Als wir im März 2012 einen Trauergottesdienst für den zerstörten mittleren Schlossgarten gehalten haben, wurde uns von Kritikern vorgehalten, dies sei im Vergleich zur Trauer um verstorbene Menschen unangemessen. Es wurde an unserem Verstand gezweifelt und uns eine übertriebene Sensibilität für die 176 Bäume vorgeworfen angesichts weltweiter riesiger Abholzungen und täglicher tausendfacher Tierschlachtungen in Deutschland.
Ich ziehe mir den Schuh, den mir diese Kritiker anbieten, nicht an, sondern reiche ihn zurück: Es ist für mich auffällig, dass dort, wo Tiere auf engstem Raum eingepfercht werden, auch Menschen eingepfercht werden, die für Hungerlöhne diese Tiere schlachten sollen. Wer massenhaft Antibiotika verfüttert, dem ist auch die menschliche Gesundheit egal. Hier ist die mangelnde Sensibilität für das Leid der Tiere gepaart mit der fehlenden Empathie für Mitmenschen. Wer sein Mitgefühl mit der Mitkreatur verdrängt, tut sich auch schwer mit der Einfühlung in den Schmerz seiner Mitmenschen. Wer Tiere und Pflanzen im Schlossgarten der Profitgier weniger opfert, für den sind dann auch Menschen, die in Tunneln ersticken, eine zu vernachlässigende Größe.
Schöpfungsverachtung und Menschenverachtung liegen beim Dienst an dem Götzen Mammon nahe beieinander. Auch bei der Loveparade in Duisburg hat wohl das Interesse an dem Geschäft mit dem Großereignis blind gemacht für die Risiken. Man darf gespannt sein, wann das Eisenbahnbundesamt angeklagt wird für die fahrlässige Genehmigung von Stuttgart 21 ohne ausreichende Berücksichtigung des Brandrisikos.
Wir sind heute zusammen, weil wir unseren Schmerz nicht verdrängen, sondern öffentlich zeigen, und dabei unsere Empathie in fremden Schmerz bewahren. Wir schämen uns nicht unserer öffentlichen Trauer. Unsere Trauer hat nicht das Ziel, den verlorenen Teil des Schlossgartens einfach nur loszulassen. Lange Zeit war in der professionellen Begleitung Trauernder das Loslassenkönnen die hauptsächliche Zielsetzung. Der Theologe und Psychotherapeut Roland Kachler hat als professioneller Trauerbegleiter dieses Ziel lange Zeit verfolgt, bis er seinen 16-jährigen Sohn bei einem Verkehrsunfall verlor und am Grab spürte, dass er zum Loslassen überhaupt nicht bereit war. Er hat über dieser Erfahrung zu einer neuen Praxis der Trauer gefunden, die nicht auf das Abschied nehmen zielt, sondern kreativ an der Beziehung zu dem verlorenen geliebten Menschen arbeitet. Er erlebte, dass er – trotz tiefer Trauer – in seiner Liebe seinem Sohn nahe blieb, dass das gemeinsam Erlebte durch die Erinnerung bewahrt wurde und nicht verloren gehen konnte, dass der geliebte Sohn in seinem Herzen weiter lebendig war. Er konnte sagen: „Du bleibst bei mir in den Bäumen, im Wind und in den Sternen“.
Ich habe den Eindruck, dass wir mit unserem heutigen Gedenken eine sehr ähnliche Erfahrung machen können. In kreativer Weise beleben wir die Erinnerung an den verlorenen Teil unseres wunderschönen Schlossparks. Wir sorgen dafür, dass das Schöne, das wir hier genossen haben, in unserer Erinnerung bewahrt bleibt und uns nicht mehr genommen werden kann. Wenn ein Vater sich seinem verstorbenen Sohn nahe fühlt „in den Bäumen, im Wind und in den Sternen“, dann müsste uns das mit dem verlorenen Teil des Schlossparks auch möglich sein.
Ich kann mir vorstellen, dass für nicht wenige unter uns die Trauer um die Bäume und Tiere hier im Park verbunden ist mit anderen Verlusterfahrungen ihres Lebens. Möge unsere heutige Trauerarbeit uns helfen, ohne zu verdrängen mit anderen Verlusten unseres Lebens ebenso kreativ und heilsam umzugehen im Sinne der Seligpreisung Jesu: „Glückselig sind, die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“. Amen.
Ich frage mich bei dieser unreflektierten Predigt nur, ob nicht langsam die Bäume angebetet werden. Ist diese Ansprache eigentlich mit dem Dekan abgestimmt worden? Was bei Ihnen abläuft ist antichristlich – ich werde diesen Text an die zuständigen Stellen der Kirche in Stuttgart schicken.
Ja, das wäre schön, wenn die offiziellen kirchlichen Stellen in Stuttgart mal wahrnehmen würden, daß es ein Parkgebet gibt und daß man durchaus mit den Theologen hier diskutieren kann und Ansichten austauschen. Deswegen unterstütze ich Ihre Initiative ausdrücklich. Bitte berichten Sie von den Antworten.
Allerdings ist mir neu, daß Predigten vom Dekan genehmigt werden müssen.
Lieber Herr Löffler,
Sie Schreiben hier in einem Blog, der für Argumente eingerichtet ist. Dazu müssten Sie erläutern, was Sie an der Ansprache unreflektiert und antichristlich finden und wo sie in ihr die Anbetung von Bäumen erkennen. Für bloße abschätzige Bemerkungen ist der Blog nicht da.
Ich bin gespannt, ob sie „die zuständigen Stellen der Kirche in Stuttgart“ finden, die Ihnen in Ihrer unbegründeten Kritik an der Ansprache recht geben. Jedenfalls wirkt Ihre Erwartung, Predigten oder Ansprachen würden „mit dem Dekan angestimmt“, ausgesprochen vordemokratisch.
Mit freundlichem Gruß
Friedrich Gehring
Zitat Friedrich Gehring:
„Wir sind heute zusammen, weil wir unseren Schmerz nicht verdrängen, sondern öffentlich zeigen, und dabei unsere Empathie in fremden Schmerz bewahren. Wir schämen uns nicht unserer öffentlichen Trauer. “
Für mich wecken diese Formulierungen starke christliche Assoziationen, speziell an das Passionsgeschehen. Das war vermutlich so beabsichtigt in dieser Ansprache. Das kann man als provozierend empfinden. Aber unreflektiert war das bestimmt nicht.
Hat dies auf Walter Friedmann rebloggt und kommentierte:
Friedrich Gehring, Stuttgart