Ansprache beim Parkgebet am 19.2.2015 von Eberhard Dietrich

1. Einleitung
Liebe Parkgemeinde wir hatten vorhin schon das Thema unseres heutigen Parkgebetes genannt: Die Tiere. Was aber haben die Tiere in unserem Parkgebet verloren? Viele Christen tun sich ja schwer, zum einen überhaupt mit ihrem Verhältnis zu den Tieren und doppelt schwer, den Gedanken zu denken, dass sie mit unserem Glauben etwas zu tun haben sollen.

In unserer christlichen Tradition herrschte eher Tiervergessenheit als die Liebe und Zuwendung zu unseren Mitgeschöpfen, den Tieren. Aber, es hat sich am Ende des letzten Jahrhunderts die theologische Erkenntnis durchgesetzt, dass christliche Ethik, ja der ganze Glaube sich nicht nur auf das eigene Heil oder auf die Mitmenschen beschränken darf. Und das ist gut so. Auch im Glauben gibt es Fortschritte, Gott sei Dank. Das neue Verhältnis zur Natur gehört dazu.

Von einem solchen legitimen Platz im Glauben spricht auch unser Psalm 36:

Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen. (V. 6)
Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes und dein Recht wie die große Tiefe. Herr, du hilfst Menschen und Tieren. (V. 7)
Denn bei dir ist die Quelle des Lebens und in deinem Licht sehen wir das Licht.
(V. 10)

Der Beter(die Beterin) rühmt die Güte Gottes, bei dem er (sie) sich geborgen fühlt und mit den Gütern des Lebens reich beschenkt weiß. Was mir bei diesem Psalm so gefällt, ist die Tatsache wie genial hier Gott, Mensch und Tiere in ganz wenigen Versen zusammengefügt und zusammengesehen werden, insbesondere Mensch und Tier auf einer Ebene. Und das kann so sein, weil es die Güte Gottes ist, die über die ganze Welt sich ausbreitet und alle erreicht. Die Güte Gottes, die Leben schafft, ja geradezu die Quelle des Lebens ist. Und es kann so sein, wenn auf dieser von Gottes Güte erfüllten Erde Recht und Gerechtigkeit die Verhältnisse ordnet und qualifiziert.

2. Welche Schritte zu dieser Erkenntnis führten
Ich sprach davon, dass es früher kaum und auch heute noch nicht für alle diese Selbstverständlichkeit gilt, dass Tiere im Glauben ihren legitimen Platz haben. Und wie gesagt, da haben die Christen, zumindest sehr viele, etwas dazu gelernt.

Wie es dazu kam? Da war zum einen die Umweltproblematik. Sie ließ die Einsicht reifen: Ethik kann sich nicht länger nur auf zwischenmenschliche Bereiche beschränken. Sie muss auch die belebte und unbelebte Natur einbeziehen, die bisher ethisch als unerheblich, indifferent angesehen wurde. Die rasante technische Entwicklung, die ungeheuren technischen Möglichkeiten, die Reichweite menschlichen Handelns, legen dem Menschen neue Pflichten und eine ganz neue Verantwortung auf, eine Verantwortung, die die Natur und die Tiere mit einschließt. So konnte ein zweiter Schritt gemacht werden, die leidende Kreatur wahrzunehmen und Empathie ihr gegenüber zuzulassen und zu entwickeln.

Noch etwas kam hinzu: Viele lasen die Bibel intensiver und stellten fest:
Das ganze biblische Zeugnis von der ersten bis zur letzten Seite der Bibel spricht von den Tieren, spricht davon, dass wir Menschen mit ihnen barmherzig, gerecht, verantwortlich umgehen müssen. Die Verse des Psalmes 36 sind nur einer von unendlich vielen Bibelstellen, die davon sprechen, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass das Verhalten zu den Tieren, vom Glauben her unverstellt betrachtet, vorkommen muss.

Und das ist völlig unabhängig davon, ob wir persönlich Tiere mögen oder nicht, ob wir ein Haustier halten oder nicht. Tiere begegnen uns im Alltag auf Schritt und Tritt, z.B. in unseren Nahrungsgewohnheiten, Stichwort: Massentierhaltung oder in der Medizin, Stichwort: Tierversuche. Unwillkürlich werden wird ständig herausgefordert Stellung zu beziehen, uns eine Meinung zu bilden zu der Frage: Wollen wir tatenlos und ohne Empathie zusehen wie Tiere unendlich leiden? Das alles hat doch mit unserem Glauben zu tun. Es fokussiert sich in unserem Verhalten zu den Tieren wie in einem Brennspiegel zugleich unsere Haltung gegenüber dem Schöpfer dieser Kreaturen.

Liebe Parkgemeinde: Diese Predigt bis hierher könnte eigentlich in jedem Gottesdienst in jeder Kirchengemeinde gehalten werden. Deshalb noch einmal die Fragen:

3. Was aber haben die Tiere im Parkgebet zu suchen? Geht es hier nicht um etwas ganz anderes?
Was aber haben die Tiere im Parkgebet zu suchen? Geht es hier nicht im Wesentlichen um ein Gebet für die Stadt und ihre Bewohner, für den Frieden untereinander?
Und geht es denn nicht um unsere Kritik an dem Kellerbahnhof mit allen seinen schlimmen Auswirkungen, und letztlich um einen Protest gegen das Prinzip Stuttgart 21, ein Begriff, der sich innerhalb unserer Bewegung durchgesetzt hat und der die immense politische Bedeutung unseres Protestes umschreibt,

Um nur ein paar Stichworte zu nennen: Das Prinzip S21 steht für Machtmissbrauch und Menschenverachtung, es steht für Größenwahn und Verlogenheit, für Intransparenz und Skrupellosigkeit, für Ignoranz und Korruption.

Sind denn angesichts dieser Ungeheuerlichkeiten die Tiere und wie man mit ihnen umgeht, hier im Schlossgarten und an den vielen anderen Baustellen der Stadt, überhaupt noch wichtig?

4. Die Antwort: Gerechtigkeit und Recht
Der Psalm 36 führte uns hier auf die rechte Spur, wenn er Gott, Mensch und Tier in einem Atemzug nennt, Mensch und Tier sind auf der gleichen Ebene von Gottes Güte und seinem Leben erfüllt. Aber diese Fülle des Lebens kann sich nur entfalten, wenn Recht und Gerechtigkeit herrschen.
„Herr, deine Gerechtigkeit steht fest wie die Berge Gottes und dein Recht wie die große Tiefe“, gemeint ist hier nach den kosmologischen Vorstellungen der Alten Welt, dass die Welt als Scheibe auf großen Säulen ruht, die fest gegründet in einem Urmeer, die große Tiefe, ruhen.

Recht und Gerechtigkeit sind also ein fester Bestandteil des göttlichen Wirkens. Aber sie wollen hineinwirken in unsere Welt, in unsere menschlichen Verhältnisse und in unser kleines Leben.
Das Wort Gerechtigkeit ist geradezu ein Schlüsselwort der Bibel und unseres Glaubens.
Sie ist nicht teilbar und gilt auf vielen Ebenen.
+ Sie gilt auf der Ebene von Mensch zu Mensch. Ob hier Recht und Gerechtigkeit auch in der Justiz geübt werden. Oder wir sprechen auch von sozialer Gerechtigkeit, dass jeder genug zum Leben hat.
+ Als protestantische Christen ist uns sehr geläufig die reformatorische Entdeckung Luthers die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, d.h. so viel wie: Wir bekommen unser Heil, das ewige Leben geschenkt, ohne eigene Verdienste.
+ Oder das Trachten nach dem Gottesreich und seiner Gerechtigkeit als vornehmste Sorge der Christen.(Matth. 6,33)
+ Und es gibt noch eine weitere Ebene: Gerechtigkeit gilt auch gegenüber allen Kreaturen. Das ist eigentlich selbstverständlich, weil sich aus der Nächstenliebe ableitet die Pflicht gegenüber Hilflosen, Unterdrückten und allen, die selber ihr Recht auf Leben und Unversehrtheit wegen ihrer Unterlegenheit nicht wahrnehmen können. Und dazu gehören heute auch die Tiere.

5. Die Verbindung zu S21
Wir sprachen vorhin vom Prinzip S21, gegen das sich unser Protest und unser Widerstand richtet. Und diesem Prinzip S21 liegt zugrunde eine Ideologie, die nur die Vermehrung des Kapitals kennt und Mensch und Natur diesem Ziel rücksichtslos opfert.
Genau an dieser Schnittstelle liegt die Antwort auf die Frage: Was haben denn die Tiere im Parkgebet verloren.
Ihnen geht es wie den Bäumen an den Kragen.
Viele, vielleicht die meisten in unserer Bewegung sind ja wach geworden und angetreten mit dem Ziel, sich der Zerstörung des Schlossgartens, des Rosensteinpark und vielen anderen mehr in den Weg zu stellen. Und viele haben ihn ja Tag und Nacht bewacht. Aber wir konnten die Zerstörung vor 3 Jahren, und auch die immer weiter fortschreitende Zerstörung in der Stadt heute nicht verhindern.

Das aber heißt ja nicht, dass unsere Einstellung sich ändern müsste. Dieser Einsatz für das Leben muss weiterhin ein starkes Motiv unseres Engagements gegen S21 bleiben.

Und dieser Einsatz für die Natur, für Bäume und Tiere hat seinen Grund darin, dass wir Menschen die wunderbare menschliche Möglichkeit und Gabe der Empathie haben, also des Mitfühlen mit Freud und Leid anderer Lebewesen Der Einsatz für alles Leben um uns herum ganz im Sinne von Albert Schweitzer: „Ich bin Leben inmitten von Leben, das leben will.“

Alles was lebt, ist gleichermaßen wertvoll, Da muss es uns geradezu widerstreben z.B. zu sagen: Ach, es sind ja nur Juchtenkäfer in den Bäumen, die man meist gar nicht zu Gesicht bekommt. Ich glaube, das sollten wir in unserem Denken schon weiter sein. Da dürfen wir die Natur, die Pflanzen und Tiere nicht allein unter dem Gesichtspunkt betrachten, was nutzen sie uns Menschen. Alles, was lebt hat ein Recht auf Leben und muss sich nicht erst seine Lebensberechtigung durch Nützlichkeit unter Beweis stellen.

Das Gefühl der Zusammengehörigkeit von Mensch, Natur und Kreatur ist tief in unserem Glauben eingepflanzt, und es bleibt, so hoffe ich für uns alle, auch weiterhin ein wichtiger Beweggrund gegen S21.

Amen.

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