Ansprache beim Parkgebet am 9.11.2017 zu Lk 16,9 von Pfr. i.R. Friedrich Gehring

„Ich Sage euch: Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit sie, wenn er euch ausgeht, euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“
Jesus rät dies seinen Jüngern, nachdem er ihnen eine lebensnahe Begebenheit geschildert hat: Ein Gutsverwalter hat seinem Gutsbesitzer Geld verschleudert, muss nun seine Machenschaften offenlegen und wird gekündigt. Der Verwalter nutzt nun die letzte Gelegenheit, seine Zukunft zu sichern und lässt die Schuldscheine der Schuldner seines Herrn zu deren Gunsten fälschen, um für die Zeit seiner Arbeitslosigkeit von den Begünstigten unterstützt zu werden. Jesus lobt die Schläue des veruntreuenden Verwalters.

Seit Jahrzehnten bekomme ich auf Predigten zu diesem Text gerade von frommen, gewissenhaften Christen entrüstete Reaktionen: Wie kann Jesus einen solchen Kriminellen als Vorbild hinstellen? Diese Entrüstung ist verständlich aus der Froschperspektive von Familie, Freundeskreis, Verein oder Handwerksbetrieb. Da erscheint solches Verhalten tatsächlich asozial. Aber Jesus als genialer Wirtschaftswissenschaftler weitet unseren Blick. Er sieht, was der Mammon weltweit anrichtet. Er weiß vom „Mammon der Ungerechtigkeit“. Er sieht das System des Mammon, das von unten nach oben verteilt. Brecht bringt es entsprechend in der Dreigroschenoper auf den Punkt mit der Frage: Was ist schon ein Banküberfall gegenüber der Gründung einer Bank. Allein die Deutsche Bank hat über 6000 Gerichtsverfahren am Hals, dies illustriert das Urteil von Jesus wie das von Brecht.

Schauen wir also mit Jesus einmal genauer hin: Einer Kassiererin, die einen Pfandbon für 0,3 € veruntreut, darf fristlos gekündigt werden. Auch höchste deutsche Gerichte muten einem Chef nicht zu, mit einer solchen Mitarbeiterin weiter zusammenzuarbeiten. Der Airberlin-Chef Thomas Winkelmann hat sich im Februar 2017 ein jährliches Gehalt von 950000 € bis 2021 vertraglich gesichert. Er sorgt wie der veruntreuende Verwalter im Beispiel Jesu auf fremde Kosten für die Zeit seiner absehbaren Arbeitslosigkeit vor, und dies enorm dreist. Aber selbst der Kommentator einer so kritischen Zeitung wie der Frankfurter Rundschau findet das gut. Er sagt: Sonst bekäme man ja für insolvenzbedrohte Firmen keine Chefs mehr. Hier fehlt genau jene Empörung, die in der Froschperspektive des Pfandbons gegenüber der Kassiererin auch höchstrichterlich sofort entsteht. Diese doppelte Moral und diese Umverteilung von unten nach oben prangert Jesus als „ungerechten Mammon“ an. Die wirtschaftlich Mächtigen sind selbst das Gesetz. Im weltweiten Neoliberalismus geben ihnen gewählte Abgeordnete und Richter die Freiheiten und Schlupflöcher, durch die sie ihren Profit steigern und ihre Gewinne vor dem Fiskus in Steueroasen verstecken können. Nach den „Panamapapers“ sind nun die „Paradisepapers“ bekannt. Der Verwalter im Beispiel Jesu dagegen verteilt von oben nach unten. Er hofft auf die Verheißung: „Glücklich sein werden die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erfahren“ (Mt5,7). Dafür lobt ihn Jesus.

Das Projekt Stuttgart 21 bietet eine besonders delikate Anschauung für Ungerechtigkeit des Mammon. Als Anfang 2013 die Unwirtschaftlichkeit des Projekts offensichtlich wurde und eine Weiterführung nach Aktienrecht als Veruntreuung der Gelder der DB-AG gelten musste, befand die Berliner Staatsanwaltschaft unter der Weisungsgebundenheit eines CDU-Justizsenators, es handle sich beim Weiterbau tatsächlich um Untreue, das hätten die Aufsichtsräte aber nicht erkennen können. Damit wurde ihnen bescheinigt, für die Führung der DB-AG zu dumm zu sein, aber dass der Grundsatz: „Dummheit schützt vor Strafe nicht“ für sie nicht gilt. Wenn es um Milliarden für Bauaufträge geht, ist das natürlich etwas ganz anderes als bei einem Pfandbon. Deshalb spricht Jesus vom „Mammon der Ungerechtigkeit“. Die Kleinen werden gehängt, die Großen lässt man laufen

Wir sind natürlich als S 21-Umstiegsbefürworter sehr gespannt, was unter dem grünen Berliner Justizsenator mit den Ermittlungen wegen Untreue in Sachen S 21 wird. Die Luft für die dummen Veruntreuer wird dünner. Roland Pofalla, der nachweislich im Auftrag der Kanzlerin zur Untreue angestiftet hat, lässt nun den Schlamassel S 21 erneut prüfen. Vertuschen wird schwieriger: Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst das Auskunftsrecht des Parlaments im Blick auf S 21 gestärkt.
Es hat ausdrücklich festgestellt, dass die Regierung Auskunft geben muss über die Rentabilität von S 21. Möge die Luft für Pofalla noch dünner werden, wenn die Grünen in den Verhandlungen um eine Jamaikakoalition erfolgreich für eine vernünftige Verkehrspolitik eintreten, wie es unser Mitstreiter Martin Poguntke in seiner jüngsten Petition fordert. Und möge der Stuhl für die Kanzlerin heißer werden, die ja als Hauptanstifterin zur Untreue in Sachen ihres Lieblingsprojekts S 21 gelten darf. Anstiftung zur Untreue ist ein eigener Straftatbestand (§ 266 in Verbindung mit § 26 StGb) und wird bestraft wie die Untreuehandlung selbst.

Wenn wir uns von Jesus den Blick weiten lassen auf die Ungerechtigkeiten des Mammon, werden wir weiter unverdrossen diese Ungerechtigkeiten skandalisieren. Vor allem aber werden wir nicht den Heilspropheten des Mammon auf den Leim gehen, die uns vorgaukeln, wenn wir nur den Mammon ungezügelt walten lassen, dann würden wir alle davon profitieren. Wir werden nicht müde, Stück für Stück nachzuweisen, dass die Gewinne der Mammonsjünger von den Armen geholt werden. Die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft sind erkauft durch das Lohndumping der Agenda 2010 und die unweigerlich folgende Altersarmut. Die Gewinne von stromfressenden Konzernen werden subventioniert durch die Umlage für erneuerbare Energien auf der Stromrechnung von allein erziehenden Hartz-IV-Empfängerinnen, die deren Kinder noch ärmer macht. Die Gewinne der Autokonzerne werden erwirtschaftet auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung. Die sinnlosen Bauaufträge bei S 21 werden bezahlt von den Bahnkunden oder den Steuerzahlern. Wir werden in der Nachfolge Jesu nicht aufhören, den neoliberalen Heilspropheten die Maske der Menschenfreundlichkeit herunterzureißen und die Fratze der zerstörerischen Gier sichtbar zu machen. Amen.

2 Antworten zu “Ansprache beim Parkgebet am 9.11.2017 zu Lk 16,9 von Pfr. i.R. Friedrich Gehring

  1. Es ist ungerecht, dass Sie die demokratischen Entscheidung immer weiter nicht respektieren wollen. Wenn ich solche Christen wie Sie sehe, dann bin ich jeden Tag froh, dass ich zu Ihrem Glauben nicht mehr dazugehöre.

  2. Lieber Frank,
    mit der „demokratischen Entscheidung“ meinen Sie vermutlich den Volksentscheid zu Stuttgart 21. Er verneinte einen Ausstieg aus der Finanzierung des Projekts bei Kosten von ca. 4,5 Milliarden Euro. Sie leiten offenbar daraus ab, dass trotz des Kostendeckels demokratisch entschieden sei, beliebige Kostenerhöhungen zu erlauben. Schon mit der eingestandenen Kostenerhöhung von 6,8 Mrd. Euro kann der Volksentscheid nicht mehr zur Rechtfertigung der Weiterführung des Projekts herangezogen werden. Denn auch ein Volksentscheid kann nicht das bestehende Recht außer Kraft setzen. Nach Aktienrecht darf eine AG kein unwirtschaftliches Projekt fortsetzen, weil es das Geld der Aktionäre veruntreut. Wenn Christen wie ich und die wie die Besucher des Parkgebets diese Veruntreuung, die von unten nach oben verteilt, im Sinne der Kritik Jesu am Mammon skandalisieren und Sie sich von diesem „Glauben“ distanzieren, dann ist das konsequent: Sie haben anders als wir mit der Botschaft Jesu nichts am Hut.
    Mit herzlichem Gruß
    Friedrich Gehring

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