Das rechte Wort zur rechten Zeit

So lautet der Titel einer Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland aus dem Jahre 2008.
(Das rechte Wort zu Rechten Zeit. Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Öffentlichkeitsauftrag der Kirche. Gütersloher Verlagshaus 2008)

Viele Christen sehen bei dem Projekt S21 die Thematik des konziliaren Prozesses von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung tangiert und sie fragen sich: Warum bleibt die Kirche stumm?

Hier ein paar Auszüge aus der Schrift:

„Kirchliches Handeln geschieht grundsätzlich in der Öffentlichkeit. Es folgt dem Öffentlichkeitsauftrag Jesu an seine Jünger: »Geht aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen« (Matthäus 10,7). Und dem korrespondiert das Sendungswort des auferstandenen Christus: »Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende« (Matthäus 28,18-20).
Aber im Rahmen des Öffentlichkeitsauftrags, der mit dem Verkündigungsauftrag der Kirche selbst gegeben ist, besteht eine besondere Aufgabe darin, in die Öffentlichkeit hinein zu Grundfragen des politischen und gesellschaftlichen Lebens Stellung zu nehmen. Diese Aufgabe ist der evangelischen Kirche durch die geschichtlichen Herausforderungen des 20. Jahrhunderts nachdrücklich bewusst geworden.’ (S. 7)
…….
(30) Kirchliche Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen wollen vom christlichen Glauben her das rechte Wort zur rechten Zeit sagen. Sie machen aufmerksam auf gegenwärtige und absehbare Herausforderungen und Problemlagen. Sie antworten auf aktuelle Fragen, die von gesamtgesellschaftlicher und politischer Bedeutung sind. Sie versuchen, auch selbst wichtige Fragen zu formulieren, Themen neu ins Bewusstsein zu heben und die Horizonte aufzuzeigen, vor denen Antworten gefunden werden können. Sie nehmen Stellung zu divergierenden Positionen im öffentlichen Diskurs, zu widerstreitenden Interessen und zu notwendigen Güterabwägungen. (S. 32)
…………..
(45) Der Konziliare Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung weist hin auf die Weite des Dienstes, zu dem der christliche Glaube motiviert. Er erschöpft sich nicht in persönlicher Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft. Vielmehr umfasst er den Einsatz für strukturelle Gerechtigkeit und für eine Kultur der Barmherzigkeit, in der die Gemeinschaft insgesamt das Wohl ihrer schwächsten Mitglieder als ureigenstes Anliegen begreift. Er umfasst das Eintreten für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und für eine internationale Friedensordnung, die auf die »Herrschaft des Rechts«, auf ein friedliches Zusammenleben der Völker, auf Krisen- und Konfliktprävention und auf stets vorrangig gewaltfreie Krisen- und Konfliktbewältigung abzielt, und damit Leben und Chancen auch künftiger Generationen als wesentliche Aufgabe begreift. (S. 38)

Hans-Eberhard Dietrich, Pfarrer

Eine Antwort zu “Das rechte Wort zur rechten Zeit

  1. Wolfgang Schiegg

    Besonders hinzuweisen ist auf Aussagen dieser Denkschrift zu jener Frage, die hier immer wieder auftaucht: Inwiefern dürfen oder müssen Christen als einzelne und die Kirche als Institution ihre Stimme erheben und Partei ergreifen bei umstrittenen öffentlichen Angelegenheiten? Hierzu sagt die Denkschrift der EKD:
    „Die evangelische Kirche erfüllt mit Äußerungen zu Fragen
    des öffentlichen Lebens einen Teil ihrer Mitverantwortung für das Gemeinwesen. (S. 25)
    (24) Christen übernehmen persönliche Verantwortung, indem
    sie sich zu Wort melden und ihrem Glauben in Auseinandersetzung
    mit Fragen der Zeit Ausdruck verleihen. Nach biblischem Zeugnis und evangelischer Überzeugung sind sie dazu berechtigt und gefordert. (S. 26)
    (25) Zu unterscheiden davon, wenngleich darauf zu beziehen, sind Äußerungen der Kirche als Institution. Sie sucht mit solchen Äußerungen den Auftrag wahrzunehmen, den Christus seiner Kirche gegeben hat. Diese Äußerungen sind nicht allein durch die persönliche Verantwortung Einzelner, sondern auch durch eine institutionalisierte Verantwortung
    legitimiert und – wenn als unzutreffend erkannt – auch korrigierbar. (S. 26)
    …Denkschriften sollen in besonderer Weise Denkanstöße geben, eine Fragestellung von großer öffentlicher Bedeutung in grundlegender Weise erörtern und Argumente für die Diskussion liefern. Dabei soll die evangelische Kirche so klar wie möglich Position beziehen. Sie wird auch dadurch als »Kirche des Wortes« öffentlich erkennbar. (S. 29)
    (44) Kirchliche Äußerungen zu gesellschaftlichen und politischen
    Fragen müssen bereit sein, Partei zu ergreifen: Im Gehorsam gegen Gottes Gebote und im Wissen darum, dass im bedürftigen Mitmenschen Christus begegnet (Matthäus 25,31ff .), vertreten Christenmenschen vorrangig die Option für die Armen und Schwachen, aber auch für die kommenden,
    noch nicht geborenen Generationen und ihre Lebensmöglichkeiten
    – und zwar im konkreten, materiell-physischen und im übertragenen psychischen sowie im geistlichen Sinn. Für sie die Stimme zu erheben, ihr Anwalt zu sein, ihnen Wege zu gerechter Teilhabe und faire Chancen zu
    eröffnen, ist wesentliches Merkmal des Dienstes, zu dem christlicher
    Glaube motiviert.“ (S. 38)
    Die Kirchenleitung der evangelischen Kirche in Württemberg schweigt zu Stuttgart 21, obwohl dieses Projekt seit Jahren die Herzen und Gemüter der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land bewegt und verunsichert, den gesellschaftlichen und in vielen Fällen auch den familiären Frieden gefährdet und zerreißt, bei unzähligen Menschen körperliche und seelische Verletzungen hevorgerufen hat usw. Sie versucht ihr Schweigen mit dem Hinweis zu rechtfertigen, es handle sich um ein Verkehrsprojekt und es gehe bei Stuttgart 21 nicht um Fragen der Menschenwürde.
    Ein jeder urteile selbst, ob unsere Kirchenleitung mit ihrem Schweigen ihrem geistlichen Auftrag und ihrer „Mitverantwortung für das Gemeinwesen“ gerecht wird oder nicht.

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