KEIN Parkgebet am 18. April 2024

Das für Donnerstag, 18. April angekündigte Parkgebet muss leider ausfallen. Wegen des verdi-Streiks – den wir im Übrigen für voll und ganz berechtigt und notwendig halten – können zu viele unserer Besucher*innen nicht auf angemessene Weise in den Stuttgarter Schlossgarten gelangen.

Wir bitten deshalb um Verständnis.

Weitere Termine des Parkgebets finden Sie demnächst auf dieser Seite.

Ihr Parkgebets-Team

Weihnachtsgottesdienst im Park 2023

Auch dieses Jahr haben wir es wieder geschafft, am 2. Weihnachtstag im Mittleren Schlossgarten einen kleinen Gottesdienst anzubieten.

Hier der Link zur Video-Aufnahme:
https://www.youtube.com/watch?v=aV1HPoYd1J0

Wer die Ansprache von Pfarrer i.R. Martin Poguntke (noch einmal) nachlesen möchte: Hier ist sie als pdf-Datei.

Weihnachtsgottesdienst im Park

Herzliche Einladung…

…auf den 2. Weihnachtsfeiertag, 26.12.2023 um 11 Uhr in den Schlossgarten!
Auch dieses Jahr findet der Weihnachtsgottesdienst im Mittleren Schlossgarten, östlich der 21-Baustelle, in der Nähe von Lusthausruine und Biergarten statt. 

Das bewährte Parkgebets-Team um Jutta Radicke hat den Gottesdienst auch dieses Jahr vorbereitet. Wie gewohnt können wir uns auch wieder auf die musikalische Begleitung durch das „Parkblech“ freuen. Die Ansprache hält dieses Jahr Pfarrer i.R. Martin Poguntke.

Die Probleme und Betrügereien rund um Stuttgart 21 werden zurzeit immer deutlicher. Um darauf mit gewohnt engagiertem Widerstand zu reagieren, braucht es weiterhin wache und einsatzfreudige S21-Gegner*innen.

Herzliche Einladung deshalb, neue Kraft zu schöpfen für den Widerstand gegen das zerstörerische Projekt S21 – auch im neuen Jahr und noch viele, viele Jahre… 

Weihnachtsgottesdienst im Park

Zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Krise gibt es dieses Jahr wieder einen Weihnachtsgottesdienst im Park.

Herzliche Einladung…

…deshalb auf den 2. Weihnachtsfeiertag, 26.12.2022 um 11 Uhr in den Schlossgarten!
Wie gewohnt findet der Weihnachtsgottesdienst im Mittleren Schlossgarten, östlich der zerstörerischen S21-Baustelle, in der Nähe von Lusthausruine und Biergarten statt. 

Für dieses Jahr haben wir uns etwas Neues überlegt: Wir wollen einen Gottesdienst feiern, in dem – neben der Weihnachtsgeschichte nach Lukas 2 – vor allem das Singen im Mittelpunkt stehen wird. So soll ausgiebig Gelegenheit sein, miteinander viele, viele vertraute Weihnachtslieder zu singen.

Das bewährte Parkgebets-Team um Jutta Radicke hat den Gottesdienst vorbereitet. Und wie gewohnt können wir uns wieder auf die musikalische Begleitung durch das „Parkblech“ freuen.

Herzliche Einladung dazu an alle S21-Gegner*innen, im gemeinsamen Hören der Weihnachtsgeschichte und Singen der altbekannten Lieder, neue Kraft zu schöpfen für den Widerstand gegen den „KlimaSkandal21“ – auch im neuen Jahr und noch viele, viele Jahre… 

Parkgebetsansprache am 17.3.2022 von Pfr.i.R. Martin Poguntke

(hier als pdf-Datei)

(Leider konnte diese Ansprache aus Krankheitsgründen nicht „live“ im Schlossgarten gehalten werden, sondern kann nur hiermit schriftlich zur Verfügung gestellt werden.)

Liebe Parkgebetsgemeinde,

„Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt.“

Dieser Ausspruch von Bert Brecht liegt einem in diesen Tagen und Wochen des Ukraine-Kriegs wieder einmal schrecklich nahe. Wie könnte ich heute, im Parkgebet über Bäume und Züge und Gleise reden – und schweigen über den Krieg und das namenlose Elend, das die Menschen in der Ukraine seit dem 24. Februar erleiden müssen! Ich schalte manchmal die Nachrichten aus, weil ich es nicht mehr ertragen kann, zu hören und zu sehen, was die russischen Soldaten da in den Städten und Dörfern der Ukraine an Verbrecherischem anrichten.

„Gib Frieden, Herr, gib Frieden!“ möchte man mit dem Liedtext schreien. Aber so einfach ist es nicht, denn Gottes einzige Hände sind unsere Hände. Was nicht durch uns oder andere geschieht, geschieht gar nicht.

Und da frage ich mich: Aber was soll denn, was kann denn, was muss denn geschehen, damit dieses Elend so schnell wie möglich aufhört? Und es fällt mir so wenig ein, was jetzt noch hilft, nachdem die Dinge seit Jahrzehnten schon in die falsche Richtung gelaufen sind und jetzt erst im Grunde die angehäuften Fehler explodieren.

In Kriegszeiten sehnen sich die Menschen verstärkt nach klaren Wahrheiten, habe ich dieser Tage gelesen. Kriegszeiten scheinen nicht die richtigen Zeiten zu sein für Differenzierungen, für kritisches Beleuchten von allen Seiten – auch nicht für kritisches In-den-Spiegel-Schauen.

Wenn ein Mörder den Abzug der Pistole betätigt oder ein Präsident einen Krieg befiehlt, ist sofort klar, wer der Täter ist. Und es reicht scheinbar, zu wissen, wer letzten Endes das Böse getan hat. Aber Wahrheit ist mehr; Wahrheit ist das ganze Bild; zur Wahrheit gehört die ganze Geschichte, die zu dem heutigen Punkt geführt hat.

Ein Bekannter von mir sagte neulich, als ich eine unerfreuliche Geschichte über einen gemeinsamen Bekannten erzählte: „Zu jeder Geschichte gibt es mindestens eine zweite.“ Und er wollte damit deutlich machen: Glaube nicht, du wärst einem Ereignis oder gar einem Menschen bereits gerecht geworden, wenn du eine Geschichte von ihm erlebt hast. Diese eine Geschichte wird nicht unwahr, wenn es eine zweite gibt oder eine dritte, vierte, die ein ganz anderes Bild zeichnen. Keine einzelne Geschichte ist die Wahrheit, sondern nur alle gemeinsam. Und diese Wahrheit ist voller Spannungen und Widersprüche – das gilt es auszuhalten und nicht zu glätten, zu harmonisieren, zu banalisieren.

Ich glaube, von Max Frisch stammt, sinngemäß, der Ausspruch: „Sobald ich mir ein Bild von einem Menschen gemacht habe, ist die Liebe tot.“ Die Wahrheit über einen Menschen ist immer viel, viel mehr als das, was ich an ihm sehe. Und mehr als die ganze Familie und Nachbarschaft und die ganze Stadt sehen. Die Wahrheit ist die ganze Geschichte, auch die Geschichte der Eltern und Vorfahren und Urahnen. Ohne alles das miteinzubeziehen, gehe ich an der Wahrheit vorbei.

Liebe Parkgebetsgemeinde, da frage ich mich nun: Ist dann nicht alles aussichtslos? Ich mag dann viele kleine Wahrheiten über einen Menschen oder ein Ereignis wahrnehmen und in mein Denken einbeziehen – aber „die“ Wahrheit werde ich nicht finden.

Im Johannesevangelium lässt Johannes Jesus sagen: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Johannes hat Jesus diesen Satz in den Mund gelegt als eigenes Glaubensbekenntnis. Johannes will damit sagen: In dir, Jesus, sehe ich Gott. In dir, Jesus, spüre ich das, was nur Gott sein kann: das allumfassende Leben, der Weg zu wirklichem Leben und eben: die Wahrheit, die ganze Wahrheit, die hinter der ganzen Menschengeschichte steckt und die allein Mensch und Welt gerecht wird.

Wenn das so ist, dass wir die Wahrheit selbst nicht erkennen können, dann müssen wir mit den Wahrheiten(!), die wir nur erkennen können, anders umgehen: demütiger, bescheidener.

Seien wir demütig, hüten wir uns vor zu schnellem Urteil, gegenüber Menschen, vielleicht sogar vor jedem Urteil. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass es angemessen ist, ist meist ausgesprochen gering.

Demütiger und bescheidener muss das sein, was wir an Urteilen aussprechen – und selbstkritisch. Denn wenn die Wahrheit nur die ganze Wahrheit sein kann, dann sind auch wir selbst immer Teil der Wahrheit. Sprich: Ich sollte immer fragen: Was ist denn mein eigener Anteil an der aktuellen Situation? Was habe denn ich dazu beigetragen oder unterlassen, dass es dazu gekommen ist? Wie sehr bin ich selbst denn verwickelt auch in das Leben der Menschen, über die ich so schnelle Urteile fälle?

Demütig und selbstkritisch muss das sein, was wir an Urteilen aussprechen – und liebevoll. Denn wenn die Wahrheit Gott ist, von dem ich mir Vergebung meiner Verfehlungen erhoffe – dann muss dieser Gott und diese Wahrheit eine liebevolle sein: eine Wahrheit, die liebevoll mein eigenes Leben beurteilt und wegen der auch ich liebevoll das Leben anderer beurteile – und es damit gar nicht beurteile, sondern liebevoll unbeurteilt so stehenlasse, wie es ist.

„Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet!“ Das ist die direkte Konsequenz aus der Erkenntnis, dass wir die Wahrheit nicht haben, sondern dass die Wahrheit das für uns nicht erkennbare und erreichbare Ganze ist, das wir so mutig und ahnungslos „Gott“ nennen.

Scheinbar sind wir nun ganz weit weg von dem Krieg in der Ukraine gelandet, aber nur scheinbar. Denn auch für die Beurteilung dessen, was dort geschieht, gilt: Wir erkennen nur Teilwahrheiten, die ganze Wahrheit bleibt uns unerreichbar. Und deshalb sollten wir auch über diesen Krieg demütig, selbstkritisch und liebevoll urteilen.

Ich denke: Wir (die Friedensbewegung, zu der ich mich rechne) müssen zurzeit sehr aufpassen, dass wir drei Fehler nicht machen: 1. nicht zu Falken werden, sondern demütig unablässig Wege zur Deeskalation suchen, statt die Rüstungsspirale anzukurbeln, 2. selbstkritisch unsere eigene Verflochtenheit nicht ausblenden, 3. den „Gegner“ nicht zu dämonisieren, sondern – liebevoll – darum bemüht bleiben, auch im „Gegner“ einen Menschen zu sehen – vielleicht einen gefährlichen, brutalen Menschen, aber einen Menschen.

Ich würde mich überschätzen und übernehmen, wenn ich hier jetzt hinstehen würde und fertige Friedens-Konzepte oder -Rezepte vorstellen würde. Das habe ich natürlich nicht; was ich sage, ist nur Stückwerk, nur ein Teil dessen, was gesagt gehört. Aber was ich habe und sagen möchte, ist eine Richtung: die Richtung, dass wir auch den Russen die Hände reichen, dass wir Brücken auch zu ihnen bauen, dass wir Vertrauen wieder herzustellen versuchen – Vertrauen, das die NATO in den letzten Jahrzehnten mutwillig zertrampelt hat.

Nicht dass wir naiv übersehen sollten oder auch nur übersehen dürften, welche Fehler und bösartigen Entwicklungen Russland in den letzten Jahrzehnten gemacht hat. Aber dass wir demütig, selbstkritisch und liebevoll erkennen, was auch auf unserer Seite an Fehlern und bösartigen Entwicklungen geschehen ist. Und vor allem: dass wir aufhören, in den Kategorien von Freund und Feind zu denken.

So nähern wir uns dem, dass die Wahrheit, das Ganze ist, indem unsere Sorge und Fürsorge dem Ganzen zu gelten hat: der ganzen Welt, dem ganzen Leben, allen Menschen, die alle Teil der großen Wahrheit sind.

Und dann macht es auch wieder Sinn, über Bäume und Züge und Gleise zu reden: weil ein pfleglicher Umgang mit der Schöpfung auf geradem Weg zu einem pfleglichen Umgang mit denen führt, die man uns zu „Feinden“ zu machen versucht. Auch unser Engagement für einen klimafreundlichen Bahnhof und einen klimafreundlichen Zugverkehr in einer klimafreundlichen Stadt, Land, Welt ist ein Beitrag zum Frieden. Nicht nur, weil wir dann nicht mehr von den Rohstoffen von Diktatoren abhängig sind, sondern weil wir dann den weltweit immer bedrohlicher werdenden Streit um Ressourcen entschärfen.

Woher wir die Kraft nehmen sollen für dieses Engagement? – Meine Erfahrung ist: Wenn man sich gemeinschaftlich, wie wir das z.B. im Parkgebet immer wieder tun, mit Gott, dem Ganzen, der Wahrheit verbunden fühlt, dann erwächst einem daraus Kraft, ganz erstaunliche Kraft zum Brückenbauen. Eine Kraft, die übrigens auch in vielen gar nicht bewusst christlich motivierten Friedens- und Ökologie-Gruppen sichtbar wird. Eine Kraft, die aus dem Ganzen kommt, das man keineswegs „Gott“ nennen muss – aber „Gott“ nennen darf.

Diese Kraft wünsche ich Ihnen und mir immer neu. Amen.

Digitaler Weihnachts-GD am 26.12.2021, 11 Uhr

  • Instrumental-Vorspiel: Tochter Zion

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  • Begrüßung

Seien Sie ganz herzlich willkommen bei diesem Weihnachtsgottesdienst auf unserer Internet-Seite! Wir freuen uns, dass wir in diesen Corona-Zeiten wenigstens auf diesem Wege einen gemeinsamen Gottesdienst feiern können.
Wir haben dazu für Sie vier pdf-Dateien vorbereitet, die Sie für sich ausdrucken oder auf den Bildschirm rufen können (klicken Sie einfach die blauen Titel an):
– ein Liedblatt, das alle Lieder enthält, die wir miteinander singen.
– ein Textblatt mit dem gesamten Ablauf des Gottesdienstes und allen Gebeten etc.
– die Ansprache
Zwei Weihnachtsgeschichten:
1. wie Lukas sie etwa im Jahre 80 geschrieben hat und auf die sich die Ansprache bezieht
2. wie sie heute geschrieben worden sein könnte (lassen Sie sich überraschen!)

  • Gruß
  • Erstes Gemeindelied: Vom Himmel hoch (EG 24, 1–3+6)

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  • Eingangsgebet
  • Zweites Gemeindelied: Hört, der Engel helle Lieder (EG 54, 1–3)

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Liebe Weihnachtsgemeinde!

„Hört der Engel helle Lieder“, haben wir eben gesungen. Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht. Aber für mich haben Advent und Weihnachten und diese ganzen Lieder, Geschichten und Symbole drumherum eine eigenartige Faszination: im Advent der immer hellere Kranz – erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier. An Weihnachten ein kleines Kind, schutzlos in der Kälte; dunkle Nacht und helle Sterne; arme Hirten und ihre Schafe.

Ich glaube, das ist mehr als romantischer Kitsch, was uns da berührt. Mit den Mehr-werdenden Kerzenlichtern spüren wir unwillkürlich etwas von der Mehr-werdenden Hoffnung. Mit dem schutzlosen Kind schwingen Gedanken und Empfindungen mit an Zukunft, Leben, Hoffnung auf Geborgenheit. Mit der Nacht schwingen Gedanken an die Dunkelheit der Welt mit, das Elend von Flüchtlingen, die immer zahlreicher werdenden Opfer der nahenden Klimakatastrophe, auch das ökologische Elend, das die Gewinnsucht mit diesem S21-Immobilienprojekt anrichtet. Und mit den fernen aber hellen Sternen spüren wir ganz tief drinnen ein klein wenig Hoffnung keimen, dass das Dunkel ein Ende haben könnte, dass es hell werden könnte in der Welt.

Ich wage das alles fast nicht zu sagen, weil ich fürchte, dass so zarte Gefühle und Hoffnungen gleich wieder zerfallen, wenn wir sie in Worte fassen, sie aus dem Schutz unserer Seelen ans Tageslicht zerren. Lassen wir sie unten, tief in uns drinnen, unsere Hoffnungen, die uns rund um Weihnachten so eigentümlich warm und milde machen.

Vielleicht scheut sich auch der eine oder die andere unter Ihnen, dass solche Gefühle doch mit der eigentlichen Weihnachtsbotschaft gar nichts zu tun haben, mit Jesus und Gott und „Christ der Retter ist da“.

Aber täuschen wir uns nicht! Wir sind ganz dicht dran an der Sache. Denn dieses kleine Jesuskind, feiern wir ja, weil es später – als Erwachsener, als Wanderprediger – für elementare Werte und Aussagen gestanden hat: Menschlichkeit, Friedenshoffnung, Vergebung, Würde der Kleinen Leute, Gegnerschaft gegen Herrschaftsmissbrauch. Auch, wenn wir nur ganz wenig über die historische Figur Jesus wissen – aber sie muss beeindruckend gewesen sein. Er scheint in einzigartiger Weise seine Hoffnung auf eine gute Zukunft nicht nur in Geschichten erzählt zu haben, sondern er scheint das wirklich gelebt, selbst verkörpert zu haben, mit einer ergreifenden Glaubwürdigkeit, bis zum Selbstopfer.

„Schalom“ wurde diese Zukunftshoffnung Jesu in der Hebräischen Bibel genannt; und gemeint war ein Friede, der nicht nur Waffenstillstand bedeutete, sondern Gerechtigkeit für Mensch und Natur, Gerechtigkeit aus der Perspektive der Kleinen Leute.

Jesus hat diese Welt „Reich Gottes“ genannt, diese Welt, die endlich nicht mehr das Reich des Geldes und der Mächtigen sein sollte, sondern das Reich der Schöpferkraft, von der er der festen Überzeugung war, dass sie im Kern Liebe und Leben war.

Seine „Follower“ würde man heute vielleicht sagen, folgten ihm damals nicht durch einen einfachen Maus-Klick, sondern, indem sie ihre Familien für ihn verließen und leibhaftig mit ihm zogen. Und diese Nachfolger waren nicht einfach nur beeindruckt von ihm, sondern sie fanden: Genau diese Eigenschaften hatten sie immer von Gott, dem letzten Grund, warum es überhaupt die Welt gibt, geglaubt: so liebevoll, menschlich, gerecht, zukunftsgerichtet, auf Seiten der Schwachen. Deshalb waren sie so ergriffen von Jesus, weil sie das Gefühl hatten: An diesem Menschen sehen wir leibhaftig, was wir bislang immer nur von einem unsichtbaren Gott geglaubt hatten. Deshalb nannten sie ihn auch „Sohn Gottes“ – nicht, weil er etwa nicht von Josef und Maria gezeugt worden wäre. Im jüdisch-christlichen Glauben gibt es keine solchen biologischen Gottes-Sohn-Vorstellungen, sondern es war ein Würdetitel, den sie ihm damit gaben, um zu sagen: Dich erleben wir als einen, der außergewöhnlich tief erfüllt ist von der Kraft, die die Welt hervorgebracht hat und erhält.

Ob sie damit recht hatten? Wer will das sagen? Und als Jesus dann schließlich durch einen Justizmord umgebracht worden war, da wäre das Ganze nach menschlichem Ermessen eigentlich auch zu Ende gewesen: ein beeindruckender Mensch, schön, ihm begegnet zu sein, aber jetzt ist er tot.

Das Überraschende war aber, dass seine Nachfolger auch nach seinem Tod – mehr noch als vorher – eine Kraft in sich spürten und einen Mut, von dem sie der Überzeugung waren: Das ist die Kraft von Jesus. Ein wenig vergleichbar damit, wenn die Anhänger von Che Guevara „Presente!“ sagten, um auszudrücken, dass auch sie seine Gegenwart noch spürten – freilich lediglich die Gegenwart eines Mitkämpfers und nicht die von jemandem, an dem sie den Urgrund der Schöpfung wahrnahmen.

Und dann haben die Anhänger Jesu einen interessanten Denkschritt getan. Sie haben sich gesagt: Wenn die Kraft von Jesus durch seine Ermordung nicht totzukriegen war, musste das nicht daran liegen, dass seine Überzeugungen nicht einfach die Überzeugungen eines Privatmenschen waren, sondern, dass in diesen Überzeugungen eine grundsätzliche Wahrheit steckte, eine Wahrheit der Welt gewissermaßen? Und dass – auch 2000 Jahre nach seinem Tod – noch unzählige Menschen einfach nicht loskommen von diesem als Kind im Stall geborenen Überzeugungstäter, ist das nicht ein Hinweis darauf, dass man von Jesus zurecht so besonders denkt?

Gewagte Thesen. Ob an ihnen etwas Wahres ist? Das ist, wie so Vieles nicht zu beweisen. Es gibt so viele auch fragwürdige Überzeugungen, die ebenfalls viele, viele Anhänger haben. Die Zahl der Anhänger sagt gar nichts. Es glauben ja auch viele, dass es Corona nicht gebe.

Weil sich Wahrheit oft nicht belegen lässt – weil wir nicht genügend Fachwissen haben oder weil es grundsätzlich nicht geht –, habe ich mir ein wenig angewöhnt zu fragen: Was macht diese oder jene Überzeugung aus einem? Wie verändert es Menschen, wenn sie dieser oder jener Überzeugung anhängen? Und da muss ich sagen: Trotz scheinheiligen Kreuzzügen und bösartigen amerikanischen Fundamentalisten, hat der christliche Glaube doch im Großen und Ganzen eine erstaunlich positive Wirkung auf Menschen.

Aber auch das nur ein kleiner Hinweis und natürlich kein Beleg dafür, dass sich hinter diesem Glauben etwas verbirgt, von dem man ganz vorsichtig sagen kann, dass es etwas von Wahrheit haben könnte. Kein Beweis, keine Gewissheit. Es bleibt dabei, dass Glauben ein Wagnis ist, es mit einer Überzeugung zu versuchen, ohne Absicherung, ganz vorsichtig, Schrittchen für Schrittchen.

Um dieses vorsichtige Glauben-Versuchen geht es auch dem Evangelisten Lukas. Er wollte ja mit seiner Weihnachtsgeschichte keinen Polizeibericht schreiben, wie es wirklich war, damals bei der Geburt Jesu. Das wusste er ja auch gar nicht, er war ja gar nicht dabei, hat Jesus ja erst viel später kennengelernt und sein Evangelium und diese Weihnachtsgeschichte erst 80 Jahre nach Jesu Geburt geschrieben. Nein, seine Weihnachtsgeschichte ist ein kleines Glaubensbekenntnis in Geschichten-Form.

Er lässt Jesus, der vermutlich in Wirklichkeit in Nazareth geboren ist, in Bethlehem geboren sein, weil nach biblischer Tradition der Messias aus Bethlehem kommen würde und Lukas sagen will: Für mich ist Jesus der Messias.

Die Sache mit der Volkszählung, deretwegen Josef mit Maria nach Bethlehem zog, die aber in Wirklichkeit einige Jahre später stattfand und wegen der auch niemand in sein Heimatdorf ziehen musste, hat Lukas in die Geschichte nicht nur eingebaut, um einen Grund zu haben, damit Josef und Maria aus Nazareth nach Bethlehem ziehen mussten. Er hat diese Ereignis auch in seine Geschichte aufgenommen, um zu sagen: Jesus war keine mythische Figur, die über den Dingen dieser Welt stand, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, der von Anfang an der Welt und ihren Machtspielchen ausgesetzt.

Deshalb erwähnt er auch gleich am Anfang den Kaiser Augustus, um zu sagen: Während die Herrscher der Welt noch ihrem üblichen Macht-Geschäft nachgingen, ist ganz im Verborgenen derjenige geboren, der das Ende ihrer Herrschaft einläutet.

Augustus war auch deshalb der Richtige, um hier angeführt zu werden, weil er sich selbst den „Friedensbringer“ nannte, während Lukas in Jesus denjenigen sah, der eigentlich Frieden schaffen würde.

Und dass Lukas die Geburt des Friedensbringers als allererstes den Hirten mitteilen lässt, ist geradezu Programm. Denn nach der Überzeugung von Lukas war Jesus ja der, der Frieden und Gerechtigkeit zuallererst für die Schwachen und an den Rand Gedrängten brachte.

Und dass es Engel waren, Boten Gottes, die ihnen das sagten – klar: weil Jesus ja für Lukas von Gott geschickt war in diese Welt.

Ich glaube, darin liegt die Kraft dieser Lukas-Weihnachtsgeschichte, dass er all die Dinge eingebaut hat – Kind, schutzlos, Nacht, Licht, Armut, Hoffnung –, die uns heute noch so eigenartig berühren, weil sie tief in uns für unsere Sehnsucht nach Hoffnung stehen. Hoffnung nicht auf irgend etwas, sondern Hoffnung, dass diese von Macht und Geld bestimmte Welt geheilt wird. Hoffnung, dass die Welt und ihr Klima noch rechtzeitig den Tentakeln der Geld-Gierigen entrissen wird. Hoffnung, dass den korrupten S21-Übeltätern ihr böses Werk nicht gelingen möge.

Hoffnung, Hoffnung. – Ist das nicht trügerischer Schein, Irrtum, der das Leben erträglicher macht? Nein, ich glaube nicht, sondern im Gegenteil: Ich glaube, dass es Veränderung nur geben kann, wenn wir hoffen. Ich glaube, dass in der Hoffnung eine schöpferische Kraft steckt, die – ja, so kann man das vielleicht sogar sagen –, eine Kraft, die das, worauf sie hofft, überhaupt erst erschafft. Prinzip Hoffnung ist nicht naiver Optimismus, sondern das revolutionäre Wissen, dass das Hoffen die Kraft ist, durch die gute Zukunft geschaffen wird.

Im Advent haben wir Kerze für Kerze unsere wachsende Hoffnung eingeübt. An Weihnachten staunen wir über das am Baum im Überfluss zur Erfüllung gekommene Licht. Advent und Weihnachten sind so eine kleine Hoffnungs-Schule, die uns lernen lässt zu hoffen, dass diese ganze Welt ein gutes Ende nehmen kann – wenn wir gemeinsam nicht aufhören, diese Hoffnung einander gegenseitig zu spüren zu geben und so jedes von uns einander ein wenig die Kraft zu sein, die uns Vertrauen gewinnen lässt in diese Welt und ihre gute Zukunft.

Diese gute Zukunft glauben wir übrigens nicht als Fortsetzung der Jahrtausende alten Herrschaftsgeschichte der Könige und Präsidenten und Despoten, sondern als einen wirklichen Neuanfang – eine ganz neue Art, Leben und Welt zu organisieren: menschlich, liebevoll, gerecht, lebendig… Deshalb singen wir im gleich folgenden Weihnachtslied: „…aus einer Wurzel zart…“ – ganz unten, unterhalb aller historischen Herrscherlinien, ganz unten an der Wurzel soll ein neuer Trieb kommen, ein echter Neuanfang passieren. Darauf hoffen wir Christen.

Und den Glauben, die Hoffnung, das Vertrauen in einen solchen die Welt qualitativ ändernden Neuanfang – das wünsche ich Ihnen und denen, denen Sie weitergeben können von ihrer kleinen Hoffnung – in Worten, aber vor allem im widerständigen Tun.

Einen Frohen Weihnachtstag! 365 Weihnachstage!

Amen.

  • Drittes Gemeindelied: Es ist ein Ros‘ entsprungen (EG 30,1–3)

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  • Fürbittgebet / Vater Unser
  • Viertes Gemeindelied: O du fröhliche (EG 44, 1–3)

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  • Segen
  • Verabschiedung

Wie von den Parkgebeten her gewohnt, wie sie von den Theolog*innen gegen S21 regelmäßig im Stuttgarter Schlossgarten veranstaltet werden, beschließen wir auch diesen Gottesdienst mit dem Lied der US-Bürgerrechtsbewegung „We shall overcome“.
Aber schon jetzt möchte ich Ihnen im Namen des Vorbereitungs-Teams (Jutta Radicke, Ulrich Ebert und Martin Poguntke) einen schönen restlichen Weihnachtsfeiertag wünschen.
Auch an dieser Stelle bereits: ein gutes neues Jahr Ihnen allen! Auf dass wir uns alle im neuen Jahr bald wieder gesund und zum unverminderten Widerstand gegen Stuttgart 21 wiedersehen.
Leben Sie wohl!

  • Fünftes Gemeindelied: We shall overcome (EG 652, 1.3.4.6.7)

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  • Instrumental-Nachspiel

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Herzliche Einladung zum digitalen Weihnachtsgottesdienst am 26.12.21

Kran, Klimakiller, Weihnachtsllichter

Mit diesem Bild vom frühen Samstagmorgen, dem 18. Dezember 2021 in der Stuttgarter Königstraße, grüßen wir Sie zu Weihnachten:
Klimaaktivist*innen der Gruppe Extinction Rebellion (XR) hatten ein Banner auf dem Züblin-Kran angebracht: „S21 = KLIMAKILLER“

Am zweiten Weihnachtsfeiertag feiern wir wieder um 11 Uhr einen Gottesdienst. Allerdings sind wir schweren Herzens zur Überzeugung gekommen, dass wir keine analoge Ansammlung von Menschen im Schlossgarten verantworten können und wollen. Deshalb findet der Gottesdienst hier auf unserer Homepage statt.

Am Sonntag, 26. Dezember finden Sie ab 11 Uhr hier auf der Seite die Texte und Lieder zum Gottesdienst, sodass Sie von sich zuhause und von überall aus zusammen mit der Bewegung gegen Stuttgart 21 einen weihnachtlichen Gottesdienst feiern können.

Das Vorbereitungs-Team – Jutta Radicke, Ulrich Ebert und Martin Poguntke – freut sich, am 2. Weihnachtstag auf diese Weise mit Ihnen verbunden zu sein.

Parkgebet am 15.7.2021 von Pfr.i.R Martin Poguntke zu „Geh aus mein Herz und suche Freud“

Ansprache zum Parkgebet am 15. Juli 2021 über Aussagen des Liedes „Geh aus mein Herz“

(hier als pdf-Datei)

Lied: Geh aus mein Herz (Evangelisches Gesangbuch Nr. 503), Strophen 1 bis 3

Liebe Parkgebetsgemeinde!

Wie schön, sich mal wieder von Angesicht zu Angesicht zu sehen! Das ist doch etwas ganz Anderes. Hoffen wir, dass die Corona-Situation sich nicht so schnell wieder verschlechtert.

Schön aber auch, sich hier draußen, in der freien Natur zu treffen, „in dieser lieben Sommerzeit“ und sich an „unsres Gottes Gaben“ zu erfreuen. Auch wenn hier im Schlossgarten diese Gaben Gottes durch die Riesenbaustelle arg zugrunde gerichtet worden sind – Einiges ist doch noch sehr schön zu genießen hier.

Das Lied, von dem wir eben drei Strophen gesungen haben, ist ja regelrecht ansteckend. Wie es unsere staunende Aufmerksamkeit auf immer neue Details in der Natur um uns her richtet. Z.B. die Lerche, von der wir eben gesungen haben: Sie „schwingt“ sich ja nicht einfach nur in die Luft – wie es im Lied heißt –, sondern sie schraubt sich unablässig trillernd und flatternd höher und immer höher in den Himmel, wo sie noch lange zu hören – oft gar nicht mehr zu sehen – ist, um dann urplötzlich zu verstummen und wie ein Stein sich zur Erde fallen zu lassen, zur Erde, auf der sie aber sanft ankommt, weil sie kurz vorher ihre Flügel aufspannt, um sich mit ihnen abzufangen und ganz dicht über dem Boden weiterzugleiten bis zum Nest mit ihren Jungen. – Sie lässt sich ja nicht direkt über ihrem Nest fallen, sondern ein Stück davon entfernt, um es nicht zu verraten und so ihren Nachwuchs zu gefährden.

Das führt uns, liebe Umwelt-Freundinnen und -Freunde, mitten in unserer fast überschwänglichen Bewunderung an einen Punkt, der die Idylle ein wenig stört. Wir hätten in unserem Staunen fast vergessen, dass die scheinbar so ausgelassenen Tiere ja ständig auf der Hut sein müssen, nicht von größeren gefressen zu werden. Was uns als Außenstehende so verspielt und harmlos erscheinen mag, ist in jedem Detail Ausdruck des Überlebenskampfes aller Arten.

Jedes Tier muss mit allerlei Tricks versuchen, sich der stärkeren zu erwehren, und zugleich, sich schwächere zu schnappen. Wir kommen nicht umhin: Bei näherem Hinsehen und Überlegen erkennen wir in der ganzen Natur nichts als ein riesiges Feld von Bedrohung, Kampf und Konkurrenz.

Ist es dann also ein großer Irrtum, dass wir staunen über die Natur und sie bewundern? Sind wir bloß hereingefallen auf den schönen Schein?

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Ansprache beim Parkgebet am 1.7.2021 zu Mt 28,18-20 von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Und Jesus trat hinzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet alle Völker zu Jüngern und taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehret sie alles halten, was ich euch befohlen habe! Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.

Wenige Tage nach der schmählichen Kreuzigung erscheint Jesus den Jüngern und erklärt, dass er alle Gewalt im Himmel und auf Erden innehat. Wie kann das sein nach dieser grauenhaften Ohnmachtserfahrung und Demütigung durch die römische Staatsmacht? Die Antwort gibt mir der Blick in den griechischen Urtext. Der Begriff, der traditionell mit Gewalt übersetzt wird, meint zunächst die Freiheit, selbstbestimmt handeln zu können, in diesem Sinne dann auch Vollmacht und Autorität. Diese muss nicht gewalttätig ausgelebt werden wie im römischen Reich. Der Kaiser beansprucht Göttlichkeit und leitet daraus das Recht ab, seine Macht willkürlich zu gebrauchen, indem ausbeutet und alle kreuzigt, die ihn in Frage stellen. Insofern leistet die traditionelle Übersetzung, Jesus habe alle Gewalt im Himmel und auf Erden, einem schweren Missverständnis Vorschub. Jesus will das genaue Gegenteil der kaiserlichen Gewalt verwirklichen, er will ein Diener aller sein. Seine Autorität und Vollmacht gewinnt er gewaltfrei in den Herzen derer, die umkehren und ihm nachfolgen wollen.

Es gehört zur Tragik der Kirchengeschichte, dass schon sehr früh diese Unterscheidung in Vergessenheit geriet. Paulus ersetzt die Botschaft Jesu vom Reich seines barmherzigen Vaters mit ihren gesellschaftlichen Konsequenzen durch die individualisierende Rechtfertigungslehre: Wer nur das richtige glaubt, muss nicht mehr von der Unbarmherzigkeit zur Barmherzigkeit umkehren. Paulus will dem Sklavenhalter Philemon den Schaden ersetzen, den dieser durch das Entlaufen des Sklaven Onesimus erlitten hat, statt diesen frei zu kaufen (Philemon 18). Er bemerkt nicht, was er damit einem der „geringsten Geschwister“ Jesu verweigert (Mt 25,45). So passt er als privilegierter römischer Bürger (Apg 25, 11-12) die Kirche an den sklavenhalterischen römischen Machtmissbrauch an, den Jesus noch deutlich brandmarkt (Mk 10, 42-44). Obwohl der Gott Israels ein Sklavenbefreier ist, macht der Jude Paulus aus der Armenkirche Jesu eine Sklavenhalterkirche.

Im Gefolge dieser fatalen Wende konnten sich die spanischen Eroberer genau auf die missdeutete weltumspannende Macht Jesu berufen: Der Papst als Statthalter des Weltherrschers Jesus erlaube ihnen, die Länder der Völker Lateinamerikas in Besitz zu nehmen sowie die Bevölkerung zu unterwerfen und auszubeuten. Diese jesuswidrige Ideologie hat auch die Gräuel in den kirchlichen Kinderheimen Kanadas ermöglicht, an deren Massengräbern wir dieser Tage erschrecken, Zeichen kolonialen kirchlichen Machtmissbrauchs.

Leider hat auch Luther sich nicht an Jesus, sondern an Paulus orientiert und wie dieser die versklavten Bauern im Stich gelassen, als er seine Kirche an den Feudalismus anpasste und sich auf die Seite der gewalttätigen Herren schlug. Die Vergottung auch brutaler Herrschaft als von Gott eingesetzt in Römer 13 wurde zum heimlichen Artikel 1 lutherischer Kirchenverfassung. Sie hat Jahrhunderte später dazu geführt, dass auch die bekennende Kirche in der NS-Zeit begeistert in der mörderischen Krieg des angeblich von Gott gesandten Führers zog. Das Stuttgarter Schuldbekenntnis vom Oktober 1945 hat diesen Krieg nur als Schuld des Volkes, nicht als Schuld der Kirche und der Theologie bekannt. So konnte der württembergische Bischof von Keler noch 1983 vor der Landessynode den Atomkrieg rechtfertigen, ohne einen Sturm der Entrüstung zu entfachen. Die Blindheit gegenüber dem Machtmissbrauch der Herrschenden hat schließlich auch dazu geführt, dass zu lange verdrängt wurde, wie kirchliche Missbraucher Kinder versklavten, nicht nur in der katholischen Kirche. Ein Patensohn meiner Eltern wurde in „heilig Korntal“ zum Opfer.

Der kirchliche Publizist Andreas Koch, uns Kritikern von Stuttgart 21 noch erinnerlich als profilierter kirchlicher Verteidiger des Projekts, schreibt in der letzten Ausgabe des Evangelischen Gemeindeblatts für Württemberg (S. 10), um nicht zu sterben müsse unsere Kirche sich „der Zeit und den Gegebenheiten anpassen“. Es ist keinerlei Bewusstsein erkennbar, dass dies schon seit knapp zwei Jahrtausenden in verhängnisvoller Weise geschieht und nur eine Umkehr retten kann.

Auch bei Stuttgart 21 hat sich unsere Kirche den gegebenen Machtverhältnissen perfekt angepasst. Ich erinnere mich nicht, dass unsere Kirchenleitung sich mit auffälliger Kritik am Polizeieinsatz am „Schwarzen Donnerstag“ profiliert hätte. Das wird verständlich auf dem Hintergrund der Ideologie von Römer 13: Die Staatsmacht hat von Gott das Schwert, die Bösen zu strafen, die sich der Anordnung der Obrigkeit durch die Polizei widersetzen, die Demonstration gefälligst zu verlassen. Wie schon beim Turmbau zu Babel muss der gute Potentat das böse Volk auseinander treiben. Undenkbar erscheint, dass das gute Volk böse Machtmissbraucher in Schach halten muss. Logisch ist dann auch, dass wir beim Parkgebet vom Verfassungsschutz beobachtet werden müssen, weil wir uns unserer gütigen Obrigkeit widersetzen und dieses großartige Geschenk einer total überteuerten, unnützen und gefährlichen Untergrundhaltestelle nicht annehmen wollen. Natürlich wird dabei nicht unsere tatsächliche Verfassung geschützt, sondern die religiös verbrämte Untertanenideologie von Römer 13, auf die ein christlicher Politiker wie Mappus sich offenbar verlassen wollte. Es gereicht unserer Kirchenleitung nicht zum Ruhm, dass sie es der weltlichen Gerichtsbarkeit überlassen hat festzustellen, dass der Polizeieinsatz widerrechtlich war.

Wir kommen zum Parkgebet zusammen, weil wir uns mit unserer Macht angepassten Kirche nicht einfach abfinden. Wir halten fest, dass diese Anpassung eine Fehlentwicklung ist, die nur geheilt werden kann, wenn wir uns auf die Kritik Jesu am Machtmissbrauch zurück besinnen. Er schenke uns die Ausdauer und den Mut, darin laut zu bleiben. Wo zwei oder drei sich versammeln in seinem Namen, ist er bei uns alle Tage bis an das Ende der Welt. Amen.

Parkgebet am 17.6.2021 mit Pfr. i. R. Friedrich Gehring

(hier die Ansprache als pdf-Datei)
(und hier alle Lieder und Texte dieses Parkgebets)

Ansprache zum Parkgebet am 17.6.21 zu Lk 15, 1-3+7  von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Es kamen allerlei Zöllner und Sünder zu ihm, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sagten: Dieser nimmt Sünder an und isst mit ihnen. Da sagte er zu ihnen … . Im Himmel wird mehr Freude sein über einen Sünder, der Buße tut, als über 99 Gerechte, die der Buße nicht bedürfen

Die Schriftgelehrten und Pharisäer sehen es als ihre Aufgabe an, Zöllner und Sünder auszugrenzen. Sie wollen wohl die Sünde brandmarken und auf diese Weise Druck ausüben, damit unsoziales Handeln aufhört. Sie empören sich, dass Jesus den anderen Weg geht. Er versucht die Änderung des schädlichen Verhaltens zu erreichen durch positive Zuwendung. Bei dem Steuereintreiber und Betrüger Zachäus hat Jesus Erfolg (Lk 19,1-10), bei dem so genannten „reichen Jüngling“ nicht, denn dieser geht traurig weg, weil er viele Güter hat, die er nicht an die Armen abgeben will (Mk 10, 17-22). Es fällt mir allerdings auf, dass Jesus mit einer bestimmten Sündergruppe nicht isst: Den Priestern im Tempel, denen er Räuberei vorwirft, macht er öffentlich Randale (Mk 11,15-17). Den Widerspruch kann ich mir nur dadurch erklären, dass die Priester sich als Gerechte ansehen, die einer Umkehr nicht bedürfen. Es fehlt ihnen das Schuldbewusstsein. Auch in der Bevölkerung werden sie wegen ihrer ausbeuterischen Opferforderungen und der Beherrschung des Fleischmarkts nicht als Sünder angesehen. So muss Jesus  zuerst für Schuldeinsicht sorgen, bei ihnen selbst und bei den Ausgebeuteten. Deshalb betont er: Über Selbstgerechte ist im Himmel weniger Freude als über einsichtige umkehrende Sünder. Bei den allgemein verachteten Sünderinnen, den Prostituierten, muss Jesus nicht erst Schuldbewusstsein schaffen. Sie wollen ja selbst gerne umkehren aus diesem belastenden Broterwerb. Anders bei den Männern, die diese Frauen sexuell ausbeuten, ihnen muss er vorhalten: Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein (Joh 8,7).  Erst daraufhin lassen sie ihre Steine fallen und kehren um, indem sie weggehen.

Wenn wir im Umgang mit Sünde Jesus nachfolgen, geht es nicht nur darum, wie bei Zachäus nett zu sein zu den Sündern, sondern auch die Sünde zu brandmarken, wo Schuldeinsicht noch fehlt. Wir müssen die Gratwanderung der kritischen Solidarität mit den Sündern versuchen. Das bedeutet, sie nicht einfach bloß auszugrenzen wir die Pharisäer, sondern uns ihnen zuzuwenden, sie als Menschen zu akzeptieren, aber zugleich nicht zu verschweigen, was wir an ihrem Verhalten kritisieren müssen. Diese Gratwanderung kann am besten gelingen, wenn wir den Rat Jesu zur Selbstkritik beherzigen: „Ziehe zuerst den Balken aus dem eigenen Auge, dann magst du zusehen, dass du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst“ (Mt 7, 5). Wenn wir uns unseren eigenen Verfehlungen stellen und bewusst werden, dass wir der Vergebung und der Umkehr bedürfen, dann werden wir gnädiger im Umgang mit Verfehlungen anderer. Auch werden wir überzeugender in unserer Kritik, wenn wir selbstkritisch vorangehen.

Konkret heißt das etwa: Der brasilianische Präsident Bolsonaro wird bei uns vielfach kritisiert, weil er den Tropenwaldholzfällern  freie Hand lässt. Das mit uns ausgehandelte Handelsabkommen Mercosur verschärft aber die Abholzung. Mit mehr Holzverkauf kann Brasilien bei uns mehr einkaufen. Und mit unserem massiven CO2-Ausstoß tragen wir mindestens so sehr zum Klimawandel bei wie die Abholzung des Regenwalds. Wenn wir unsere eigenen Klimasünden einsehen, darf dieses Abkommen nicht in Kraft treten, auch wenn unser Export und damit unser Wohlstand nicht mehr weiter wächst oder zurückgeht. Vielmehr müssen wir von unseren Klimasünden umkehren. Wenn wir bei uns im Kleinen anfangen, unseren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern, dann bekommt auch unsere Kritik größere Kraft. Dass die Union und die FDP jetzt den Grünen die Benzinpreiserhöhung in die Schuhe schieben, die von der großen Koalition durch die CO2-Preiserhöhung beschlossen wurde, können wir dann als paradoxen Wahlkampf  brandmarken, und dass die beiden jetzt den armen Mann an der Tankstelle entdecken, als Heuchelei entlarven. Wir können daran erinnern, dass die im Billiglohnsektor arm Gemachten sich ein Auto oft gar nicht leisten leisten können. Wir können Berechtigungsscheine für Treibstoff als sozial gerechte Lösung vorschlagen. Arme ohne Auto könnten diese Scheine versteigern an diejenigen, die sich Spritfresser leisten. Die Älteren unter uns werden sich noch an die Lebensmittelmarken im Mangel nach dem Krieg erinnern. Warum nicht jetzt Benzinmarken als Zahlungsmittel für die Armen, dass Obdachlose an Tankstellen ihre Benzinmarken zu Bargeld machen ohne betteln zu müssen? Das wäre echter sozialer Ausgleich im Sinne Jesu. Denn er fordert uns auf, uns Freunde zu machen mit dem ungerechten Mammon (Lk 16,9). Damit wäre Bundestagswahlkampf zu machen.

Wenn wir zuerst vor der eigenen Tür kehren, wird unsere Kritik glaubwürdiger und überzeugender  denen gegenüber, die sich noch keiner Schuld bewusst sind, wie etwa den Befürwortern von Stuttgart 21. Wir werden nicht wie Jesus im Tempel randalieren, aber dennoch beharrlich dem fehlenden Schuldbewusstsein aufhelfen. Ich war am vergangenen Wochenende bei einem Treffen meiner Abitursklasse in Nellingen, wenige Kilometer vom fertigen Bahnhof Merklingen entfernt.  Immer wieder wurde ich von einzelnen gefragt, was ich von Stuttgart 21 halte. Alle Fragenden meinten resignativ, der Unsinn werde ja nun fertig gebaut. Niemand erinnerte sich an das Kernkraftwerk Kalkar, das für Milliarden erbaut nie in Betrieb ging, weil Beherrschbarkeit des schnellen Brüters im öffentlichen Bewusstsein zu fragwürdig geworden war. Als ich daran erinnerte und von der jüngst eingereichten Klage wegen des fehlenden Rettungskonzepts berichtete, setzte Nachdenklichkeit ein, vor allem auch deswegen, weil ich auf die Umnutzungsideen verweisen konnte. Im Sprichwort heißt es: Steter Tropfen höhlt den Stein. Und Jesus macht uns Mut, auf die menschliche Einsicht zu hoffen. Umkehr ist möglich. Amen.

Ansprache zum Parkgebet am 3.6.2021 zu Jona 1,1-3a von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

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Es geschah das Wort des Herrn zu Jona, dem Sohn Amittais: Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen. Aber Jona machte sich auf und wollte vor dem Herrn nach Tarsis fliehen.

Jona will das prophetische Wort seines Gottes an die Stadt Ninive nicht ausrichten und versucht, sich dem Auftrag zu entziehen. Er ist damit nicht allein. Auch der Prophet Jeremia sucht eine Ausflucht und schiebt vor, er sei zu jung für das Prophetenamt (Jer 1,6). Aber er hat sich dann doch von seinem Gott überreden lassen und bekennt, wenn er das aufgetragene Wort gegen Unrecht und Gewalt verweigere, werde es in seinem Herzen wie brennendes Feuer (20, 7-9). Auf eine etwas andere Weise misslingt bekanntlich auch Jonas Flucht vor dem prophetischen Auftrag. Sein Fluchtschiff gerät in Seenot, er wird von einem Fisch wieder an Land gespien. Anders als bei Jeremia ist seine Weigerung nicht darin begründet, dass er als Prophet Erfolglosigkeit fürchtet. Jona gönnt der bösen Stadt Ninive nicht die Chance zur Umkehr durch seine prophetische Predigt. Für Christen in der Nachfolge Jesu ist diese Haltung unmöglich, denn Jesus ist gerade darin der Sohn seines barmherzigen Vaters, dass er auch so sozial schädliche Menschen wie Zachäus durch seine Zuwendung zu heilsamer Umkehr bewegt.

Der Blick auf Propheten wie Jeremia oder Jona löst bei mir die bange Frage aus: Wie steht das heute mit den prophetischen Aufträgen? Wer sind die Berufenen? Wer versucht zu fliehen aus dem prophetischen Amt? Wer nimmt den Auftrag an? Welche Bosheit, welches Unrecht, welche Gewalt müsste zur Umkehr gerufen werden?

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Digitales Parkgebet am 20.5.2021 von Pfr.i.R. Martin Poguntke

Pfingsten und der Turmbau zu Babel

Ansprache über 1. Mose 11, 1–9

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Liebe Parkgebetsgemeinde,

Am Sonntag ist Pfingsten, und der Psalm 118, der in württembergischen Gottesdiensten an Pfingsten gebetet wird, jubelt ausgelassen: „Dies ist der Tag, den der HERR macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.“ Währenddessen schlägt der Predigttext für dieses Pfingsten ganz andere Töne an. Es ist die Geschichte vom Turmbau zu Babel, in der die Überheblichkeit der Menschen für die Erbauer des Turms ein böses Ende nimmt. Uns als S21-Gegner*innen liegt diese Geschichte natürlich sehr nahe, haben wir hier doch ein Musterbeispiel für solche Überheblichkeit vor Augen. Nur ist noch nicht klar, ob das Ende des Projekts für die Schuldigen, die Erbauer, böse sein wird oder für die ganze normale Bevölkerung, deren Bahnverkehr wegen S21 auf ein Minimum zusammengestrichen werden würde.

Um diese Turmbau-Geschichte richtig zu verstehen, muss man wissen: Sie ist genauso wenig wie etwa die Noah-Geschichte oder die Geschichte vom Sündenfall eine historische. Sondern all diese Geschichten am Anfang der Bibel sind ja mehr oder weniger frei erfundene Erzählungen, mit denen die Autoren theologische Aussagen über den Menschen und sein Verhältnis zu Gott plastisch machen wollten.

So hatten schon die Theolog*innen im 9. Jahrhundert vor Christus eine verwirrende Beobachtung gemacht, die irgendwie theologisch verarbeitet werden musste: Fast drei Jahrtausende vor dem, was wir heute Ökologie nennen, stellten sie immer und immer wieder fest: Der Mensch gehört irgendwie nicht richtig dazu. Er ist einerseits ein Lebewesen wie alle andern, aber andererseits hat er eine Freiheit und Macht gegenüber der übrigen natürlichen Umwelt wie kein anderes Lebewesen. Er kann fast ohne Einschränkung zerstören und bewahren, behindern und schützen – fast wie Gott. Und so heißt es dann auch in Psalm 8 über den Menschen: Gott hat ihn „wenig niedriger gemacht als Gott“.

Das macht den Menschen zu einem sehr zwiespältigen Wesen: Einerseits ist keiner besser dafür ausgestattet, die Schöpfung zu bewahren. Andererseits hat keiner so viel Macht, eben diese Schöpfung zu zerstören. Tiere haben die Macht zu beidem nicht.

In der Geschichte vom Sündenfall wird das bildhaft so beschrieben: Die Menschen haben vom Baum in der Mitte des Gartens, vom „Baum der Weisheit“ gegessen. Die Schlange hatte ihnen Lust darauf gemacht mit den Worten: „An dem Tage, da ihr von ihm esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“

Im Kern drückt diese Geschichte aus, wie man sich damals vorstellte, warum sich der Mensch aus der Tierwelt erheben und zu diesen ihn so sehr von den Tieren unterscheidenden Eigenschaften kommen konnte – weil er vom Baum der Erkenntnis aß. Wir heute wissen, dass der Mensch in einem Prozess der Evolution aus dem Tierreich entstanden ist. Für uns heute drückt die Sündenfall-Geschichte deshalb genau diesen Übergang aus: wie aus dem Wesen ohne Erkenntnis ein Wesen mit Erkenntnis wurde, also der denkende Mensch, der homo sapiens.

Der Mensch ist zwar noch Teil der Natur, aber zugleich ist er aus ihr herausgefallen, weil er sich bewusst auch gegen sie stellen kann. In diesem Graben zwischen dem Menschen und der übrigen Natur sehen Theolog*innen den Graben zwischen dem Menschen und dem Ganzen, also die Trennung zwischen dem Menschen und Gott, der ja als „das Ganze“ verstanden werden kann.

Der Mensch ist damit unwiderruflich abge-sond-ert, abge-sünd-ert vom Ganzen, von Gott. Und dieses Abge-sond-ert-Sein ist gemeint mit dem so moralisch belasteten Begriff „Sünde“. Hier liegt übrigens der Grund, warum Tiere nicht getauft zu werden brauchen: weil sie nie aus der Schöpfungsordnung gefallen sind, sondern unwissender Teil des gigantischen ökologischen Mobiles sind und bleiben – gar nicht anders können.

War es nun gut oder schlecht, dass aus dem zum Tierreich gehörenden Vor-Menschen der denken-könnende Jetzt-Mensch wurde? Die Philosophen streiten sich darüber. Die Auffassung ist verbreitet, dass der Mensch ein großes Unglück für die Welt ist, weil er sie letztlich zerstören kann und wenig darauf hinweist, dass er es nicht tun wird.

Der jüdisch-christliche Glaube ist dagegen ein Projekt, das die Überzeugung vertritt, dass die große Macht des Menschen, mit der er die Welt zerstören kann, auch die entscheidende Macht sein kann, mit der er die Welt in einen Ort verwandeln kann, an dem es auch der Natur besser geht als zuvor. Paulus spricht vom „ängstlichen Harren der Kreatur auf die Offenbarung der Kinder Gottes“.

Allerdings – und das ist die große Einschränkung, die die jüdischen und christlichen Theolog*innen machen – allerdings kann der Mensch diese positive Wirkung auf die Welt nur haben, wenn er sich in seinem Tun am Ganzen der Welt orientiert und nicht an den Interessen Einzelner, wenn er sich damit faktisch zu einem Werkzeug des Ganzen machen lässt.

Eine der beiden biblischen Erzählungen von der Erschaffung des Menschen drückt das mit der bildhaften Vorstellung aus, dass Gott den Menschen „zu seinem Bilde“ erschaffen hat. Gemeint ist: Du, Mensch, sollst dich hier auf der Welt als Abbild Gottes – des Ganzen – verhalten. Das ist deine Würde, aber auch deine Aufgabe. Du. Mensch, hast einen Auftrag in der Welt: nämlich sie immer im innerlichen Rückfragen nach dem Ganzen zu behandeln, immer zu fragen: Tut das, was ich mache, der Welt als Ganzer gut oder nicht?

Ständige Rückbindung des Menschen an den Schöpfer nennt man das theologisch – nur mit dieser Rückbindung kann der Mensch das sein, wovon die jüdisch-christliche Theologie überzeugt ist: dass der Mensch der Welt ein Segen sein kann. Nur wenn der Mensch in seinem Tun ans Ganze denkt und nicht nur an sich und seine Interessen, nur dann ist die Kraft, die er vom Ursprung der Welt bekommen hat, ein Segen für die Welt.

In der Turmbaugeschichte ist aber genau das nicht der Fall: Hier entscheiden sich die Menschen, einen Turm zu bauen, nicht im Blick auf das Wohl der ganzen Welt, sondern im bloßen Kreisen um ihre eigenen Interessen: Sie wollen sich „einen Namen machen“, wollen nicht „in alle Länder zerstreut“ werden.

Und die Autoren der Geschichte lassen Gott mit der Benennung genau dieser Gefahr antworten, die von der Macht des Menschen ausgehen kann: „Nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.“ Etwas flapsig ausgedrückt: Das haben wir jetzt von der Weisheit des Menschen: dass er zu allem fähig ist.

Natürlich ist die Turmbau-Erzählung keine realistische Erzählung. Wenn die Autoren Gott als letztes Mittel gegen die Selbstherrlichkeit des Menschen die Sprachen verwirren lassen, erweist sich die Geschichte im Grunde als ein vorwissenschaftlicher Versuch, die Vielfalt der menschlichen Sprachen zu erklären. Aber darum geht es ja nicht wirklich, sondern um die theologische Aussage: Des Menschen Weisheit ist auch eine gigantische Gefahr für die Welt.

Warum wird eigentlich über diese Geschichte ausgerechnet an Pfingsten gepredigt? – Weil es in der Pfingstgeschichte passiert, dass Menschen aus aller Herren Länder, mit völlig unterschiedlichen Sprachen das Predigen der Apostel auf dem Marktplatz verstehen. Pfingsten wird hier als eine Art Neuanfang, als ein Ausweg aus der Turmbauerzählung verstanden: Ja, die vielen Sprachen trennen uns Menschen, aber diese Trennung kann überwunden werden; es ist Verständigung über die Sprachgrenzen – und heute würde man ergänzen: und kulturellen Grenzen – hinweg möglich.

Und wodurch wird das möglich? Die Antwort ist: wieder so ein theologisches Wort: durch den Heiligen Geist. Die ersten Christ*innen haben diesen Geist als den Geist von Jesus verstanden. Sie spürten diese Kraft, die da unter ihnen wirkte, und konnten sie nur deuten als die vertraute Kraft aus der Zeit, als ihr Freund Jesus noch mit ihnen zusammen durch die Dörfer gezogen war.

Die christlichen Theolog*innen haben aber inzwischen erkannt, dass wir den Heiligen Geist nicht einfach den Juden wegnehmen und als den Geist Jesu vereinnahmen können – es muss schon unser gemeinsamer Geist sein. Deshalb sehen wir heute: Die Kraft, die die Jünger*innen dazu gebracht hatte, sich über Grenzen hinweg zu verständigen, das war der Geist Gottes. Also der Geist, der die ganze Schöpfung durchdringt.

Und jetzt schließt sich der Kreis: Dieser Geist ist der Geist, der sich am Welt-Ganzen orientiert. Wo Menschen ihr Fühlen, Denken und Handeln am Ganzen ausrichten, da geschieht Verständigung, da kommen die gefährlichen und wunderbaren Fähigkeiten des Menschen zu ihrem für die Welt guten Sinn und Ziel: zur Heilung der menschlichen Beziehungen und der ganzen Schöpfung.

Um noch einmal auf Stuttgart 21 zu sprechen zu kommen: Unser Vorwurf an die Erfinder und Betreiber dieses Großprojektes ist nicht, dass sie die Grenzen der technischen Möglichkeiten ausloten, sondern dass sie das im Interesse einer begrenzten Clique machen: ihrer Wachstums- und Geld-gläubigen Wirtschaftsklientel. Hätten sie auch nur das Ganze der Stadt Stuttgart oder des Bahnverkehrs oder des Landes Baden-Württemberg im Sinn gehabt – sie hätten es nicht beschlossen und würden es nicht durchsetzen.

Im Geist Gottes handeln, im Sinne des pfingstlichen Heiligen Geistes zu handeln, hätte aber noch viel mehr geheißen: Sie hätten fragen müssen: Was richtet das Projekt mit der Schöpfung an, mit dem Klima, dem kleinen in Stuttgart und dem im Umkippen befindlichen Weltklima?

So hätten sie sich als „Abbild Gottes“ verhalten, hätten der Schöpfung gedient, hätten Verständigung ermöglicht zwischen den verwirrten Sprachen der verschiedenen Interessengruppen. Nein, nicht sie hätten das ermöglicht, sondern die Geist-Kraft, die in der Welt wirkt, die wir an Pfingsten feiern und die uns die Hoffnung nicht verlieren lässt, dass „alles anders wird“, wie es im Lied heißt, das wir – ohne Pandemie – jetzt im Park singen würden: „Ich glaube fest, dass alles anders wird.“ Amen.

Digitales Parkgebet am 6.5.2021 von Pf.i.R. Friedrich Gehring

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Ansprache zum Online-Parkgebet am 6.5.2021 zu Mt 4,8-10 von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Der Teufel führte ihn mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Hebe dich weg von mir, Satan! Denn es steht geschrieben: „Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn, und ihm allein dienen“ (1. Mose 6,13).

In einer Woche feiert die Christenheit das Fest Christi Himmelfahrt. Da wird in vielen Kirchen das Lied erklingen: Jesus Christus herrscht als König. Ich habe für das heutige Parkgebet diesen Text von der Versuchung Jesu ausgewählt, um den Unterschied deutlich zu machen zwischen dem Königtum Jesu und dem weltlicher Herrscher. Weltherrschaft wird üblicherweise erreicht durch militärische Unterwerfung, die eine Ausbeutung unterworfener Völker ermöglicht. Jesus und den Evangelisten steht als plastisches Beispiel für solche Weltherrschaft der römische Machtapparat vor Augen. Die beschönigende Formulierung für das römische Machtprinzip ist der so genannte „römische Friede“ nach dem Motto: Wenn du Frieden willst, rüste auf. Heute wollen die USA diesen Frieden verwirklichen mit Militärstützpunkten in mehr als 80 Ländern, auch bei uns. Es wird nicht mehr gekreuzigt, es werden Kampfdrohen benutzt. Deutschland wirkt dabei maßgeblich mit. Am schwarzen Donnerstag haben wir die innenpolitische Variante dieses Friedens erlebt: Wenn du Frieden willst, schick Wasserwerfer in Demonstrationen.

Jesus widersetzt sich diesem teuflischen Prinzip. Er weist die versucherische Stimme von sich und lässt sich nicht vor den Karren derer spannen, die ihn gerne als den messianischen Feldherrn bei einem Aufstand gegen die Römer gesehen hätten. Deshalb reitet er nicht auf einem Pferd, sondern auf einem Esel in Jerusalem ein (Mk 11,7). Im Gegensatz zum römischen Machtmissbrauch fordert Jesus von seinen Jüngern den Dienst an der Allgemeinheit (Mk 10, 42-44). Von dieser Kultur des Dienens ist die Königsherrschaft Jesu geprägt. Davon singen wir am Fest Christi Himmelfahrt.

Gerade weil dies in der Kirchengeschichte und von angeblich christlicher Politik vielfältig vergessen wurde, müssen wir daran erinnern, auch wenn wir es  abgesehen von unserer Verstrickung in die brutalen US-Weltmachtansprüche und abgesehen vom schwarzen Donnerstag innenpolitisch mit einer milderen Variante von christlicher Machtpolitik zu tun haben. Gerhart Baum, ein Mann aus der guten alten Zeit der FDP, hat es am 23.10.2020 im ZDF-Kulturmagazin Aspekte trefflich formuliert: „Die Politik ist darauf angelegt, Wahlen zu gewinnen, und da ist nicht jedes Mittel recht, aber es wird natürlich auch getäuscht, den Leuten wird etwas vorgemacht. Und das kann man umso mehr dann, wenn die Menschen Angst haben und unsicher sind. Dann sind sie anfällig für einfache Lösungen und für starke Männer und Frauen, die versprechen: Alles wird gut.“ Gerade in der Zeit der Pandemieängste haben stark wirkende Personen wie Söder enorme Umfragewerte erzielt. Er fiel zunächst auf durch besonders heftige Einschränkungen der Grundrechte, später dann durch besonderes Machtgerangel. Wir im Ländle haben die bittere Erfahrung machen müssen, dass Kretschmanns vorgetäuschte S 21-Gegnerschaft ihm an die Macht half. Diese konnte er inzwischen ausbauen, weil er ähnlich heilsbringend wie Söder auftrat, aber die erfolgreichen Tübinger Maßnahmen lange missachtete und stattdessen mehr auf Grundrechtseinschränkungen setzte.

Als Kritikern von S 21 erscheint uns nun Kretschmanns Koalitionsentscheidung besonders brisant: Der 6-gleisige Ergänzungskopfbahnhof der Grünen und der Gäubahntunnel der CDU sollen S 21 „für zusätzlichen Schienenverkehr fit“ machen, „sofern sich die Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit der Elemente erhärten“ (Südwestpresse vom 3.5.21). Dies alles obwohl bereits im Jahr 2001 Bahnfinanzvorstand Sarrazin die Unwirtschaftlichkeit des gesamten Projekts der Bahnführung gegenüber nachgewiesen hat. Die später aufgestellte Wirtschaftlichkeitsgrenze von 4,6 Mrd. € ist längst überschritten. Der Rechtsstreit über die Finanzierung ist seit Jahren ungeklärt. Die fehlende Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit ist also längst erhärtet. Grüne und CDU hoffen aber darauf, verleugnen grob die Realität wie Querdenker und wollen das Wahlvolk dreist täuschen.

Mit einem Dienst an der Allgemeinheit im christlichen Sinne hat dies nichts mehr zu tun. Darum lassen wir uns aber nichts vormachen und die querdenkerischen Koalitionäre sollen dies auch wissen.  So habe ich dieser Tage meine neuerliche Fachaufsichtsbeschwerde gegen das Eisenbahnbundesamt wegen Genehmigung von S 21 trotz fehlendem Rettungskonzept an Ministerpräsident Kretschmann gesandt. Dem Koalitionsbeschluss, die Idee des 8-gleisigen Kopfbahnhofs  und des Gäubahntunnels weiter zu unterstützen, halte ich entgegen, dass die Rentabilität des gesamten Projekts S 21 nie gegeben war und die Finanzierung immer noch gerichtlich ungeklärt ist. Ich empfehle das fehlende Rettungskonzept als Ausstiegsgrund und den Umstieg 21 oder das neue städtische unterirdische Güterlogistikonzept als Alternativen.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Report Mainz sich des unsinnigen Projekts erneut annehmen wird und dass Minister Scheuer und Staatssekretär Bilger Personen weichen, die Vernunft walten lassen dürfen. Auch hoffe ich, dass der von der Regierungskoalition geforderte Ergänzungskopfbahnhof eine Weichenstellung bedeutet hin zum Erhalt der ganzen 16 Gleise. Unsere steten Warnungen vor dem fehlenden Rettungskonzept könnten jetzt fruchten und zur Erkenntnis führen, dass die Tunnel aus Sicherheitsgründen nur einseitig befahren werden dürfen, weil immer ein Tunnel als Rettungsstollen frei bleiben muss. Dann müssen 16 Kopfbahnhofgleise bleiben. Dann kann Jesus Christus als Diener der Allgemeinheit in die Herzen der Verantwortlichen einziehen und den Götzen Mammon der Immobilienspekulanten daraus vertreiben.  Amen.

Digitales Parkgebet am 22.4.2021 von Pf.i.R. Friedrich Gehring

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In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. (Joh 16,33 )

Die Botschaft von Ostern ist, dass die römischen Machthaber Jesus zwar töten konnten, nicht aber seine Botschaft. Das Blut Jesu wurde zum Samen der Kirche. Der Foltermord an Jesus hat nicht Angst und das Verstummen erzeugt wie vom Kaiser erwartet. Der Mut Jesu sprang auf die Jünger über. Jesus hatte mutig provoziert und kein Blatt vor den Mund genommen. Zuerst reitet er auf einem Esel in Jerusalem ein (Mk 11,1-7) und brüskiert alle, die von ihm erwarten, er werde zum Führer einer gewaltsamen Erhebung gegen das römische Joch. Ein solcher müsste auf einem Pferd reiten. Aus Enttäuschung wird bald Wut, aus dem Hosianna der Schrei „Kreuzige ihn!“ Dann geht Jesus in den Tempel und stört die Fleischgeschäfte der Priester. Er wirft ihnen vor, den Tempel, ein Bethaus, in eine Räuberhöhle zu verwandeln. Die Geschäftemacher wollen ihn „ins Verderben bringen“ (Mk 11, 15-18). Dann legt er sich mit einer weiteren mächtigen Gruppe an, den Pharisäern. Er wirft ihnen Wichtigtuerei, Scheinheiligkeit und fromme Drückebergerei vor (Mt 23,1-36). Als sie ihn mit der Frage des Steuerzahlens an den Kaiser aufs Glatteis führen wollen, macht er ihnen klar, dass sie Götzendienst betreiben, wenn sie mit Kaisergeld umgehen, und dass sie deshalb auf den Luxus verzichten müssen, den sie mit dieser harten Währung einkaufen (Mk 12,13-17).

Jesus stellt sich damit in die Tradition der alttestamentlichen Propheten, die im Namen des Gottes Israels gesellschaftliche Missstände angeprangert haben. Es muss ihm dabei bewusst gewesen sein, welchen Gefahren er sich damit aussetzte. Jeremia  etwa wurde wegen seiner mutigen Warnungen vor militärischen Abenteuern tödlich bedroht, er entkam knapp dem Ertrinken in einer Zisterne   (Jer 38,6). Aber Jesus lässt sich davon nicht abschrecken, die Missstände beim Namen zu nennen. Auch den Kaiser und seine Statthalter bezichtigt er des Machtmissbrauchs (Mk 10,42-44). Nur wenige Menschen tun sich das an, sehr viele vermeiden die offene Kritik an den Mächtigen und Einflussreichen, weil sie deren Zorn und Rache fürchten. Jesus fasst dies zusammen in dem Satz: In dieser Welt der Machtmissbraucher habt ihr Angst. Aber er tröstet zugleich und macht Mut mit dem Nachsatz: Ich habe diese Welt überwunden, das bedeutet: Er hat die Angst vor den mächtigen Priestern, den Pharisäern, den Schriftgelehrten, den Sadduzäern, ja selbst die Angst vor dem Kaiser und seinen Statthaltern überwunden. Er ist bereit, die Leiden auf sich zu nehmen, die sie ihm zufügen können.

 

Dies ist in der Christenheit bald zugeschüttet worden dadurch, dass die priesterliche Opfertheologie den Tod Jesu aus politischen Zusammenhang gerissen und als Opfer für die Sünden der Welt gedeutet hat (Joh 1,29). Ausgerechnet Jesus, der die priesterlichen Opfer so heftig angegriffen hatte, wurde als Opferlamm hingestellt. Tragischerweise ist diese Vorstellung in der Geschichte der Kirche dominant geworden. Es war dem Nichtchristen Gandhi vorbehalten, den politischen Zusammenhang zwischen Leidensbereitschaft und politischem gewaltfreiem Widerstand erneut ins Bewusstsein zu heben. Er bestand darauf, dass Salz aus indischem Meerwasser den Indern und nicht den britischen Kolonialherren gehörte. Er ließ unbewaffnete indische Männer provokativ auf das Salzwerk zu marschieren. Sie wurden brutal niedergeknüppelt. Aber ein US-Fotoreporter machte die Brutalität weltweit bekannt. Die britische Kolonialmacht war schwer blamiert. Dies war ein enorm wichtiger Schritt auf dem Weg zur Befreiung Indiens, auch wenn bis dahin noch viele Jahre vergingen.

Martin Luther King hat dann als Christ den Zusammenhang wischen der gewaltfreien Leidensfähigkeit und der der politischen Befreiung von rassistischer Benachteiligung aufgegriffen und zum Programm erhoben. Ganz entscheidend ist dabei, dass das Leiden öffentlich gemacht wird und die Verursacher angeprangert werden. So hat 2015 das Bild eines toten Kleinkinds an einem Mittelmeerstrand eine Wende im Bewusstsein der Europäer erwirkt, die mindestens eine Zeit lang in der Flüchtlingspolitik wirksam wurde. Und ein ganz bestimmtes Bild vom „Schwarzen Donnerstag“ hat schlagartig ein breites Bewusstsein von der Skrupellosigkeit geschaffen, mit der das Projekt S 21 von der Regierung Mappus durchgedrückt werden sollte. Mappus bezahlte dafür.

So wurde die Leidensfähigkeit derer, die sich gewaltfrei den Wasserwerfern entgegen stellten, zur politischen Kraft der Veränderung. Weil die Angst vor der Welt eines Ministerpräsidenten Mappus überwunden war und das von ihr verursachte Leiden öffentlich wurde, kam es zum Machtwechsel.

 

Wir erkennen im Rückblick, dass der Machtwechsel zu einer Enttäuschung wurde, weil die Welt Kretschmanns der von Mappus zu ähnlich war. Ein Leiden wie am „Schwarzen Donnertsag“ hat sich zwar nicht wiederholen können, aber wir leiden weiter an dieser unsinnigen und gefährlichen Untergrundhaltestelle. Wir werden als Steuerzahler oder Bahnkunden alle dafür bezahlen, manche vielleicht mit dem Leben. Unser Leiden an diesem Unsinn ist oft ein heimliches und deshalb wenig wirksam. Aber gerade deshalb stehen wir hier öffentlich zusammen, um immer wieder den Finger in die Wunde zu legen und die Gefahren öffentlich zu machen. Am 30.3.21 wurde gemeldet: Die Bahn hat ein Entfluchtungsszenario ohne Feuer als Katastrophenschutznachweis ausgegeben. Der Tag wird kommen, an dem wie beim BER mit Komparsen real kontrolliert wird, ob Fluchtwege funktionieren. Ich habe deshalb eine erneute Fachaufsichtbeschwerde gegen das Eisenbahnbundesamt bei Minister Scheuer eingereicht wegen der Baugenehmigung für S 21 trotz fehlendem Rettungskonzept. Dieses geht auch an Ministerpräsident Kretschmann mit dem Hinweis, dass der Käs noch nicht gegessen ist und eine angebliche Mehrheit nicht über die Wahrheit des fehlenden Rettungskonzepts bestimmen kann. Auch Dr. Nopper warne ich vor, dass er noch als OB erleben wird, wie S 21 am Rettungskonzept scheitert. Auch hoffe ich, dass Report Mainz das Thema weiter aufgreift.

Mut macht mir, dass nach dem Scheitern des Widerstandes gegen die atomare Natonachrüstung in der Leipziger Nikolaikirche ein paar Friedenstiftende weiter gebetet haben. Sie wurden zum Kristallisationspunkt des Widerstandes, der das DDR-Regime beendete. Auch das Projekt S 21 wird seine Unsinnigkeit und Gefährlichkeit von Jahr zu Jahr weniger vertuschen können. Wir werden unseren Teil dazu beitragen, dass die Öffentlichkeit und die Politik immer weniger wegsehen können, indem wir unser Leiden an diesem neoliberalen Irrsinn immer wieder laut werden lassen. Wir geben nicht auf. Amen.

Digitales Parkgebet am 8.4.2021 von Pf.i.R. Michael Harr

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(und hier alle Lieder und Texte)

Liebe Freundinnen und Freunde,

am Sonntag feierten wir Ostern und weil es so ein schönes Fest ist, reicht uns ein Tag dafür nicht aus. Darum haben wir zur freudigen Erinnerung und Feier auch noch einen Ostermontag gehabt. Ostern eröffnet für uns eine ganz andere Glaubenswelt, als sie die germanischen Vorfahren hatten und als sie viele andere Menschen in dieser Welt haben. Durch die Auferstehung von Jesus Christus tun sich ganz neue Horizonte auf. Da will eine neue Kraft, eine neue Zuversicht in unseren manchmal beklemmten und kleinmütigen Herzen lebendig werden.

Zu den Überzeugungen der alten germanischen, vorchristlichen Glaubenswelt gehörte die Erzählung von Ragnarök, von der Götterdämmerung, in der die Welt und die Götter untergehen werden. Für die alten Germanen ging alles einer großen, apokalyptischen Zerstörung entgegen. Sie lebten im Schatten des bevorstehenden Weltuntergangs, hinter dem allenfalls ahnungsweise und schattenhaft eine neue Welt sich auftun würde.

Diese Angst, dass alles dem Untergang entgegen gehe, kennen wir auch sehr gut. Wenn ich mich recht entsinne, warf Franz Alt gegen Ende der 80-er Jahre die Frage auf, ob wir Weihnachten noch erleben werden. Das war in einem Frühjahr und wir lebten damals unter dem starken Eindruck eines drohenden Atomkrieges und kurz vor der Havarie stehender Atomkraftwerke. Und das waren damals wahrlich keine unrealistischen Szenarien!

Heute sind andere Befürchtungen in den Vordergrund getreten. Da sind die Sorgen vor den Folgen des Klimawandels und vor den Folgen der Corona-Seuche. Manche treibt um, was die Corona-Maßnahmen aus unserem Staat und unserer Gesellschaft machen und noch machen werden.

Wir kennen auch solche apokalyptischen Ängste um unsere eigene Existenz, um unsere Gesundheit und um die unserer Angehörigen. Weiterlesen

Digitales Parkgebet am 25.3.2021 von Pfr.i.R. Martin Poguntke

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(und hier alle Lieder und Texte dieses Parkgebets)

Liebe Parkgebetsgemeinde,

„O komm, du Geist der Wahrheit“ heißt es im Eingangslied zu diesem Parkgebet. Beim Umgang mit dem Projekt Stuttgart 21 haben wir ja traurige Erfahrungen gemacht, wie mit der Wahrheit umgegangen wird, wie sie verbogen und dann mit Wasserwerfern und überzogenen Strafverfahren durchgesetzt wird. Aber wir haben die Lügen aufgedeckt und tragen sie unermüdlich in die Medien, vor die Gerichte und auf unsere Demonstrationen.

Wir haben dabei in so vielerlei Hinsicht von Anfang an recht gehabt, dass wir in einer großen Gefahr stehen: Wir können überheblich werden und glauben, das liege daran, dass wir halt so klug oder so gut seien. Und wir beginnen womöglich zu glauben, das sei grundsätzlich so: dass wir die Dinge alle richtig durchschauen. Aber bedenken wir: Nicht, weil wir so klug oder so gut wären, haben wir S21 so gründlich durchschauen können, sondern weil S21 so konsequent verlogen war und ist. Und auch für diese Erkenntnis mussten und müssen wir sehr viel an Arbeit leisten.

Wenn aber schon die Wahrheit eines solchen Projekts nur mit großer Mühe und Disziplin zu entdecken war, wieviel mehr gilt das für „die“ Wahrheit, die Wahrheit der Welt? Denn um die geht es ja in dem Lied. Wenn schon politische oder technische oder medizinische Wahrheiten ein hohes Maß an fachkundiger und selbstkritischer Arbeit bedeuten – wieviel mehr die Wahrheit der Welt! Wie schnell „wandeln“ wir „im Rat der Gottlosen“, wie es im Psalm dieses Parkgebets heißt, wenn wir vorschnell unsere eigene kleine Wahrheit mit der Wahrheit der Welt gleichsetzen.

Ich will Sie heute einmal auf eine kleine Reise durch die Werkstatt des Theologen mitnehmen, um zu sehen: Wie gehen sie vor, um in biblischen Texten möglichst nicht lediglich die eigene Wahrheit zu entdecken, sondern die Wahrheit der Welt oder ein wenig von ihr? Wir werden dabei zunächst auf den griechischen Gott Hermes treffen. Aber keine Sorge: Wir bleiben auf dem Boden unseres christlichen Glaubens. Weiterlesen

Ansprache für das online-Parkgebet am 11.3.2021 zu Jes 28, 14-15 von Pfr. i.R. Friedrich Gehring

So höret nun des Herrn Wort, ihr Spötter, die ihr herrschet über das Volk… . Ihr sprecht: Wir haben Lüge zu unserer Zuflucht und Trug zu unserem Schutz gemacht.

Dieses Prophetenwort habe ich für das heutige Parkgebet ausgewählt, weil am kommenden Sonntag Winfried Kretschmann erneut zum Landesvater gewählt werden will, nachdem er 2014 uns Kritikern des Projekts Stuttgart 21 im Blick auf die Volksabstimmung vom 27.11.2012 gesagt hat, „in einer Demokratie entscheidet die Mehrheit und nicht die ‚Wahrheit’“. Ich warf ihm daraufhin vor, er mache die Lüge in unserem demokratischen Gemeinwesen hoffähig. Er ließ dies vehement zurückweisen. Als er 2018 behauptete, das Land sei an die Volksabstimmung laut Verfassung gebunden, wies ich in einem offenen Brief darauf hin, dass laut Landeswahlleiterin die Abstimmung keinerlei verfassungsrechtliche Bindungswirkung habe, weil das Quorum nicht erreicht wurde. Er ließ mir dann mitteilen, auf offene Briefe werde nicht geantwortet. So deckt er mit der Lüge über die Volksabstimmung die Lügen zu Kosten und Leistung bei S 21. Im Jahr 2018 hätte er schon daran erschrecken müssen, wie sein Motto des Vorrangs der Mehrheit vor der Wahrheit von Donald Trump perfekt umgesetzt wurde. Dieser gewann mit Hilfe eines Journalismus vom Schlage der Fox-News durch Sprachregelungen wie „alternative Fakten“ die Mehrheit der Republikaner und beinahe die der gesamten USA. Kretschmann vergisst auch, dass Nazipropaganda die Mehrheit glauben machte, die Juden seien an allem schuld und Deutschland brauche einen 2. Weltkrieg.

Verlogene Sprachregelungen finden sich auch bei S 21: Die Untergrundhaltestelle wird als Bahnhof oder gar moderne Bahninfrastruktur verkauft. Der Bergriff Bahnprojekt soll verschleiern, dass es sich in Wahrheit um ein Immobilienprojekt handelt, ersonnen von einigen Verschwörern in einem Hubschrauber und einem Weinberghäuschen. Wenn es vor 10 Jahren schon das Totschlagargument der Verschwörungstheorie gegeben hätte, wäre es uns Kritikern damals sicher um die Ohren gehauen worden, um sich der Sachdebatte zu entziehen.

Jesus sagt zu seinen jüdischen Zuhörern: „Wenn ihr in meinem Worte bleibt, seid ihr in Wahrheit meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh 8,31f). Im Blick auf Jesajas prophetische Anklage erscheint das Wort Jesu über die Machthaber von Bedeutung: „Die als Fürsten der Völker gelten, knechten sie, und die Großen missbrauchen ihre Macht“ (Mk 10, 42). Wir haben das ja besonders schmerzlich erfahren am „Schwarzen Donnerstag“, aber auch in all den Situationen, in denen wir gewarnt haben vor den Gefahren des Projekts und dann das arrogante Wegsehen der Verantwortlichen ertragen mussten. Wenn wir Jesus folgen in seiner politischen Analyse der Macht, dann können wir erkennen, dass Kretschmanns Vorrang der Mehrheit vor der Wahrheit nur verschleiern soll, dass er die Wahrheit über S 21, die er vor Wahl 2011 sehr wohl kannte, geopfert hat auf dem Altar der Koalition mit einer neoliberalisierten SPD, um Regierungschef zu werden. Dieses Amt entschied über die Wahrheit. Aber selbst in diesem Amt hätte er der Wahrheit die Ehre geben und nach dem Erweis der Unrentabilität des Projekts aus dem Vertrag aussteigen können. Dass er diesen Weg nicht ging, kann ich mir nur erklären aus seiner falschen Sorge um den Verlust der Macht.

Nicht nur bei S 21, auch in anderen Bereichen sehe ich Jesu Warnung vor den Mächtigen berechtigt. Wolfgang Schäuble, der Bundestagspräsident, sprach Mitte Juli 2020 Jens Spahn die Fähigkeit zur Führung der CDU und der Bundesregierung zu, weil er „den Willen zur Macht“ besitze. Wenn sich Schäuble an Jesus orientieren würde, müsste er Politiker suchen, die der Wille zum Dienen auszeichnet, denn Jesus fordert von seinen Jüngern: „Wer unter euch groß sein will, sei der Knecht aller“ (Mk 10,44). Spahn nutzt seit Jahren seine Macht als Gesundheitsminister entgegen höchstrichterlicher Urteile, um schwerst Leidenden ein selbstbestimmtes Sterben zu verweigern. Er profiliert sich damit nicht als Diener, sondern als Herr über Leben und Tod. Hier erkenne ich als Nachfolger Jesu den Willen zum Machtmissbrauch des Ministers, der auch noch durch das Infektionsschutzgesetz mit der Vollmacht ausgestattet wird, Grundrechte einzuschränken.

Deshalb sehe ich mich als Jünger Jesu gezwungen, hier besonders genau hinzuschauen. Eine Juristengruppe erstritt gerichtlich die Einsicht in einen Mailwechsel von Bundesinnenministerium und RKI. Daraus geht hervor, dass das Ministerium um drastische Pandemieprognosen bat, um drastische Maßnahmen plausibel zu machen. Das RKI lieferte daraufhin scheinbar unabhängig die Prognose von 1 Million Toten ohne Lockdown (https://www.youtube.com/watch?v=ZfTy1VlPd3Y). Dies wäre wissenschaftlich nur durch einen Versuch mit Kontrollgruppe ohne Lockdown nach zu weisen. Laut RKI Stand Februar 2021 hat die lockdownfreie Kontrollgruppe Schweden (klimatisch für das Virus günstiger) 116 Coronatote auf 100000 Bewohner zu beklagen, Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland zusammen genommen 114 (FR 9.3.21, S. 26). Es werden irreführende Sprachregelungen eingesetzt: Mit dem Drostentest positiv Getestete werden als „Erkrankte“ bezeichnet, obwohl der Test auch bei toten Virenpartikeln positiv reagiert, die nicht krank machen können. Hinzu kommt die Sprachregelung der „asymptomatisch Erkrankten“. Bisher galt wissenschaftlich, dass, wer keine Grippesymptome zeigt, auch nicht an Grippe erkrankt ist. Die Verzerrung der Wahrheit wird zusammengefasst in der Sprachregelung „Inzidenz“, bei der nicht berücksichtigt wird, dass mehr Tests eine höhere „Fallzahl“ ergeben, ohne dass die Erkrankungsrate prozentual und damit die Gefährdung steigt. Das Pandemiegeschehen wird durch diese Sprachregelungen aufgebläht und die irreführenden Inzidenzzahlen sowie die Todesrate, bei der auch mit gezählt wird, wer nicht an, sondern nur mit dem Virus stirbt, machen übertriebene Angst. Diese beschert Politikern mit dem Willen zur Macht hohe Umfragewerte. Nach der politischen Analyse Jesu ist hier Machtmissbrauch erkennbar durch Vernebeln der Wahrheit.

Jens Spahn als gelernter Kaufmann hätte dienen können bei der rechtzeitigen Beschaffung von wirksamen FFP2-Masken. Seine späte übereilte Ausschreibung machte die Beschaffung zum Desaster (https://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/swr/masken-debakel-100.html), bei dem noch viel mehr Geld verschleudert wurde als durch Scheuer bei der PKW-Maut. Die jetzt bekannt gewordenen Maskengeschäfte von Unionsabgeordneten sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Kanzlerin hätte dienen können, indem sie Sorge für den Schutz der Vulnerablen getragen hätte wie in Tübingen. Aber die Umfrageergebnisse für Regierende wie Söder machten die Einschränkungen der Grundrechte für den Machtzuwachs der Union interessanter, ebenso die dazu gehörige übertriebene Panikmache.

Jesus verheißt seinen Nachfolgern: Die Wahrheit wird euch frei machen. Sie wird uns nicht von allen Ängsten befreien, aber sie kann uns helfen, realistische von unnötigen Ängsten zu unterscheiden und zu erkennen, was wirklich hilft. Amen.

Anmerkung zur Auseinandersetzung um das selbstbestimmte Sterben: Das Evangelische Gemeindeblatt für Württemberg hat in Ausgabe 8/2021, S. 13, meinen folgenden Leserbrief abgedruckt (Kürzung in Klammer)

Theologische Argumentation

In der kirchlichen Debatte um selbstbestimmtes Sterben vermisse ich theologische Gründe. Das traditionelle Argument „Gott allein ist Herr über Leben und Tod“ ließ im Spätmittelalter viele glauben, ärztliche Lebensverlängerung sei Blasphemie. Heute müssen wir uns mit Patientenverfügungen gegen die Medizin als Herrin über Leben und Tod wehren. Mein Gottesverhältnis ist geprägt durch Lk 15, 11 ff. Als der Sohn sich (aus unerträglichem Leben) zur Heimkehr entschließt, wird er mit offenen Armen liebend empfangen und nicht mit dem erhobenen Zeigefinger des Vaters: „Ich bestimme, wann du heimkehren darfst.“

Ich bin gerne bereit zu diskutieren, von welcher theologischen Position, das heißt, von welcher Gottesvorstellung aus der Münsteraner Katholik Jens Spahn und evangelische Christen das vom Bundesverfassungsgericht zum Grundrecht erklärte Recht auf selbstbestimmtes Sterben den schwerst Leidenden verweigern wollen.

Parkgebet am 11.3.2021 mit Pfr.i.R. Friedrich Gehring

Die Lieder und Texte zum – weiterhin nur digital stattfindenden – Parkgebet sind dieses Mal ab 18.15 Uhr zu finden unter dem folgenden Link:

(bitte hier klicken!)

Wir wünschen allen Hörer*innen und Leser*innen in diesen schwierigen Krisenzeiten ein klein wenig Verbundenheit untereinander und gewinnbringende Anregungen durch die Texte und Lieder.

Die Liturgie des Online-Parkgebets vom 25.2.2021 ist zu finden unter folgendem Link:

https://c.web.de/@823176437937739474/n35baRuCRkuBOYY5UoEXtg

Ansprache zum online-Parkgebet am 25.2.2021 zu Lk 9,62 von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht tauglich für das Reich Gottes.

Es ist Wahljahr. Es geht aber jetzt nicht nur um Regierungsbildungen in Baden-Württemberg oder im Herbst in der gesamten Republik. Es geht um Zukunftsgestaltung weit darüber hinaus. Immer mehr junge Menschen wollen eine Politik, die ihnen eine Existenz bis in ihr Alter sichert. Da geht es um den Klimawandel, aber auch um Jobs und eine Absicherung im Alter. Der politische Mainstream wirbt um Stimmen bei der Wählerschaft, indem eine Versöhnung von Ökologie und Ökonomie versprochen wird. Bei der schwachen Lobby für die Ökologie und der starken für die Ökonomie kommen oft Kompromisse heraus wie der durch die Intervention der Kanzlerin in Brüssel erreichte, dass schwere SUVs als klimafreundlich eingestuft werden, weil sie bezogen auf ihr Gewicht überraschend wenig Sprit fressen. Dazu fiel mir die Warnung Jesu ein mit dem Bild vom rückwärts gewandten Pflügenden. Wenn wir die Warnung Jesu ernst nehmen, müssen wir fragen: Wo wird bei uns heute rückwärts gewandt mit den Problemlösungen von gestern die Zukunft gestaltet?

Als erstes fällt mir da der Schrei in der angeblich christlichen Union nach Atomkampfbombern und Kampfdrohnen für die Bundeswehr ein. Schon die Lagerung von Atombomben ist seit 22. Januar völkerrechtlich ein Verbrechen. Wer auf den Schutz durch Atombomben vertraut, riskiert das Auslöschen unserer Lebensgrundlagen, als ob diese durch die Klimakrise nicht schon genug bedroht wären. Unsere Verteidigungsministerin, Vorsitzende einer angeblich christlichen Partei, propagierte im vergangenen Oktober Kampfdrohnen zum Schutz unserer Soldaten ausgerechnet im afghanischen Kundus. Dort tötete 2009 der deutsche Oberst Klein in der Absicht, Taliban zu töten, durch seinen Bombardierungsbefehl über 100 Zivilisten, auch Kinder. Kampfdrohnen töten regelmäßig auch Zivilisten, was dann klein geredet wird als so genannte Kollateralschäden. Die Tötung von Feinden fördert deren Rache. Vergessen wird die Warnung Jesu: Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen (Mt 26,52). Kampfdrohnen gefährden unsere Soldaten. Wahrer Friede kommt nicht durch Waffen. Die Bundeswehr ist zur Hilfsorganisation umzubauen. Den Anfang erleben wir jetzt in der Pandemie: Soldaten werden zu Gesundheitshelfern wie „Schwerter zu Pflugscharen“ (Jes 2,4). Die badische Landeskirche fordert seit Jahren diesen Umbau mit ihrem Konzept „Sicherheit neu denken“ (Snd). Dies ist ein Beispiel, die Hand an den Pflug zu legen und im Sinne Jesu nach vorne zu schauen. Die Aufrüstung mit Atombombern und Kampfdrohnen blickt zurück auf das Sicherheitskonzept, das im 20. Jahrhundert zwei Weltkriege hervorbrachte.

Als zweites fällt mir die neoliberale Wirtschaftsdoktrin ein, die sich brüstet, wenn wir die fettesten Pferde gut füttern, dann würden für den Rest der Welt ordentlich Rossäpfel abfallen. Papst Franziskus spricht etwas weniger sarkastisch von der „Trickle-down-Theorie“, nach der vom Reichtum der Megareichen immer auch etwas für die Armen herabtropft. Solche Sprachregelungen verschleiern, dass im neoliberalen Wirtschaftssystem die Reichen immer reicher werden, nicht zum Wohl der Armen, sondern auf deren Kosten und zu deren Schaden. In der gegenwärtigen Pandemie wird diese Umverteilung nach oben noch verschärft. Einer der größten Skandale wird derzeit vorbereitet beim Durchdrücken des Wirtschaftsabkommens CETA. Dieses gibt großen Firmen in Europa und Kanada, aber auch US-Konzernen mit Niederlassungen in Kanada, freie Hand, die Daseinsvorsorge durch Kliniken, Pflegeheime, Wasser- und Elektrizitätswerke und natürlich auch Verkehrsbetriebe und Straßen zu privatisieren, um damit sichere Profite zu machen. Was einmal privatisiert sein wird, kann danach kaum mehr in öffentliche Hände zurück übereignet werden. Wenn etwa Klimaschutz die Gewinne der Investoren schmälert, steht diesen Schadensersatz durch uns Steuerzahler zu. Schon jetzt fordern Energieriesen Milliarden an Schadensersatz für den Atomausstieg aufgrund des Energiechartavertrags (ECT), der so schlimm ist wie CETA. Um solche Zahlungen zu vermeiden, müssen künftig Regierungen bei der Gesetzgebung darauf achten, dass der Profit der Investoren nicht leidet. So werden diese zu den neuen Feudalherren und die Parlamente entmachtet. Die politischen Verantwortlichen, die solche Handelsabkommen abnicken, weil sie sich davon wirtschaftliches Wachstum versprechen, sind Pflügenden gleich, die dabei tief ins Mittelalter zurück schauen.

Eine Versöhnung von Ökologie und Ökonomie, die nach vorne schaut, muss sich verabschieden von einer Klima schädigenden Wachstumsideologie und Verschwendungswirtschaft. Sie muss neue Produktionen finden, die unsere Welt wirklich braucht, etwa Bewässerungsmöglichkeiten für Dürregebiete, effiziente Solarenergie für die Sahara und andere Wüsten, effektives Recycling statt unersättlichem Ressourcenverbrauch. Die so entstehenden neuen Arbeitsplätze können die aus der alten Verschwendungswirtschaft ersetzen. In diesem Transformationsprozess ist Arbeitslosigkeit zu verhindern durch die Teilung von Arbeit und Lohn. Die Kosten des Wandels sind auf die Schultern der wirtschaftlich Stärksten zu legen.

Für uns Kritiker:innen des Projekts S 21 gehört dazu die Abkehr vom verschwenderischen und zerstörerischen Individualverkehr, der zunehmend auf die Schiene zu verlagern ist. Nicht, wie die Kanzlerin im September 2010 meinte, in der Fertigstellung von S 21, liegt die Zukunft Deutschlands, sondern in dessen Aufgabe. Wer verkehrspolitisch seine Hand an den Pflug legt und nach vorne schaut, wird den Umstieg 21 wagen.

Jesus warnt mit dem Bild des rückwärts gewandten Pflügenden ursprünglich Menschen, die dem Ruf in die Nachfolge ausweichen, weil sie noch Geschäfte abzuschließen haben oder abwarten wollen, was bei der Erbschaft herauskommt – das wird im Orient verschleiert mit dem Redewendung „den Vater begraben“. Nur wenn wir die Fixierung auf den Mammon überwinden, können wir vorausschauend für das Reich des barmherzigen Vaters Jesu pflügen. Amen.

Online-Parkgebet am 11. Februar 2021 von Pfr.i.R. Friedrich Gehring zu Markus 10, 15-16

(hier als pdf-Datei)
(und hier alle Lieder und Texte dieses Parkgebets)

Ansprache für das Online-Parkgebet am 11.2.2021 zu Mk 10, 15-16    Friedrich Gehring

Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen. Und er umarmte und segnete sie, indem er ihnen die Hände auflegte.

Ich habe diesen Text ausgesucht, weil mir dieser Tage eine ehemalige Klassenkameradin mailte, es wäre ihr hilfreich, sich „eine Gelegenheit vorzustellen, wo Jesus lächelt oder lacht“. Es erscheint mir nicht zufällig, dass sie danach fragt in der Pandemie, in der viele wenig zu lachen oder zu lächeln haben. Am besten kann ich mir Jesus lächelnd vorstellen bei der Kindersegnung. Die Kinder werden nicht krank oder mit schweren Schmerzen zu ihm gebracht, sondern um von ihm gesegnet zu werden. Ich gehe deshalb davon aus, dass Jesus nicht sorgenvoll auf sie geblickt hat, sondern freudig lächelnd. Er spricht dabei vom Annehmen eines Kindes im Sinne einer Adoption. Und dann zeigt er, wie wir Kindern unbedingtes Angenommensein vermitteln können, indem wir sie zärtlich in die Arme schließen. Auch Erwachsene erfahren so, dass sie geliebt sind. Und diese Urerfahrung macht Jesus zum Inbegriff des Lebens im Reich seines barmherzigen Vaters. Es gehört zu den besonderen Belastungen unter der Pandemie, dass solches gegenseitiges Annehmen durch Umarmungen allenfalls mit FFP2-Masken als ungefährlich erscheint. So müssen Umarmungen ersetzt werden durch andere Zeichen des Annehmens. Dazu gehört, dass wir einander zulächeln. So kommt heute Interesse auf, auch Jesus lächeln zu sehen.

Das mag vordergründig als schwacher Trost erscheinen. Deshalb gebe ich eine authentische Erfahrung zu bedenken: Nach der Scheidung der Eltern sind drei Töchter dem neuen Freund der Mutter ausgeliefert, der mit großer Strenge erzieht und außerdem übergriffig wird. Besonders die mittlere Tochter hat es schwer bei ihm, da sie einen Freund hat. Sie vertraut ihre Not ihrem Tagebuch an. Der Täter reißt die betreffenden Seiten heraus und droht ihr, falls sie etwas ausplaudere. Von der Verlobten ihres älteren Bruders, die Mitglied einer Freikirche ist, erfährt sie, dass Jesus uns schützt. Daraufhin wagt sie es, sich brieflich der Partnerin des Bruders anzuvertrauen. Der Bruder wendet sich an die Kriminalpolizei. Während die Mutter an Silvester in der Wohnung des Freundes ist, gelingt den Mädchen die Flucht. Der Täter kommt vor Gericht.

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Parkgebet digital am 28. Januar 2021 von Pfr.i.R. Michael Harr über Lukas 6, 36

(hier als pdf-Datei)
(und hier alle Lieder und Texte dieses Parkgebets)

Jesus Christus spricht.
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“
Lukas 6, Vers 36

Ich möchte noch einen Text von Wolf Biermann anfügen, der uns wohl allen bekannt ist.

Du, lass dich nicht verhärten
In dieser harten Zeit.
Die allzu hart sind, brechen
Die allzu spitz sind, stechen
Und brechen ab sogleich
Und brechen ab sogleich

 

Die Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 haben uns verändert. Ich will wahrlich nicht so weit gehen zu sagen, dass sie uns zu anderen Menschen gemacht haben, aber sie haben doch das Leben vieler von uns verändert. Das alles ist an unserem Seelenleben nicht spurlos vorübergegangen.

Wir haben vielleicht neu gemerkt, wie sehr wir andere Menschen brauchen – gerade auch dann, wenn wir dem Unrecht und der Korruption entgegentreten wollen. Wir haben an vielen Punkten gemerkt, dass wir gar nicht so machtlos und gegenüber den Mächtigen so hilflos sind, wie wir vielleicht immer dachten. Wir haben neue Freundschaften geschlossen und alte wiederbelebt.

Wir haben auf der anderen Seite auch Gefühle von Wut, Enttäuschung und Verbitterung in uns gespürt. Wir mussten durch dunkle Stunden wie nach der Volksabstimmung und durch Resignation hindurch.

Wir haben gemerkt und erfahren, dass es wahrlich nicht nur um einen Bahnhof geht, sondern auch um unseren Platz in der Stadt, in dieser Welt und wie wir mit den Zuständen in Politik und Gesellschaft umgehen. Und wir haben eben auch gespürt, dass das an unserem Seelenleben nicht spurlos vorübergeht.

Darum wollen wir am Beginn dieses neuen Jahres auf das Bibelwort hören, das uns als Jahreslosung für dieses Jahr gegeben ist. Es ist ein Wort, das uns in der Bergpredigt des Lukas-Evangeliums überliefert ist. Jesus sagt hier: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“

Ich sehe da erst einmal ein Problem, eine Schwierigkeit. Jesus gibt hier eine Anweisung: Seid barmherzig!, aber geht das denn? Kann man das anordnen? Man kann sagen: Tu dieses oder tu jenes! Hol den Krankenwagen! Spende Geld! Man kann anweisen, dass etwas getan wird, aber kann man auch anweisen, dass sich das Herz ändert? Kann man das so anordnen, dass wir nicht nur anders handeln, sondern auch zu anderen Menschen werden? Da bin ich sicher: „Man“ kann das nicht. Das geht nicht, aber Jesus hat etwas Neues in die Welt gebracht. Das ist sein Geist, das ist das Vorbild seiner Güte und vor allem ist das diese Botschaft, dieses Evangelium: Gott, euer Vater und eure Mutter, ist barmherzig, ist die Liebe, hat ein weites Herz.

Nicht Befehle und Anweisungen oder gar Drohungen und angsteinflößendes Reden von Gott verändern uns, sondern diese Kraft zum Neuen ist in dieser Verkündigung, die Jesus gebracht hat. Er stellt uns Gott neu vor und das kann uns verändern – uns und auch die anderen.

Man hat uns oft als „Wutbürger“ bezeichnet. Sicher nicht immer zu Unrecht! Wie oft haben wir eine Stinkwut gehabt. Als damals der schwarze Donnerstag war, war ich gerade in Berlin, bekam einen Anruf und hörte so, was in Stuttgart lief. Ich stand dann am Zaun vor dem Bundeskanzleramt und habe meine Wut hinausgeschrien. Ich hätte das vorher nicht für möglich gehalten, dass ich so meinen Zorn herauslassen könnte. Ich möchte aber betonen: Wir haben unserer Wut nicht freien Lauf gelassen, auch wenn Provokateure uns genau dazu verleiten sollten.

Wir hatten den langen Atem zum Widerstand gegen Stuttgart 21 nicht aus Wut heraus, sondern weil wir gute Gefühle, weil wir Verantwortung in unseren Herzen haben und hatten. Und das hoffe ich weiterhin, dass weder Wut noch Resignation unsere Herzen erfüllen, sondern der Geist Gottes, der barmherzige und gute Gedanken in uns lebendig werden lässt.

Jesus stellt uns das Vorbild Gottes vor Augen. Vor allem dazu hat er uns seine Gleichnisse wie das vom verlorenen Sohn und von dessen Bruder und Vater erzählt. Er stellt uns Bilder vor Augen, die unsere Herzen bewegen und ansprechen können – unsere Herzen und die Herzen auch der anderen, die Herzen auch derer, die diesen Irrsinn von Stuttgart 21 zu verantworten haben und so vieles andere, was in dieser Welt schlecht und böse läuft.

Vor einigen Tagen kam mir der Gedanke, wie es Donald Trump, dieser Zwittergestalt aus Despoten und Hofnarr, jetzt wohl gehe. Ich hoffe und will dafür beten, dass ihm Gedanken von Einsicht und Reue kommen.

Darum wollen wir bitten für uns und die anderen und auch die, die uns fremd und feindlich sind, dass wir der Kraft der Liebe Gottes vertrauen können – auch in diesem Jahr. Dann kann es für uns ein gesegnetes Jahr mit unserem Gott werden.

Parkgebet am 14. Januar 2021 mit Jutta Radicke – digital

(hier die Ansprache als pdf-Datei)
(und hier alle Lieder und Texte dieses Parkgebets)

Engel – Boten Gottes

In der Bibel wird von vielen Engeln berichtet. Da ist der Racheengel, der Adam und Eva den Rückweg ins Paradies versperrt, der Verkündigungsengel, der Maria ankündigt, dass sie den Sohn Gottes zur Welt bringen wird. Zu den Hirten auf dem Feld spricht ein Engel: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geboren“ mit dem Hinweis, sie werden ihn in einer Krippe finden. So sind Hirten die ersten Besucher der jungen Familie und preisen Gott. Und es gibt den Schutzengel, der auch heute noch oft anzutreffen ist, der einem in großer Gefahr beisteht und das Schlimmste verhindert.

Meist werden Engel in strahlend weißen Gewändern und mit prachtvollen Flügeln dargestellt, als Zeichen dafür, dass sie aus einer anderen Welt, der Welt Gottes, zu uns gekommen sind.

Es gibt auch sie: die Engel des Alltags, die manchmal spektakulär auftreten, viel öfter aber unscheinbar, und einfach Hand anlegen, wo es nötig ist. Das kann ein Helfer im Flüchlingslager sein, bei der Bahnhofsmission oder der Vesperkirche, der Essen ausgibt, heute aufgrund der aktuellen Pandemielage zum Mitnehmen; die Gespräche fallen notgedrungen kürzer aus als sonst. Es kann auch der junge Mann sein, der Senioren das Einkaufen abnimmt, ein Mensch, der ein Kind tröstet, das hingefallen ist, und viele mehr.

Ich muss zugeben, ich bin keine große Kirchgängerin, aber in letzter Zeit schaue ich mir gern sonntags morgens den Fernsehgottesdienst im ZDF an. Am vergangenen Sonntag ging es um Engel. Um Engel in der Bibel, aber auch um Engel, die heute im Alltag präsent sind. Eine dieser Engelgeschichten ist mir im Gedächtnis geblieben, und ich möchte sie Ihnen gerne erzählen. Dabei geht es um zwei Frauen, die einander in ganz unterschiedlicher Weise zum Engel geworden sind.

Die eine Frau, jung, sportlich, Joggerin, dreht wie jeden Morgen ihre Runde durch die Natur. Sie ist ganz konzentriert auf den gleichmäßigen Takt ihrer Schritte, sie tankt Kraft für den vor ihr liegenden Tag. Plötzlich wird sie gestört. Sie sieht eine ältere Frau, in ihrer Strickjacke viel zu leicht gekleidet für diese Jahreszeit. Am liebsten würde sie weiterlaufen, doch sie hält inne. Irgendetwas stimmt hier nicht. Sie spricht die ältere Frau an, fragt sie, woher sie kommt, wie sie heißt. Sie bekommt die Antwort: „Das können Sie mir nachher sagen.“ Aus Sorge, die alte Frau könne sich im Wald verirren, fragt die jüngere: „Darf ich Sie ein Stück begleiten?“ – „Aber ja, gerne!“ Immer wieder Begeisterungsrufe der alten Frau: „Sehen Sie die Sonnenstrahlen?“, „Ist diese Blüte nicht hübsch?“, „Was für ein schöner Schmetterling!“ So hat die junge Frau diesen Weg noch nie gesehen, ihr werden die Augen für die Schönheit der Natur geöffnet. Und es wird immer deutlicher: Die alte Frau wirkt weltfremd, hilflos. Die junge Frau verständigt mit dem Handy die Polizei und begleitet die ältere zu einer Straße. Kurz bevor der Streifenwagen eintrifft, greift die alte Frau in ihre Tasche und zeigt der jungen Frau eine laminierte Karte, auf der steht: „Ich heiße … und ich wohne in der Seniorenresidenz … . Wenn Sie mich finden, bringen Sie mich bitte dahin zurück.“ So konnte die jüngere Frau der älteren sagen, wie diese heißt, genau wie sie am Anfang ihrer Begegnung gesagt hat.

Eine unvorhergesehene Begegnung zweier Frauen, die einander zum Engel geworden sind. Die eine, indem sie dafür gesorgt hat, dass die andere unversehrt nach Hause kommt, die andere, indem sie ihr die Augen für  die Schönheit der Natur, für Gottes Schöpfung, geöffnet hat, an der sie vorher achtlos vorbeigetrabt ist.

Auch jetzt, in der Zeit der Pandemie, in der man unnötige Kontakte vermeiden muss, um der Verbreitung der Infektionen entgegenzuwirken gibt es sie, die schönen Momente, die man genießen kann, und die Gelegen­heit, anderen Menschen den Alltag zu erleichtern, Engel füreinander zu sein, auch wenn die Engel manchmal fantasievoller sein müssen als vor der Pandemie.

Es gibt für uns alle neue Herausforderungen. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ist noch immer ungewohnt, aber notwenig, das wird auch noch eine Weile so bleiben. Für manche scheint der Tag endlos lang. Je nach eigenen Interessen und Wetterlage bietet sich ein Spaziergang in der Natur an, fernsehen, ein Buch zur Hand nehmen, ganz altmodisch eine Schallplatte auflegen, zum Telefonhöhrer greifen und einen lieben Menschen anrufen. All das hilft. Was am meisten fehlt, ist das Zusammentreffen mit der Familie, mit Freunden. Eine Zeitlang ist das nur eingeschränkt möglich, zum eigenen Schutz und zum Schutz derer, die wir lieb haben.

Auf dem Liedblatt sind zwei Strophen des Liedes „Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen“ abgedruckt. Wir vertrauen darauf, dass Gott uns in dieser schwierigen Zeit begleitet, uns immer wieder Kraft gibt und unsere Gemeinschaft untereinander stärkt, auch wenn wir uns nur in Gedanken nahe sein können.

In diesem Sinne freue ich mich auf ein Wiedersehen mit Ihnen. Bleiben Sie gesund!

Amen.

Weihnachtspredigt 2020 zu Lk 2, 10 von Pfr. i.R. Friedrich Gehring

Der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet Euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.

Armen kleinen Leuten wird ein Kind geboren, und das soll zum Retter der armen kleinen Leute werden. Das ist die Weihnachtsbotschaft. Wie wird dieser Knabe „alles Volk“ retten, wenn er erwachsen geworden und von Gott zum Retter gesalbt ist? Die Evangelisten berichten, dass er nach dem Einzug in Jerusalem im Tempel der Priesterkaste vorwirft, das Haus Gottes zur Räuberhöhle zu machen (Mk 11, 15-18), weil sie die Schuldgefühle der kleinen Leute schüren, um durch Tieropfer ein ausbeuterisches Geschäft zu machen. Die Priester beherrschten einerseits die damalige Fleischbranche wie heute Tönnies und Co., andererseits waren sie die Gesundheitspolizei, die echte und vermeintliche Aussätzige in Quarantäne oder Dauerisolation schickte. An die Stelle der priesterlichen ausbeuterischen Form der Schuldbewältigung setzt Jesus die Verkündigung der Vergebung durch seinen barmherzigen Vater, der keine Opfer braucht und kostenlose barmherzige Vergebung unter seinen Kindern will (Lk 15,11-32). So schützt Jesus die kleinen Leute vor ihren ausbeuterischen Landsleuten.

Aber auch vor der römischen Ausbeutung schützt Jesus das Volk. Er spricht den römischen Machtmissbrauch offen an und wirbt für eine Gegenkultur des Dienens, wodurch das Reich seines barmherzigen Vaters wächst (Mk 10, 42-44). Als gewaltfreien Widerstand empfiehlt er den Boykott römischen Geldes, weil für Juden das Kaiserbild auf den Münzen ein verbotenes Götzenbild ist (2. Mose 20,4; Mk 12,13-17). Dieser Boykott konnte die Ausbeutung zumindest erschweren. Deshalb musste Jesus, der Beschützer kleiner Leute, als römischer Staatsfeind am Kreuz sterben.

Wenn wir die Weihnachtsbotschaft so in den zeitgeschichtlichen Rahmen einordnen, wird sie heute politisch hoch aktuell. Wir stehen als Gegner des Projekts Stuttgart 21 zusammen, weil hier ein Paradebeispiel für die Ausbeutung der Mehrheit durch eine kleine Zahl von Profiteuren vorliegt. Die neueste zu erwartende Kostensteigerung von über einer Mrd. € werden wir alle durch Zuschüsse der öffentlichen Hände an die Bahn sowie durch Fahrpreiserhöhungen zahlen für den Profit von Immobilienspekulanten. Dazu hin zahlen wir noch mit einer Verschlechterung des Bahnverkehrs. Um diese Verschlechterung auszugleichen, sollen für ein zweites S 21 nochmals viele Milliarden draufgelegt werden, obwohl der Katastrophenschutz immer noch ungeklärt ist. Wer Widerstand leistet, wird zwar nicht mehr wie einst gekreuzigt, aber durch illegale Polizeieinsätze abgeschreckt oder wie das Parkgebet vom Verfassungsschutz beobachtet. Dieser schützt aber nicht die Verfassung, sondern die Profiteure und die willfährigen neoliberalen Wachstumspriester in den Parlamenten, die erlauben, dass die Deutsche Bahn im Ausland statt im Inland investiert.

Wenn wir uns von Jesus sensibilisieren lassen für Ausbeuterei, dann können wir auch bei der Gesundheitsfürsorge nicht wegschauen. Wenn Eckart von Hirschhausen feststellt: „Der Mammon hat die Medizin voll im Griff“(FR 30.10.17), dann könnte er auch vom neoliberalen Privatisierungs- und Wachstumswahn in der Medizin sprechen. Das vermeidet er. Denn wer heute Neoliberale anprangert, wird schnell der Verschwörungtheorie bezichtigt von Leugnern des Neoliberalismus, die sich rationaler Argumentation entziehen wollen. Davor schützt der biblische Begriff Mammon aus der Muttersprache Jesu, der die zerstörerische Kraft der Gier nach Geld und Kapital bezeichnet, denn Jesus kann man nicht so leicht eine Verschwörungstheorie vorwerfen. Den von Jesus Sensibilisierten fällt auf, dass Experten wie Lauterbach einerseits vor den Gefahren der Pandemie große Angst machen, andererseits nach wie vor das Schließen weiterer Kliniken befürworten, was die Arbeit nicht nur in privaten profitorientierten Kliniken enorm verdichtet. Der Profit- und Kostendruck lastet schwer auf dem Personal, sodass Pflegekräfte immer knapper werden und wir jetzt mangels Personal unbelegbare Intensivbetten haben, ein Beispiel für die zerstörerische Kraft des Mammon. Ganz besonders fällt mir auf, dass erst jetzt Mitte Dezember FFP2-Masken an die besonders Gefährdeten verteilt wurden, nachdem viele Wochen lang täglich Hunderte verstarben.

Ich wage eine Erklärung und bitte alle, die sie bezweifeln, um eine bessere. Eine frühere Verteilung hätte die Masken zu einer Impfkonkurrenz gemacht und damit das Impfgeschäft geschädigt. Wer auf das Impfen fixiert ist, braucht ein gewisses Maß an Bedrohung, um Impfbereitschaft zu erzeugen. Denn laut einer seriösen Umfrage will sich rund die Hälfte gerade des Pflegepersonals nicht impfen lassen aus Sorge wegen Langzeitfolgen (https://www.mdr.de/nachrichten/panorama/ticker-corona-virus-montag-vierter-januar-100.html) , wohl weil dort die spürbare Herrschaft des Mammon skeptisch macht. Den Pflegekräften fällt wohl auf, dass nicht sie, sondern hoch Betagte und Demente zuerst geimpft werden sollen, die einerseits lange Zeit mit Ausnahme von Tübingen zu wenig geschützt wurden und bei denen andererseits Spätfolgen kaum mehr auffallen dürften. Pflegekräfte wissen auch von der englischen Notzulassung, bei der die Haftung für Impfschäden von den Herstellern auf den Staat übergeht. Ich bin erinnert an die Klausel im S 21-Vertrag, dass die Bahn bei Schädigung der Heilquellen nicht haften muss. Ich sehe hier die alte kapitalistische Masche, Profite zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren.

Das notwendige Maß der Bedrohung zugunsten des Impfgeschäfts erinnert mich an die neoliberale Regel, die Inflation müsse 2 Prozent betragen, damit die Leute schneller einkaufen aus Angst, bald werde alles teurer. Die Deflation, bei der mangels Nachfrage alles billiger wird, ist bei den neoliberalen Wachstumspriestern gefürchtet, weil Kaufentscheidungen aufgeschoben werden. Solche neoliberalen Maximen scheinen nun auch das Gesundheitswesen zu beherrschen. Die späte Verteilung von FFP2-Masken im Interesse einer impfgünstigen Bedrohungslage ist nun aus dem Ruder gelaufen. Es sterben gerade diejenigen, die wir durch den Lockdown schützen sollen, weil sie nicht geschützt wurden wie in Tübingen. Papst Franziskus ist bestätigt: „Diese Wirtschaft tötet“.

Ich wünsche uns deshalb an diesem Weihnachtsfest 2020 echt schützende Masken auch für alle armen kleinen Leute. Den Impfentwicklern wünsche ich Erfolg vor allem in den ärmeren Ländern, aber auch uns allen Fachleute, die das Impfen mit dem nötigen kritischen Blick begleiten. Denselben Erfolg wünsche ich den Entwicklern von Medikamenten gegen Coronaviren, die bisher kaum unterstützt werden. Und ich wünsche uns allen, dass, wenn unsere Lebensuhr abgelaufen ist und unser barmherziger Schöpfer uns heim ruft, wir frei von Todesangst zu ihm heimkehren können. Amen.

Anmerkung zur Wortwahl „Versuchskaninchen“ in der ursprünglichen Video-Predigtversion:

Frankfurter Rundschau vom 19.1.21, S. 8:

„An den weiterhin laufenden Studien sowohl für die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna als auch für das in Großbritannien zugelassene Vektorvakzin von Astrazeneca nahmen und nehmen nur sehr wenige Menschen über 80 teil“. Es sind „nach Angaben der Nachrichtenagentur Blomberg Stand Sonntag in Norwegen 29 Menschen wenige Tage nach ihrer ersten Covid-Impfung gestorben; alle waren älter als 75, hatten schwere Grunderkrankungen und lebten in Pflegeheimen. Die norwegische Arzneibehörde … rät jetzt zur Vorsicht bei sehr alten kranken Menschen.“

Die in den Studien offenbar gemiedene Impfung Hochbetagter wird nun bei der massenhaften Impfung der über 80-Jährigen nachgeholt. Die Toten sind offensichtlich späte Versuchskaninchen gewesen.

Online-Weihnachtsgottesdienst am 2.Weihnachtsfeiertag um 11:00 Uhr

Leider können wir aufgrund der aktuellen Situation keinen Gottesdienst im Park feiern. Stattdessen wird es einen Online-Gottesdienst im Internet geben, der ab 26.12.2020, 11:00 Uhr abrufbar ist – unter dem Link:

https://www.youtube.com/user/demofotograf/featured

Wir freuen uns, dass wir wenigstens so mit Ihnen Kontakt halten können, wenn es auch sehr viel schöner wäre, Sie persönlich zu sehen.

Mit herzlichen Grüßen und besten Weihnachtswünschen,
Ihr Parkgebets-Team.

Kein Weihnachts-Gottesdienst im Park

Liebe Mitchrist*innen, die Corona-Lage hat sich derartig verschärft, dass wir es nicht verantworten können, mit einem Gottesdienst im Schlossgarten Anlass zu bieten, dass Menschen mehr Kontakte miteinander haben als unbedingt nötig. Wir sind uns deshalb einig, dass der seit nunmehr 10 Jahren vertraute Weihnachts-Gottesdienst im Park dieses Jahr leider ausfallen muss.

Im Mittelpunkt der Weihnachtsbotschaft steht die Nächstenliebe – da darf nicht ein Weihnachts-Gottesdienst zur Gefährdung von Menschen beitragen. Wir fragen uns deshalb nicht: Was dürfen wir in dieser Situation (trotzdem) veranstalten? Sondern wir fragen: Was können wir in dieser Situation dazu beitragen, dass die Infektionszahlen im Land deutlich zurückgehen?

Deshalb werden wir lediglich versuchen, hier, auf unserer Internet-Seite, einen digitalen gottesdienstlichen Beitrag zum 2. Weihnachtstag zu bringen. (Näheres demnächst auf dieser Seite!)

Wir wissen um das Verständnis unserer Besucher*innen und wünschen ihnen schon an dieser Stelle ein – dieses Jahr auf ganz andere Weise – gesegnetes Fest.

Eberhard Dietrich, Ulrich Ebert, Guntrun Müller-Enßlin, Waltraud Müller-Hartmann, Martin Poguntke, Jutta Radicke, Sylvia Rados, Wolfgang Schiegg

Der „feurige Elias“ und die Bahnpolitik von Pf.i.R. Michael Harr

Im Privatisierungswahn der 90-er-Jahre wurde es zu einer Art volkswirtschaftlichen Dogmas erhoben, dass der Staat unfähig sei, seine Aufgaben ordentlich zu erfüllen. Daher sollte auch die Deutsche Bahn privatisiert werden. Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft bekam man noch hin, aber dann ging es nicht weiter – und das war gut so. So ist nach wir vor die Bundesrepublik Deutschland Alleineigentümerin der Bahn.

Inzwischen wurde wieder deutlicher erkannt, dass öffentliche Aufgaben in öffentliche Hand gehören und nicht in die Hand Privater, die nur auf Profit aus sind. Auch die Aufgaben der Eisenbahn gehören somit in der Regel in die Hand der Allgemeinheit und damit des Staates, der dem Allgemeinwohl verpflichtet zu sein hat und nicht den wirtschaftlichen Interessen einzelner.

Die Kritik an einer Vergötzung privater Bereicherung ist durchaus nicht Neues. Daran erinnert uns eine alte volkstümliche Bezeichnung für Dampflokomotiven und ihre Eisenbahnstecken als „Feuriger Elias“. Diese Bezeichnung wurde und wird für verschiedene Bahnstrecken und Lokomotiven verwandt. Dabei dürfte kaum jemandem bewusst sein, dass uns damit biblische Geschichten in Erinnerung gerufen werden, in denen der Prophet Elias (in der Lutherbibel „Elia“) eine bedeutende Rolle spielt. Erzählt werden uns diese Geschichten im Alten Testament vom 1. Buch der Könige, Kap. 17 bis zum 2. Buch der Könige, Kap. 2. Die Zeit der Wirksamkeit des Propheten ist im 9. Jahrhundert vor Christus anzusetzen.

Das war eine Zeit, in der das alte Israel an einem Scheideweg stand. Zum einen waren im Volk die alten Traditionen lebendig. Es wurde erzählt von Jahwe, dem Gott, der das Volk Israel aus der Knechtschaft, aus der Sklaverei in Ägypten geführt hatte und ihm Heimat und Ruhe in dem Land gab, das er ihm verheißen hatte. Dieser Gott erschien seinem Volk nicht in Tempeln und Götterstatuen. Das war der Gott, der mitgeht, der seine Leute führt und begleitet und sie seine Hilfe und seinen Beistand erfahren lässt. In seinem Handeln, nicht in Bildnissen ist er bei seinen Leuten.

Auf der anderen Seite standen diejenigen, die meinten, eine neue Zeit sei angebrochen. Jetzt gelte es, nicht mehr, überholte religiöse Vorstellungen zu pflegen, sondern sich den Göttern des Landes und damit den Göttern einer neuen Zeit zu öffnen. Die Götter des Landes, die Baale, – das seien die neuen Gottheiten, auf die man jetzt bauen und vertrauen müsse. In deren Kulten ging es dann vor allem um Reichtum, Wohlergehen, fette Ernten, Wohlstand und Fruchtbarkeit. Das waren Gottheiten der Reichen und Mächtigen. Die besonderen Erfahrungen der Befreiung der Geknechteten und der Führung durch die Wüste unter Mose hatten in dieser Religion keinen Platz mehr.

„Elia“ heißt zu Deutsch „Mein Gott ist Jahwe“. Dieser Name ist Programm. Wobei auch erwähnt werden soll, dass dieser Name “Jahwe“ von den Juden nicht ausgesprochen wird, um jeden Missbrauch des Namens zu vermeiden. Stattdessen wird bei der Bibellesung dort, wo dieses Wort auftaucht, „Adonai“ gesagt, zu Deutsch „Herr“. So wird dieses Wort auch in unseren Bibeln wiedergegeben und zwar mit einem großen H und einem großen E am Anfang. In den Lutherbibeln ist das deutlich. Vielleicht schauen sie einfach mal selbst nach.

Elia kämpfte für diesen Gott und seine Gebote. Er widersprach einer Religion, in der es nur um Wohlergehen, Wohlstand und Reichtum geht. Er trat dafür ein, von dem Gott, der sein Volk befreit hatte, auch das tägliche Brot zu erwarten, sowie er das Volk bei der Wüstenwanderung immer neu versorgt hatte. Dieser Gott gibt auch die Fruchtbarkeit des Landes und er steht auf der Seite der Armen und Unterdrückten.

Gegen Ende seiner Wirksamkeit übergibt Elia diesen Auftrag an seinen Schüler Elisa weiter und wird selbst in den Himmel, zu Gott entrückt und zwar wird er abgeholt von einem feurigen Wagen. Er stirbt also nicht, sondern wird auf wunderbare Weise in die andere Welt Gottes erhoben. So wurde er für Israel eine messianische Gestalt und an Jesus wurde die Erwartung herangetragen, ein neuer oder der wiedergekommene Elia zu sein. Ja, Jesus nahm selbst in seiner Verkündigung Elemente der Verkündigung und der Erinnerung an Elia auf.

Soweit zum biblischen Elia und seinen Traditionen.

Nach diesem feurigen Wagen, der Elia aus dieser Welt abholte, wurden dann Dampflokomotiven, diese neuen feurigen Wagen, als „Feuriger Elias“ benannt.

Wir haben heute in frommen Kreisen immer wieder mit Leuten zu tun, die ein „Wohlstandsevangelium“ verkünden. Deren Botschaft ist die, dass die diejenigen, die an Christus glauben und seinen Weg gehen, gesegnet werden. Das soll heißen, dass diejenigen wohlhabend und reich werden. Der Reichtum zeige, dass man auf Gottes Seite stehe. Die Armen sind darum arm, weil sie nicht den Segen Gottes empfangen können. Sie sind damit eben vor allem selbst an ihrer Lage schuld und sollen sich erst einmal bekehren. Eine wichtige Vertreterin dieses Wohlstandsevangeliums ist Paula White. Sie war die erste Frau, die als Geistliche bei der Amtseinführung eines Präsidenten, nämlich der von Donald Trump, ein Gebet sprach. Man kann sie auf einem interessanten YouTube-video sehen, wo sie um den Sieg Donald Trumps den Himmel anfleht.

Ich halte das für einen modernen Baalskult, der Gott auf der Seite der Reichen und Mächtigen verortet und nicht dort, wo es um die Verantwortung für die Gemeinschaft und um die Rechte der Armen und Arbeitenden geht. Das ist nicht der Gott, den Jesus uns verkündigte. Das ist der Baal derer, die Macht und Reichtum eigensüchtig missbrauchen.

Jesus ruft uns zur Umkehr auf einen anderen Weg.

Und damit sind wir bei Stuttgart 21: Dass man die Bahn zum Aktienunternehmen machte und damit eine öffentliche Aufgabe privatisieren wollte, war eine der Fehlentwicklungen einer dem Gemeinwohl gegenüber gleichgültigen kapitalistischen Denkweise. Leute wie Mehdorn, die den Berliner Flughafen genauso verpfuscht haben wie den Stuttgarter Bahnhof, sind dafür verantwortlich. Darin erkenne ich den Baalskult der heutigen Zeit. Es ist Zeit zur Buße!

Michael Harr

PS: Wer mal Paula White erleben möchte, kann sich das auf YouTube antun unter: „Paula White Leads Impassioned Prayer in Bid to Secure Donald Trump’s Re-election: ‚I Hear Victory'“

Ansprache zum (virtuellen) Parkgebet am 3.12.20 zu Jakobus 5,7f von Pf.i.R. Martin Poguntke

(hier als pdf-Datei)
(hier in Großdruck, 4 Seiten)

Liebe Parkgebetsgemeinde, liebe Leser*innen unserer Homepage,

wirklich schade, dass wir einander in diesen Zeiten nicht im Park gegenüberstehen können – so gerne würde ich bei meiner heutigen Ansprache in Ihre Gesichter sehen. Aber mir ist es wichtig, dass wir auch kleine Beiträge leisten, um die Corona-Infektionen nicht zu schnell wachsen zu lassen, und deshalb auf ein analoges Parkgebet verzichten.

Jetzt, in der Adventszeit finde ich das besonders schwer, jetzt, wo wir einander wieder unsere adventliche Hoffnung stärken wollen – denn wo blieben wir ohne diese Hoffnung?

Und dennoch: Irgendwie ist es auch jedes Jahr anstrengend: Ständig wird von Hoffnung geredet, während man selbst bisweilen alle Mühe hat, auch nur ein kleines bisschen an Hoffnung aufzubringen. Wem gelingt es denn, wirklich noch zu hoffen, dass Stuttgart 21 noch aufgehalten wird? Wem geht nicht so nach und nach die Hoffnung verloren, dass wir das mit dem Klimawandel noch in den Griff bekommen? Wem gelingt es noch – viel grundsätzlicher – allen Ernstes zu hoffen, dass diese Welt auf eine Zukunft in Gerechtigkeit und Frieden zusteuert?

Nein, so einfach ist das nicht mit der Hoffnung. Da kann man schon verstehen, wenn Mitstreiter unserer Bewegung gegen S21 gelegentlich die Geduld verlieren. Wenn der Ton untereinander bisweilen etwas rauer wird. Und man kann verstehen, dass manche unter uns sich auf bedenkliche Weise aufreiben in ihrem Einsatz dafür, dass doch noch das Ruder herumgeworfen und S21 gestoppt wird. Worauf sollte man auch sonst hoffen, wenn nicht auf das eigene Tun und das der Mitstreiter?

Aber was ist das für eine zerstörerische Hoffnung? Selbstzerstörerisch! Wenn alles von uns abhängt. Nur wenn wir Tag und Nacht rödeln, bis die Schwarte kracht, können wir auf Erfolg hoffen? Kann es das wirklich sein?

Meine Schüler hätten an dieser Stelle hellwach und angemessen misstrauisch erkannt, dass das natürlich nur eine rhetorische Frage ist. Und weil sie der Relilehrer stellt, wäre für sie klar gewesen, dass jetzt gleich das liebe Jesulein rauskommen muss. Da sind wir Pfarrer ja Meister drin: Immer wenn die Situation unübersichtlich oder bedrohlich wird, ziehen wir Jesus oder den lieben Gott aus der Tasche, und alles kommt auf einen guten Weg.

Aber so einfach ist es nicht. Weiterlesen

Ansprache beim Parkgebet am 5.11.20 zu Jer 25,2-3 (Ausschnitt) von Pfr. i. R. Friedrich Gehring

Jeremia sprach zu dem ganzen Volk… : 23 Jahre lang habe ich euch immer wieder gepredigt, aber ihr habt nie hören wollen.

Eine niederschmetternde Zusammenfassung seines Wirkens bietet Jeremia mit diesen Worten. Er hat den Mächtigen im Land vorgehalten, dass sie das Blut der Armen und Unschuldigen an ihren Kleidern tragen (Jer 2,34) und Gewalt üben gegen Fremdlinge, Waisen und Witwen (7,6). Er zog sich die Feindschaft der Tempelpriester zu mit dem Vorwurf, sie würden den Machtmissbrauchern zu falscher Heilsgewissheit verhelfen. Durch die Prophezeiung von Unheil als Strafe für Gottlosigkeit zog er den Zorn des Königs auf sich. Seine Gegner warfen ihn schließlich in eine Zisterne, wo er nur knapp dem Tod entkam (38). Sein Misserfolg und die Bedrohung durch mächtige und skrupellose Feinde stürzte ihn zeitweise in tiefe Depressionen. Er verflucht den Tag seiner Geburt und wirft seinem Gott vor, er habe ihn beschwatzt zu Botschaften, die ihm nur Hohn uns Spott brächten. Er will nicht mehr im Namen Gottes predigen, aber dann wird die nicht verkündete Botschaft wie unerträgliches brennendes Feuer in seinem Herzen (20,7ff).

Das ist über 2600 Jahre her und doch hoch aktuell. Auch heute klebt das Blut der Armen und der unschuldigen Opfer von Kriegen um Rohstoffe und Macht an den Kleidern der Mächtigen. Reiche Länder liefern Waffen für Kriege. Wenn die Kriegsflüchtlingen als Fremdlinge zu den Waffenlieferanten kommen, werden sie zurückgestoßen in den Tod oder in unsäglichen Lagern eingesperrt. Die Witwen und Waisen von damals sind heute die Alleinerziehenden in Hartz IV und die Rentnerinnen in der Grundsicherung, die in Coronazeiten keine Tafeln und Vesperkirchen mehr finden. Den Mitfühlenden geht es wie Jeremia: „So oft ich rede, muss ich schreien: ‚Unrecht! Gewalttat!’“ (20,8) Damals wie heute entstehen dabei depressive Gefühle der Ohnmacht. Gerade auch im Widerstand gegen das gefährliche und schädliche Projekt Stuttgart 21 müssen wir immer wieder aufschreien, nicht nur im Blick auf den illegalen Polizeieinsatz am schwarzen Donnerstag, an dem das Demonstrationsrecht mit Wasserwerfern abgeschafft werden sollte. Ähnliche Grundrechtseinschränkungen ohne Parlamentsbeschlüsse erleben wir jetzt in der Pandemie. Der diktatorisch bevollmächtigte Jens Spahn verweigert seit Jahren schwerst Leidenden das Grundrecht, ihr Leiden selbstbestimmt zu beenden. Nicht uns, sondern ihn müsste der Verfassungsschutz beobachten, ebenso die Kanzlerin und den kleinen Kreis um sie, der am Parlament vorbei Panik machende Mediziner benutzt, um sich mit harten Maßnahmen hohe Umfragewerte zu sichern. Die Parlamente werden über Beschlüsse des Hofstaats im Nachhinein informiert statt die offene Parlamentsdebatte vor den Entscheidungen zu führen. Zum Glück funktionieren noch die Gerichte, die unsinnige Hofstaatsbeschlüsse wie das Beherbergungsverbot kippen. Und zum Glück gibt es noch Linke wie Ramelow, der in Thüringen wieder das Parlament diskutieren und entscheiden lässt.

Bei all solchen niederdrückenden Nachrichten machen wir immer wieder auch die Erfahrung des Jeremia: Wenn wir resignierend schweigen wollen zu Unrecht und Gewalt, dann brennt es in unseren Herzen (20,9), dass wir nicht mehr still halten können. Ich denke, das ist der Grund, warum wir auch nach 10 Jahren mit dem Parkgebet immer noch nicht aufhören und uns nicht abfinden mit der Behauptung, ein Umstieg sei nicht mehr möglich. Der Berliner Flughafen wurde mit 9 Jahren Verspätung eröffnet und es werden Stimmen laut, die sagen: Nachdem der Flugbetrieb jetzt funktioniert, wird wie beim Skandal um die Hamburger Elbphilharmonie alles Schlimme vergessen sein. So würde es auch bei S 21 kommen. Wir lassen uns von solcher Verharmlosung nicht beeindrucken. Die Leistungslügen werden unweigerlich auf den Tisch kommen. Beim BER wurden monatelang mit Tausenden Komparsen die Abläufe kritisch überprüft. Wenn in der Tiefbahnhaltestelle tatsächlich einmal real durch geprobt wird, wie Fahrgäste bei Doppelbelegung der 8 Gleise mit Doppelstockzügen in der Stoßzeit umsteigen sollen, wird sich nicht mehr leugnen lassen, dass an den Treppen so gut wie nichts mehr geht. Je näher diese Zeit rückt, werden wohl alle Heilspropheten von S 21 das sinkenden Schiff verlassen haben wie die Herren Kefer und Grube.
Und wenn gar die Katastrophenschutzmaßnahmen praktisch überprüft werden, wird man nicht mehr wie in den bisherigen Simulationen von Doppelstock-ICEs ausgehen können, die im Tunnel ohne Bestuhlung entfluchtet werden. Jeremia hat einst vor dem militärischen Abenteuer gewarnt, den Aufstand gegen die babylonische Herrschaft zu wagen. Er wurde nicht gehört. Die Unbelehrbaren zahlten mit zwei Deportationen und der Zerstörung Jerusalems sowie der Entweihung des Tempels, auf dessen Schutz die Abenteurer gesetzt hatten. An den Wassern Babels ergingen sie sich weinend in ohnmächtigen Rachegelüsten (Ps 137). Auch die unbelehrbaren abenteuerlichen Bauspekulanten, die S 21 auf dem Gewissen haben, werden von der Realität eingeholt werden, dass die Lösung der Stuttgarter Wohnungsprobleme nicht auf dem spekulativ überteuerten Grund im Talkessel liegt und dass die Stuttgarter Verkehrsprobleme nicht mit der Verkleinerung des Bahnhofs auf eine schräge Haltestelle bewältigt werden. Der hauptsächliche politische Spekulantenknecht Mappus sitzt ja schon seit 2011 weinend an den Wassern Babels. Es wird darauf ankommen, dass wir nicht nachlassen, die Finger in die Wunden des Projekts zu legen und die verheerende neoliberale Politik zu skandalisieren, die solche Großprojekte hervorbringt.
Entsprechende Aufmerksamkeit müssen wir auch dem Pandemiemanagement widmen. Eckart von Hirschhausen schrieb im Reformationsjubiläumsjahr in der Frankfurter Rundschau an Martin Luther: „Die Medizin ist fest im Griff des Mammon“. Ich war so frei, ihm als Martin Luther zu antworten: „Nicht nur die Medizin“. Jesusnachfolge bedeutet, dem Mammon zu widerstehen (Mt 6,24) und darauf zu achten, wo Impflobbyisten ihr Geschäft mit unrealistischer Panikmache suchen und Coronakönige wie Söder daraus politisches Kapital schlagen, um Politik zu betreiben wie bei der Ausländermaut oder Stuttgart 21.

Ich will nicht unterschlagen, wie es Jeremia am Ende erging. Er wurde wohl von seinen Feinden nach Ägypten entführt. Dort verliert sich seine Spur im Dunkel der Geschichte. Obwohl er mit seinen Warnungen recht behielt, wirkt das nicht wie eine Erfolgsgeschichte. Manche, vielleicht auch viele von uns werden nicht mehr erleben, wie es mit S 21 zu Ende gehen wird. Aber auch wenn unsere Gegner vorübergehend frohlocken, wir werden dennoch unser Vertrauen nicht auf den Mammon, sondern auf unseren barmherzigen Gott setzen, wie wir eingangs im Ps 25 gebetet haben.
Amen.

Parkgebet an der Lusthausriune am 5. Nov. 2020 um 18.15 Uhr

Nach einer Umfrage hat sich ergeben, dass ein großer Teil der bisherigen Interessierten das Risiko für genügend gering hält, um sich unter den bisherigen Hygienebedingungen im Park an gewohnter Stelle zu treffen. Das Parkgebet ist als Versammlung gemäß dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG von den Einschränkungen ab 2. Nov. 2020 ausgenommen. Jutta Radicke und Friedrich Gehring warten also am 5. Nov. 2020 um 18.15 wie gewohnt im Park auf Interessierte.