Parkgebetansprache von Gunther Leibbrand am 20.11.14

 

Liebe Parkgebetsgemeinde,

wir stünden nicht hier, wenn es nicht schlecht bestellt wäre um
– die soziale Gerechtigkeit,
– eine unparteiische Rechtsprechung
– und eine gesetzestreue Regierung, die dem Wohl des Volkes verpflichtet ist – und nicht der Verwandlung von allem und jedem in eine Ware, mit der Geld zu machen ist.

Alles miteinander konkretisiert sich beispielhaft in dem, was unter der Bezeichnung ‚Stuttgart 21′ vor unseren Augen inszeniert und in die Tat umgesetzt wird.

Ich möchte nicht zum 1001. Male die traurigen Einzelheiten benennen, sondern vielmehr unsere Aufmerksamkeit auf die Quelle lenken, aus der sich weiterhin unsere Empörung speist und unser Widerspruch seine Kraft schöpft.

Wir nennen unser Zusammenkommen „Parkgebet“, weil wir uns an einen Höheren wenden und von Ihm getragen wissen. Sein Anspruch leitet unsere Überlegungen, gibt unserem Widerspruch eine Grundlage, die Bestand hat, auch wenn versucht wird, Hohn und Spott über uns auszuschütten.
So hat Bernhard Häussler denen, die durch ihren passiven Widerstand gegen die Verantwortlichen des „Schwarzen Donnerstags“ zu Schaden kamen, mangelnde Fürsorge gegenüber der eigenen Person vorgeworfen.
Ist das nur perfide, weil er versucht unter dem Anschein, um das Wohl der Geschädigten besorgt zu sein, die Öffentlichkeit zu täuschen? Oder klingt da nicht auch indirekt das Eingeständnis an: Wir waren unserer Aufgabe nicht gewachsen, verantwortungsvoll mit dem „unmittelbaren Zwangsmittel Wasserwerfereinsatz“ umzugehen.

Also, regen wir uns nicht wirklich auf, sondern seien wir vielmehr dankbar, dass unsere Religiosität, unser innerlicher Rückbezug auf die Macht, der sich Himmel und Erde verdanken, uns bisher davor bewahrt, zu den Mitteln der Gewalt zu greifen.
Und:
Wir würden uns Gott gegenüber in‘s Unrecht setzen, wollten wir diesen Oberstaatsanwalt verachten oder gar hassen. Als religiöse Menschen haben wir uns vielmehr gerade ihm gegenüber darin zu üben, den weit besseren Weg Jesu auch mit ihm zu gehen:

„Liebet eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen, segnet, die euch verfluchen, betet für die, die euch misshandeln.“ (Lk 6,27f)

Das sind überraschende Praktiken angesichts auch brutaler Gewalt, Respektlosigkeit gegenüber dem geltenden Recht und gewissenlosem Machtmissbrauch! Nicht davor zurückzuschrecken, geistlich und nicht mit gleicher Münze zu reagieren, ist nicht immer einfach. Im Gegner weiterhin den Menschen zu sehen, mehr wissen zu wollen und uns damit einzulassen auf Jesu wahrhaft geistlich-geistige Herausforderung wird uns aber mit einem festen und getrosten Herzen belohnen. Ich meine, dass wir auf dem Wege Jesu eine innere Festigkeit erlangen werden, die uns noch grundsätzlicher, abgeklärter und ganz ruhig Position beziehen lässt gegen den unheilvollen Weg der Verwandlung von allem und jedem in eine Ware, mit der Geld zu machen ist. Hier in Stuttgart zuerst!

Es gibt das geflügelte Wort von den „Kriegsgewinnlern“: Das sind Leute, die selbst Kriege vom Zaun zu brechen versuchen, um Geschäfte zu machen. In diesen Tagen werden wir Zeugen einer ungeheuerlichen Anmaßung und grotesken Arroganz gerade an der Spitze der Bundesregierung. Dagegen ist ‚Stuttgart 21′ ja wahrlich nur ein harmloser Ausdruck von überheblicher Anmaßung, der sich darauf beschränkt, auf Kosten und zum Schaden der Allgemeinheit sich zu bereichern, also noch keine echte Kriegshandlung.
Gleichwohl bleibt festzuhalten, wer hier im „kleinkriegshaften“ S 21 die „Kriegsgewinnler“ sind: Zuerst die Vorstände usw. der Deutschen Bahn AG; ihnen hinterher rennen all jene, die sich immer dort anhängen, wo Geld zu kriegen ist – meist mit Dingen, die eigentlich niemand braucht, oder die man für viel weniger Geld und Ressourcenverbrauch besser und nachhaltiger haben könnte.

Wenn wir in der Gruppe „S 21 – Christen sagen Nein!“ gegenüber ‚Stuttgart 21′ den Vorwurf erhoben haben, es handele sich dabei um ein Projekt unverantwortlicher Überheblichkeit – angesichts der Herausforderungen, denen sich die menschliche Welt-Gesellschaft gegenüber sieht, dann meinen wir: Wir müssen die ganze Welt im Blick haben, wenn Zukunftsfähiges geschaffen werden soll.

Gleichzeitig ist aber auch festzuhalten, dass nur das zukunftsfähig ist, was vor dem göttlichen Gericht Bestand hat:
Denn wir werden gefragt werden, ob wir bei denen waren, die hungrig, durstig, fremd, nackt, krank oder im Gefängnis waren. Wir werden gefragt werden, ob wir sie gespeist und getränkt haben, ob wir sie aufgenommen, ihnen Kleidung gegeben oder sie im Gefängnis besucht haben. (siehe Mt 25, 31ff.)

Wie viel wäre zu tun in dieser Welt, wenn wir mit Ehrlichkeit und Anstand und in Rücksichtnahme vor unseren Mitmenschen durchs Leben gingen und uns endlich verabschieden würden von der Grundannahme so vieler Bedenkenloser, die meinen, sich vor niemandem rechtfertigen zu müssen und tatsächlich meinen, machen könnten, was geht.

Dieses Parkgebet vor dem Ewigkeitssonntag will uns erinnern, dass für Christen alles, nicht nur die Verkehrs-, Infrastruktur- und Arbeitsbeschaffungspolitik zu geschehen hat unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit und Allgegenwärtigkeit Gottes. Unsere eigene Verpflichtung gegenüber dem, der Himmel und Erde geschaffen hat und noch erhält, möge uns täglich klarer werden. Diese Verpflichtung gegenüber Gottes Wort möge von uns mutig, aber ohne Hass, vertreten werden. In dem Wissen um unsere Beauftragung zu Sendboten Gottes – mitten im Glück und Unglück dieser Welt, in der wir leben.

Noch ein Hinweis zum Weiterdenken:
Wie die Ewigkeit und Allgegenwärtigkeit in die Raumzeitlichkeit der weit verbreiteten und anscheinend normalen Bewusstlosigkeit von Gottes Gegenwart hineinragen kann, wird von dem Harvard-Professor Eben Alexander sehr ermutigend und eindringlich beschrieben in dem Buch: „Blick in die Ewigkeit – die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen“, 2013.

Oben bleiben – nicht nur mit dem Bahnhof!
Amen

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