Ansprache beim Parkgebet am 25.10.2018 zu Lk 14, 28-32 von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Denn wer von euch, der einen Turm bauen will, setzt sich nicht zuerst hin und berechnet die Kosten, ob er genug habe zur Ausführung? Damit nicht etwa, wenn er den Grund gelegt hat und es nicht zu vollenden vermag, alle Zuschauer anfangen zu spotten: Dieser Mensch fing an zu bauen und vermochte es nicht zu vollenden. Oder welcher König, der ausziehen will, um mit einem anderen König Krieg zu führen, wird sich nicht zuerst hinsetzen und Rat halten, ob er imstande sei, mit 10.000 dem entgegen zu treten, der mit 20.000 gegen ihn anrückt? Wenn aber nicht, so schickt er, während jener noch fern ist, eine Gesandtschaft und bittet um Frieden.

Jesus rechnet hier offenbar mit der vernünftigen Folgenabschätzung der Menschen. Er spricht hier im Zusammenhang der Frage, ob die Jünger imstande sein werden, in der Nachfolge durchzuhalten, auch wenn sie dabei auf einiges verzichten müssen oder Verfolgung erleiden. Es könnte also vordergründig ein Appell zur Selbstprüfung sein, ob wir uns zutrauen, die Auseinandersetzung mit den Befürwortern des Projekts Stuttgart 21 durch zu stehen, auch wenn es uns Nachteile bringt. Ich denke, die Frage wird dadurch beantwortet, dass wir nun seit über 8 Jahren den Widerstand durchhalten. Natürlich kann niemand die Hand dafür ins Feuer legen, dass wir das noch weitere Jahre schaffen. Aber wichtig ist mir an den Worten Jesu, dass er seinen Jüngern und damit allen Menschen grundsätzlich eine vernünftige Folgenabschätzung im Blick auf ihr Handeln zutraut. Nur wenn wir Jesus in diesem Vertrauen auf die Vernunftbegabung der Menschen folgen, macht unser Widerstand Sinn. Denn wir weisen ja auf die Folgen des Projekts Stuttgart 21 unbeirrt hin in der Erwartung, dass die Verantwortlichen und die Bevölkerung auf diese Hinweise vernünftig reagieren.

Nun ist freilich besonders bei diesem Haltestellenprojekt der Glaube an die menschliche Vernunft in besonderer Weise angefochten. Zu viele Unsinnigkeiten sind bereits eingestanden worden, ohne dass die vernünftigen Konsequenzen gezogen wurden. Gerade hier wird die Erwartung Jesu an die menschliche Vernünftigkeit konterkariert: Es wurden eben nicht zuerst die Kosten veranschlagt wie bei einem vernünftigen Turmbau, auch nicht die Risiken des Unternehmens realistisch berechnet. Die gezielten Falschinformationen ließen dann auch keine vernünftige Entscheidung bei der Volksabstimmung zu. Ich denke, auch Jesus wusste von solchen menschlichen Unvernünftigkeiten. Aber er resignierte deshalb nicht. So meine ich, auch wir müssen nicht resignieren, sondern können mutig und geduldig an die Vernunft appellieren, auch wenn sich der gewünschte Erfolg nicht so schnell einstellt wie erhofft. Was darf uns Mut machen?

Da ist zunächst zu erwähnen, dass aus unterrichteten Kreisen durchsickert, es werde möglicherweise doch auf die Kombilösung hinauslaufen, neben der unzureichenden Haltestelle zumindest Teile des Kopfbahnhofs zu erhalten. Wir müssen dabei nicht untätig zuschauend schweigen. Nachdem das Bundesverkehrsministerium kürzlich die Vision des Deutschlandtaktes stolz ankündigte, ist es unsere Aufgabe, nachhaltig daran zu erinnern, dass dieser Takt mit dem Engpass der schrägen Haltestelle nicht zu machen ist und deshalb der Kopfbahnhof bleiben muss. Natürlich ist der Deutschlandtakt nicht so ganz einfach zu erklären und zu verstehen, aber da kommt es eben auf unser Geschick an deutlich zu machen, wie unsere Region mit der alleinigen Haltestelle bahntechnisch abgehängt werden würde.

Ein weiteres Ereignis gibt macht uns Mut, an die Vernunft zu appellieren: Der ICE-Brand zwischen Köln und Frankfurt hat zum Glück keine Schwerverletzten oder gar Tote gefordert, weil er nicht in einem Tunnel ausbrach. Zwar ist die Unvernunft der Verantwortlichen gerade in dieser Hinsicht besonders erschreckend. Als ich 2014 in einer Dienstaufsichtbeschwerde gegen das Eisenbahnbundesamt beim Verkehrsministerium darauf hinwies, dass ohne gesicherten Brandschutz drauflos gebaut werde, bekam ich die scheinbar beruhigende Antwort, die Fragen des Katastrophenschutzes würden im Rahmen des Verfahrens der Inbetriebnahme geklärt, als ob sich dieses Vorgehen nach den Erfahrungen mit den Berliner Flughafen nicht absolut verbieten würde.
Aber nun sind die Bilder des ICE-Brandes doch so oft in den Medien gewesen, dass wenigstens die Bevölkerung für die Frage des Brandschutzes in den S 21-Tunneln sensibilisierbar wird, auch schon vor der Fertigstellung. Dass unvernünftige Regierende bei Wahlen nicht so ohne weiteres an der Vernunft der Wählerschaft vorbeikommen, dürfte die Wahl in Bayern gezeigt haben. Darin liegt die Chance unserer hartnäckigen Aufklärungsarbeit. Irgendwann muss die krasse Fehleinschätzung der Kanzlerin, an der Durchsetzung von S 21 entscheide sich der künftige wirtschaftliche Erfolg Deutschlands, ihr selbst auf die Füße fallen. Jesus geht davon aus, dass ein unvernünftiger Turmbauer dem Spott der Zuschauer anheimfallen wird. Wir brauchen nicht zu Spöttern werden, es reichen unsere vernünftigen Argumente. Vor allem wird es darauf ankommen, dass wir den neoliberalen, auf den Mammon fixierten Irrglauben aufklären, die großen Wirtschaftskonzerne müssten gehätschelt werden, weil sie immer für unser Wohl sorgen. Der Dieselskandal ist ein vorzügliches Beispiel, genauso der neoliberal verblendete Umgang der Regierenden damit. Der Druck der öffentlichen Meinung und die Wahlergebnisse sorgen nun aber dieser Tage dafür, dass selbst der CSU-Verkehrsminister Scheuer seine bescheuerte Abwehr der Hardware-Nachrüstungen aufgeben muss.

Zusätzlich besteht noch die Möglichkeit, dass das Haltestellenprojekt an sich selbst scheitert, dass etwa der Anschluss an die Strecke über das Filstal nach Ulm bei Untertürkheim nicht gelingt und die Bauarbeiter von dem vielfachen Glück, das sie immer wieder hatten, so verlassen werden wie die Kollegen bei Rastatt. Auch kann der Gipskeuper noch vor Fertigstellung einen Strich durch die unvernünftige Planung machen oder ein Hochwasser in der Stadtmitte. Wir müssen das nicht herbei reden, sondern nur vernünftig zu bedenken geben. Wir können dabei auf die Vernunftbegabung der Menschen vertrauen wie Jesus. Er hält das Volk nicht für dumm, deshalb dürfen auch wir darauf vertrauen, dass das Volk sich nicht auf Dauer für dumm verkaufen lässt. Amen.

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