Die Übersetzung in heutigem Deutsch von 1982, aus der ich eben vom Turmbau in 1. Mose 11 vorgelesen habe, überscheibt die Turmbauerzählung mit den Worten: „Die Menschheit will es mit Gott aufnehmen“. So deutet seit etwa 3000 Jahren eine an Herrschaft interessierte Theologie diesen Bibelabschnitt. Das steht aber nicht im biblischen Text. Die hier beschriebenen Nomaden, die sich niederlassen, um eine Stadt und einen Turm zu bauen, denken dabei überhaupt nicht an Gott, sie wollen nur „in aller Welt berühmt“ und nicht wieder „über die ganze Erde zerstreut werden“. Die Basis der Bevölkerung beschließt hier also vorbildlich ohne die Gängelung durch Behörden, was der Festigung der Gemeinschaft dient. Von Gott ist in der Erzählung erst die Rede, als die Menschen sich erfolgreich ans Werk machen. Das hält dieser Gott nicht aus, die Menschen werden ihm zu mächtig. Wenn das so weiter geht, sagt dieser Gott, dann werden sie „alles ausführen, was ihnen in den Sinn kommt.“ Das kann dieser Gott nicht dulden, er sorgt dafür, dass sie einander nicht mehr verstehen, er zerstreut sie über die ganze Erde, damit sie ihre Pläne aufgeben.
Gegen die übliche Auslegung der Erzählung vom Turmbau zu Babel stelle ich die Frage: Wer ist hier das Problem? Und ich kann nur eine Antwort finden: Die hier dargestellte Vorstellung von Gott schafft die Probleme. Gott verhält sich hier wie ein orientalischer Despot, der eifersüchtig seine Macht verteidigt gegen das gemeinschaftlich starke Volk. Nicht dieses Volk ist gefährlich, sondern dieser Gott. Er hat über Jahrtausende hinweg den Herrschenden als theologische Rechtfertigung gedient für das Prinzip „Teile und herrsche“. Dieser Gott passt gut zum ehemaligen Bahnchef Dürr, der meint, Großprojekte wie Stuttgart 21 müssten dem Volk „überfallartig“ präsentiert werden, um Gegnern keine Chance zu lassen. Dieses Gottes- und Menschenbild leitet wohl auch SPD-Fraktionschef Schmiedel, wenn er behauptet, Gott lege seinen Segen auf das Überrumpelungs-Projekt. Landesbischof July, der dieses Mammonsprojekt der herrschenden Profiteure als Bahnhof hinnimmt, bei dem die Bibel außen vor bleiben könne, muss sich mit dieser Gottesvorstellung und ihren politischen Konsequenzen nicht auseinandersetzen. Ich sehe mich jedoch gezwungen weiter zu fragen: Können wir als Christen dieses Gottesbild vom eifersüchtig herrschenden Despoten und seine politischen Auswirkungen gut heißen? Ich denke, diese Frage zu stellen heißt zugleich, sie zu verneinen.
Denn Jesus stellt uns seinen Gott als den liebenden Vater dar, der seinen Kindern Gutes zutraut, wohl wissend, dass sie auch Fehler machen können, dass sie aber zugleich daraus zu lernen vermögen und von falschen Wegen umkehren können. Im Gleichnis vom barmherzigen Vater in Lk 15, 11 ff zahlt der Vater dem jüngeren Sohn sein Erbe aus, er traut ihm zu, damit vernünftig umzugehen. Als der Sohn durch eine Teuerung alles verliert, was sein Lebensstil vom Erbe übrig gelassen hat, gesteht dieser seinen Misserfolg ein und kehrt zu seinem Vater um, der ihn mit offenen Armen empfängt und ihm einen Neuanfang gewährt. So ist Gott, sagt uns Jesus. Wenn wir das ernst nehmen, dann müssen wir in aller Entschlossenheit dem Gottes- und Menschenbild widerstehen, das bei Managern wie Ex-Bahnchef Dürr Pate steht. Das Volk ist in den Augen des barmherzigen Vaters Jesu nicht grundsätzlich böse und verdient kein grundsätzliches Misstrauen, sowenig die Herrschenden grundsätzlich die Guten sind, die das böse Volk in Schach halten müssen. Das Volk muss aus der Sicht von Jesus nicht überrumpelt werden.
Die Schweiz hat beim Gottharttunnelprojekt vorgeführt, wie die Verantwortungsträger mit dem Volk zusammen Großprojekte vernünftig planen können. Bahnchef Grube hat gezeigt, wie man Fehler eingestehen kann, als er bekannte, mit dem Wissen von 2013 hätte er das Projekt Stuttgart 21 nicht begonnen. Es fehlt jetzt nur noch an der Umkehr von dem als falsch erkannten Weg. Der barmherzige Vater Jesu wartet jederzeit mit offenen Armen auf die Umkehr von uns Menschen, so geben auch wir die Hoffnung nicht auf, dass aus den sattsam bekannten Unsinnigkeiten des Projekts Stuttgart 21 doch noch die Konsequenzen gezogen werden. Unser barmherziger und gnädiger Gott segne die geduldige Überzeugungsarbeit, speziell im Blick auf die kommende Bundestagswahl, damit aus der Erkenntnis der Fehler auch wirksame Umkehr werden kann. Amen.
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