Lebenserfahrung lässt keinen anderen Schluss zu:
Niemand kann aus seiner Haut.
Als die Raupe das gesagt hatte,
flog neben ihr ein Schmetterling auf.
Es war, als ob Gott gelächelt hätte.

Quelle: Die Macht des Faktischen von Dominik Frey, Baden-Baden, Katholische Kirche. Ein Gedicht des Schriftstellers und Dichters Lindolfo Weingärtner, Die Macht des Faktischen, aus: Einer soll heute dein Nächster sein, Schriftenmissions-Verlag, SWR3 Worte 24MRZ 2015.

Die Wahrheit wird euch frei machen: Ansprache beim Parkgebet am 3.5.2018 zu Joh 8, 31f

„Jesus sprach zu den Juden, die zum Glauben an ihn gekommen waren: Wenn ihr in meinem Worte bleibt, seid ihr in Wahrheit meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.“

Jesus wirft den jüdischen religiösen Eliten seiner Zeit vor, dass sie den wahren Willen des Gottes Israels verdrehen. So haben sie aus dem dritten Gebot „Du sollst den Feiertag heiligen“, einer ursprünglichen Arbeitsschutzbestimmung für abhängig Beschäftigte, viele Verbote abgeleitet, was man am Sabbat alles nicht tun darf. Dem stellt Jesus den ursprünglichen Gotteswillen gegenüber: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen“ (Mk 2,28). Deshalb verspricht Jesus den Juden, die ihm nachfolgen wollen: Die Wahrheit wird euch frei machen.

Es ist eine alte seelsorgerliche Erfahrung, dass wer lügt und deshalb die Wahrheit verdrängen muss, für den Bau und Erhalt der Lügengebäude viel Energie aufzuwenden hat. Die Beendigung des Lügens und das Bekenntnis zur Wahrheit befreit deshalb von der anstrengenden Verstrickung in die Lüge. Denn die Wahrheit drängt bisweilen mit großer Kraft ans Licht wie Löwenzahn aus dem Asphalt. Eine solche Erfahrung können wir derzeit beim Projekt S 21 machen.

Am 18. April hat Bahnchef Lutz zusammen mit seinem Vize Pofalla vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags in nicht öffentlicher Anhörung erstmals das Ausmaß der Unwirtschaftlichkeit des Projekts eingestanden. Die Bahn muss mehr als 4 Milliarden € Eigenmittel verbrennen und kann aus dem Gleisfeldverkauf nur 1,15 Mrd. € erlösen. Bei geringfügigen Projekteffekten bleiben über 2 Milliarden Planverlust. Das nicht öffentliche Eingeständnis ist inzwischen öffentlich in der Presse zu lesen. Lutz wiederholt, was wir von seinem Vorgänger Grube schon kennen: Wenn das alles 2009 schon bekannt gewesen wäre, hätte man eine andere Entscheidung getroffen. Nun aber legten die beiden Vorstände ein Papier vor, wonach der Projektabbruch mehr als 7 Milliarden € kosten würde. Man will sich also doch nicht so recht von der Wahrheit befreien lassen. Der Berliner Wirtschaftsprofessor Christian Böttger fordert laut Südwestpresse vom 21.4.18, die tatsächlichen Abbruchkosten unabhängig ermitteln zu lassen und alternative und günstigere Lösungen ohne Scheuklappen zu prüfen. Man darf gespannt sein, ob Verkehrsausschuss und Regierung dieser Forderung aus Fachkreisen folgen wird. Das Aktienrecht, das unwirtschaftliche Projekte verbietet, müsste eigentlich dazu zwingen.

Auch unser Ministerpräsident könnte sich das Wort Jesu zu Herzen nehmen und sich von der Wahrheit befreien lassen. In seiner Antwort auf Peymanns Kritik an S 21 hat sich Kretschmann laut Südwestpresse vom 3. März 2018 zu der Lüge verstiegen, Stadt und Land seien laut Verfassung an die Volksabstimmung gebunden. Ich habe ihm deshalb als Nachfolger Jesu brieflich die befreiende Wirkung des Bekenntnisses zur Wahrheit empfohlen:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,

auf Ihre Behauptung vom 27.11.2012, in der Demokratie entscheide die Mehrheit, nicht die Wahrheit, habe ich Ihnen am 2.6.2014 vorgeworfen, dass Sie damit die Lüge in der Politik hoffähig machen, weil nach dem Eingeständnis der Kostensteigerung keine neue Volksabstimmung folgte. Sie haben dies am 19.8.2014 entschieden zurückweisen lassen, weil die Kostensteigerung als Argument der S 21-Gegner vor der Abstimmung bekannt gewesen sei. Dieses Argument ändert nichts daran, dass die Kostenlüge der Befürworter erfolgreich war, weil – anders als in einer Demokratie wie der Schweiz – eine zweite Abstimmung über die Wahrheit unterblieb.

Nun haben Sie auf die Kritik von Claus Peymann laut Presseberichten vom 3.3.2018 erwidert, an die Volksabstimmung vom November 2011 seien Land und Stadt laut Verfassung gebunden.

Sie verzichten dabei auf einen Beleg, wo dies in der Verfassung steht. Denn Sie wissen ganz genau, dass bei der Volksabstimmung vom November 2011 das Quorum nicht erreicht wurde und deshalb das Abstimmungsergebnis keinerlei verfassungsrechtliche Bindungswirkung entfalten konnte, wie die Landeswahlleiterin damals unmissverständlich festgestellt hat. Sie setzen damit eine Lüge als Instrument ein, um die Kritik an dem Projekt Stuttgart 21 niederzuhalten, das immer mehr die Verantwortungslosigkeit seiner Befürworter offenbart, nachdem die Bahnchefs Lutz und Pofalla die Unwirtschaftlichkeit am 18.4.2018 vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags eingestanden haben.

Wären Sie als Christ der Wahrheit verpflichtet, müssten sie eingestehen, dass der Volksabstimmung lediglich das Gewicht einer Meinungsumfrage zukommt, die allerdings ohne professionelle Beachtung der Repräsentativität durchgeführt wurde. Sie kam zudem unter der irreführenden Sprachregelung zustande, bei Stuttgart 21 handle es sich um den Bau eines Bahnhofs. In Wirklichkeit soll hier nach der gesetzlichen Definition für Bahnhöfe allenfalls eine Haltestelle mit der Steigung einer Hochgebirgsbahn unterhalb des Grundwasserspiegels entstehen.

Ich fordere Sie deshalb auf, als profilierter katholischer Christ der Verheißung Jesu zu folgen: „Die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh 8, 32). Stehen Sie zu Ihrem Versprechen, das Projekt S 21 kritisch zu begleiten und unterstützen Sie Fachleute wie den Berliner Wirtschaftsprofessor Böttger, der eine unabhängige Ermittlung der Abbruchkosten und eine scheuklappenfreie Prüfung von alternativen und günstigeren Lösungen fordert.

Mit freundlichen Grüßen

Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass unser Ministerpräsident sich von der Wahrheit befreien lassen wird. Amen.

Ansprache beim Parkgebet am 19. April 2018 zu 2. Korinther 4,16-18 von Pfarrer Martin Poguntke

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Liebe Parkgebetsgemeinde!

Eine der Fragen, die mir in letzter Zeit am häufigsten begegnen, ist die Frage: Warum protestiert ihr eigentlich immer noch gegen den Tiefbahnhof, obwohl ihr doch eigentlich keine Hoffnung mehr haben könnt? Warum tut ihr euch das an? Ihr quält euch, macht euch lächerlich, vertut eure Zeit.

Und ich antworte dann – und das werden Sie, liebe Parkgebetler, auch immer wieder sagen –: weil es um viel mehr geht als um einen Bahnhof. Um Demokratie geht es und darum, dass wir zu einem Großbetrug nicht schweigen können. Um das sogenannte „System 21“ geht es: dass es inzwischen weltweit zur Aufgabe der Politik zu gehören scheint, dass sie sinnlose Großprojekte erfindet und zum Schaden der Bevölkerung durchkämpft, um dem Moloch Wirtschaftswachstum Futter geben zu können. Alles das und noch mehr führen wir an, um zu sagen: Es geht bei unserem Protest um viel mehr als um einen Bahnhof.

Aber um wieviel(!) mehr es tatsächlich geht, das ist mir jetzt in den Ostertagen erst deutlicher geworden. Es geht um ein Kernelement unseres christlichen Glaubens, um die Auferstehungsbotschaft. Denn mit unserer Auferstehungshoffnung meinen wir ja nicht diese heilsegoistische Verengung, dass wir selbst – weil uns unser eigenes Leben ja das allerwichtigste ist – nach unserem Tod auf jeden Fall auferstehen müssen. Sondern unsere Auferstehungshoffnung ist ja eine Hoffnung, die wir für die Welt haben, die ganze Menschheit, die ganze Schöpfung.

In dem Predigttext, über den am kommenden Sonntag von den evangelischen Kanzeln gepredigt wird, habe ich etwas gefunden, das uns der Sache ein wenig auf die Spur bringt, der Frage: was das Geheimnis der Welt mit unserem nicht müde werdenden Protest zu tun hat und was unser scheinbar sinnloser Protest mit der Frage nach wirklichem Leben zu tun hat.

Ich lese aus dem 2. Korintherbrief, aus dem 4. Kapitel die letzten drei Verse. Dort schließt Paulus seine Gedanken über das Leiden der dortigen christlichen Gemeinde mit folgenden Worten ab:

Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.

Paulus meint mit dem „Unsichtbaren“, das „ewig“ sei, nicht irgendein – gar esoterisches – Geistreich, das ewig sei. Nein, mit dem „Unsichtbaren“ meint er einfach alles das, was noch nicht sichtbar ist, das, was noch kommt. Also die Neuwerdung der Welt, die unsichtbar am Kommen ist – das ist die „über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit“, wie es in unserem Text heißt, die eine Qualität hat, die er „ewig“ nennt.

Und nun legt Paulus eine erstaunliche These vor. Er behauptet: diese Neuschöpfung komme ausgerechnet aus unseren Niederlagen und Schwächen. Unsere „Trübsal“ – wie es im Text genannt wird – sei kein Zeichen des Niedergangs, sondern im Gegenteil: „Unsere Trübsal … „schafft“ die ewige Herrlichkeit.“ Weiterlesen

Offener Brief an Ministerpräsident Kretschmann

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte auf scharfe Kritik des Theaterregisseurs Claus Peymann am Zustand Stuttgarts hin in seiner Antwort an ihn erneut sein Nichtstun gegenüber S21 mit der Volksabstimmung begründet: Peymann müsse seine Kritik an das Volk wenden, nicht an ihn – er sei demokratisch verpflichtet, S21 zu unterstützen.

Aus diesem Anlass hat die Initiative „TheologInnen gegen S21“ einen Offenen Brief an ihn geschickt, der hiermit zur Kenntnis gegeben sei:

(hier als pdf-Datei)

Offener Brief
Beschädigen Sie nicht weiter die Demokratie!
Entziehen Sie S21 Ihre Unterstützung!

Stuttgart, im März 2018

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,

wir wenden uns an Sie, weil Sie in Ihrer Antwort auf Claus Peymanns Kritik am Zustand Stuttgarts das Nichtstun der Landesregierung und der grünen Partei gegenüber den durch die S21-Bauarbeiten verursachten Zerstörungen einfach damit rechtfertigen, dass Sie aufgrund der Volksabstimmung gezwungen seien, das Projekt zu unterstützen.

Wir wollen dazu nicht schweigen, weil wir uns als Christ/innen mitverantwortlich wissen für Wahrhaftigkeit in der Politik und für ein funktionierendes Staatswesen.

Wir halten Ihre Haltung nicht nur für ein faktenwidriges, nicht hinnehmbares Abwälzen von Verantwortung, sondern wir sind der Auffassung, dass Sie damit der Demokratie in dreierlei Hinsicht schweren Schaden zufügen.

  1. Die Demokratie lebt davon, dass Abstimmungsergebnisse bei neuer Faktenlage grundsätzlich korrigierbar sind. Alles andere würde nicht nur den Abstimmenden geradezu prophetische Fähigkeiten abverlangen, sondern auch die Basis aller demokratischen Abstimmungen ignorieren, dass sie sich nämlich grundsätzlich auf konkrete Situationen und Fakten beziehen und nicht davon unabhängig Ewigkeitswert beanspruchen können.
  2. Die Demokratie lebt vom Streit der Meinungen – gerade der Meinungen von Minderheiten. Die Vorstellung, die Bevölkerung oder eine Partei dürfe nach Abstimmungen nicht mehr in Opposition gegen Mehrheitsmeinungen gehen, sondern müsse sich einer Mehrheitsabstimmung beugen, ist völlig abwegig. Sie stellt das demokratische System auf den Kopf: Es dürfte dann im Parlament nur noch die Mehrheitspartei sitzen, und Bürgerinitiativen und Parteien dürften sich nur noch für Ziele einsetzen, die ohnehin in der Bevölkerung eine Mehrheit haben.

Im Übrigen würde es eine Missachtung des Souveräns – der höchsten Instanz der Demokratie – bedeuten, wenn ausgerechnet dieser freie Souverän, das Volk, von dem alle Gewalt ausgeht, durch Abstimmungen gebunden würde.

Besonders schwer wiegt der Schaden, dass wegen Ihrer Äußerungen eine große Zahl wohlmeinender Bürger es fälschlich für ihre demokratische Pflicht hält, dem Projekt S21 keinen Widerstand mehr entgegen zu bringen.

  1. Die Demokratie lebt davon, dass eine gewählte Regierung für ihr Handeln die politische Verantwortung trägt. Bewusst hat der Gesetzgeber für Volksabstimmungen ein hohes Quorum gesetzt, damit sich Regierungen weder von Minderheiten in ihrem Handeln beeinträchtigen lassen müssen, noch sich hinter solchen Minderheiten verstecken können.

Bei der Volksabstimmung im Jahre 2011 haben aber beide Seiten, die unterlegene und die siegreiche, dieses gesetzliche Quorum nicht erreicht. Damit hat sich durch diese Abstimmung rechtlich nichts geändert. Die Landesregierung bricht deshalb die demokratischen Spielregeln, wenn Sie sich dennoch von dieser Abstimmung abhängig macht und nicht selbst die Verantwortung für ihre Entscheidungen trägt.

Wir fordern deshalb Sie und alle das Projekt S21 unterstützenden Parteien auf, das zu tun, was wir als Bürger/innen von den politischen Akteuren erwarten dürfen: dass sie ihre Entscheidungen selbst verantworten – und zwar ausschließlich auf Basis der gegebenen Fakten. Die wesentlichen Fakten sind aber:

  • Der im Bau befindliche Tiefbahnhof wird deutlich mehr als das Doppelte kosten, gegenüber dem, über den 2011 abgestimmt worden ist.
  • Er wird – im Gegensatz zu dem Bahnhof, über den 2011 abgestimmt worden ist – nicht mehr, sondern weniger Bahnverkehr ermöglichen und deshalb Autoverkehr und CO₂-Ausstoß nicht vermindern, sondern vermehren.
  • Er wird – was den Abstimmenden im Jahr 2011 nicht bekannt sein konnte – voraussichtlich nur eine eingeschränkte Betriebsgenehmigung bekommen, weil er eine sechsmal so hohe Gleisneigung besitzen wird, wie nach Europarecht zulässig ist, und weil der Brandschutz für zu wenig Züge und Fahrgäste ausgelegt ist.

Wir fordern Sie auf, aufgrund der Fakten Ihre Unterstützung für das Projekt schnellstmöglich zu beenden – insbesondere, weil es eine hervorragende Modernisierungsalternative gibt, die billiger, leistungsfähiger und sicherer ist: Umstieg 21 (siehe www.umstieg-21.de).

Kehren Sie um! Beschädigen Sie nicht weiter die Demokratie, die Stadt und den Bahnverkehr!
Einen Fehler zu machen, ist menschlich – ihn nicht zu revidieren, dumm und gefährlich.

Ansprache beim Parkgebet am 8.3.18 zu Mt 23,23 von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

„Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, dass ihr die Minze und den Anis und den Kümmel verzehntet und die gewichtigeren Stücke des Gesetzes außer acht gelassen habt: das Recht und die Barmherzigkeit und die Treue.“

Jesus prangert die Heuchelei an, die auf Geringfügiges, z.B. Abgaben auf Kräuter, gewissenhaft achtet, aber das Wesentliche, Recht, Barmherzigkeit und Treue, vernachlässigt. So etwas ist auch heute noch politische Praxis. Allein Erziehende Empfängerinnen von Hartz IV müssen über ihre Stromrechnung die Kosten für die Umstellung auf erneuerbare Energien zahlen, damit z. B. die Investoren für ihre Windräder Geld bekommen, auch wenn diese wegen Stromüberangebot abgeschaltet werden müssen. Große Aluminiumkonzerne sind von der Umlage befreit, sie würden sonst angeblich nicht mehr konkurrenzfähig. Wenn die Armen ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen können, wird ihnen der Strom abgestellt. Das betrifft 300.000 Haushalte in Deutschland. Da ist man in unserer Gesellschaft sehr gewissenhaft.

Wenn umgekehrt die Deutsche Bank Verluste schreibt und ihren Investmentbankern, also denen von der Zockerabteilung, eine Milliarde € Boni zahlt, da sagt man: „Das Geld muss man denen lassen, denn sonst wandern diese großartigen Mitarbeiter ab“. Da fehlt es der herrschenden neoliberalen
Politik an der Gewissenhaftigkeit, diese Einkommen so hoch zu besteuern, dass sich die Gier nicht mehr lohnt. Denn wer dreist nimmt, dem soll auch dreist genommen werden, um davon den Armen zu geben, damit sie zu leben haben. Das wäre nicht mehr als recht und billig. Aber bei Gerechtigkeit und Barmherzigkeit ist unsere neoliberale Politik nicht mehr gewissenhaft.

Wenn das Kindergeld erhöht wird, dann wird die Erhöhung bei den ärmsten Familien gleich beim Hartz IV-Bezug wieder abgezogen. Da sind wir sehr gewissenhaft, obwohl die Kinder nichts dafür können, dass ihre Eltern arm sind. Die reichen Familien bekommen dafür viel mehr als das Kindergeld, denn sie machen bei der Steuererklärung Kinderfreibeträge geltend, die bei höherem Steuersatz viel mehr als das Kindergeld ausmachen. Die Barmherzigkeit bleibt auf der Strecke. Die Idee einer Kindergrundsicherung kommt in keinen Koalitionsvertrag. Die neoliberale Doktrin sagt: Barmherzigkeit ist zu teuer, die können wir uns nicht mehr leisten. So erweist sich, was schon Jesus brandmarkt: „Wer da hat, dem wird gegeben, und wer da nicht hat, dem wird auch noch genommen, was er hat.“ (Lk 19,26).

So kann es auch bei S 21 nicht anders sein, dem neoliberalen Schlüsselprojekt schlechthin, von dem die Kanzlerin immer noch weiß, dass es über die Zukunft Deutschlands entscheidet, genauer gesagt, über die Zukunft des Neoliberalismus in Deutschland. In ihrer neoliberalen Verblendung verdrängt sie, dass, wenn S 21 tatsächlich fertig und zur Katastrophe für die Region würde, es als Mahnmal dastünde gegen den Neoliberalismus wie die Kriegerdenkmäler gegen den Krieg. Das kann für uns Gegner des Projekts kein Trost sein. Deshalb machen wir die Augen auf und sagen, was wir sehen.

Schon Verkehrsminister Ramsauer hat im Wissen um die verheimlichten wahren Kosten erklärt, wenn sich die Stuttgarter und baden-württembergischen Steuerzahler nicht an diesen beteiligen, werde man die vergeudeten Milliarden eben von den Bahnkunden holen. Wenn ein Karlsruher meint, in Stuttgart könne man wie in Karlsruhe seine Fahrkarte im Zug lösen, zahlt er als Schwarzfahrer oder kommt ins Gefängnis, weil Unwissenheit nicht vor Strafe schützt. Wenn Bahnaufsichtsräte die selbst gesetzte Grenze der Projektrentabilität von 4,5 Mrd. € um 2 Mrd. € überschreiten, sagt die Berliner Staatsanwaltschaft, sie hätten die Untreue nicht erkennen können. Hier schützt plötzlich Dummheit vor Strafe. Auch hier zeigt sich die Gewissenhaftigkeit im Kleinen und die Gewissenlosigkeit im Großen.

Nun sind dem schlechten Geld bei S 21 noch weitere Milliarden gutes Geld nachgeworfen worden. Das gilt allgemein als die Todsünde der Betriebswirtschaft. Die Berliner Staatsanwaltschaft sieht aber immer noch keine konkrete „Überschreitung des unternehmerischen Handlungsspielraums“. Ob man S 21 oder den Umstieg favorisiere, sei Meinungssache. Die warnenden Gutachten stellten die Annahmen der Aufsichtsräte nicht in Frage, auf die sie ihre Entscheidung gründen. Der Strafanzeige wird Pauschalität vorgeworfen, die Begründung der Einstellung der Ermittlungen ist aber selbst ist an Pauschalität nicht zu überbieten. Es wird die allgemeine Lebenserfahrung bemüht, dass „hoch komplexe Vorhaben“ wie S 21 eben „kontrovers diskutiert werden“.

Eisenhart von Loeper und Dieter Reicherter werden das so nicht durchgehen lassen und die allgemeine Lebenserfahrung anführen, dass komplexe Vorhaben auch komplex geplant und berechnet werden müssen und erst gebaut werden dürfen, wenn sie vollständig genehmigt sind. Wer ohne wichtige Genehmigungen losbaut, kann sich nicht auf unternehmerischen Ermessensspielraum berufen, sondern riskiert bewusst Veruntreuung. Wer hunderte Risiken kennt, aber nur zum Teil in die Kostenrechnung einfließen lässt, um auf der Basis der fehlerhafte Berechnung den Weiterbau zu beschließen, überschreitet konkret den Handlungsspielraum bei der Betreuung fremden Vermögens. Wer sich weigert, Alternativen zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft vergleichend zu berechnen, macht sich der Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig.

Wir werden nicht schweigend hinnehmen, dass bei den kleinen Verfehlungen gewissenhaft bestraft und bei den großen gewissenlose Langmut an den Tag gelegt wird. Wie Jesus die religiösen Autoritäten seiner Zeit mit ihrer Heuchelei konfrontiert, werden wir die neoliberalen Politiker und ihre Helfeshelfer in der Justiz damit konfrontieren, dass sie einerseits neoliberal verblendet für die Profite großer Konzerne Partei nehmen und andererseits unbarmherzig und treulos gegen die Bürgerschaft handeln. Wehe ihnen! Amen.

Ansprache beim Parkgebet am 22. Februar 2018 zu Matthäus 4,1-11 von Pfarrer i. R. Hans-Eberhard Dietrich

(hier als pdf-Datei zum Herunterladen)

Matthäus 4,1-11
1 Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde.
2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.
3 Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.
4 Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.
5 Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels
6 und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engel deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.
7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.
8 Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit
9 und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
10 Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben: Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott und ihm allein dienen.
11 Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.

Liebe Parkgemeinde

Dreimal tritt der Versucher an Jesus heran, natürlich nur mit dem einen Ziel, ihn von seinem Weg wieder abzubringen, den er soeben in der Taufe am Jordan begonnenen hatte. Jesus wehrt sich mit einem Gotteswort. Aber der Teufel lässt nicht locker, zitiert selber Bibelworte. Sogar dieses wunderbare Psalmwort:

„denn er hat seinen Engel befohlen über dir, dass sie dich auf den Händen tragen“. Der Teufel macht weiter. Erst als Jesus ihn beim Namen nennt, „hinweg von mir Satan“, ihm sozusagen die Maske vom Gesicht reißt, eine sich sehr fromm gebende Maske, das raubt dem Satan die Macht. „Hinweg von mir Satan“, das hat gewirkt, die Macht des Bösen ist gebannt. Der Teufel verlässt Jesus. Engel erscheinen und dienen ihm.

Dieser eine Zug der Versuchungsgeschichte soll uns heute Abend beschäftigen. Das Böse wird beim Namen genannt und seine Macht ist gebannt.
Offensichtlich hat das Böse in der Welt ein großes Interesse daran, unerkannt zu bleiben, namenlos aus dem Dunkel heraus seine Macht auszuüben.

Liebe Parkgemeinde, ich glaube, Sie wissen schon, woran ich denke. Ob das nicht auch für S21 gilt? Mir jedenfalls ist es zu Beginn vor acht Jahren so ergangen. Namenloses Böses, unbegriffene Mächte, die sich da austoben und ihr böses Spiel mit uns treiben. Ich konnte es nicht fassen und ich konnte es mir einfach nicht erklären, warum unsere Gesetze plötzlich nicht mehr gelten sollten (z. B. Denkmalschutz oder der Schutz der Heilquellen), warum der Protest so vieler Tausend Menschen in einer freiheitlichen Demokratie nicht zählt. Warum haben alle guten Argumente nicht gefruchtet?

Aber je mehr ich an Informationen erfuhr, je intensiver ich mich in die Materie einarbeitete, desto mehr konnte ich all diese unbegriffenen Mächte beim Namen nennen. Das wirkte auf mich wie eine große Befreiung.

Dieser persönliche Erkenntnisgewinn war aber nicht möglich ohne die vielen anderen neben mir, die die gleichen Erfahrungen machten. Jetzt endlich konnten wir das Unrecht beim Namen, konnten die Urheber und Macher im Hintergrund auf diese Weise blamieren mit ihren hohlen Phrasen von Fahrzeitverkürzung, der Magistrale Paris–Bratislava, Kapazitätserhöhung, neue Arbeitsplätze usw.

Was sich hierbei abspielt, hat Volker Lösch mal auf den Begriff gebracht: Weiterlesen

Ansprache beim Parkgebet am 8. Februar 2018 zu Amos 5, 21–24 von Pfarrer Martin Poguntke

(hier als pdf-Datei)

Liebe Parkgebetsgemeinde,

in der Nacht vom 14. auf den 15. Februar 2012 – nächsten Donnerstag ist es 6 Jahre her – haben sie unseren Park endgültig zerstört. Sie haben die herrlichen, teils 200-jährigen Bäume geschreddert, eine Mondlandschaft hinterlassen. Eine böse, unsinnige Aktion, denn erst viel, viel später wurde begonnen mit dem Bau des schlechtesten Bahnhofs Deutschlands. Und die Bauarbeiten gehen zurzeit immer langsamer voran, weil die technischen, rechtlichen und finanziellen Probleme immer größer werden.

Wir haben das alles schon damals geahnt. Und gut drei Wochen später haben wir am Rande dieser Baustellen-Wüste einen Trauer-Gottesdienst gefeiert (https://s21-christen-sagen-nein.org/2012/03/10/trauergottesdienst-am-10-marz-2012-im-schlossgarten/), einen Gottesdienst, der mich noch heute ergreift, wenn ich an unsere damalige Seelenverfassung denke. – Was diesem Gottesdienst damals seine Kraft und Bedeutung gegeben hat, darum soll es heute gehen.

Ich möchte Ihnen dazu ein wenig vom Propheten Amos erzählen.

Amos war – wie alle biblischen Propheten – kein Hellseher, sondern ein Mensch mit „Durchblick“. Ein Mensch, der – weil er einen tiefen Glauben hatte – dem Alltag mehr ansah als die andern. Und so sah er mit seinem buchstäblichen „Durchblick“, wie moralisch verkommen das Israel seiner Zeit geworden war und wie falsch deshalb auch die Gottesdienste waren. Und deshalb wandte er sich mit großer Wortgewalt und schonungsloser Direktheit an seine Zeitgenossen und rief ihnen zu – ich zitiere aus Amos 5, Vers 21 bis 24, dem Predigttext vom vergangenen Sonntag:

So spricht Gott: „Ich hasse eure Feiertage und verurteile sie und mag eure Versammlungen nicht riechen. Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speiseopfer opfert, so habe ich kein Gefallen daran und mag eure fetten Dankopfer nicht ansehen. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören!
Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“

Die Gottesdienstbesucher waren schockiert. Sie fanden diese Vorwürfe nicht nur empörend, sondern auch völlig unverständlich. Denn ihre Lieder waren ausgesprochen schön – keineswegs „Geplärr“. Und die Harfenmusik, mit der sie begleitet wurden, war kunstvoll und auf hohem Niveau. Auch die Dank- und Speiseopfer, die sie in ihren Gottesdiensten darbrachten, waren keineswegs kritisierenswert.

Und in der Tat, die Kritik, die Amos an diesen Gottesdiensten übte, war auch keine an der Liturgie. Sondern es war eine Kritik an der inneren Haltung ihrer Besucher. Weil die Gottesdienste nämlich eines nicht leisteten: Sie veränderten die Menschen nicht; Weiterlesen

Ansprache beim Parkgebet am 25.1.18 zu Offb. 21,6 von Pfr. i. R. Gunther Leibbrand

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Liebe Parkgebetsgemeinde,

ich will uns die evangelische Losung für das Jahr 2018 auslegen, damit sie uns helfe, „oben“ zu bleiben – mit unserem Bahnhof, mit unserem Kopf und Herzen – für unsere Kinder, für unsere Gesellschaft, für ein friedliches Miteinander.

Die Losung steht im Buch Offenbarung 21,6 und heißt:

Und er [der auf dem Thron saß] sagte zu mir:
/ Es ist geschehen.
Ich bin das Alpha und das Omega
/ der Anfang und das Ende.
Ich werde dem Dürstenden von der Quelle des Lebenswassers zu trinken geben
/ umsonst.

Unser Losungswort ist eine Aufforderung, aus der Quelle des Lebenswassers zu trinken, um Energie zu schöpfen für die schier übermenschlichen Anstrengungen, die es zu stemmen gilt: Unter anderen: Den Umstieg 21 hinzubekommen, um das Trauerspiel Stuttgart 21 endlich zu beenden. Nächste Gelegenheit: Morgen bei der Bahn-Aufsichtsratssitzung in Berlin: Alternativen zu prüfen als Ergebnis käme fast schon dem gleich, was der dynamische französische Staatspräsident Emmanuel Macron am 17. Januar mit dem hoch umstrittenen Groß-Flughafenbau Notre-Dame des Landes bei Nantes hinbekommen hat: ihn aufzugeben. Unsere Gruppe Theologinnen und Theologen gegen S21 hat unserer geschäftsführenden Bundeskanzlerin, Frau Dr. Merkel, einen entsprechenden Brief geschrieben. Ich denke, dass es auch für Frau Merkel eine ans Übermenschliche grenzende Anstrengung wäre: Sie müsste über ihren langen Schatten springen! Obwohl: Sie hatte schon die Kraft, – ich zitiere aus unserer Erklärung vor vier Tagen – „den Atomausstieg einzuleiten… die deutsche Flüchtlingspolitik zu öffnen.“ (Quelle: Offener Brief – Denkpause für Stuttgart 21! Umkehr zur Wahrheit!“, 21.1.2018)

Das neue Jahreslosungswort ermutigt mich also – über alle Maßen! und: außergewöhnlich! – Volker Lösch fände gewiss noch weitere zwanzig Wörter, um die hervorragende Sprachgestalt dieser wenigen Sätze aus Off. 21,6 zu qualifizieren.

Dieses Wort will uns auch als Bürgerbewegung stärken! Für diese Bürgerbewegung hat Volker Lösch bei der 400. Montagsdemonstration wunderbare Worte gefunden!
Ich zitiere:
„Diese Bürgerbewegung ist dafür, dass zerstörerische Großprojekte abgewickelt werden!
Sie ist dafür, dass Bürgerinnen und Bürger frei sind von der Angst um die eigenen Lebensverhältnisse.
Sie ist dafür, dass Demokratie und Sozialstaat zusammengehören.
Sie ist dafür, dass eine wirtschaftspolitische Umkehr stattfindet.
Sie ist dafür, dass der Kapitalismus dem Gemeinwohl untergeordnet wird.
Sie ist dafür, dass Demokratie auf der Selbstbestimmung autonomiefähiger Bürgerinnen und Bürger besteht.
Diese Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 ist dafür, dass die Zukunft eine Zukunft hat.“

Um solche Ziele zu erreichen, bedarf es wahrlich einer unerschöpflichen Wegzehrung: Es bedarf – in der Sprache des Buches der Bücher – des „Lebenswassers“. Und des beständigen Sprudelns desselben: Es braucht die „Quelle“ selbst. Denn es ist, weil wir Menschen sind, nicht nur mit einem Schluck aus dieser Quelle getan, Weiterlesen

Offener Brief an die Kanzlerin

Am kommenden Freitag, 26. Januar 2018 findet eine Krisensitzung des Bahn-Aufsichtsrats zu Stuttgart 21 statt. Aus diesem Anlass hat die Initiative „TheologInnen gegen S21“ folgenden Offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel geschickt:

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Offener Brief
Denkpause für Stuttgart 21!
Umkehr zur Wahrheit!

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

aus Sorge um die Umwelt und um Wahrhaftigkeit und Demokratie in Deutschland wenden wir uns im Blick auf die Bahn-Aufsichtsratssitzung am 26. Januar 2018 mit einer dringenden Bitte an Sie: Zeigen Sie Stärke: Senden Sie ein Signal, dass es beim Projekt S21 kein einfaches Weiter-so „mit geballter Faust in der Tasche“ geben darf!

Das Projekt befindet sich mittlerweile auf ganzer Linie in der Krise:

  • Der ICE-Anschluss des Flughafens – das zentrale Argument des Landes Baden-Württemberg – wird von der Bahn infrage gestellt.
  • Die Bebauung auf dem gegenwärtigen Gleisgelände des Hauptbahnhofs – das zentrale Argument der Stadt Stuttgart – ist völlig ungewiss, weil die Kopfbahnhofgleise noch nicht entwidmet sind und von einer privaten Bahngesellschaft beansprucht und gerichtlich eingeklagt werden.
  • Die „überragende verkehrliche Bedeutung“ des Projekts – das zentrale Argument für alle Sondergenehmigungen – hat sich ins Gegenteil verkehrt: Der Tiefbahnhof bewältigt 30 % weniger Verkehr als der bestehende und behindert den bundesweiten ICE-Taktverkehr. Eine Verbesserung leistet lediglich die Neubaustrecke nach Ulm, deren Vorteile aber auch ohne Tiefbahnhof verwirklicht werden können.
  • Die – als Wahrzeichen erhofften – Kelchstützen des Tiefbahnhofs bekommen seit Jahren keine Genehmigung, weil die für den Brandschutz erforderlichen Ergänzungen zu statischen Problemen führen.

Das Projekt bewegt sich finanziell und zeitlich inzwischen in einer Dimension, in der eine zusätzliche Denkpause keinen nennenswerten zusätzlichen Schaden anrichten kann. Im Gegenteil: Es besteht die große Chance, das Projekt finanziell und technisch aus der Krise zu führen – wenn Sie, sehr geehrte Frau Kanzlerin, jetzt den Bahn-Aufsichtsräten das Signal geben, Alternativen zu prüfen.

Dazu liegt das hervorragende Konzept „Umstieg 21“ vor (www.umstieg-21.de): Es sieht eine hoch leistungsfähige Modernisierung des Kopfbahnhofs zu einer Mobilitäts-Drehscheibe vor – bei gleichzeitiger weitgehender Mitverwendung der bislang gebauten Gruben und Tunnels. Es kann deutlich früher verwirklicht werden – und vor allem mit einer Kostenersparnis gegenüber dem Weiterbau von bis zu 5 Milliarden.

Bitte üben Sie auf die Aufsichtsräte nicht – wie 2013 massiv geschehen – Druck aus, die dramatischen Warnungen von Gutachtern, Fachleuten und Bundesrechnungshof zu übergehen. Sondern lassen Sie eine vernünftige, sachbezogene, nicht von machtpolitischen und Gesichtswahrungsgründen bestimmte Abwägung der Fakten zu. Sie können doch nicht als die Kanzlerin in die Geschichte eingehen wollen,

  • die – um angeblich die Infrastruktur zu verbessern – die Bahn-Infrastruktur zerschlagen hat (regelmäßiger Verkehrskollaps wegen regelmäßiger monatelanger Tunnelsperrungen, wegen Anhydrit-Quellungen).
  • die – angesichts drohender Fahrverbote und EU-Klagen gegen Deutschland – das zentrale Instrument des Klimaschutzes, den Bahn-Verkehr einer der wichtigsten Wirtschaftsmetropolen, zurückgebaut hat.
  • die – um angeblich den Wirtschaftsstandort Deutschland zu retten – den Ingenieursstand Deutschlands weltweit blamiert und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland beschädigt hat,
  • die – um den Arbeitsplätzen in der Autoindustrie keine Konkurrenz durch die Bahn zu schaffen – für das größte Bundesunternehmen Milliardenverluste und Arbeitsplatzabbau zu verantworten hat,

Laden Sie nicht die Schuld auf sich, dass in Deutschland 10 Milliarden für den Rückbau eines Bahnhofs aufgewandt werden, während dadurch bundesweit Geld für Wartung und Ausbau des Schienenverkehrs entzogen wird.

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel, Sie hatten die Kraft, den Atomausstieg einzuleiten. Sie hatten die Kraft, die deutsche Flüchtlingspolitik zu öffnen. Sie haben auch die Kraft, ein Projekt zu beenden, das sich im Laufe von nun über 20 Jahren als zerstörerischer Unfug herausgestellt hat. Nehmen Sie sich ein Beispiel am französischen Präsidenten Macron, der letzte Woche den hoch umstrittenen Flughafenbau Notre-Dame-des-Landes bei Nantes – nach 40 Jahren gesellschaftlicher Spaltung – gestoppt hat.

Bitte werden Sie aktiv! Jetzt ist die entscheidende Gelegenheit zum Umsteuern – und dabei die Lernfähigkeit der Politik zu beweisen.

Mit freundlichen Grüßen,

im Namen der Initiative „TheologInnen gegen S21“,
Martin Poguntke

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Herzliche Einladung zur 400. Montagsdemo – 15.1.18, 18 Uhr, direkt vor dem Hauptbahnhof!

Weihnachtspredigt zu Joh 3,17+19-21 von Pfr. i. R. Friedrich Gehring am 26.12.2017 im Stuttgarter Schlossgarten

Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. … Darin aber besteht Gerechtigkeit, dass das Licht in die Welt gekommen ist. … Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit seine Werke offenbar werden, dass sie in Gott getan sind.

In unseren Advents- und Weihnachtsliedern besingen wir wie eben in dem Lied „Tochter Zion“ das Kind in der Krippe als den sehnlich erwarteten Friedefürsten. Er wird regieren in Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Er wird die bösen Werke, die das Licht des Tages scheuen, mit seinem Licht beleuchten und sichtbar machen, um sie zu verhindern. Wie geschieht dies konkret?

Als das Krippenkind erwachsen geworden ist und durch Jericho zieht, beleuchtet Jesus die Werke des Zachäus. Er wird sich seiner Ausbeuterei und Betrügerei bewusst. Das Licht hilft dem Zachäus, sich von seinen bösen Werken loszusagen und ein Leben in Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zu wagen. So wird er aus seiner Gier und aus seiner Isolierung in der Bevölkerung gerettet (Lk 19,1-10). Als Jesus danach in Jerusalem einzieht und in die finsteren Geschäfte mit den Schuldgefühlen der Menschen im Tempel leuchtet, gelingt zwar die Rettung der Profiteure nicht, aber die auf den barmherzigen Gott vertrauen, müssen sich nun von den Profiteuren nicht mehr ausbeuten lassen. Sie wissen, dass der barmherzige Gott keine Opfer braucht (Lk 15,11-24). Das Licht Jesu rettet sie vor der Räuberhöhle, zu der der Tempel geworden ist (Mk 11,15-17).

In welche Räuberhöhlen würde Jesus heute bei uns leuchten? Der ausbeuterischen Weltmacht Rom zur Zeit Jesu entspricht heute die Weltmacht USA. Sie sichert ihre wirtschaftlichen Interessen mit hunderten von Militärstützpunkten überall auf der Welt, auch hier in Stuttgart. In Möhringen befindet sich die US-Drohnenleitstelle Afrikom, von der aus in Afrika die völkerrechtswidrigen Dohnenlynchmorde organisiert werden. Ihnen fallen immer wieder als sog. Kollateralschäden Zivilisten, auch Kinder, zum Opfer. In Vaihingen befindet sich das US-Atomkriegskommando. Von hier aus bedroht die USA alle Nationen, sofern sie gegen den Machtanspruch von „Gods own Country“ aufbegehren. Stuttgart wird also eine aktive Rolle spielen, wenn die zwei Machos Trump und Kim Jong Un die Welt in atomare Asche legen werden. Licht in diese finsteren Machenschaften zu bringen heißt, unablässig auf diesen Wahnsinn militärischer Logik hinzuweisen und ihn öffentlich zu brandmarken.

Wir stehen hier ganz nahe an einem Ort, der mit die schlimmste Konzentration von Autoabgasen in Deutschland bietet. Mit verantwortlich sind die Manager der großen Autokonzerne, die in ihrer Gier an der Abgasreinigung von Dieselfahrzeugen sparen und mit betrügerischen Motormanipulationen viele Todesopfer in Kauf nehmen. Sie haben rechtzeitig gezielte Lobbyarbeit betrieben und können jetzt behaupten, dass ihre Manipulationen legal sind, weil sie die Gesetze entsprechend formulieren durften. Die einzelnen betrogenen Autokäufer können nur sehr schwer gegen die Betrügereien klagen, weil in Deutschland Sammelklagen gesetzlich nicht vorgesehen sind. Weihnachtliches Licht in die finsteren Machenschaften der Autokonzerne zu bringen heißt, politischen Druck aufzubauen, der die Konzerne zwingt, Dieselmotoren wirksam nachzurüsten, auch wenn das die saftigen Gewinne etwas schmälert.

Wir stehen hier außerdem in unmittelbarer Nähe eines gut funktionierenden Bahnhofs, der auf dem Altar gieriger Tunnelbauer sinnlos geopfert werden soll. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG will diesen verschwenderischen Rückbau des Bahnverkehrs „finster entschlossen“ zu Ende führen. Seine Wortwahl nach seiner Einsetzung in den Chefposten der Bahn ist verräterisch. Um dieses fatale Projekt zu Ende zu bauen braucht es viel Finsternis. Es muss im Dunkel bleiben, was es schließlich kosten wird. Es muss verschleiert werden, dass es einen Engpass darstellt, der den öffentlichen Bahnverkehr massiv behindern wird, von dem wir zur Luftreinhaltung viel mehr bräuchten. Es muss vertuscht werden, dass die Tunnel im Gipskeuper ein unbeherrschbares Risiko darstellen und Brände unter der Erde ungleich gefährlicher sein werden als unter freiem Himmel.
All dieses und noch viel mehr braucht Finsternis. Als Architekt Ingenhoven die Finanzierungslügen beleuchtete, warfen ihm die Bahnchefs Inkompetenz vor. Tatsächlich fehlt im die Kompetenz zur Verschleierung, die bei der Bahn reichlich vorhanden ist, aber am Ende nicht ausreichen wird.
Das rettende Weihnachtslicht wird auch in die Räuberhöhle Stuttgart 21 hinein leuchten und das schändliche Raffen anprangern, um es schließlich zu beenden. Unsere Geduld und Ausdauer wird dabei auf eine harte Probe gestellt. Fünf Jahre hat es gedauert, bis der schändliche Polizeieinsatz am „Schwarzen Donnerstag“ gerichtlich als gesetzwidrig ans Licht der Wahrheit gezerrt war. Aber unsere Beharrlichkeit hat gesiegt, auch wenn der Skandal noch nicht gänzlich aufgearbeitet ist und z. B. Staatsanwalt in Ruhe Häussler noch zur Verantwortung zu ziehen ist.

Auch die Ermittlungen wegen Veruntreuung kamen zunächst gar nicht in Gang, weil die Berliner Staatsanwaltschaft an die Grenze der Strafvereitelung im Amt ging. Sie behauptete, die Bahn-Aufsichtsräte hätten zwar objektiv veruntreut, dies aber subjektiv nicht erkennen können. Das beharrliche Insistieren auf Fakten hat aber nun doch zu Ermittlungen gegen die Hauptbeschuldigten geführt, auch wenn Kanzlerin Merkel mit ihrer Anstiftung zur Untreue noch nicht ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten ist. Aber auch sie wird nun von dem rettenden Licht erfasst: Das Bundesverfassungsgericht hat das parlamentarische Auskunftsrecht gestärkt. Merkel kann jetzt nicht mehr behaupten, das Betriebsgeheimnis der DB AG wahren zu müssen, wenn sie deren finstere Werke verschleiern will.

Auch wenn die Fortschritte zäh errungen werden müssen, wir werden weiterhin der rettenden Kraft des Lichtes Jesu vertrauen und in seiner Nachfolge Licht ins Dunkel finsterer Machenschaften tragen. Amen.

Herzliche Einladung zum Weihnachts-Gottesdienst im Park

Am 2. Weihnachtstag (26.12.17) um 11 Uhr feiern – wie inzwischen schon richtige Tradition – die S21-Gegner einen Weihnachts-Gottesdienst.
Wie auch die 14-täglichen Parkgebete (www.s21-christen-sagen-nein.org/parkgebet) wird er im Mittleren Schlossgarten unter der großen Kastanie bei der Lustschloss-Ruine stattfinden.

Der Gottesdienst wird unter dem Motto „Weihnachtslicht in finstere Machenschaften“ stehen. Pfarrer i.R. Friedrich Gehring wird dazu eine Ansprache zu Johannes 3, Vers 17+19-21 halten und Jutta Radicke die Liturgie gestalten. Und wie gewohnt ist die musikalische Begleitung bei den Musikern der Formation „Parkblech“ in guten Händen.

So sah es Weihnachten 2010 aus:
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Herzliche Einladung
zu diesem Weihnachts-Gottesdienst, der wohl nicht in so winterlicher Atmosphäre stattfinden wird wie 2010, aber nicht weniger wohltuend und nachdenklich sein wird.

Wir sehen uns am
2. Weihnachtstag (26.12.2017) um 11 Uhr, bei der Lustschloss-Ruine!