Predigt zu Jesaja 11, 1-9 am 26.12.2012 im Stuttgarter Schlossgarten
von Pfarrer i.R. Eberhard Dietrich
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V. 6-8: Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben. Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass ihre Jungen beieinander liegen und Löwen werden Stroh fressen wie die Ochsen. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand strecken in die Höhle der Natter.
Eine solche Vision findet sich nicht ab mit den Zuständen in der Welt, wie sie sind. Sie stellt uns hinein in die Erwartung einer anderen, neuen Welt. Hier aber sind wir nicht mehr staunende Zuschauer, so wie bei der Vision mit dem Frieden innerhalb des Tierreichs, sondern selbst Akteure, selbst gefordert. Wir Menschen können das Reich Gottes nicht heraufführen. Wir können aber im Verhalten zu den Tieren Zeichen setzen, ein Stück weit einen solchen Frieden verwirklichen, und zwar in der Vorfreude auf das Reich Gottes.
Nicht ohne Grund wird ja schon bei der Geburt des Heilands diese Gemeinschaft verwirklicht. Wir sehen die Geburt im Stall immer nur im Horizont des Platzmangels in der Herberge. Könnte dieser Stall nicht auch darauf hinweisen: Da wohnen in der heiligen Nacht Menschen und Tiere einträchtig beieinander. Da haben die Tiere mit dem Atem und der Wärme ihres Körpers ein Zeichen des Miteinanders von Tier und Mensch gegeben und für eine Zeitlang auch ihre Futterkrippe als Bett zur Verfügung gestellt.
Frieden des Menschen mit der Kreatur
In der alten Welt stand die Bedrohung der Menschen durch die wilden Tiere im Vordergrund. Da waren Löwen, Wölfe usw. nicht nur Nahrungskonkurrenten des Menschen, sondern auch eine tägliche, tödliche Gefahr wie das Beispiel der Schlangen lehrt.
Heute ist es umgekehrt. Heute ist der Mensch eine tödliche Bedrohung für die Tiere, nicht nur die wilden Tiere, die es fast nur noch in Naturparks gibt oder in der Wilhelma. Von den vielen Problemen des Tierschutzes möchte ich heute nur ein Problem ansprechen, das uns im Zusammenhang mit S21 erneut ins Bewusstsein gerückt ist: Der Artenschutz.
Wenn es Frieden geben soll, dann müssen wir von der Einsicht ausgehen und diese Einsicht muss auch aus unserem Herzen kommen: Jede Art hat ihren eigenen Wert und ihre Würde hat, hat ein Recht auf Leben unabhängig vom Nutzen für die Menschen. Die biologische Vielfalt von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen in der Natur ist die Grundlage und Bedingung allen Lebens. Sie ist die Grundlage auch unserer menschlichen Existenz. Man kann sich die Notwendigkeit der Artenvielfalt so verdeutlichen: Ein Flugzeug wird durch viele Nieten zusammengehalten. Wenn nun eine Niete nach der anderen rausfällt, ist irgendwo der kritische Punkt erreicht, wann es auseinanderfällt und abstürzt.
Es gibt in der Tierwelt keine Arten, die überflüssig sind oder für den Naturhaushalt entbehrlich. Freilich sind uns diese Zusammenhänge nur unzureichend bekannt. Aber sie sind da. Weder wir Menschen müssen unser Dasein rechtfertigen noch die Tiere ihre Nützlichkeit unter Beweis stellen. Gott ist ein Freund des Lebens, er hat seine Freude an der Vielfalt. Es wäre wunderbar, ein Segen dieses Weihnachtfestes, wenn wir uns von dieser Freude ergreifen lassen könnten.
Wir Menschen sind in eine Gemeinschaft hineingestellt, die nicht nur uns Menschen umfasst, sondern die Natur in ihrer ganzen Vielfalt. Gemeinschaft aber kann nur gedeihen, wo Frieden herrscht und die Tiere die Menschen nicht mehr fürchten müssen. In Gottes Reich können wir uns Gefühle und Regungen von Mitgefühl, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit auch gegen die Tiere leisten, weil wir es Gott zutrauen, dass er für alle seine Geschöpfe sorgt. Diese Welt hat für alle Platz, bietet Nahrung für alle, man muss sie nur gerecht verteilen.
Der Theologe Moltmann hat in diesem Zusammenhang einmal gesagt:
„Je mehr einer glaubt, desto tiefer empfindet er den Schmerz über das Leid in der Welt und desto leidenschaftlicher fragt er nach Gott und nach der neuen Schöpfung Gottes.“
Die Hoffnung auf das Reich Gottes stellt uns auf einen Weg. Sie drängt uns zum Handeln. Unter der Herrschaft dieses Heilands, wird der Mensch unfähig einem anderen Geschöpfen Schaden zuzufügen. Der Glaube verändert uns, motiviert uns. Die Motivation für dieses Tun ist die Freude über den Anbruch der Gottesherrschaft, die Erwartung einer neuen Welt Gottes, und dass wir daran mitwirken können, auch für die Tiere und ihren Schutz.
Wir fassen noch einmal zusammen, was wir machen können:
Nöte mindern
Schmerzen lindern
Leiden vermeiden
Tiere ihrer Art gemäß leben lassen
Den Lebensraum der Tiere erweitern so gut es geht und dagegen protestieren, wenn Menschen ihnen ihr Recht auf Leben streitig machen wollen.
Gedicht: Umkehr
Alle sind wir Teil der Erde,
leidet sie, dann leiden wir.
Viele Tiere sterben jetzt schon
Und sie bleiben nicht mehr hier.
Mensch, bedenke doch dein Handeln,
und das Ganze wird sich wandeln
hin zu Freude,
weg von Gier.
(Johanna Arlt, aus Spiritletter 1476 vom 20. Dezember 2012)
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