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Online-Petition: Behindertenbeauftragte und Behinderten(bei)räte …

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Zwei übersehene Statements

Obwohl die Volksabstimmung über das Ausstiegsgesetz schon einige Monate zurückliegt, ist sie für viele in der Bürgerbewegung gegen S21 noch immer ein Trauma.
Die Stellungnahmen von  zwei Urgesteinen des Widerstandes, Conradi und Stocker, sind also nach wie vor aktuell;  da ihnen leider  wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, soll hier darauf hin gewiesen und ihre Lektüre empfohlen werden:

Peter Conradi:  Oben bleiben
Gangolf Stocker:  Nach der Volksabstimmung: Was tun?

Keine Bild in meinem Briefkasten !

Kampagne: Alle gegen BildUm  Stuttgart 21 hat sich die BILD-Zeitung bekanntlich ganz besonders „verdient“ gemacht.

Ansprache beim Parkgebet am 22.03.2012

Liebe Parkgebetgemeinde,

vor zwölf Tagen waren viele von uns auch bei dem Trauergottesdienst. Damals ließen wir uns Mut zusprechen von dem Gotteswort nach Paulus: „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!“ (2. Korinther 12,9).  Zum Schluss wurden wir alle eingeladen, Gott darum zu bitten, er möge uns die Zerstörungen an der heilsamen Natur in unserem Schlossgarten und an der erhebenden Kultur unseres denkmalsgeschützten Bahnhofs verwandeln in die unübersehbare Aufforderung, umso entschiedener und grundsätzlicher und nachhaltiger einzutreten für die Bewahrung
– des Respekts vor der Rechtsordnung,
– der natürlichen Lebensgrundlagen und
– eines Lebens in Freiheit und Menschenwürde.
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Volker Pispers: Grüne wollen oben bleiben … – Kleinkunstpreis 2012 Mainz

Trauergottesdienst am 10. März 2012 im Schlossgarten

CamS21 hat den Gottesdienst mitgeschnitten. Hier sind die drei Links:

Gottesdienst, Teil 1 (erste 43 Minuten)
Gottesdienst, Teil 2 (Austeilung Samenkörner – Fürbitten)
Gottesdienst, Teil 3 (Schlussteil)

Trauergottesdienst am 10. März 2012 im Schlossgarten – die Predigt

die Ansprache als pdf-Datei

Liebe Mittrauernden!

Es mag sein, wir gewinnen den Streit, wie wir eben gesungen haben. Aber das fällt uns heute schwer zu glauben.
Wir stehen hier am Rande der Brache und suchen immer noch nach Worten, weil wir es einfach nicht fassen können. Wir sehen um uns, und hinter diesem hässlichen Zaun erstreckt sich eine noch ungleich hässlichere Fläche, Ödland, eine Mondlandschaft. Was haben sie aus unserem Park gemacht?!

Bis zum Schluss hatten wir gehofft. Gehofft, es gebe terminliche Probleme – wegen der Vegetationsperiode oder wegen der bundesweiten Polizeieinheiten. Gehofft, es gebe politischen Druck auf die Bahn, der sie hindern würde – zumal sie ja ohnehin noch nicht graben kann hier. Gehofft, die Schlichtervereinbarung, dass die gesunden Bäume verpflanzt werden müssten, würde das Elend aufhalten. Gehofft, gehofft, gehofft.

Gehofft auf Menschen, auf die Regierung, auf das Glück, auf Gott. Alles vergeblich!

In der Nacht vom 14. auf den 15. Februar haben wir uns hier im Park zu mehreren Tausend denen entgegen gestellt, die den Park frei machen sollten, damit die Bahn ihr Zerstörungswerk beginnen kann. Aber sie haben sich durch uns nicht hindern lassen. Schon am nächsten Tag haben sie einen unvorstellbaren Kahlschlag angerichtet. Und wir waren zum Zuschauen verdammt. Schweigend oder schreiend, weinend oder diskutierend immer neu unsere guten Argumente austauschend mussten wir mit ansehen, wie uns und den vielen hier lebenden Tieren Baum um Baum dieser wichtige Teil des Schlossgartens genommen wurde.

Und heute stehen wir nun hier und wissen nicht, wohin mit unseren Gefühlen und Gedanken. Wut und Enttäuschung, über die Politik und über uns selbst, empörte Anklagen, stille Trauer.

Wir hatten sie unterschätzt, die Mächte, die dieses Wahnsinnsprojekt wollen. Wir hatten es uns nicht wirklich vorstellen können, dass sie diese wunderbaren Bäume und ihre tierischen Bewohner auf dem Altar des Neoliberalismus opfern würden und auf dem Altar der Staatsräson, die klar stellen musste, dass man sich der Wirtschaft nicht in den Weg stellen darf. Auch deshalb musste aus ihrer Sicht unser Widerstand unbedingt gebrochen werden – selbst wenn dieses Projekt gar nicht zu Ende gebaut werden kann, wie viele Fachleute fest annehmen.

Es hat unsere Vorstellungskraft gesprengt, dass sie diese Brutalität wirklich begehen würden. Und es sprengt unsere Vorstellungskraft, dass wir ihnen das jemals verzeihen könnten. – Aber uns selbst sollten wir es verzeihen. Bloß wie?

Natürlich fragt in dieser Situation manch einer nach Gott? Wer wollte uns das verübeln, wenn wir angesichts dieses Elends heute fragen, wo da Gott ist? Dass Menschen uns enttäuschen, ja, wir selbst, das mag noch angehen. Aber Gott?! Müsste der nicht dreinschlagen? – Wenn es ihn denn gäbe!

Und da mutet uns der Apostel Paulus mit dem einen Satz, der dieses Jahr zur Jahreslosung geworden ist, zu, dass wir unser Bild von Gott auf den Kopf stellen, indem Paulus Jesus sagen lässt: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

„Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ – Dieses kleine Sätzchen über die göttliche Kraft stellt die Welt auf den Kopf: Es wirft unsere kindliche Vorstellung von dem Gott, der unberührbar mächtig über den Dingen steht, über den Haufen. Genauso wie unsere gesellschaftliche Erfahrung, dass die Wirtschaftsmächtigen und Kriegstreiber und Rambos sich eben doch immer durchsetzen.

Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Das ist eine Zumutung, weil uns mit einem Schlag die Hoffnungen aus der Hand geschlagen werden, wir bräuchten nur eine genügend starke Regierung, müssten uns nur mit den Mächtigen verbinden, müssten nur recht große Mehrheiten hinter uns versammeln – dann würde es schon voran gehen mit der Welt.

Stattdessen mutet uns dieser Satz zu: Das, was diese Welt im Innersten zusammenhält, das, was die Quelle aller Kräfte und Mächte der Welt und der Natur ist – Gott – dieser Gott wirkt nicht auf die Weise der Despoten und Herrscher, sondern durch die Schwachen. Nicht von oben, sondern von unten. Nicht mit Gewalt, sondern in der Weise der Graswurzeln, unter der Erde, unsichtbar, scheinbar vernachlässigbar, verlacht von den Wichtigen, übersehen von den Erfolgreichen. In den Schwachen liegt die Verheißung, dass die Welt durch sie zu einem guten Ziel gelangt.

Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Paulus mutet uns mit diesem Satz zu, unsere Hoffnungen nicht auf einen Gott zu setzen, in den wir unsere Machtphantasien projizieren können, nicht in einen Gott, den wir als ins Positive gewendeten Herrscher sehen, den wir aus der Überhöhung unserer – von Ohnmacht geprägten – Alltagserfahrung gewinnen. Sondern wir sollen diese Gewalterfahrungen unseres Alltags auf den Kopf stellen, als Protest gegen die Welt, wie sie ist. So entsteht ein Gottesbild, das ein Gegenbild unserer Gesellschaft ist.

Diese Zumutung, dass wir uns das Gelingen der Welt nicht von den Starken erhoffen sollen, nicht von unserer Wirtschaftsstärke, nicht von eindrucksvollen politischen Parteien, nicht von denen, die so gekonnt mit den Mächtigen verkehren – diese Zumutung ist auch eine wunderbare Verheißung: Was eure scheinbare Schwäche ist, dass ihr die Mächtigen nicht auf eurer Seite habt, das ist in Wahrheit eure Stärke: Denn so, wie wir Christen Gott glauben, verändert er die Welt durch die Macht der Ohnmächtigen, durch den Kampf der Friedliebenden, durch den Druck der Gewaltlosen durch den Reichtum der Habenichtse.

Und diese Zumutung und Verheißung – sie ist auch eine Verpflichtung: Seht euch vor vor denen, die mit den Mächtigen kungeln! Werdet nicht wie sie! Glaubt nicht ihren Versprechungen! Erhofft euch nicht von ihnen die Lösung der wichtigen Fragen, gar die Heilung der Welt! Sondern setzt euch ein für die Opfer der Gesellschaft, für die Menschen, die unter die Räder kommen, für die Natur, die unterworfen wird – indem wir uns auf diese Weise auf der Seite der Schwachen engagieren, gilt auch für uns diese Verheißung, dass Gott durch die Schwachen mächtig ist.

Und wenn da irre geleitete hochmütige Menschen rufen: „Wir sind die Guten.“ Dann antworten wir nicht(!): „Nein, wir(!) sind die Guten!“ Denn Gottes Kraft ist nicht in uns mächtig, weil wir die besseren Menschen wären, moralisch stärker, überlegene Strategen oder weil wir gar die Mehrheit hinter uns hätten. Sondern Gottes Kraft ist in uns mächtig – so glauben’s wir Christen – gerade, weil wir nicht annähernd so sind, wie wir sein sollten. Weil wir unseren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden, weil wir ängstlicher sind als es uns recht ist, weil wir unserer eigenen Überzeugungen nicht sicher sind, weil wir selbst enttäuschend sind, weil wir ganz durchschnittliche schwache Menschen sind, die natürlich den Park nicht schützen konnten.

Aus all diesen Gründen gilt für uns die Verheißung: In euch Schwachen ist Gottes Kraft mächtig, gerade weil ihr nicht auf euch selbst und auf Macht vertraut, sondern weil ihr erstens auf Machtmittel verzichtet und zweitens euch auf die Seite der Ohnmächtigen stellt, der machtlosen Menschen und der machtlosen Natur – deshalb könnt ihr die Hoffnung nähren, dass genau durch euch eine ganz besondere Kraft wirkt. Die Kraft nämlich, die aus einem einzelnen Samenkorn einen mächtigen Baum wachsen lässt. Die Kraft nämlich, die aus unterschätzten Hausfrauen und resignierten Couch-Potatoes wache Menschen macht, mit ungeahnt widerständigem Mut. Die Kraft, die aus 4 Leuten auf der ersten Montagsdemo zig Tausende macht. Die Kraft, die wirtschafthörige Regierungen zu Fall bringt und die auch den Opportunismus der Nachfolger zu Fall bringen kann.

Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Diese Überzeugung birgt die lebendige Hoffnung, dass sich die Siege der Mächtigen eines Tages gegen sie selbst wenden werden. Dass die Niedergeschlagenen aufgerichtet werden. Dass die vermeintlich so zukunftsorientierte Mehrheit das Nachsehen hat. Dass sich die Siege der Geldgläubigen eines Tages umkehren werden in ihre große Niederlage.

Wir brauchen nicht an uns selbst zu zweifeln oder gar zu ver-zweifeln, denn unsere Trauer über die verlorenen Bäume und Tiere – das glaube ich fest – sie ist eine Kraftquelle, mit der die Übeltäter nicht gerechnet hatten. Die (wirkliche und vermeintliche) Schwäche unserer Trauer ist es – das glaube ich fest – aus der wir eine Kraft gewinnen werden, die Wirkung hat, weit über das Projekt Stuttgart 21 hinaus.

Und deshalb: Lasst uns heute unsere Trauer nicht wegschieben, nicht verleugnen, nicht verdrängen. Sondern lasst uns gemeinsam traurig sein, weil unsere heutige Trauer wie ein Samenkorn die Kraft in sich trägt, von der Paulus sagt, sie sei Gottes Kraft. In unserer Trauer wirkt die Kraft, die die Bäume hat wachsen lassen, von denen wir hier nur noch die Stümpfe sehen. Die Bäume und Tiere sind weg. Aber die Kraft in ihnen und hinter ihnen – das glaube ich fest – die werden sie nicht totkriegen, denn es ist die Kraft, von der die ganze Welt herkommt, die Kraft, die diese Welt zusammen und am Leben hält, die Kraft, die dieser Welt Zukunft gibt – es ist Gottes Kraft in unserer Trauer – die Kraft, die in den Schwachen mächtig ist.

Amen.

(Martin Poguntke)

Trauergottesdienst am 10. März 2012 im Schlossgarten – die Texte

Begrüßung (Friedrich Gehring)
Liebe Freundinnen und Freunde des Schlossgartens, ich begrüße Sie und achte Ihren Mut, hierher zu kommen und öffentlich zu trauern um die gefällten Bäume. Es braucht Mut, sich in diesen Tagen als Parkschützerinnen und Parkschützer nicht verschämt zu verkriechen. Allerhand Häme klingt noch in unseren Ohren. Mit unserer öffentlichen Trauer wollen wir zusammenstehen und uns gegenseitig Halt geben, und wir wollen zeigen, dass nicht wir, sondern die Täter sich schämen müssen.

In diesen Tagen der Zerstörung ist bekannt geworden, dass wir während des Parkgebets observiert werden; sogar der Gefahrenstufe 5 werden wir zugeordnet. Welch ein Widerspruch: Während wir uns als ohnmächtig erfahren, wirken wir auf andere eher bedrohlich!

Wir wollen in dieser Situation auf die Jahreslosung hören, die genau von diesem Widerspruch handelt. In ihr spricht Paulus von der Zusage Gottes an ihn: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“. In der Verheißung und Zumutung dieses Wortes wollen auch wir heute Trost und neuen Mut suchen und beginnen unseren Gottesdienst im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Zumutungen (Dorothea Ziesenhenne-Harr)
Nein, nein, das kann nicht sein!!!
Ich bin empört, zutiefst empört!!
Mein Blut erhebt sich.
Wie ist das möglich???
„Frevel, Schandtat!“ schreie ich laut, mit all meiner Kraft.
„Ihr Barbaren, Baummörder, Vandalen, ihr machtgeilen Nichtse!!!“
Meine Schreie gellen über die Brache. Da, wo vorher der Park war.
Die prachtvollen Bäume. Das erholsame Grün der Wiesen.
Jetzt ist dort die wunderbare, atmende, schützende Hülle der Erde weggerissen. Eine klaffende Wunde.

BRACHE.
In meiner Kehle drängen Flüche. Flüche, die die Täter treffen und vernichten sollen. So, wie sie das Leben im Park vernichtet haben. Mein Fluch soll sie treffen bis ins 4. und 5.Glied. So, wie dieser Park über Jahrzehnte, Jahrhunderte zerstört ist.

HALT! Halt ein! Halt inne!
Besinne dich!
Eine innere Stimme eindringlich.
Ich atme tief durch, mehrmals, langsam.
Die Flüche lösen sich auf.
Mein Blut: voller Sauerstoff à lebendig, pulsierend.
Ich wende mich an dich, Gott: Was mutest du mir zu?!

WAS FÜR EINE ZUMUTUNG!!! Diese Barbarei mit ansehen zu müssen.
WAS FÜR EINE ZUMUTUNG: der Zerstörung, dem Tod die Hoffnung und den Glauben auf neues Leben entgegen zu setzen.
WAS FÜR EINE ZUMUTUNG: die Gewalt mit Liebe zu überwinden.
WAS FÜR EINE ZUMUTUNG: dem Gegner die Hand der Vergebung zu reichen.
WAS FÜR EINE ZUMUTUNG: im Kampf Frieden zu leben.
Was  mutest du mir/ uns zu, Gott? Wie soll ich, wie sollen wir das aushalten?
Woher die Kraft nehmen zur Liebe und Versöhnung?
Gott, du mutest uns etwas zu. Du ermutigst uns, auf dem Weg des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung zu bleiben.
So, wie du es dir selbst, in Jesus Christus, zugemutet hast. Du bist der Botschaft der Liebe treu geblieben. Du hast mit deiner Liebe den Tod/ die Vernichtung überwunden. Bei dir ist die Zerstörung, der Tod nicht das letzte Wort.
Du mutest uns zu, dir darin zu vertrauen und dir zu folgen.
Das fällt mir nicht leicht und doch spüre ich, weiß ich tief in mir: das ist der Weg.

Danke, dass du mir/ uns dabei zur Seite stehst. Dass deine Kraft in den Schwachen mächtig ist.
Danke, dass wir immer wieder erleben dürfen: Vergebung, Versöhnung getragen von der Liebe ist die größte Macht in unserer Welt. Sie ist die Antwort auf Gewalt, die ist es, die Gewalt wirklich überwindet.
Gott, mit dir zusammen und in der Gemeinschaft von uns Menschen finden wir diese Kraft. Denn du hast uns zugesagt: wo zwei oder drei versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Ich schaue mich um. Ich spüre die Nähe der Menschen, der Gemeinschaft. Wir sind zusammengerückt in dieser Zeit, in unserer Fassungslosigkeit, unserer Trauer.
Gemeinsam stellen wir uns der Zumutung. Von der Zuversicht getragen, dass Gott mit uns trauert und mit uns hofft. So kann die Liebe kraftvoll in uns Raum gewinnen.
Die Liebe, die alles überwindet und mächtiger ist als der Tod.
Mein Körper richtet sich auf. Ich bin da und mit mir die Erinnerung an die Bäume, den Park. Ich bleibe da und spüre ein Stück weit die Kraft der Bäume in mir. Ich nehme ihre aufrechte Haltung, ihre starken Wurzeln wahr und bleibe dankbare Zeugin ihres Lebens.

Eingangsgebet (Eberhard Dietrich, Wolfgang Schiegg)
Gott, wir sind zusammengekommen, um uns unserem Schmerz zu stellen. Gemeinsam treten wir vor dich: sei in unserer Mitte, trage mit uns unsere Trauer, teile mit uns unsere Tränen.
Wir wollen glauben, dass du mitten unter uns bist; hilf unserem Unglauben.
Während wir am Ort der Zerstörung stehen, können wir die Wut über diese Schandtat spüren. Und unsere große Traurigkeit, dass wir unseren Park, die Bäume nicht schützen können. Manchen kommt es vielleicht wie eine Niederlage vor. Als hätten wir versagt.
Dabei waren wir da, viele sogar Tag und Nacht. Mit unserer ganzen Kraft haben wir uns gegen die Zerstörung gestemmt. Und nun  müssen wir erkennen und uns der Gegenwart stellen:
wir haben einen uns so wertvollen Teil des Parks, die Bäume in ihrer wunderbaren Pracht verloren.
Gott, vor dir und in der Gemeinschaft wollen wir heute unserer Trauer Ausdruck geben.
Wir bitten dich: sprich jetzt zu uns und schenke uns Trost und Halt bei dir. Amen

Stilles Gebet:
In der Stille kann jetzt jede/r das vor Gott bringen, was persönlich gesagt sein will:

Stille…

Gott, du sagst uns zu, dass du unsere Gebet hörst. Darauf vertrauen wir. Amen

Psalm 10,1 ff
Warum, Herr, bist du so fern, warum verbirgst du dich in Zeiten der Not?
Hochmütige Menschen, die Gott ablehnen, verfolgen die Wehrlosen und bringen sie durch ihre Intrigen zu Fall.
Diese Gottlosen prahlen auch noch damit, dass ihre Gier keine Grenzen kennt.1 In ihrer Habsucht verspotten sie den Herrn und verachten ihn.
Stolz behaupten sie: »Gott kümmert sich sowieso nicht um das, was wir tun! Es gibt ja gar keinen Gott!« Weiter reichen ihre Gedanken nicht.
Sie reden sich ein: »Uns bringt nichts zu Fall, kein Unglück wird uns jemals treffen, auch nicht in künftigen Generationen.«
Wenn sie fluchen, betrügen und erpressen, sind sie um Worte nicht verlegen; was sie von sich geben, bringt anderen Unheil und Schaden.
Steh auf, Herr! Gott, erhebe deine ´mächtige` Hand! Vergiss die nicht, die erlittenes Unrecht geduldig ertragen!
Warum dürfen diese Gottlosen Gott verachten und sich einreden, dass du dich sowieso um nichts kümmerst?
Du hast doch alles genau gesehen! Du achtest doch darauf, ob jemand Not leidet oder Kummer hat, und nimmst das Schicksal dieser Menschen in deine Hände! Die Armen und die Verwaisten dürfen dir ihre Anliegen anvertrauen, denn du bist ihr Helfer.

Klage und Dank (Guntrun Müller-Enßlin)
Bei der nun folgenden Klage um die Zerstörung von Gottes Schöpfung mitten in unserer Stadt bitte ich Sie und Euch nach jeder Klage einzustimmen in den Gebetsruf:
Unser Gott, wir klagen und bitten Dich um Dein Erbarmen.

Unser Gott,
wir trauern um unsere Freunde, die Bäume und alle lebende Kreatur, die mit ihnen zu Schaden gekommen ist.
Um die Kastanien mit ihrem wundervoll duftenden Laub, den feierlichen Kerzen und  glänzenden Früchten.
Unser Gott, wir klagen und bitten Dich um Dein Erbarmen.

Um die Platanen trauern wir mit ihren gefleckten Stämmen und den mächtigen Kronen, mit denen sie dem Himmel näher waren als alle anderen Bäume.
Unser Gott, wir klagen und bitten Dich um Dein Erbarmen.

Um die große Säuleneiche mit ihrer charakteristischen Y-Form trauern wir und um ihre jüngeren Geschwister.
Unser Gott, wir klagen und bitten Dich um Dein Erbarmen.

Um die Silberpappeln mit ihrem flirrenden Laub trauern wir und um die Akazien mit ihren weißen Blütenschleiern und dem betäubenden Duft.
Unser Gott, wir klagen und bitten Dich um Dein Erbarmen.

Um die Buchen trauern wir, deren hellgrüne Blätter im Frühling manchmal den Eindruck machten, es sei Licht in sie hinein gewirkt.
Unser Gott, wir klagen und bitten Dich um Dein Erbarmen.

Um die Blutbuche, die Königin des Parks trauern wir, deren Laub im Abendsonnenlicht schimmerte wie dunkle Schokolade.
Unser Gott, wir klagen und bitten Dich um Dein Erbarmen.

Und jeder kann jetzt hier in Gedanken seinen Baum hinzufügen, der ihm besonders lieb gewesen ist.

Stille ….

Unser Gott, wir klagen und bitten Dich um Dein Erbarmen.

Wenn wir uns  nun verabschieden von diesem Stück zerstörter Schöpfung in unserer Stadt, bitte ich Sie einzustimmen in den Gebetsruf:
Unser Gott, wir danken dir und vertrauen deiner großen Güte.

Wir nehmen Abschied von unseren Bäumen und sagen Danke für alles, was sie für uns waren und uns Gutes getan haben.
Für Schatten und Kühle, die sie uns und unseren Vorfahren an heißen Tagen gespendet haben.
Unser Gott, wir danken dir und vertrauen deiner großen Güte.

Für den Sauerstoff, den sie für uns Stadtbewohner aus der stickigen, staubigen Großstadtluft herausgefiltert haben, damit wir atmen konnten.
Unser Gott, wir danken dir und vertrauen deiner großen Güte.

Für Heimstatt und Speicher- und Rastplatz, den sie jahrhundertelang unzähligen Tieren geboten haben, den Vögeln, den Eichhörnchen, Siebenschläfern, den Käfern und Insekten.
Unser Gott, wir danken dir und vertrauen deiner großen Güte.

Für die Ruhe und den Rückzugsraum, den sie uns Menschen geschenkt haben im Trubel und der Hektik unserer Stadt.
Unser Gott, wir danken dir und vertrauen deiner großen Güte.

Für die Schönheit, in der unsere Bäume alle zusammen Parkoase für uns waren, wo wir uns mitten in Stuttgart treffen und erholen, nachdenken, diskutieren, spielen, Sport treiben, essen und trinken, Feste feiern und beten konnten.
Unser Gott, wir danken dir und vertrauen deiner großen Güte.

Und noch einmal eine kurze Pause, in der sich jede und jeder von Euch in der Stille für das bedanken kann, was er von den Bäumen Gutes erfahren hat.

Stille….

Unser Gott, wir danken dir und vertrauen deiner großen Güte.

Fürbittegebet (Eberhard Dietrich, Wolfgang Schiegg)
Lasst uns in dieser Stunde der Trauer und des Schmerzes,
der Klage und der Anklage
beten zu Gott, der allen Menschen in ihrer Trauer nahe kommt
und unser aller Klage hört und sich zu Herzen nimmt.
1. Lasst uns beten für alle, die trauern
um die Tiere und die Bäume im Park,
um enttäuschte Hoffnungen und Erwartungen,
dass sie ihre Trauer zulassen und sich Zeit dafür nehmen,
dass sie darüber aber nicht verstummen,
sondern nach der Zeit der Trauer, wieder Worte finden
zur Anklage und zum Protest.
2. Lasst uns beten für alle,
die in ihrem Glauben erschüttert sind,
weil sie sich fragen: Wo ist Gott,
hat er keine Macht, seine Bäume und Tiere zu schützen?
Dass sie trotz allem ihr Vertrauen nicht verlieren,
ihre Hoffnung nicht aufgeben,
und in ihrer Liebe zu Gott und den Menschen nicht nachlassen,
weil uns verheißen ist, dass seine Kraft in den Schwachen mächtig ist.
3. Lasst uns beten für alle,
die in ihrer Enttäuschung und Wut
und ihrer Erfahrung von Ohnmacht
erstarren und sich enttäuscht abwenden,
dass sie zu neuer Hoffnung, zu neuem Mut
und zu neuer Tatkraft finden,
einfach weil sie wissen:
Gott hat keine Hände, nur unsere Hände,
um seine Arbeit in der Welt zu tun.
Einfach weil sie wissen:
Wir selbst sind Gottes Botschaft, in Wort und Tat.
4. Lasst uns beten für alle,
die eine Aufgabe haben in Presse, Rundfunk und Fernsehen,
dass sie in ihrer Berichterstattung und Arbeit
Achtung und Ehrfurcht von einem jeden Menschen zeigen,
und dass sie auch abweichende und störende Meinungen
ehrlich und unverfälscht zu Worte kommen lassen.
5. Lasst uns beten für uns alle,
dass wir fest daran glauben
und es erfahren, immer wieder neu:
Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig,
dass diese Worte uns trösten und ermutigen
und wir als Gemeinschaft im Widerstand
fest zusammenstehen.
Amen.

Trauer- und Ermutigungsgottesdienst

Vandalen – Vandalismus – Vandalissimus

(Foto von Manfred Grohe)
„Wenn ich aber nach der Volksabstimmung über Stuttgart 21 eine Anzeige in der Zeitung sehe, die mir mit sehr pathetischen Worten erklärt, dass die Seele einer Stadt zerstört werde, dann erscheint mir das sehr wirklichkeitsfremd. Die Seele der Stadt ist nicht nur ein Flügel des Bahnhofs und ein Teil des Parks.“
Winfried Kretschmann im Interview mit „Kontext: Wochenzeitung“
http://www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2012/02/heilige-maria-hilf/

Ein Unterstützer der Gemeinsamen Erklärung schreibt an Kretschmann

Der Künstler und Unterstützer der Gemeinsamen Erklärung Peter Stellwag hat an den Ministerpräsidenten geschrieben. In diesem Brief kritisiert er heftig Kretschmanns Argumentation im Blick auf die Volksabstimmung.

Lesen Sie hier Peter Stellwags Schreiben

Antwort einer Unterstützerin der Gemeinsamen Erklärung an Boris Palmer

Lieber Herr Palmer,

in Ihrem langen und klugen Schreiben hat mich ein Satz besonders irritiert: „Wenn wir uns dieser harten Wirklichkeit stellen, können wir auch mit neuer Kraft fordern, dass die Projektträger sich an Recht und Gesetz halten müssen.“  Was soll denn das heißen: Wenn…, (dann) können wir fordern…?  Warum hat sich die Bahn nicht ohne jedes Wenn-und-Aber an Recht und Gesetz zu halten? Und warum sorgt die grün-rote Regierung nicht dafür, daß sie es tut? Gilt hier eine Lex-Bahn?

Und noch was: Sie vermuten (wie ich auch), daß S21 an seinen eigenen Problemen scheitern wird. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wieviel Schaden angerichtet sein wird, wenn es denn soweit ist? Und daß dann nach „Schuldigen“ bei der Bahn und in der Politik(!) gesucht werden wird (siehe Loveparade)? Ist es nicht eine bodenlose Verantwortungslosigkeit tatenlos zuzuwarten bis S 21 scheitert, anstatt alle zur Verfügung stehenden legalen Mittel auszuschöpfen, um den Murks anzuhalten, bevor die Verwüstung, Zerstörung, das Unglück oder die Katastrophe – alles ist möglich – eingetreten ist? Die Bahn bietet mehr als genug Anlässe, nicht eingehaltene Zusagen gerichtlich einzufordern, das wissen Sie (und der MP!) besser als ich.

Angeblich ist dies wg. der verlorenen VA nicht möglich bzw. wäre undemokratisch. Das Gegenteil ist richtig. Da die Regierung S21 wg. der VA nicht verhindern kann, muß sie das Votum des VA durchsetzen, und zwar: die 930 Mill-Euro-Mitfinanzierung eines kostengedeckelten S21-PLUS-Bahnhofs gemäß Schlichterspruch und basierend auf einem echten Streßtestvergleich mit K21, ohne Betrug und Trickserei, nach Maßgabe der entsprechenden Bahnrichtlinien. Das wäre nicht zuviel verlangt, sondern normales Vorgehen nach geltenden Spielregeln.

Wir WählerInnen haben Kretschmann zum MP gemacht, im Vertrauen darauf, daß er – gemäß seinem Amtseid – Schaden vom Land abwenden wird. Wie kann er dann untätig zuwarten bis S21 den maximalen Schaden angerichtet hat? Müsste er nicht wenigstens alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um die derzeit völlig unnötige Zerstörung und Verwüstung so lange zu verhindern, bis der Baufortschritt sie erfordert? Oder glaubt er jetzt sogar an das Wunder, daß S21 mehr Nutzen als Schaden bringen wird?

Mit freundlichen Grüßen
Jutta Mertins

Vor dem Kahlschlag: Vermittlungsangebot des ehemaligen Stuttgarter Prälaten Martin Klumpp

An Herrn Ministerpräsident Winfried Kretschmann,
an Herrn Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster,

an die Mitglieder des Parkschützerrats,
sowie an die Parkbesetzer,

das Projekt Stuttgart 21 führt zu weitreichenden Eingriffen in das Stadtbild Stuttgarts. Viele Bürgerinnen und Bürger sind betroffen und traurig, wenn in den Anlagen am Bahnhof die besonders großen und alten Bäume gefällt werden sollen. Auch wenn das Bahnprojekt durch die Volksabstimmung legitimiert ist, müssen bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahmen die für alle Bauherren geltenden Bestimmungen und Vorschriften eingehalten werden.

Alle Gruppen, Organisationen und Gremien, die an dem demokratisch ausgetragenen Konflikt beteiligt sind, sollen trotz bestehender Meinungsunterschiede möglichst friedlich miteinander umgehen. In diesem Sinne unterbreite ich Ihnen einen Vorschlag, der von einer großen Zahl von Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen wird.

Lesen Sie hier das ganze Schreiben von Martin Klumpp

Damoklesschwert über dem Park – Ansprache beim Parkgebet am 9.02.2012

Wie ein Damoklesschwert hängt die Baumfällung über diesem Park und seinen Bewohnern in den Bäumen. Schon sind die Baggerzähne gewetzt und die Sägen geschliffen und die Bagger stehen für ihr Vernichtungswerk bereit.
Aber noch können wir hier unser Parkgebet abhalten, auch wenn uns das Herz bei all diesen Gedanken schwer wird und uns eher zum Heulen zumute ist. Noch stehen die Bäume, um die wir kämpfen. Sehr tröstlich hat am letzten Freitag Schwester Inge Singer aus Gaildorf auf der Parkschützerseite aus der Tageslosung ein Wort von Dietrich Bonhoeffer zitiert:
Alles hat seine Zeit und die Hauptsache ist,
dass man mit Gott Schritt hält.
Und ihm nicht immer schon einige Schritte vorauseilt,
allerdings auch keinen Schritt zurückbleibt.
Weiterlesen

Offener Brief an Winfried Kretschmann

Stuttgart, 09.02.2012

Unterbrechen Sie die S21-Zerstörungsarbeiten
– im Interesse des Landes!

Werten Sie nicht den Volksentscheid höher
als die Schutzrechte der Bevölkerung!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann!

Ich kann und mag nicht glauben, dass Sie das wirklich glauben, was Sie nun in Facebook zu Stuttgart 21 geschrieben haben.

Sie erwecken in Ihrem Brief den Eindruck, als ob das Ergebnis eines Volksentscheids über dem Gesetz stehen könnte und Sie in höherem Maße binde als all das, was nicht nur Sie, sondern jeden Ministerpräsidenten und jede Landesregierung in erster Linie bindet: Sie müssen auf die Wahrung des Rechts achten und darauf, dass kein Projekt-„Partner“ des Landes die Bevölkerung übervorteilen kann.

  • Sie wissen: Es gibt zahlreiche – bislang von niemandem widerlegte – Belege dafür, dass der „Stresstest“ nur durch Betrug von der Bahn „bestanden“ wurde.
  • Sie wissen, dass damit die Rechtsgrundlage für die gesamten S21-Verträge und all die Ausnahmegenehmigungen entfällt.
  • Sie wissen, dass die Bahn keine grundsätzliche Genehmigung hat, den denkmalgeschützten Bahnhof abzureißen, sondern eine Genehmigung, die unter der Voraussetzung erteilt wurde, dass ein höherer Wert – nämlich der verkehrliche und Infrastruktur-Nutzen des Projekts – überwiegt. Genau dies ist aber nicht mehr gegeben, wenn die Verkehrsleistung von S21 nicht 30% mehr, sondern über 30% weniger beträgt. Für einen Rückbau der Schieneninfrastruktur hat die Bahn keine Genehmigung erhalten, die Bahnhofsflügel abzureißen. Das gleiche gilt für die Fällung der Bäume im Schlossgarten.
  • Sie wissen, dass die Bahn bislang keinerlei Anstalten gemacht hat, die in der sogenannten „Schlichtung“ mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung vereinbarten Bedingungen zu erfüllen (keine Fällung von gesunden Bäumen, Anbindung der Gäubahn, Notfallkonzept für die Tunnels, Barrierefreiheit…)
  • Sie wissen, dass die Bahn nun zum dritten Mal ihre Annahmen zur Grundwassersituation und ihre entsprechenden Planungen zum Grundwassermanagement ganz grundsätzlich verändert hat und dass es deshalb möglich ist, dass sie auf Dauer gar keine genehmigungsfähige Planung zustande bekommt.
  • Sie wissen, dass noch erhebliche Teile der S21-Planung so weit von einer Genehmigung entfernt sind, dass fraglich ist, ob sie jemals umgesetzt werden können.
  • Sie wissen, dass Sie selbst die Kofinanzierung des Projekts durch Land, Stadt und Bahn als verfassungswidrig bezeichnet haben.
  • Sie wissen, dass die Kosten für S21 auf jeden Fall 4,5 Mrd. überschreiten werden und dass dafür von keiner Seite aus eine Zusage der Kostenübernahme besteht und dass deshalb die Landesregierung mit jeder zusätzlichen Zerstörungs- und Baumaßnahme immer größerem Druck ausgesetzt wird, sich einer Beteiligung – trotz aller gegenteiligen Bekenntnisse – nicht entziehen zu können.
  • Sie wissen, dass 43% derer, die beim Volksentscheid gegen einen Ausstieg aus S21 votiert haben, dies aus „Angst vor Ausstiegskosten“ getan haben (laut einer Erhebung des SWR) – nicht, weil sie den Bahnhof wollen.
  • Sie wissen, dass die im „Informations“-Prospekt der Landesregierung zum Volksentscheid behaupteten 1,5 Mrd. Ausstiegskosten zulasten des Steuerzahlers nicht eine mögliche Meinung, sondern nachweislich falsch sind (schon allein, weil die Hälfte davon wieder an den Steuerzahler zurück fließen würde, nämlich an die Stadt Stuttgart).
  • Sie wissen, dass deshalb der Volksentscheid kein „Leuchtturm der Demokratie“ war, sondern ein mit vielen Millionen aus Wirtschaft und Verbänden erkaufter Betrug derer, die sich so hohe Kosten für Werbung und Irreführung eben leisten können.
  • Sie wissen, dass das Ergebnis des Volksentscheids rechtlich noch gar nicht bindend ist, weil noch 16 Beschwerdeverfahren dagegen anhängig sind.
  • Sie wissen, dass beim Volksentscheid auch auf der NEIN-Seite kein Quorum von 33% zustande gekommen ist – das Voraussetzung dafür wäre, es mit staatsmännischer Geste als „Gesetzgebungsverfahren“ zu bezeichnen, gegen das sich ein Ministerpräsident nicht stellen darf.
  • Sie wissen, dass – auch unabhängig vom Quorum und von den Klagen dagegen – der Volksentscheid rechtlich gänzlich irrelevant ist, weil er ganz einfach nur gescheitert ist und damit nichts anderes passiert ist, als dass die ursprüngliche Rechtslage wieder hergestellt ist, nämlich: Das Land ist NICHT VERPFLICHTET, die S21-Verträge zu kündigen. Nicht mehr und nicht weniger.

Angesichts all dieser Punkte erwarte ich von Ihnen als Ministerpräsident:
Setzen Sie nicht all Ihre Argumentationskunst ein, um zu begründen, warum Sie sich „als Demokrat“ an den verlogenen, gekauften und juristisch irrelevanten Volksentscheid halten müssten!
Sondern legen Sie Ihr ganzes politisches Geschick darein, in all den genannten Punkten nachzuhaken, Gerichtsverfahren anzustrengen oder zu unterstützen, weitere Schritte, Genehmigungen, Zahlungen des Landes an die Aufklärung von Sachverhalten zu knüpfen usw.!

Dass die von Ihnen behauptete kritisch(!)-konstruktive Begleitung so gar nicht erkennbar ist – das lässt viele Ihrer Wähler fragen: Kommt Ihnen womöglich das Ergebnis des Volksentscheids gerade recht – als Rettung des Koalitionsfriedens?

Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie sich morgen früh hinstellen und sagen: Wir beenden S21. Aber von Ihnen – wie von jedem Ministerpräsidenten, unabhängig davon, ob er für oder gegen S21 ist – ist zu erwarten,
dass er alles Erdenkliche unternimmt, um Schaden vom Volk abzuhalten, und dass er deshalb dem Druck der Bahn (wie gegenüber jedem anderen Geschäfts„partner“ des Landes) im Interesse des Landes entsprechenden Gegendruck entgegen setzt, Bedingungen formuliert, Gelder und Zugeständnisse zurückhält, mit Gerichtsverfahren droht – eben Politik macht und nicht nur Worte.

Natürlich ist es nicht einfach, gegen den Mainstream der wirtschaftsgesteuerten Meinungsmache anzuregieren. Wir brauchen aber – auch auf Bundesebene – keine weitere Partei, die (wie seit langem auch die SPD) in ihrer Politik die Interessen der Bevölkerung den Interessen der Wirtschaft unterordnet. Wir brauchen eine Partei und Politiker – dafür wurden die Grünen gewählt –, die politikfähig sind und nicht zu Handlangern der Wirtschaftslobby verkümmern, sobald die ersten Widerstände auftreten – innerhalb der Koalition oder außerhalb vonseiten der Opposition und der S21-Lobby.

Ich appelliere an Sie als Vertreter einer Umwelt- und Bürgerrechtspartei:

Riskieren Sie nicht durch Ihre Tatenlosigkeit den guten Ruf der Grünen!

Setzen Sie nicht durch eine Unterwerfung unter die Wirtschaftslobby eine zweite Mehrheit für das Grün-Rote Regierungsprojekt aufs Spiel!

Für die Bäume im Schlossgarten ist es eine Minute vor zwölf.

  • Noch ist Zeit, umzusteuern.
  • Noch können Sie – gänzlich, ohne „undemokratisch“ zu sein – die S21-Zerstörungsarbeiten unterbrechen, bis klare Rechtsgrundlagen herrschen für die Umsetzung dessen, was Sie (wirklich?) für den Willen der Bevölkerung halten.
  • Noch können Sie zeigen, dass für Sie das (sogar nur partielle) Baurecht der Bahn nur ein Recht unter vielen ist und nicht als Joker alle Rechte der Bürger dieses Landes schlägt.
  • Noch können Sie zeigen, dass Sie Mehrheitsentscheidungen (egal, wie sie zustande gekommen sind) nicht als Ersatz dafür nehmen, regieren zu müssen.

Es grüßt Sie,
Martin Poguntke

Dieser Brief wird namentlich unterstützt von:
Eberhard Dietrich, Friedrich Gehring, Michael Harr, Gunther Leibbrand, Guntrun Müller-Ensslin, Wolfgang Schiegg, Martin Schmid-Keimburg, Dorothea Ziesenhenne-Harr

Egon Hopfenzitz: Der politische Widerstand gegen S21 ist keinesfalls beendet

Sehr geehrter, lieber Herr Palmer,

Wir haben verloren — Wir haben verloren — Wir haben… — Wir………
So hallt es uns, der „Bewegung für den Erhalt des Kopfbahnhofs in Stuttgart“ aus vielen grünen Ecken entgegen: Aus der Villa Reitzenstein,
aus dem Bürgermeisteramt in Stuttgart, aus Tübingen und jetzt auch schon
aus Berlin. Damit ist aber keinesfalls der politische Widerstand gegen S 21 beendet, wie Sie voreilig bemerken. Auch mündige Bürger und mündige
Demonstranten können politisch und demokratisch wirken. Wir dürfen nicht
schweigen! Auch nicht über gebrochene Wahlversprechungen der Grünen.

Sie argumentieren in Ihrem Brief nur mit dem Endergebnis der
Volksabstimmung.  Nicht ausgeräumt wird dabei der sich verdichtende
Verdacht, dass Grün-Rot diese Abstimmung im Wissen über eine Niederlage
anberaumt hat, um endlich auf einem scheindemokratischen Weg das nur noch
belastende und hinderliche Projekt S 21 „vom Hals“ zu bekommen. Das
Ziel, jetzt ungestört Grünes-Regieren zu ermöglichen, war damit erreicht.
Auf ein Wunder zu hoffen war nur ein Alibi.

Ein ganz entscheidendes Argument für dieses Vorgehen sehe ich in dem bis
heute ausgebliebenen Einsatz von Ministerpräsident Kretschmann gegen das
arrogante Auftreten der DB.  Hat er die Aussage von Dr. Kefer überhört,
dass man gegen den Willen eines Ministerpräsidenten keinen neuen Bahnhof
bauen könne? Die Äußerungen von Staatsminister Murawski gegenüber  Dr.
Kefer sind hier ein erster begrüßenswerter Ansatz.

Die Grünen haben ihren unerwarteten Erfolg bei der Landtagswahl nur den
S21-Gegnern unterhalb und oberhalb des Stuttgarter Kessels zu verdanken.
Eine vorausschauend planende Partei muss aber schon heute kommende Wahlen im Blick haben. Die Grünen werden in Oberschwaben und im ländlichen Raum gegen die CDU nie gewinnen. Hoffen können sie nur auf die Stimmen der S21-Gegner rund um den Stuttgarter Kesselrand. Das Image als neue
„S 21-Projektförderungspartei“ schadet dabei. Viel Zeit bis zur kommenden OB-Wahl, zur im nächsten Jahr anstehende Bundestagswahl und bis zur nächste Landtagswahl in 2016 steht nicht mehr zur Verfügung. Eine neue Strategie, die sich erfolgreich auf die S 21-Gegner stützen kann, ist nicht erkennbar. Ein
ständiger Hinweis auf den politischen Tod dieser Gruppe bringt mit
Sicherheit keinen Erfolg und nützt nur der jetzigen CDU-FDP-Opposition.

Lieber Herr Palmer,
ich weiß mit Sicherheit, Ihr sehr verehrter Herr Vater hätte vor allem
gegen den Baumfrevel im Schlossgarten aktiv gehandelt. Er hätte diesen
nie schweigend geduldet.
Zu begrüßen ist Ihre schon lange erwartete Aussage über die Nennung der
falschen Leistungszahlen des Kopfbahnhofs.  Damals anwesende gelernte
Eisenbahner hätten Ihnen gerne geholfen und der Stresstest wäre mit
Sicherheit sofort gescheitert.

Mit weiterhin freundlichen Grüßen
Egon Hopfenzitz

Boris Palmer: Nur gute Verlierer können gewinnen

Nur gute Verlierer können gewinnen
Ein Appell an die Bewegung für den Erhalt des Stuttgarter Kopfbahnhofs
Wir haben verloren. Es gibt keine Mehrheit im Land und in der Stadt für einen Ausstieg aus Stuttgart 21. Das ist schmerzlich. Und nicht leicht zu verstehen. Aber nur wenn wir uns das eingestehen, können wir nach vorne blicken. Und dann ist vielleicht auch noch nicht alles verloren.
Der 27. November war eine Zäsur im Streit um Modernisierung oder Zerstörung des Stuttgarter Kopfbahnhofs. Seit diesem Tag ist der politische Widerstand gegen Stuttgart 21 beendet. Wenn das Volk gesprochen hat, muss die Politik schweigen. Mit dem bürgerschaftlichen Widerstand gegen das Projekt verhält es sich anders. Protest ist auch zulässig, wenn die Entscheidung abschließend gefallen ist. Und wir können stolz darauf sein, dass dieser Protest bis zum heutigen Tag fast immer und zu jeder Zeit friedlich geblieben ist.
Jetzt, da der Abriss des Südflügels begonnen hat und das Eisenbahnbundesamt die Genehmigung zum Fällen der Bäume im Schlossgarten erteilt hat, wachsen aber erneut Streit, Ärger und Verbitterung. Die Wut richtet sich zunehmend gegen die Landesregierung und besonders gegen deren grünen Teil. Immer lauter werden Verrats- und Betrugsvorwürfe. Die Lage eskaliert weiter, weil die Bahn sich unter Zeitdruck setzt. Sie will am 29. Februar das Baufeld im Park frei haben, damit sie nicht wieder auf einen 1. Oktober warten muss. Ein solcher Zeitdruck ist extrem gefährlich. Die Ereignisse des 30. September 2011 wären nicht erklärbar ohne den damals von der Politik verordneten Zeitdruck, die Fläche für das Grundwassermanagement in der Nacht des 1. Oktober von Bäumen zu befreien.
In dieser Situation ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und die eigene Lage offen und ehrlich zu analysieren. Ich möchte hierzu meinen Teil beitragen.
Warum haben wir die Volksabstimmung verloren? Die Antworten, die ich auf diese Frage in zahlreichen Briefen und Diskussionsforen lese, lassen erkennen, dass die Niederlage für viele von uns weder akzeptiert noch verarbeitet ist. Im Kern läuft die Argumentation darauf hinaus, dass die Bevölkerung hinters Licht geführt worden sei und sich anders entschieden hätte, wenn sie die Wahrheit erfahren hätte. Ausgeschmückt wird diese These mit vielen zutreffenden Hinweisen auf irreführende Informationen und die finanzielle und organisatorische Übermacht der Kampagne gegen den Ausstieg.
Ja, es stimmt, dass die Ausstiegskosten mit 1,5 Milliarden Euro maßlos übertrieben wurden. Ja, es stimmt, dass allein der Verband Region Stuttgart eine Million Euro in eine Kampagne investiert hat, die nur notdürftig als Information getarnt wurde. Ja, es stimmt, dass der Brief des Oberbürgermeisters an alle Haushalte in Stuttgart in Form und Inhalt unangemessen war. Ja, es stimmt, dass die Bahn sich um einen echten Stresstest herum gemogelt hat. Ja, es stimmt, dass die wahre Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs bewusst klein geredet wurde. Ja, es stimmt, dass die Kosten des Projekts noch immer geschönt sind und die dicke Rechnung am Ende kommt. Ja, es stimmt, dass die Planung des Projekts noch immer von erschreckendem Dilettantismus geprägt ist. Ja, es stimmt, dass für wichtige Abschnitte des Projekts nicht einmal eine vernünftige Planung vorliegt.
Wir würden uns aber etwas vormachen, wenn wir glauben, die Leute, die gegen den Ausstieg votiert haben, hätten dies alles nie gehört und sich anders entschieden, wenn sie nicht einer Propaganda aufgesessen wären. Verfallen wir nicht den Dünkel der Gegner der direkten Demokratie, die glauben, das Volk sei nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Wenn wir trotz der besseren Argumente in der Sache verloren haben, dann muss es dafür auch Gründe gegeben haben.
Ein genauer Blick auf die Wahlergebnisse im Land zeigt, dass man dafür einige sehr klar benennen kann. So ist auffällig, dass die Mehrheiten gegen den Ausstieg in ländlichen Gebieten Baden-Württembergs besonders groß waren. Vereinfacht gesagt ist die Zustimmung zu Stuttgart 21 in einem Landkreis umso größer, je weniger Züge dort verkehren. Aus dieser Beobachtung wird sofort klar, dass all unsere guten Argumente für den Kopfbahnhof und gegen den Engpass unter der Erde gar nicht fruchten konnten, weil sie für viele Menschen im Land gar keine Rolle spielten. Wenn es aber gar nicht um den Bahnverkehr ging, dann war etwas anderes entscheidend. Und das kann nur die Aufladung des Projekts mit den Begriffen Fortschritt und Wohlstand gewesen sein. Wir haben uns nicht genügend Mühe gemacht, dieses große Märchen zu entlarven und stattdessen lieber Züge in der Spitzenstunde gezählt.
Eine zweite Beobachtung: Die Zustimmung ist im oberschwäbischen Raum immens groß. Von Ulm bis Friedrichshafen hat Stuttgart 21 eine Mehrheit von über zwei Dritteln erhalten. Andererseits gibt es Mehrheiten gegen Stuttgart in ganzen Landkreisen nur im badischen und bevorzugt im südbadischen Raum. Daraus kann man ableiten, dass außerhalb Stuttgarts die städtebaulichen Fragen in Stuttgart kaum interessiert haben. Das Denkmal Bonatzbau und der Park waren dein meisten Menschen im Land ziemlich egal. Die badischen Seite hat offenkundig wenig Neigung verspürt, im schwäbischen Landesteil Geld auszugeben. Den Oberschwaben kann man zutrauen, dass Sie auch nicht für mehr Ausgaben in Stuttgart gestimmt haben, sondern für ihre Neubaustrecke. Es ist der Fraktion um Ulms OB Ivo Gönner also gelungen, die These zu verbreiten, dass die Neubaustrecke nur kommt, wenn der Ausstieg aus Stuttgart 21 abgelehnt wird. Dazu haben wir mit der Uneinigkeit über Sinn und Unsinn der Neubaustrecke auch selbst gute Zuarbeit geleistet.
Die dritte Beobachtung: In Stuttgart und im ganzen Land gibt es eine starke Korrelation der Ergebnisse mit den Wahlergebnissen der Grünen und der CDU. Wo die Grünen stark sind, wie im Talkessel, in Freiburg oder in Tübingen, überwiegt die Ablehnung von Stuttgart 21. Wo die CDU stark ist, in den Stuttgarter Vororten und auf dem Land, überwiegt die Zustimmung zu Stuttgart 21. Wer die CDU am Wahlabend erlebt hat, weiß dass sie die Volksabstimmung als Revanche für die Niederlage bei Landtagswahl begriffen und entsprechend genutzt hat. Dafür spricht auch, dass die Umfragen eine Woche vor der Abstimmung haben das Ergebnis fast exakt vorweggenommen haben. Da die Beteiligung an der Abstimmung prozentual wesentlich niedriger war als an der Befragung, war die Mobilisierung des Nein-Lagers genau so groß wie im Ja-Lager. Das war nicht zu erwarten und zeigt, wie hoch motiviert die CDU gewesen ist. Auch dazu haben wir mit den „Lügenpack“-Parolen, einer „Mappschiedsparty“ und vielen Attacken auf eine waidwunde CDU erklecklich beigetragen.
Die vierte Beobachtung: Die Ergebnisse in den Kreisen der Region Stuttgart sind besonders deutlich für Stuttgart 21 ausgefallen. Man muss zugeben, dass schon am Kesselrand die Mehrheit gegen Stuttgart 21 endet. Offensichtlich sind die Versprechungen für deutliche Verbesserungen im Regionalverkehr auf fruchtbaren Boden gefallen. Wir haben es nicht geschafft, die Nachteile für die S-Bahn und das Bahnsystem verständlich zu transportieren. Und auch in der Region war den Menschen der Schlossgarten, das Mineralwasser und der Bahnhofsbau offenkundig nicht so wichtig wie vielen treibenden Kräften des Widerstands in der Stadt selbst.
Ich fürchte aber, es kommt noch etwas hinzu: Die teilweise mythische Überhöhung des Widerstands hat viele Menschen abgeschreckt. Ganz sicher kann man das von Demonstrationen sagen, die durch Blockaden von Hauptverkehrsstraßen den Verkehr in der Innenstadt zum Erliegen gebracht haben. So manches Nein war ein Nein zu Staus am Montag Abend. So sehr eine Bewegung Symbole und Identifikationspunkte benötigt, manches Gelöbnis und mancher Superlativ zum Denkmal- und Naturschutz hat außerhalb der Bewegung Unverständnis erzeugt und zur Niederlage beigetragen. Das gilt noch stärker für Unduldsamkeit und verbale Aggression, die es auf unserer Seite auch gegeben hat.
Das heißt nun alles nicht, dass wir unsere Niederlage vollständig selbst verschuldet haben. Es heißt schon gar nicht, dass die Grünen in der Landesregierung alles richtig gemacht hätten. Sehr wohl zeigt diese Analyse aber, dass wir die Abstimmung nicht gewonnen hätten, auch wenn alle Kritikpunkte, die aus unserer Bewegung jetzt immer wieder vorgetragen werden, berücksichtigt worden wären.
Ich greife exemplarisch ein Beispiel heraus: Dem Verkehrsministerium wird immer wieder vorgeworfen, es habe keine Studie zur wahren Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs beauftragt und damit die Abstimmung fast schon verloren gegeben. Nach der hier vorangestellten Analyse hätte diese Studie aber die Nein-Sager überhaupt nicht beeinflusst, weil die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs sie einfach nicht interessiert hat. Wenn es einen Zeitpunkt gab, zu dem die Debatte über die Leistungsfähigkeit eine Rolle gespielt hat, dann waren es die Minuten vor dem Schlichterspruch. Und da war es allein mein Fehler, nicht die reale Leistung des Kopfbahnhofs, sondern die Fahrplanleistung 2010 zum Maß aller Dinge zu machen. Davon sind wir nie wieder runter gekommen.
Nun ist Selbstkritik immer hart. Sie hat aber auch etwas Reinigendes. Aus der Katharsis kann man neue Kraft schöpfen. Das unterscheidet sie von der Konstruktion von Verratsvorwürfen und der Suche nach Schuldigen ganz wesentlich. Erschreckend finde ich dabei, dass mittlerweile auch die Unwahrheiten der Pro-Seite bereitwillig weiter verbreitet werden, um die Grünen zu Schuldigen zu machen. Dazu gehört zum Beispiel die Behauptung, die Grünen hätten im Bundestag oder dem Aufsichtsrat der Bahn dem Projekt Stuttgart 21 zugestimmt.
Allen, die nun mit allerlei Indizienbeweisen zu belegen versuchen, dass die Grünen nur die Wahl gewinnen und nie das Projekt zu verhindern versuchten, kann ich mit bestem Wissen und Gewissen sagen: Das ist nicht wahr. Auch wenn es stimmt, dass nicht alle grünen Abgeordneten Stuttgart 21 für das Zentrum des Regierungshandelns halten, kann ich für den Ministerpräsidenten und den Verkehrsminister die Hand ins Feuer legen. Ich war von den Koalitionsverhandlungen bis zum Nachmittag der Abstimmung in alle wesentlichen Strategiebesprechungen eingebunden und habe viele Telefonate geführt. Winfried Kretschmann und Winfried Hermann haben das Versprechen, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um das Projekt zu beenden, eingelöst. Sie mussten nur feststellen, dass diese Macht begrenzt ist. Und ehrlich gesagt: Darüber sollten wir froh sein, denn das ist Demokratie.
Wenn die Grünen in der Regierung nun nicht mehr das sagen, was wir gerne von ihnen hören würden, dann darf dabei nicht vergessen werden, wie sehr unsere Position durch das Ergebnis der Volksabstimmung erschüttert wurde. Eine klare Mehrheit in Stuttgart gegen das Projekt hätte zumindest gezeigt, dass nur die trickreiche Umgehung des Bürgerentscheids durch Wolfgang Schuster Stuttgart 21 gerettet hat. Selbst das können wir jetzt nicht mehr mit Sicherheit wissen, auch wenn der Ausstieg vielen Menschen im Jahr 2007 viel leichter gefallen wäre. In dieser Lage würden grüne Politikerinnen und Politiker sich dem Vorwurf der Uneinsichtigkeit und fehlenden Respekts vor der Mehrheit aussetzen, wenn sie einfach weiter gegen Stuttgart 21 argumentieren. Selbst berechtigte Kritik wird von vielen Medien und vielen Menschen sofort als Beweis dafür interpretiert, dass die Grünen noch immer versuchen, das Projekt zu Fall bringen. Genau das wünschen wir uns natürlich, und genau das dürfen die Grünen auf keinen Fall tun.
Ist nun alles verloren? Ich glaube nicht. Stuttgart 21 kann politisch nicht mehr gestoppt werden. Aber das Projekt kann sehr wohl an seinen eigenen Mängeln scheitern. Die Planungsfehler werden immer offensichtlicher. Die Kostenexplosion ist nur eine Frage der Zeit. Das Projekt ist noch nicht unumkehrbar.
Das hilft dem Südflügel nicht mehr. Und vermutlich auch nicht den Bäumen im Park. Diese traurige Realität muss man hinnehmen, nicht still, aber friedlich. Für den Bahnverkehr besteht aber noch immer Hoffnung. Das Projekt kann aufgegeben, modifiziert oder ergänzt werden. Schon die Debatte um den Filderabschnitt zeigt, dass zumindest die teure Zerstörung der Leistungsfähigkeit des Bahnknotens Stuttgart nicht zwingend real werden muss. Das ist für alle, die den Bahnhof und den Park schützen wollten kein Trost, aber trotzdem wichtig.
Wenn wir uns dieser harten Wirklichkeit stellen, können wir auch mit neuer Kraft fordern, dass die Projektträger sich an Recht und Gesetz halten müssen. Natürlich darf es sich nicht wiederholen, dass ein Gericht feststellt, dass Baumfällungen widerrechtlich erfolgt sind, wenn es die Bäume nicht mehr gibt. Andererseits impliziert die Forderung, dass die Bahn alle Genehmigungen erreichen soll, bevor sie abholzt, dass man das auch akzeptiert, wenn tatsächlich alles rechtssicher entschieden sein sollte. Dabei heißt akzeptieren ja nicht begrüßen. Man kann Baumfällungen auch schweigend betrauern, wenn sie rechtmäßig sind.
Liebe Freunde des Kopfbahnhofs, ich weiß, das vielen von uns das Herz blutet oder das Messer in der Tasche aufgeht, wenn das Abrisswerk im Herzen Stuttgarts nun seinen Lauf nimmt. In vielen Begegnungen höre ich auch, dass zur Enttäuschung mittlerweile die Verletzungen kommen, die sich aus der Häme mancher siegreicher „Proler“ ergeben. Nicht allen ist es gelungen, gute Sieger zu sein. Für die Frage, was diese Bewegung am Ende erreicht hat, wird es eine wesentliche Rolle spielen, ob wir der Versuchung widerstehen, die Niederlage zu verneinen. Als gute Verlierer können wir noch immer viel gewinnen.

„Die Zähne der Baggerschaufeln sind schon gebleckt“

schreiben die SPD-Mitglieder Klaus Riedel und Hermann Schmid
an ihren Parteifreund Nils Schmid und das, obwohl dieser immer wieder versprochen habe, „den Kostendeckel einzuhalten und den Weiterbau von S21 nicht voranzutreiben, solange das gesamte Projekt nicht zweifelsfrei geplant und sicher finanziert ist“.

„Wir SPD-Mitglieder gegen S21 sind nach wie vor viele, und wir werden uns auch weiterhin gegen ein Projekt zur Wehr setzen, das nicht nur der Stadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg, sondern auch unserer Partei schweren Schaden zufügen würde.“

Lesen Sie hier den ganzen offenen Brief

Von Stoffsandalen und Abrissbaggern

Drauf gewartet …
haben sie anscheinend, zumindest eine gewisse Sorte von Medien und deren Klientel, die sich erwartungsgemäß bedienen lässt.
Die „Schuhattacke auf Kretschmann“ wurde hochgespielt.
Der Attackierte jedoch hat sich einen Blick für Verhältnismäßigkeit bewahrt und blieb gelassen: Nur eine Stoffsandale, „man sollte das nicht überbewerten“.
Die Veranstalter der Kundgebung, die am Samstag, 14. Januar – parallel zum Neujahrsempfang der Landesregierung – vor dem Neuen Schloss stattfand, haben sich längst in einer Presseerklärung von dem Vorfall distanziert und um Entschuldigung gebeten.
Bleibt die Frage, die sich verschärft seit der Volksabstimmung stellt: Warum wird ein solches Randgeschehen wie die Schuhattacke groß und breit herausgestellt? Während die gut begründet vorgetragenen Argumente der S21-Kritiker, um die es eigentlich geht, verschwiegen und nicht zur Kenntnis genommen werden.
Nach gut christlicher Maxime – Unterscheidung der Geister – bleiben wir dabei, in der Sache zu argumentieren. Deshalb wird hier ein Statement dokumentiert, das an eben diesem Samstag bei der Kundgebung von dem Richter a.D. und Mediator Christoph Strecker eingebracht wurde:

Einsatz der Polizei zur Zerstörung von Kultur- und Naturdenkmalen: Die Verantwortlichen können sich nicht hinter der Rechtslage verstecken!

Liebe Freundinnen und Freunde der Aufklärung und der Vernunft!

Wenn wir dagegen protestieren, dass unser funktionstüchtiger und kulturhistorisch bedeutender Bahnhof mutwillig demoliert wird, dann berufen die Politiker sich auf die Projektförderungspflicht des Landes, das Baurecht der Bahn und das Ergebnis der Volksabstimmung. Der Hinweis auf die angebliche Rechtslage hat schon oft dazu herhalten müssen, die Vernunft zum Schweigen zu bringen. Das dürfen wir uns nicht so einfach gefallen lassen.

Die Projektförderungspflicht des Landes geht nicht weiter als die Pflicht der Bahn zur Kooperation.
So lange die Bahn sich weigert, ihre Kostenkalkulationen und Risikolisten offen zu legen, ist das Land auch nicht verpflichtet, sich auf unkalkulierbare Risiken einzulassen. Wenn die Landesregierung gleichwohl das Projekt der Bahn fördert, dann tut sie das nicht, weil sie muss, sondern weil sie will.

Durch das Ergebnis der Volksabstimmung wird die Regierung zu gar nichts verpflichtet. Sie wird nur nicht aufgefordert, Kündigungsrechte geltend zu machen. Die Bevölkerung hat in der Volksabstimmung nicht gesagt, sie wünsche eine Verschlechterung der Verkehrsverbindungen, die einen integrierten Zeittakt unmöglich macht; sie hat nicht beschlossen, sie wünsche keinen barrierefreien Bahnhof und Gleise mit einem Gefälle, das den Lokführern Angst macht; schließlich hat sie sich auf die Zusage der Regierung verlassen, den Kostendeckel von 4,5 Mrd. Euro einzuhalten, und sie nicht ermächtigt, ihn anzuheben, wie es jetzt bereits angekündigt wird.
Das Ergebnis der Volksabstimmung zwingt die Regierung also zu nichts.
Wenn sie nun der Bahn bei der Umsetzung ihrer Pläne hilft, dann tut sie das nicht, weil sie muss, sondern weil sie will.

Mit Hinweis auf das Baurecht der Bahn soll nun auch die Polizei eingesetzt werden, um die Zerstörung von Kultur- und Naturdenkmalen auch gegen die demonstrierenden Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen.

Die Bäume genießen jetzt vorübergehenden Schutz dank des Juchtenkäfers und der Fledermäuse. Die Polizei will sich nicht (wieder) dazu hergeben, rechtswidrige Aktionen mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzen.

Dem Südflügel wird dieses Argument nicht helfen. Da müssten die Polizeioberen und Politiker sich schon entschließen, den sich aufdrängenden nächsten Gedanken zu denken und in die Tat umzusetzen, nämlich:
Die Polizei ist auch nicht verpflichtet, sinnlose Aktionen mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzen.
Sollte nämlich der Südflügel abgerissen werden, ehe die gesamte Finanzierung gesichert ist und alle Genehmigungen erteilt sind, kann keineswegs ausgeschlossen werden, dass sich der Abriss als voreilig und überflüssig erweist. Hier hat es den Anschein, dass die Deutsche Bahn durch den Fortgang des Projekts Fakten schaffen will, die es unmöglich machen oder zumindest erschweren sollen, später noch auszusteigen. Damit könnte sie Druck auf die Genehmigungsbehörden ausüben. Auch dazu muss die Polizei sich nicht hergeben.

Die Protestaktionen stehen unter dem Schutz des Versammlungsrechts, das von der Polizei nicht nur zu beachten, sondern auch zu schützen ist und auch geschützt wird. Den Polizistinnen und Polizisten, die in diese Auseinandersetzung geschickt werden, gebührt unsere staatsbürgerliche und menschliche Solidarität. Sie sind unsere Polizei. Manchen kann wohl im Einzelfall mangelnde Rücksicht oder übertriebene Härte vorgeworfen werden; aber für ihren Einsatz als solchen und für die Bedingungen, unter denen sie eingesetzt werden, sind nicht die Polizistinnen und Polizisten, sondern deren Vorgesetzte verantwortlich.

Wenn Demonstrationen einen unfriedlichen Verlauf nehmen, können sie aufgelöst werden.

Sollte der friedliche Widerstand so nachhaltig sein, dass die Polizei vor der Entscheidung stünde, auch unverhältnismäßig harte Mittel einzusetzen, dann müsste sie eine Abwägung zwischen dem Versammlungsrecht und dem Recht der Demonstranten auf körperliche Unversehrtheit einerseits und dem Baurecht der Bahn andererseits treffen. Die Abwägung könnte auch zu dem Ergebnis kommen, dass der Einsatz abzubrechen wäre.

So weit muss und darf es aber gar nicht kommen.
Die Politiker könnten auch entscheiden, das üble Spiel der Bahn gar nicht mitzuspielen.

Die Polizei hat nach dem Polizeigesetz die Aufgabe, „von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist.“ Dabei hat sie „innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheinen.“
Unter öffentlicher Sicherheit im Sinne des Polizeirechts wird die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung“ verstanden. Öffentliche Ordnung ist „die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Zusammenlebens betrachtet wird.“
Wir alle haben das Recht, diese Begriffe mit Sinn und Leben zu füllen. Dann ergibt sich:
Öffentliche Sicherheit und Ordnung sind nicht gefährdet, wenn die  Bahn an einem mutwilligen Zerstörungswerk gehindert wird.
Sie sind gefährdet, wenn ein wesentlicher Teil der Bevölkerung sich wütend und verzweifelt nur noch ökonomischen Interessen von Großunternehmen und Immobilienspekulanten sowie dem undurchsichtigen Kalkül politischer Parteien ausgeliefert fühlt und seiner Mitwirkungsrechte beraubt wird, wie es hier der Fall war und noch ist.

Diese Gedankenskizze beschränkt sich auf einige zentrale Argumente aus Überlegungen, die unter „Polizeischutz für Südflügel“ zu finden sind. Sie kommen zu diesem Ergebnis:

Die Polizei kann nicht verpflichtet sein, den Abbruch des Südflügels und das Fällen weiterer Bäume im Schlosspark gewaltsam gegen den Protest der Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen, solange überhaupt noch nicht feststeht, ob diese Maßnahmen erforderlich sind. Sie sind es nicht, solange nicht alle Hindernisse, an denen die Realisierung des Projekts S 21 noch scheitern könnte, beseitigt sind.

Wenn die Polizei gleichwohl für den Abbruch des Südflügels und das Fällen der Bäume eingesetzt wird, dann geschieht das nicht, weil hierzu eine rechtliche Verpflichtung bestünde, sondern weil die verantwortlichen Politiker das Projekt Stuttgart 21 gegen alle Einwände und Widerstände durchsetzen wollen.

„Juchtenkäfer stoppt S21“

So oder so ähnlich konnte man es in der letzten Zeit in der Presse lesen. Wer die Vorgänge um S21 verfolgt, weiß, worum es geht. Deshalb nur in aller Kürze: Unsere Gesetze schreiben vor, dass beim Fällen von Bäumen oder Abreißen von alten Gebäuden der Artenschutz beachtet werden muss. Konkret geht es um Fledermäuse und Juchtenkäfer, die streng geschützt werden, weil sie vom Aussterben bedroht sind.
Fakt ist, dass bei uns täglich Tierarten aussterben. Das aber kann uns nicht gleichgültig sein. Die biologische Vielfalt von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen ist Grundlage allen Lebens. Sie ist Grundlage auch unserer menschlichen Existenz. Wenn wir dem Artensterben nicht wehren, sägen wir uns den Ast ab, auf dem wir zusammen mit allen Lebewesen sitzen.
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Ein Wort an „Dorle Müller“

Von wegen „Zensur“, wertes Fräulein „Müller“: Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass Kommentare ohne gültige E-mail-Adresse grundsätzlich nicht freigeschaltet werden.
Mit gültiger E-mail-Adresse erhalten Sie zumindest eine Nachricht, wenn  ein Kommentar nicht den Kriterien unter „Wer wir sind“ entspricht. Besser noch: Sie und andere „Dorles“ halten sich gleich an die Regeln.
Grüße vom Administrator

Weihnachtsgottesdienst im Schlossgarten am 26.12.2011, Einleitung von Guntrun Müller-Enßlin

Ein Licht geht uns auf in der Dunkelheit, durchbricht die Nacht und erhellt die Zeit. Licht der Liebe, Lebenslicht, Gottes Geist verlässt uns nicht.

Herzlich willkommen, liebe Parkliebhaberinnen und Parkliebhaber, liebe Gerechtigkeitssucherinnen und Gerechtigkeitssucher, liebe unermüdliche Hoffnungsvolle, zu diesem Gottesdienst am zweiten Weihnachtsfeiertag hier im Stuttgarter Schlossgarten. Schön, dass Sie gekommen sind hierher in das Herz unserer Stadt, um im unversehrten Park, im Stuttgarter Refugium Nummer 1, Gottes Ankunft bei uns durch Jesu Geburt zu feiern.
Am Ende eines Jahrs voller Bewegung ist es Weihnachten geworden.
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S21: Kostenklarheit jetzt ! – Ein offener Brief

Stuttgart, den 19. Dezember 2011

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

die Regierung von Baden-Württemberg hat im Koalitionsvertrag festgelegt, sich beim Projekt Stuttgart 21 im Falle der Überschreitung des vereinbarten Kostendeckels von 4,5 Milliarden Euro an den Mehrkosten nicht zu beteiligen. Wir können nicht erkennen, was die Landesregierung derzeit tut, um die Kosten zu klären, bevor unumkehrbare Fakten geschaffen werden.

Deshalb bitten wir dringend darum, dass die Landesregierung jetzt auf eine Kostenklärung mit der Bahn drängt und damit ihrem Auftrag aus der Wahl vom 27. März gerecht wird. Dazu gehört insbesondere Klarheit über die Konsequenzen aus der Finanzierungsvereinbarung bei Überschreitung der vereinbarten Kosten.

Sie, Herr Ministerpräsident, und wir Bürger haben ein Recht darauf, dass Klarheit und Wahrheit auf den Tisch kommen, bevor Bäume gefällt werden !

Mit freundlichen Grüßen
Prof.  Dr.  Michael von Hauff

Unterstützt von:
Dr. Giselher Birk – Karl-Eugen Fischer – Ulrich Hangleiter – Waltraud von Hauff – Andreas Keller – Martin Klumpp – Volker Lösch – Fritz Röhm – Elisabeth und Frank Schweizer – Walter Sittler
stellvertretend für viele Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger

Friedensappell: Offener Brief an Winfried Kretschmann

Tragen Sie bitte zum Frieden im Land bei!
Genehmigen Sie keinen Polizeieinsatz für das Projekt „Stuttgart 21“,
bevor alle entscheidenden Fragen geklärt sind!

 Stuttgart, 11.12.2011

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Lieber Herr Kretschmann!

ich schreibe Ihnen als Mitglied der Initiative „Theolog/innen gegen Stuttgart 21“. Wir haben im Dezember 2010 in unserer von inzwischen über 1200 ChristInnen unterzeichneten „Gemeinsamen Erklärung“ (www.s21-christen-sagen-nein.org/gemeinsame-erklarung-von-theologinnen/) unsere vielfältigen Bedenken gegen das Projekt „Stuttgart 21“ zum Ausdruck gebracht. Daran hat sich durch den Volksentscheid nichts geändert. Im Gegenteil.

Mit großer Sorge nehme ich die Vorbereitungen der Polizei auf den Abriss des Südflügels und die Fällung der Schlossgartenbäume wahr. Das ist zurzeit weder rechtlich angemessen noch politisch klug. Es wird die demokratische Kultur im Lande nachhaltig beschädigen und unabsehbare Folgen für den Frieden in der Stadt und im Land haben.

Ich bitte Sie dringend: Lassen Sie das nicht zu! Tragen Sie zum Frieden im Lande bei!

Sie wissen doch: Die rechtliche Zukunft von S21 ist völlig ungewiss:

  • Das zentrale Interesse der Stadt Stuttgart an S21, dass die Gleisanlagen des Kopfbahnhofs abgebaut und das Gelände überbaut werden darf, ist gerichtlich noch völlig ungeklärt. Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass mindestens ein Teil der Kopfbahnhofgleise bestehen bleiben muss.
  • Ob die Mischfinanzierung von S21 durch Stadt, Land und Bahn      verfassungsgemäß ist, muss noch gerichtlich überprüft werden.
  • Für den Bau der Grundwassermanagement-Anlage besteht – nachdem die Wasserentnahmemenge mehr als verdoppelt werden soll – noch keine Genehmigung. Sie wurde dort illegal errichtet.
  • Für den Abstell- und Wartungs-Bahnhof Untertürkheim ist das Planfeststellungsverfahren noch nicht abgeschlossen.
  • Für die gesamten Anlagen auf der Filder ist ein Genehmigungsverfahren noch nicht einmal eingeleitet.
  • Nicht zuletzt ist immer noch nicht geklärt, wer ggf. die (unbestreitbar entstehenden) über 4,5 Mrd. hinaus gehenden Kosten trägt.

In einer rechtlich derart offenen Situation – von den unverändert katastrophalen Mängeln des Projekts selbst ganz zu schweigen – ohne Not ein Baurecht der Bahn mit massivem Polizeieinsatz durchzusetzen, dient auf keinen Fall dem Frieden, sondern stellt eine unangemessene Verschärfung der ohnehin labilen Situation dar.

Denn auch der Volksentscheid hat ja keineswegs eine klare Mehrheit für den Weiterbau ergeben. Vielmehr hat sich landesweit fast die Hälfte der Abstimmenden dagegen ausgesprochen.

Und das, obwohl der Volksentscheid eben gerade kein Beispiel für gelungene Demokratie war. Vielmehr werden auch Sie sagen müssen: So etwas darf nie wieder vorkommen:

  • dass ein Volksentscheid mit Millionenbeträgen aus der Wirtschaft      beeinflusst wird,
  • dass in unglaublichem Umfang öffentliche Körperschaften (Rathäuser, Gemeinderäte, Landratsämter, Regionalparlamente) mit einseitigen und falschen Darstellungen Einfluss auf die Abstimmung nehmen,
  • dass selbst von staatlicher Seite aus eine Lüge zum Hauptargument der Abstimmung erhoben wird (die Behauptung, die Ausstiegskosten betrügen für den Steuerzahler 1,5 Milliarden).

Deshalb fordere ich Sie so dringend wie herzlich auf, die Durchsetzung des Baurechts der Bahn zu verschieben, bis alle erforderlichen Fragen gerichtsfest geklärt sind – zumindest aber, bis mit rechtsgültiger Unterschrift die Frage der Übernahme von Mehrkosten definitiv geregelt ist.

Das Baurecht – zumal, wenn es nur zu einem kleinen Teil überhaupt besteht – ist nicht das höchste Recht eines Landes, dem sich alle andern Rechte unterzuordnen hätten (z.B. das des Landes auf Kostenklarheit und -wahrheit). Zumindest hat es zurück zu stehen, wenn es nicht auf für einen demokratischen Rechtsstaat angemessene Weise durchzusetzen ist. Und das ist in der aktuellen Situation nicht gegeben. Eine Landesregierung hat auch eine Verantwortung für den Frieden im Land. Nehmen Sie bitte diese Verantwortung wahr!

Mit freundlichen Grüßen
Martin Poguntke

PS:  Dieser Brief wird mit unterstützt von:
Friedrich Gehring, Michael Harr, Dieter Hemminger, Annette Keimburg, Gunther Leibbrand, Guntrun Müller-Enßlin, Wolfgang Schiegg, Martin Schmid-Keimburg, Dorothea Ziesenhenne-Harr.
Er geht an einen breiten Presseverteiler und an verschiedene Internetseiten.

Brief eines SPD-Mitglieds an die SPD-Spitze

Nein, liebe Leute in Stuttgart! Jetzt ist noch keine Zeit zur Versöhnung! Jetzt ist es höchste Zeit, dass ihr euch bei den S21-Gegnerinnen in der Partei entschuldigt, die ihr systematisch verschwiegen, nicht ernst genommen, unfair behandelt und unterdrückt habt! Ihr habt in unverschämter Sturheit den Geist von Willy Brandt verraten („Mehr Demokratie wagen“); ihr habt geschönte und getrickste Verträge akzeptiert und durchgeboxt (auch noch, als entlarvt wurde bei den Oettinger-Papieren, dass die SPD hinters Licht geführt wurde, um bei der Stange zu bleiben; selbst da habt ihr keinerlei Zweifel an den Verträgen geäußert!!!). Und jetzt tut ihr so bei eurem Presse-Statement am 28.11.2011 stehend, geschmückt im Hintergrund mit großen Willy-Brandt-Plakaten, als sei euch die ehrliche Demokratie ein aufrichtiges Anliegen: an Heuchelei und Geschmacklosigkeit kaum noch zu überbieten!!

Was mich ganz fassungslos macht bei eurem Verhalten: durch euer Agitieren mit der CDU und der FDP und Wirtschaftsleuten u.a. zusammen hat die Mehrheit unsrer Bürgerinnen nun akzeptiert, dass das Gebot „Du sollst nicht lügen“ keinen Normwert mehr in unsrer Gesellschaft hat. Ihr habt jede Verlogenheit bei den geschönten Verträgen und beim Wahlkampf u.a. mitgemacht; wir können nun weiterhin davon ausgehen, dass wir nur noch belogen werden.

Diese Tatsachen machen viele Menschen so wütend, und lassen sie an unsrem demokratischen System verzweifeln, weil wir auf Schritt und Tritt erfahren, wie durchfilzt und verlogen es bei uns (z. Bsp. bei den S21-Abstimmungen) zugeht. Deshalb kann der Protest nicht aufhören! Wenn ihr das nur einmal begreifen würdet! Die SPD-Spitze (ich vermeide es als SPD-Mitglied zu sagen „unsre Genossinnen“, weil ich mich mit unsren ursozialdemokratischen Werten verraten fühle nach fast 40-jähriger Mitgliedschaft von euch an der Spitze und im Parlament) muss lernen, bußfertig zu werden und schwere Fehler zuzugeben und sich zu entschuldigen, unseriöse Beschlüsse mit verantwortet zu haben, statt dieselben anzuprangern und auf ehrlichen Beschlussvorlagen zu beharren!

Ich möchte gar nicht eingehen auf die Details, die dieses größenwahnsinnige und nicht für Bahnkundinnen gedachte Projekt an Ungereimtheiten und Risiken in sich hat. Mir geht es vor allem um das grundsätzliche Umgehen mit Entscheidungsunterlagen, die den Grundregeln der Demokratie in keiner Weise entsprechen (geschönt, getrickst, gemauschelt, unehrlich…), und der eigentliche Skandal ist, dass ein großer Teil von den Politikerinnen daran keinen Anstoß nehmen!

Statt sich in einer Art Aufschrei alle solidarisch miteinander gegen die Aushöhlung und Beschädigung von Demokratie und für ehrliche demokratische Prozesse und Abstimmungen einzusetzen! Auf diese Ehrlichkeit sind Sie/seid ihr doch alle vereidigt worden!!

Und dann, wenn geschönte und getrickste Verträge beim Volk eine Mehrheit finden (ihr sagt dazu in dem Schreiben: „das Volk hat Klarheit geschaffen“), sich damit noch brüsten und mit Häme den Leuten begegnen, die all’ die Jahre auf Seriosität, Transparenz und Ehrlichkeit gepocht hatten.

Die „Klarheit“ ist auch wieder durch spekulative Zahlenangaben und getrickste Informationen entstanden. Kann man sich darüber wirklich freuen?

(Z. Bsp. fand ich die Art und Weise der Publikumsreaktion am 27.11. abends im SWR bei der Befragung von Herrn Kretschmann äußerst beschämend und schäbig, als Herr Kretschmann zugab, wie hart ihm dieses Abstimmungsergebnis falle. Diese hämischen, völlig unfairen und von keinem menschlichen Anstand geprägten Reaktionen der Zuhörenden taten richtig weh.).

Ihr merkt, wie empört ich bin, und ich bitte euch inständig, die sozialdemokratische Geschichte zu lesen, und die Anliegen von Willy Brandt zu studieren (Regierungserklärung vom 28.10.1969!).

Wenn ihr aber so weitermacht, könnt ihr mit einer Austrittswelle rechnen, die die SPD marginalisiert und nicht mehr als wählbar erscheinen lässt bei uns im „Ländle“!

Ich habe schon bei der Landtagswahl „grün“ wählen müssen, weil ihr nicht mehr glaubwürdig und vertrauenswürdig für mich und viele andere gewesen seid. Das werde ich auch weiterhin tun müssen, euer unsozialdemokratisches Verhalten zwingt bis heute mich dazu! Es sei denn, ihr ändert euch und werdet einsichtiger.

Seit vielen Monaten ist mir eine Gebetsbitte zur Richtschnur meines Handelns geworden, die ich in einem zufällig besuchten Gottesdienst hörte: „Gott, lass uns lauter schreien, als die, die Lügen verbreiten!“ Ich würde es sehr begrüßen, wenn ihr euch dieser Handlungsmaxime, auch bei einem S21-Projekt, anschließen könntet!

Vielleicht erhalte ich dieses Mal wenigstens eine Bestätigung, dass mein Schreiben bei euch angekommen ist. Die mannigfachen Schreiben im Laufe dieser Jahre von mir wurden in keiner Weise für mich sichtbar registriert und beantwortet. Ein unhöflicher Umgang mit Mitmenschen und ihren Schreiben, der auch bitter macht!!!

Mit freundlichen Grüßen, Monika Epting-Weismann

P.S. Auch für die S21-Befürworter steht fest, dass sie das Quorum nicht erreicht haben!

Paul Schobel, Betriebsseelsorger, 101.Montagsdemo 28.11.11

Nach Scherzen ist uns heute abend wahrlich nicht zumute. Aber mit Verlaub gesagt: Lieber hätte ich heute ein Staatsbegräbnis erster Klasse arrangiert und eine fulminante Grabrede auf S 21 gehalten. Ein paar Krokodilstränen für die trauernden Angehörigen gratis dazu – und dann ab mit der Kiste, mit Pauken und Trompeten tiefer gelegt. Soweit man eben einen Tiefbahnhof überhaupt tiefer legen kann.

Statt dessen ist nun eingetreten, was zu befürchten war: Das Volk folgte mehrheitlich den Trommeln und Schalmeien der Befürworter und will nun K 21 versenken und dem Aktionsbündnis das Totenglöcklein läuten.

Aber so wie ich Euch heute vor mir sehe, sind wir noch lange nicht tot.
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Das „Wunder“ gab es nicht


Für die Gegner von S21 war diese Volksabstimmung eine Niederlage, eine krachende Niederlage. Selbst in Stuttgart, das ist wahrhaft überraschend, errangen die Gegner des Bauprojekts keine Mehrheit, sieht man von den Innenstadtbezirken ab …
Vielleicht bekommt die schwäbische Landeshauptstadt jetzt ihr unfassbar teures … ICE-U-Bahnhöfle.

Nun kam es aber richtig, wirklich verblüffend bitter für die S21-Gegner: Quorum nicht erreicht, nicht mal die einfache Mehrheit für den Ausstieg erreicht. Zwar hatten die außerparlamentarischen S21-Gegner die Volksabstimmung … schon immer als Farce eingeschätzt, weil sie keine realistische Siegchance hatten. Aber dass sie so verlieren würden, das hatten auch sie nicht erwartet.

… zum grünen Ministerpräsidenten: Drollig ist seine Einschätzung, dass man durch den Volksentscheid sehr viel gewonnen habe. Weil er ein Schritt hin zur Bürgergesellschaft sei, ein „Mehr“ an direkter Demokratie. Wie bitte? …
Winfried Hermann und Winfried Kretschmann: … Ihre Regierungspartei ist nun der Juniorpartner in der grün-roten Koalition.
Die CDU hat sich gerächt für die historische Wahlschlappe vom März. Die Bahn darf nun bauen. Aber es ist ein bitterer Sieg.
Dieser 27. November 2011 ist für niemanden ein Tag der Freude. Er bringt der Stadt keinen Frieden.

Lesen Sie den ganzen Kommentar von Arno Luik, www.stern.de, 27.11.2011

Martin Klumpp, Prälat i. R.: JA zum Ausstieg !

Liebe Bürgerinnen und Bürger, Freundinnen und Freunde unserer Stadt !

„Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“. Sie kennen dieses Wort.  Nach biblischer Tradition kommen der „Obrigkeit“, also Stadt und Staat, drei wichtige Aufgaben zu, auf die sie sich konzentrieren sollen. Ich nenne sie.
1. Stadt uns Staat schaffen eine Atmosphäre, in der Menschen Heimat finden.
2. Stadt und Staat achten auf Gerechtigkeit für alle.
3. Stadt und Staat stehen für den Frieden.
Wenn man Stuttgart 21 an diesen Zielen misst, ist die Planung in allen Punkten durchgefallen.
Wir geben Stadt und Staat das, was sie von uns brauchen: Unser Engagement.
Deshalb: Ja zum Ausstieg, Ja zum Oben Bleiben!
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‚Ethisch optimaler’ contra ‚wirtschaftlich optimaler’ Umgang mit nicht optimalen Menschen

Statement bei der Veranstaltung
„K21 – der barrierefreie Kopfbahnhof –> deshalb oben bleiben – eben bleiben“
am 27. September 2011
(alle Statements der Veranstaltung: vimeo.com/29684416)
(dieses Statement: www.youtube.com/watch)

Die ethischen Kriterien des Statements kurz zusammengefasst: 
1. Alle Menschen sind beschränkt.
2. Vielfalt an Leben ist ein zentrales Ziel.
3. Die Schwachen stehen im Mittelpunkt.
4. Der Einzelne steht im Mittelpunkt.
5. Gesellschaftliche Wertschöpfung muss in erster Linie dem Menschen dienen, nicht umgekehrt – und zwar dem unterstützungsbedürftigen Menschen.

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter 
für einen menschlichen Bahnhof und eine menschliche Zukunft!
Ich soll hier ein paar ethische Gedanken zum Thema sagen. Da muss ich Sie aber gleich enttäuschen: Ich kann Ihnen da keine allgemeingültige Ethik bieten, weil man Wertentscheidungen nicht logisch ableiten kann. Über Ethik nachdenken heißt, darüber nachdenken, welche Wertentscheidungen man warum getroffen hat oder gerne treffen will. Ich kann hier – als evangelischer Pfarrer – entsprechend nur von dem ethischen Begründungszusammenhang ausgehen, der meine – eine christliche – Ethik prägt.
Ich denke aber, dass das auch für diejenigen unter Ihnen, die mit Kirche nichts anfangen können oder die sich an ganz anderen Kulturen orientieren, eine interessante Anregung ist. Das will ich tun: Sie anregen.
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JA zum Ausstieg aus Stuttgart 21